Trauerrede Pastor Renke Brahms

Gedenkfeier für Hans Koschnick
4. Mai 2016 – St. Petri-Dom Bremen
Schriftführer Pastor Renke Brahms,
Friedensbeauftragter des Rates der EKD
Der Friede Gottes – Schalom – sei mit uns allen. Amen.
Liebe Frau Koschnick, liebe Familie Koschnick, liebe Trauergemeinde!
Ein großer Bremer, ein aufrechter Hanseat, ein Brückenbauer, ein Kämpfer für
Frieden, Europa und Bremen, ein Friedensstifter – so ist Hans Koschnick schon
über viele Jahre, besonders aber in den letzten Tagen gewürdigt worden – zu
Recht. Und dennoch hätte er selbst vielleicht abgewunken und gesagt: Nun
übertreibt mal nicht! Denn das gehörte auch zu ihm: unprätentiös, bescheiden zu
sein und sich als Dienender der Menschen zu verstehen.
Sein politisches Leben, sein Engagement für Bremen und die Menschen dieser
Stadt, für Europa, für Mostar, für Israel und Polen und für Frieden und
Versöhnung hat er vielleicht in dem Sinne verstanden und gelebt wie es der 1.
Brief des Petrus aus dem Neuen Testament ausdrückt:
Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten
Haushalter der mancherlei Gnade Gottes:
Wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass
er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen
werde durch Jesus Christus.
Gepredigt hat Hans Koschnick zwar auch - bei Kanzelreden zum 1. Mai in seiner
Gemeinde Unser Lieben Frauen hier in Bremen oder einmal in Wittenberg – und
vielleicht manches Mal beim guten Zureden bei politischen Entscheidungen in
Bremen oder zu Wegen des Friedens bei Konflikten in Mostar – und anderswo.
Aber seine Art des Dienens war vor allem die Begegnung, das Gespräch und die
Tat – über alle konfessionellen, religiösen, parteipolitischen und
weltanschaulichen Grenzen hinweg.
Das ist eine Gabe, die ihm geschenkt war. Dass er seinen Dienst tun konnte an
den Menschen und für diese Stadt und andere Regionen, ist ein Grund zu großer
Dankbarkeit. So empfinden Sie es, liebe Frau Koschnick und Sie als Familie, so
empfinden wir es, die hier versammelt sind, so empfinden es viele Bürgerinnen
und Bürger dieser Stadt und Menschen in den Partnerstädten Bremens, in Danzig
oder Haifa oder in Mostar.
Gewiss: eine Gabe kann man auch ungenutzt lassen und den Menschen damit
nicht dienen - oder man kann sie reifen lassen und einsetzen. Sensibilisiert durch
das politische Engagement der Eltern mit den Konsequenzen der Gefangenschaft
des Vaters und der Nachteile im Berufsleben der Mutter, war Hans Koschnick
sicher früh wachsam in seiner Wahrnehmung der gesellschaftlichen und
politischen Entwicklungen. So wuchsen seine Solidarität mit den Menschen und
sein Eintreten für Frieden und Versöhnung.
Und die Kraft, die Gott ihm gewährt hat wie es der 1. Petrusbrief formuliert, hat
sich bewährt. Er hat aus seinem christlichen Glauben – wenn auch erst spät
getauft – nie ein Hehl gemacht. Er hat ihn aber auch nicht vor sich hergetragen.
Er hat vielmehr Raum gelassen für die Vielfalt. In der eigenen Familie haben Sie,
liebe Frau Koschnick Ihre Ehe mit großer Selbstverständlichkeit ökumenisch
gelebt – auch in Zeiten, in denen das für die Kirchen noch keineswegs
selbstverständlich war.
Die Kraft, die ihm geschenkt war, hat er eingesetzt für die Menschen und sie hat
ihn in manchen schwierigen Tagen getragen. Ob Schülerunruhen in Bremen oder
Auseinandersetzungen um die Universität, ob die für ihn sicherlich schwerste
Stunde der Schließung der AG Weser oder die Anschläge in seinem Amt als
Sonderbeauftragter der EU in Mostar: Hans Koschnick war kein Mensch, der
schnell aufgab, sondern sich in großer Selbstverständlichkeit der Verantwortung
stellte – auch wenn er oder Sie, liebe Frau Koschnick vielleicht ja auch Ihre
Zweifel und Fragen hatten.
Liebe Trauergemeinde!
Das Leben des Verstorbenen umfassend zu beleuchten, kann selbst in mehrere
Ansprachen und Reden kaum gelingen. Was wir benennen können, bleibt immer
Stückwerk. Die politischen Stationen des Lebens von Hans Koschnick ausführlich
zu würdigen, überlasse ich Berufeneren.
Ich bin dankbar, Hans Koschnick begegnet zu sein und manche kleine
Gelegenheit zum Gespräch erlebt zu haben. Die Bremische Evangelische Kirche
hat in Hans Koschnick einen engagierten und verlässlichen Partner als Christ,
Bürgermeister und Kirchensenator erleben dürfen.
Als Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche haben mich sein
Engagement für Frieden und Gerechtigkeit, für die Aussöhnung mit Polen und
Israel, seine Verbundenheit mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und der
Friedensinitiative Eirene tief beeindruckt. Und ich darf grüßen vom
Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem bayerischen
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm – ich zitiere: „Hans Koschnick war für
mich immer ein Vorbild von politischer Kultur. Ich bin ihm mehrmals persönlich
begegnet und dabei hat er mich jedes Mal beeindruckt. Man hat immer spüren
können, wie er sein Christsein auch in seinem politischen Leben ernst genommen
hat.“
Dass Hans Koschnick aus den ihm geschenkten Gottesgaben etwas gemacht hat
und das, was in seiner Kraft stand, getan hat, macht mich und uns von Herzen
dankbar. Wir legen sein Leben in Gottes Hand zurück und vertrauen auf Gottes
Gnade, die nicht aufhört.
Und wenn wir über den Tod hinausdenken, hoffen und glauben, dann tun wir das
nicht im Sinne einer Vertröstung. Das stieße auf den energischen Widerstand
Hans Koschnicks. Nein, es ist eher so zu verstehen: Die Würde jedes einzelnen
Menschen ist unantastbar – sogar so unantastbar, dass selbst der Tod nicht das
letzte Wort haben darf, sondern das Leben.
Vielleicht nehmen wir es so, wie Marie-Luise Kaschnitz es gedichtet hat:
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um