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Gesundheitsfragen vorm BU-Antrag
„Der Vermittler muss wissen, dass er dann auch in der Haftung ist“
Warum sind viele Kunden und so mancher Berater mit dem Ausfüllen der Gesundheitsfragen beim Antrag
einer Berufsunfähigkeitsversicherung überfordert? BU-Experte Stephan Kaiser erläutert die Klippen und
typischen Fehler und gibt Tipps, worauf Berater bei der Lösung der Problematik achten sollten.
Pfefferminzia: Warum genügt es heutzutage nicht, wenn der Kunde die Gesundheitsfragen
einfach nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllt?
Stephan Kaiser: Weil viele Kunden damit überfordert sind. Vor der Novellierung des
Versicherungsvertragsgesetzes hatte der Versicherungsnehmer die Pflicht, von sich aus alle
gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen. Seit 2008 ist nur noch von Bedeutung, wonach der
Versicherer explizit fragt. Daher sind die Fragen viel komplexer geworden. Bei rundherum gesunden
Kunden meist kein Problem, aber wer ständig beim Arzt ist, kann sich sicher nicht an alles erinnern.
Gesetzlich Versicherte haben zudem keine Ahnung über die ärztlichen Diagnosen in ihren Akten, weil
sie die Unterlagen und Korrespondenz mit der Krankenkasse, anders als ein privat Versicherter, nicht
zu sehen bekommen.
Handelt der Berater fahrlässig, wenn er dem Kunden bei der Beantwortung der
Gesundheitsfragen nicht beisteht?
Man sollte den Kunden damit nicht allein lassen, aber der Vermittler muss wissen, dass er dann auch in
der Haftung ist. Jahrzehntelang wurden Gesundheitsfragen im Vertrieb schlampig behandelt. Sie sollten
dem Verkauf nicht im Wege stehen. Die Rechtsprechung hat klar gemacht, dass sich das ändern muss,
aber es passieren immer noch viele Fehler, die man auf Unwissen schieben muss. Ein guter Vermittler
hat grundlegende medizinische Kenntnisse und weiß, wie er die Unterlagen von Ärzten und
Krankenkassen seiner Kunden filtert und was er an den Versicherer schicken muss.
Im BU-Fall lehnen Versicherer die vereinbarte Leistung ab, wenn falsche Angaben zum
Gesundheitszustand gemacht wurden. Wie häufig kommt das vor?
Die Zahl der Verletzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist schwierig zu überblicken, weil es dazu
keine verifizierbaren Statistiken gibt. Es gibt pro Jahr vielleicht 50.000 Leistungsfälle in Deutschland.
Vieles wird völlig geräuschlos und zur Zufriedenheit der Kunden reguliert. Die Zahlungsmoral ist aber
sehr unterschiedlich je nach Versicherer. Ich würde grob schätzen, dass 60 Prozent der Beantragungen
bezahlt werden. Das Image der Branche ist deshalb so schlecht, weil einige – zugegebenermaßen
krasse Fälle – die öffentliche Meinung und die Medien prägen.
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Welche Fehler machen Versicherte am häufigsten?
Sie geben entweder zu viel oder zu wenig an. In der Regel wird ein bestimmter Zeitraum abgefragt, zum
Beispiel fünf Jahre. Schickt der Makler nun einfach alle Unterlagen seines Kunden an den Versicherer,
wertet der auch Dinge aus, die nicht gefragt wurden und länger zurückliegen. Daraus können sich
Ausschlüsse oder Ablehnungen ableiten lassen und dann hat der Makler ein Problem. Häufig wird auch
zu wenig angegeben, weil Kunde und Makler die verwendeten Fragen falsch interpretieren.
Haben Sie hier ein Beispiel?
Etwa die Frage: „Haben Sie Krankheiten, Störungen oder Beschwerden in Bezug auf eine bestimmte
Körperfunktion?“ Wissen sie, wann eine Beschwerde aufhört und eine Krankheit anfängt? Und was
eine Störung überhaupt sein soll? Im Wesentlichen kann man sich mit folgender Faustformel helfen:
Alles, was keine Bagatelle ist, muss man angeben. Und Bagatellen sind nur Krankheiten wie ein
Schnupfen, die erfahrungsgemäß alsbald folgenlos vergehen.
Welche Fehler kosten den Versicherungsschutz?
Wenn ich etwas nicht angebe, was keinen Einfluss auf den Vertrag gehabt hätte, spielt es auch keine
Rolle. Aber wenn der Versicherer einen Risikozuschlag erhoben, einen Ausschluss formuliert oder den
Antrag gar abgelehnt hätte, kommt garantiert Ärger im Leistungsfall auf. Wenn ein
Kausalzusammenhang zwischen dem verschwiegenen Umstand und dem BU-Leistungsauslöser
besteht, dann gibt es meistens keine Leistung vom Versicherer und der Vertrag ist nutzlos. Gibt es
keinen Kausalzusammenhang, entscheidet der Verschuldensgrad. Hat der Kunde beispielsweise
arglistig getäuscht, braucht der Versicherer auch keinen Kausalzusammenhang nachzuweisen. Er wäre
dann prinzipiell leistungsfrei.
BU-Versicherungen werden auch im Internet abgeschlossen. Worauf müssen
Versicherungsnehmer bei dieser Form des Abschlusses besonders beachten?
Die Gesundheitsfragen sind zwar die gleichen, die Kunden haben aber in diesem Fall keinen Vermittler,
der ihnen bei der Beantwortung helfen könnte. Viele Versicherer bieten hier zur Beantwortung der
Gesundheitsfragen die Dienstleistung eines sogenannten Tele-Interviews an. Wenn der Kunde seine
Krankheitshistorie vorher nicht aufbereitet hat, macht diese Art der Befragung nur Sinn, wenn der
Interviewer dem Kunden die Zeit dafür lässt. Bevor aber der Kunde aus Überforderung gar nicht tätig
wird, ist es immer besser, er nimmt die ihm angebotenen Hilfen wahr, auch wenn sie nicht optimal sind.
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Denn eine BU ist meist besser als keine BU.
Den Podcast mit fünf wichtigen Tipps von Stephan Kaiser hören Sie hier.
Weitere nützliche Informationen zur Beantwortung der Gesundheitsfragen finden Sie hier.
Dieser Artikel erschien am 29.04.2016 unter folgendem Link:
http://www.pfefferminzia.de/gesundheitsfragen-vorm-bu-antrag-der-vermittler-muss-wissen-dass-er-dann-auch-in-der-haftung-ist-1461839709/
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