Das «Hilfswerk für die Kinder derLandstraße

3lette<3iitd)cr3eitttng
Mittwoch, 30. Oktober 1963
Das «Hilfswerk
für die Kinder der Landstraße»
und seine Bestrebungen
Vor kurzer Zeit erschien, herausgegeben von der Stiftung Pro Jnventute, ein 80 Seiten starkes Händchen «Kinder der Landstraße»". Dr. A. Siegfried, der Gründer und
langjährige Leiter des «Hilfswerks für die Kinder der Landstraße», gibt darin eine Zusammenfassung seiner reichen Erfahrungen, die er während 35jähriger Fürsorgetätigkeit gesammelt hat. Für die kurze Betrachtung, die wir der Eingliederung fahrender
Sippen widmen, wurden noch einige weitere Schriften beigezogen.
Gründung und Gedanke des Hilfswerks
Die Existenz eines «Hilfswerks für die Kinder
der Landstraße» in unserem so sehr auf Reinlichkeit bedachten und ordnungsbewußten Staate wird
n i mit der besagm a n c h e überraschen, der noch e
n
ten Institution in Berührung gekommen ist. Wohl
Bevölkerung
jenen
großer
Teil der
kennt ein
Scherenschleifer oder Schirmflicker, der alljährlich
an der Haustiirc erscheint und um Arbeit nachsucht; wohl verbinden sich bei andern mit dem
Namen einiger bündnerischer Ortschaften vage und
romantische Vorstellungen über das Landfahrertum; aber die soziale Realität der Vaganten, von
Wohnwagen
denen noch einige tausend mit Kai-ren,
oder einem alten Auto durch die Schweiz zielten,
verborgen.
ist den meisten
Die Gründung des Hilfswerks fällt ins Jahr
1926, der Anstoß dazu kam von zwei verschiedenen
Seiten: aus der (legend von Locarno bekam das
Zentralsekretariat der Pro Jnventute die Meldung,
Vaganten-Eheein völlig dem Alkohol verfallenes
paar hause dort in unglaublichen Verhältnissen mit
minderjährigen
ältesten
beiden
Die
Kindern.
sechs
Knaben waren wegen ihrer Diebereien zum Sehrekgeworden.
Bevölkerung
AbBehördliche
ken der
hilfe war unmöglich, da die Familie ihre Zelte am
Grenzpnnkt dreier Gemeinden aufgeschlagen halte
und sie beim Auftauchen des Ortspoliziston nur um
ein pnar Meter zu verschieben brauchte, um sich in
Sicherheit zu bringen. Der Pro-Juventutc-Fürsorger, der sich der Sache annahm, unterhandelte mit
gleichen Tage die
den Eltern und nahm noch am
beiden Strolche mit sich. Kurze Zeit später ließ
vernehmen,
man
wolle doch, nachsich der Vater
dem ihm die beiden Hauptverdiener entzogen seien,
In einem ähnauch die andern Kinder abholen.
es handelte sich um eine verlotterte
lichen Falle
wurde die Pro
Schirmflickcrfamilie aus Basel
Juventute sogar aus dem Bundeshaus um Hilfe angegangen. Die genauere Prüfung dieser beiden
Einzelfälle ließ deutlich erkennen, daß eine wirk-
Hilfe für die Kinder des fahrenden Volkes
nur von einer zentralen schweizerischen Stelle aus
mit Erfolg durchgeführt werden könne. Die Hei-
same
matgemeinden der Fahrenden, die durch deren
ständige Unterstützung zum Teil in schwere finanzielle Bedrängnis gebracht worden waren, hatten,
auf sich selbst angewiesen, weder die Kraft noch
dio Möglichkeit, diese weitgespannte Aufgabe
durchzuführen,
Herkunft der Vaganten
Sovicle Forscher sich ernsthaft an dio Ergründung von Ursprung und Wesen des Vagantentnms
gemacht haben, soviele sind auch schließlich an der
Frage gestrauchelt. So sagt Ritter in einem Aufsatz über deutsche Vaganten («Der nichtseßhafte
Mensch», 1938), daß es schon schwer falle, die
Ahnen dieser Menschen überhaupt festzustellen.
Für die Schweizer Fahrenden lassen sich wohl die
Stammeltorn bis ins 17.- Jahrhundert zurück ermitteln, woher sie aber gekommen sind und auf was
für einem Grundstock ihr vom bürgerlichen so verschiedenes Wesen gewachsen ist, läßt sich meistens
nicht nachweisen. Es steht indessen fest, daß sie
mit den Zigeunern, welche indischen Ursprungs
sind und am Ende des Mittelalters nach Europa gekommen sind, nichts zu tun haben. Sie sind aus
unsern eigenen Bevölkerungsschichten hervorgegangen.
Eine genealogische Untersuchung der Stammbäume nach den üblichen Methoden ist deshalb zum
Scheitern verurteilt, weil es nach gesicherten Erkenntnissen die Frau ist, welche die Vagantität
weitervererbt. So stellte der Bündner Psychiater
Jörger vor 50 Jahren lest, daß die Vagantenfamilien durch «Einheirat liederlicher Weiber» in
Bauern- und Tflgelöhnerfnmilien entstanden seien.
Diese Erkenntnis bestätigte sieh inzwischen in der
Praxis mohrfach: Primitive, willensschwache Abkömmlinge aus ein fachen Familien, die eine Verbindung mit einer Vagantin eingegangen waren,
fingen oft innert kurzer Zeit auch das Wanderleben an. Heiratete jedoch n
e i Landfnhrer ein Mädchen aus seßhaften Verhältnissen, so gelang es
diesem meistens, den jungen Mann auch seßhaft
zu machen.
Für eine soziologisch-historische Erforschung
sodann weitere
Schwierigkeiten aus dem Umstand, daß sich die
Spuren der Vaganten in der riesigen Menge von
Heimatlosen verlieren, welche sich vor der Gründung des Bundesstaates in der Eidgenossenschaft
aufhielten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging der Bürger sehr rasch seines Heimatreebts verlustig; so durch Abfall vom Glauben,
illegitime Geburt, unerlaubten fremden Kriegsdienst und aus andern Gründen. Auf mehreren Tngsatzungen zwischen 1803 und 1848 wurde versucht,
die Rückeinbürgerung der Heimatlosen durch Konkordate zu regeln, doch die Konkordate scheiterten
fast alle am Widerstand einzelner Kantone, und
von einem Bürgerrecht für die Fahrenden war
d i Rede. Es bestanden im
ohnehin noch nicht e
Gegenteil Pläne, sie ins Ausland abzuschieben, wie
des Vagantcnproblems erwachsen
'Alfred Siegfried, Kinder der Landstraße; ein
Versuch zur Scßhaftmadiung von Kindern des fahv o Zentralsekretariat
renden Volke«. Herausgegeben m
Pro Juvtatutc
das damals auch in andern Staaten üblich war mit
verdächtigem und unbequemem «Gesindel».- In dieser Zeit wurden die Vaganten recht eigentlich zu
Parias gemacht.
Der nengegründete Bundesstaat strebte dann
eine umfassende Regelung der Vaganten- und Heimatlosenfrage an und schuf 1850 das Bundesgesets,
die Heimatlosigkeit betreffend. Dieses Gesetz verpflichtete den Bundesrat, alle Unbeheimateten den
Kantonen zur Einbürgerung zuzuweisen ; die Kantone ihrerseits konnten die Einbürgerung in den
Gemeinden regeln. Maßgebend für die Zuteilung
der Leute durch den Bundesrat waren etwa die Abstammung von Eltern, die schon im Kantone ansässig, der Ort der Trauung und der längste Aufenthalt seit 1803. Die Fahrenden erhielten durch
diese Regelung (mit Ausnahme des Biirgernutzens)
sämtliche Rechte und Pflichten der seßhaften Bevölkerung, auch das Recht auf Armenunterstüt
zung. Daß sich die Zwangseinbiirgerung der Jenischen nicht ohne heftige Auseinandersetzungen abwickelte, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Mit dem Ileimatlosigkcitsgesetz war nun der
äußere Rahmen der Bürgerrechtsverhältnisse goregelt; nach Quellenangaben sollen damals 17 000
ansässige und 800 fahrende Heimatlose eingebürgert worden sein. Die Hoffnung, dio Jenischen
könnten nun durch die Erteilung des Bürgerrechts
seßhaft gemacht werden, erwies sich indessen als
trügerisch. In dieser Beziehung hatte der staatliche
Versuch fehlgeschlagen, und bei diesem einen staatlichen Eingriff in die Sphäre der Vaganten blich
es.
Wesensart und Lebensweise
Der nach außen am auffälligsten in Erscheinung tretende Wesenszug der Fahrenden ist ihr
Wandertrieb. Inwiefern dieser rein äußerlich bedingt ist (durch die besondere Art der Berufsausülmng und die Flucht vor der Polizei) ist nicht
mit Sicherheit zu sagen, bestimmt ist er aber ein
Ausdruck der ganz allgemeinen Unstethoit und
Planlosigkeit der Jenischen. Diese Unfähigkeit,
zielbewußt zu denken und zu handeln, kommt auch
zum Ausdruck, wenn man genötigt ist, ihnen dio
Kinder wegzunehmen: Da drohen sie zuerst mit
Anwalt und Gericht, doch bei dieser Drohung bleibt
es dann in fast allen Fällen. Weitere Sehritte bleiben aus, und nach wenigen Wochen scheinen sie
das ihnen zugefügte «Unrecht» vergessen zu haben.
Obwohl die meisten Vaganten kaum den Anforderungen der Volksschule genügen, kann man nicht
behaupten, sie seien lebensuntüchtig. Sie haben
zwar keinen Beruf erlernt (was sie nicht hindert,
sich als Bemfsarboiter auszugeben) und sind auch
wenig schreibgewandt. Dagegen besitzen sie die
Gabe, sich beim Gesprächspartner einzuschmeicheln
und auf dessen Wünsche einzugehen, was ihnen im
Hausierer-, Korber- und Schirmflickcrmetier sehr
zustatten kommt. Als Hausierer verdienen sie denn
auch recht gut, und viele rühmen sich, daß ihnen
ein halber Arbeitstag für ihren Unterhalt genug
.
einbringe
Weitere typische Charaktereigenschaften sind das unsorgfältige Umgeben mit Hab
Schlampigkeit
und Gut, ihre
und ihr Leichtsinn im
Erwerb und Verkauf von Waren.
Die jenischen
sind alle katholisch; ihre Religiosität konzentriert
sich jedoch auf ein paar wenige, markante Ereignisse, wie Taufe, Eheschließung und den Empfang
der heiligen Sterbesakramente.
Für die Lebensweise der Fahrenden ist bemerkenswert, daß sie in mehr oder weniger matriarchatsähnlichen Zustünden leben; die rVau, als normalerweise für das Vagantentum überhaupt Verantwortliche, ist auch in der Gemeinschaft tonangebend. Der Lebensstandard ist ziemlich niedrig,
die Budgets sind auf bloße Bedarfsdeckung ausgerichtet. Die oft und gern verbreiteten Schilderungen eines apokalyptischen Sittenzerfalls, von
Promiskniüit und Inzest, sind im allgemeinen nicht
zutreffend. Auch in Vagantenkreisen ist die Ehe
die normale Lebensgemeinschaft zwischen Mann
und Frau. Es wird von der Sippe der Jenischen
ebensowenig gebilligt, daß eine Frau ihren .Mann
verläßt, wie von bürgerlichen Kreisen.
In diesen Zusammenhang gehört noch ne i Blick
auf die Kriminalität der Jenischen. Der Leiter des
Hilfswerks hat jährlich eine bis zwei Zcitungsmeldnngen ül>or Verbrechen Jenischer registriert.
Darin sind die leichteren Vergehen und liebertretungen nicht inbegriffen. Eigentliche Schwerkriminalität ist selten, l>ei Verbrechen handelt es
sich fast immer um AlTekthandlnngon und' selten
um Vorbedachtstaten. Aus dem Kreise der vom
Hilfswerk betreuten über 500 Zöglinge ist ein einziger Fall eines Schwerverbrechers bekannt, der
nach einem erfolgreichen Einbruch in ein Zeughaus
seinen Komplizen erschoß.
Die hauptsächliche Gefährdung dir Vagantenkinder und die Gründe, die ihre Wegnahme und
Versorgung geboten erscheinen lassen, bestehen in
der Unfähigkeit der Eltern, den Kindern eine richtige Erziehung zu vermitteln, und in deren Vernachlässigung. Dio Lebensweise der Landfahrer
schließt einen geordneten Schulbesuch in der Regel
aus. Noch schlimmer ist der früh geförderte Hnng
zur Trunksucht. Der Alkohoikonsum der Fahrenden
ist riesig, auch die Frauen sind durchweg große
Trinkerinnin. Wie die Vagantenkinder schon in
frühester Jugend in das Leben der Erwachsenen
hincinbezogen werden, da sie schon in zartem Alter
ihrem Broterwerb nachgehen müssen, so werden sie
auch von Kindsbeinen au Zeugen oder Opfer aller
Exzesse der Betrunkenheit, sei es, daß sie dieselben
miterleben, oder aber daß sie, von den Erzeugern
irgendwo liegengelassen, die Nncht im Freien zu-
bringen müssen.
Rechtsprobleme
bei der Versorgung der Kinder
Beim Versagen der elterlichen Erziehung greifen die gesetzlichen Sanktionen von Art. 283 285
ZGB ein, von denen für den vorliegenden Fall vor
allem die beiden letzten (Versorgung der Kinder
und Entziehung der elterlichen Gewalt), meist beide
miteinander verbunden, in Frage kommen. Es hat
sich immer wieder gezeigt, daß der angestrebten
Eingliederung von Kindern der Landstraße eigentlich nur dann Erfolg beschieden war, wenn sie
sowohl aus der Vagantensippe entfernt wurden und
auch den Eltern die elterliche Gewalt entzogen
wurde; denn ib e der bloßen Wegnahme bleibt den
Eltern nicht nur die Entscheidungsbefugnis, sondern auch die Nutzung des Kindesvermögens.
Voraussetzung für die Versorgung der Kinder
sind dauernde Gefährdung oder Verwahrlosung;
dio Verwahrlosung kann das leibliche, geistige und
(nach Egger) auch das sittliche Wohl betroffen.
Voraussetzungen für den Entzug der elterlichen
Gewalt (die schärfste Maßregel) sind nach ZGB
Unfähigkeit dor Eltern, schwerer Mißbrauch oder
grobe Vernachlässigung ihrer Pflichten. Die Unfähigkeit, auf die man sich seitens des Hilfswerks
meistens berief, kann unter anderem bestellen in
Unfähigkeit zur Ernährung, Pflege, Erziehung, in
Geistesschwäche,
oder
Lebenswandel
unstetem
Trunksucht. Das Kind muß unter der Unfähigkeit
leiden und dauernd und ernstlieh gefährdet sein
(Egger, Kommentar ZGB). Wie wir oben gesehen
haben, sind bei den Vaganteneltern meist mehrere
Voraussetzungen erfüllt.
e
Morgenausgab
Blatt 7
Nr. 4412
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«Das Projekt
für die Schiffbarmachung des Hochrheins»
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Binnenschiffahrtsprojekt findet in der Sammlung
von acht Aufsätzen aus der Feder sachkundiger
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Der 80 Seiten umfassende Sonderdruck kann
smn Preise von 4 Fr. beim Buchverlag der «Neuen
Zürcher Zeitung», Hauptpost fach, Zürich 1, an
unsern Schaltern Falkenstraße 12 und Bahnhofstraße 70 bezogen werden.
dio Kinder keine Berührungsmöglichkeiten mit
ihren Erzeugern hatten.
Nach der Versorgung der Kinder ist die Fürsorgetäfigkeit keineswegs beendet, es folgt die sogenannte nachgehende Fürsorge.. Der Fürsorger
muß auch mit. den in Familien untergebrachten
Kindern in ständigem Kontakt bleiben, und der
Leiter des Hilfswerks hat alle Zöglinge über
dreißig Jahre lang selbst betreut. Besonders wichtig ist die nachgehende Fürsorge bei Heimzöglingen. Durch dio Schaffung von Patenschaften wurde
hier versucht, dio Beziehungslosigkeit zu überwinden und Verbindungen zur Außenwelt zu
schaffen.
Die Ergebnisse der Resozialisierung
Tm Laufe von 35 Jahren wurden 542 Kinder
betreut, von denen inzwischen rund vier Fünftel
volljährig geworden sind. Von diesen waren rund
Stetigkeit der Betreuung. Bei der bloßen Weg- 35 Prozent in Graubünden beheimatet, dio andern
nähme waren Konflikte zwischen Pflegeeltern bzw. rekrutierten sieh vorwiegend aus den Kantonen
Anstaltsleitern und leiblichen Eltern unvermeidlich. St. Gallen, Schwyz und Tessin. Für eine BerafsFrage,
Die größten Schwierigkeiten rechtlicher Natur lehro kamen mehr als die Hälfte nicht in
ergaben sich in der Frage der örtlichen Zuständig- weil sie es kaum bis zur fünften Primarkla.sse geirgendeiner
keit. Für diese ist (nach Egger) Bundesrecht maß- bracht hatten oder kein Interesse an
gebend; es ist wie bei der Entmündigung grund- Tätigkeit bekundeten und nur das taten, was ihnen
aufgezwungen wurde.
sätzlich der Wohnsitz des Gewaltträgers zuständig. durch die äußern Verhältnisse jedoch
von diesen haben sich
im Leben als
Nun hält es schwer, den Landfahrern einen Wohn- Viele
Bauhandlangcr,
oder
Ausläufer
Lrmdknechtc
nirgends
nachzuweisen,
sitz
da sie sich
mit der Abbewährt, und die Mädchen wurden oft
sicht dauernden Verbleibens aufhalten. Sogar der ordentlich
tüchtige Hausfrauen und Mütter. Von den Befeststellbar,
Aufenthaltsort ist manchmal nicht
gabteren sind einige Schmiede und Malor, andere
ganz abgesehen davon, daß diese Gemeinden nicht
Metzger, Spengler und Fabrikarbeiter geworden.
daran interessiert sind, fremden Leuten die elterden begabteren Mädchen wurde eines Heilliche Gewalt zu entziehen. Das Hilfswerk hat sich Von
gymnastin, eines Sekretärin und eines gar erste
Entzugs
Anordnung
sz w e c k
dos
meistens an die
Heimatgcmeindo gewandt und ist auf diesem an- Verkäuferin.
Für dio betreuten Bündner Kinder wurde eine
scheinend unrechtmäßigen Weg fast immer zum
Erfolgsstatistik aufgestellt. Nach dieser könZiele gelangt. Man kann sich direkt fragen, ob für Art
den Vaganten nicht der Heimatort in den meisten nen genau die Hälfte als gut geraten bezeichnet
Fällen als Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungcn werden, von der andern Hälfte sind je fünfzig
angesehen werden muß, denn mit der Heimat- Prozent unsicher oder schlecht geraten. Knapp
gemeinde kommt er doch immerhin beim Bezug der zwanzig Prozent aller Betreuten vagieren heute
Armenuntcrstützung in Kontakt. So ergab sich hier wieder.
eine praktische Lösung, die zwar noch nicht durch
Auch wenn der höhere soziale Standard und die
dio Rechtsprechung sanktioniert ist. die aber schon Konjunktur wesentlich zum Rückgang des Vagandurch eine Stelle im Kommentar Egger (N 15 zu tentums in den letzten Jahren beigetragen haben,
ZGB 37(5) angebahnt wurde und die der Lage am ist der Erfolg des Hilfswerks beträchtlich. Es ist
ehesten gerecht wird.
der Erfolg einer unermüdlichen, liberalen und sich
mit den individuellen Gegebenheiten befassenden
Fürsorgetätigkeit des Hilfswerks
Fürsorgctäf igkeit seines. Gründers und Leiters.
Rudolf Starten
Jetzt erst, nach dieser oft langwierigen Vorarbeit, setzt dio eigentliche Tut igkeit des Hilfswerks
ein. Es liegt in dor Bestimmung der Pro Juventute,
Aus der Oekumene
daß es sich dabei nur um Fürsorge für Kinder
handeln konnte. Ihr Ziel war es, die einzelnen der
Hilfe für die Waldcnserkirehc
Einflußsphäre
schädlichen
zu entziehen und sie in
die Gesellschaftsordnung einzugliedern; «general-rlm. Die Waldenserkirche Italiens, dio unpräventive» Absichten, wie etwa die Ausmerzung gefähr 35 000 Mitglieder zählt, wird hauptsächlich
evangelides Landfahrertums, standen völlig im Hinter- von der deutschon und der schweizerischen
grund. Der Gründer dieser sich über Jahre orstrek- schen Kirche unterstützt. Ohne diese Hilfe könnte
dringend
nötigen
sie
Acn.
Ausund Aufbau ihrer
kenden Fürsorgeaktion mußte zum größten Teil Gemeinden nicht bewerkstelligen. Im vergangenen
neue Woge gehen. Die heutigen Grundsätze der Jahr entfaltete dio Waldon-serkircho eine besonders
Betreuung waren damals kein Programm, sie haben reqe Tätigkeit
Die
Gemeinde
in Caltaauf Sizilien.
sich eist im Laufe der Jahre entwickelt.
nisetta bekam einen neuen Gottesdienstrauin, da
das alte Haus, in dem sie bis jetzt zusammenDie hauptsächlichsten Schwierigkeiten hatte man gekommen war, geräumt werden mußte. In Palermo
erwartet im Kampf mit den Gemeindebehörden. wurde die Sozialarbeit unter den Kindern im
Viel bedeutender waren jedoch die Probleme, die Elendsquartier intensiviert. In Vittoria (ebenfalls
sich aus der Beziehungslosigkeit der Kinder zu ihrer auf Sizilien) ist das erste cvangclisehc Altersheim
in Süditalien eröffnet worden. Es können dort
Umwelt ergaben. Das angeborene Mißtrauen der dreißig
Betagte aufgenommen werden. Die BiblioJenischen und das oft abweisende Verhalten der
bürgerlichen Bevölkerung machten das Verwachsen thek der Evangelischen Theologischen Fakultät in
Rom ist erweitert und ein lnformationsbnreau
mit ihr besonders schwierig. Große Sorgen berei- eröffnet worden. Villar Pcrosa
ist eine Stadt,
teten ferner die Unaufrichtigkeit, die Haltlosigkeit welche 1698 zur Zeit der Verfolgungen von den
Evangelischen verlassen werden mußte. Diese
und e
d i Verfiihrbarkeit.
Deutschland aus und gründeten in
Bei der Unterbringung ergaben sich die Mög- wanderten nach Stuttgart
die, Dörfer Groß-Vilhir,
der Nähe von
lichkeiten der Heimerziehung, der Erziehung in Klein-Villar, Pinacho, Perouso u. a. m. Nach einem
Pflegefamilien (unte
ständigem Kontakt mit dem
r
Unterbruch von 250 Jahren hat sich in Villar
Hilfswerk) und der Adoption. Die besten Erfah- Perosa wieder eine Waldcnsergemeindc gebildet,
rungen wurden mit dor Unterbringung in Pflege- die im vergangenen Jahr ein Gotteshaus einweihen
familien gemacht. Im Schöße einer solchen Familie durfte.
Interessant ist auch die jüngste Geschichte dor
konnte dem Zögling am n
e h e s t e das geboten werden, was ihm im Kreise der Sippe, wo er schon evangelischen Gemeinde Fcrcntino an der Straße
Rom-Neapel. Während 15 Jahren kam dio Geherangezogen
versagt
wurde,
früh zum Broterwerb
kleinen Privathaus zusammen, wo
blieb: der Genuß einer unbeschwerten Kindheit. meinde in einem wonig
Sitzplätze
Verfügung
nur Raum für
Nicht allen Kindern konnte leider das Glück dieses stund. Immer neu widersetzten sichzur
die Ortsbehörzweiten Elternhauses beschert werden. Günstige den dem Bau einer kleinen Kirche und selbst gegen
Pflegeplätzo waren für die zum großen Teil unter- die Aufstellung einer
vorfabrizierten Kapolle auf
begabten Geschöpfe schwer zu finden. Zur Adop- eigenem Grund und Boden. Jeden Sonntagmorgen
mußte der Fußboden des Gottesdienstrnnmes in der
tion wurde von Seiten des Hilfswerks nur selten darunterliegenden
geraten. Die. Unterschiede in den Anlagen und
Küche mit Pfählen abgestützt
werden, bis es schließlich gelang, im Zentrum der
Interessen zwischen angenommenen Kindern und
zu erworben.
(Adoptiv-)Eltorn waren oft so groß, daß ed i Eltern Stadt ein passendes Haus käuflich
Nun findet der Gottesdienst im ehemaligen Eßvor großen Enttäuschungen nicht bewahrt blieben. zimmer dieses Hauses statt. Die übrigen Räume
So mußten eben die meisten Kinder in Heimen dienen als Pfarrwohnung. Das e
untergebracht werden. Wir wollen uns hier nicht Waldcnserhilfc Zürich konnte der K o m i t e für die
Waldcnserkirche
in dio Kontroverse über Vor- und Nachteile von im vergangenen Jahr se t w a mehr als 40 000 FranAufgaben übenveisen. Wenn auch
Heim- und Pflegefamilienorziehung einschalten, ken für diese
Kirche nur einen sehr kleinen Teil der Bevölaber die Möglichkeit, dem Zögling im Erziehungs- diese
kerung
darstellt, so sind doch ihre Aufheim ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit zu gal)on Italiens
Blick auf Verkündigung und Liebestätigvermitteln, dürfte kleiner sein als in einer Familie. keit soimgroß,
daß ein vermehrter Zustrom auslänstretg
geachtet,
darauf
daß discher Gaben sehr wünschenswert wäre.
In allen Fällen wurde
Dor immer angestrebte Entzug der elterlichen
Gewalt, ist vor allem wünschenswer
t
hinsichtlich der
Neue Zürcher Zeitung vom 30.10.1963