Arbeitsfähigkeit wird durch Arbeitsängste beeinträchtigt

Psychologie aktuell: Arbeitsfähigkeit wird durch Arbeitsängste beeinträchtigt
29-04-16
Arbeitsfähigkeit wird durch Arbeitsängste beeinträchtigt
Arbeitsängste sind spezielle Ängste, und unterscheidbar von klassischen Angsterkrankungen.
Arbeitsängste beeinträchtigen die Arbeitsfähigkeit in besonderer Weise. Je nach Art der
Arbeitsangst unterscheiden sich Betroffene im Ausmaß und im Muster ihrer
Beeinträchtigungen. Das zeigt eine Studie mit 244 Reha-Patienten, die in der Fachzeitschrift
International Archives of Occupational and Environmental Health veröffentlicht wurde. Die
Erkenntnisse bieten neue Ansatzpunkte für eine optimierte Wiedereingliederung von
Arbeitnehmern nach längeren Krankschreibungszeiten.
© jeancliclac - Fotolia.com
Arbeitsängste sind Ängste, die sich auf Gegebenheiten oder Personen am Arbeitsplatz oder auf den
Arbeitsplatz als Ganzes beziehen. Das können zum Beispiel arbeitsbezogene soziale Ängste sein,
arbeitsbezogene Sorgen, oder phobische Ängste und Vermeidungsverhalten. Aus der
Rehabilitationsforschung wissen wir, dass Menschen mit Arbeitsängsten besonders häufig in eine
Langzeitarbeitsunfähigkeit geraten, oder gar auf eine Frühberentung hinsteuern , sagt Beate
Muschalla. Die Rehabilitationspsychologin und Verhaltenstherapeutin erforscht seit langem, wie
Arbeitsängste die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, und was man dagegen tun kann.
Studie mit 244 Reha-Patienten
In einer neuen Studie untersuchte sie 1610 Patienten einer Rehabilitationsklinik im arbeitsfähigen
Alter (18-65 Jahre). Mit einem diagnostischen Interview identifizierte sie zunächst 244 Patienten mit
Arbeitsangst und erfragte deren spezifische Ängste. Die von Arbeitsangst betroffenen Patienten
wurden dann hinsichtlich der Beeinträchtigungen ihrer Arbeitsfähigkeit beurteilt. Grundlage hierfür war
das international evaluierte Fremdbeurteilungsrating Mini-ICF-APP für psychisch bedingte
Fähigkeitsbeeinträchtigungen. Mit diesem können 13 relevante (Arbeits-) Fähigkeitsdimensionen von
Menschen beurteilt werden (u.a. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit,
Selbstbehauptungsfähigkeit, Gruppenfähigkeit). Die Autorin analysierte den Zusammenhang zwischen
Arbeitsängsten, Art der Fähigkeitsbeeinträchtigungen und den Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zeitraum
sechs Monate nach der Reha.
Spezifische Arbeitsängste gehen mit unterschiedlichen
Beeinträchtigungen einher
Die Analysen zeigen, dass sich verschiedene Arbeitsängste im Ausmaß und Muster ihrer
Fähigkeitsbeeinträchtigungen unterscheiden: Arbeitsbezogene soziale Ängste sind vor allem bei
sozialen Kontakten am Arbeitsplatz beeinträchtigend, jedoch nicht hinsichtlich der generellen
Anwendung von Wissen und Kompetenzen. Die Angst davor, die Arbeit unzureichend auszuführen
oder nicht zu schaffen (Insuffizienzangst) geht einher mit einer schwächeren Durchhaltefähigkeit.
Menschen mit ausgeprägtem arbeitsbezogenen Sorgenverhalten haben oft Probleme mit der
Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit. Patienten mit Arbeitsplatzphobie zeigen eine erhöhte
Seite 1 von 2
Psychologie aktuell: Arbeitsfähigkeit wird durch Arbeitsängste beeinträchtigt
Beeinträchtigung ihrer Mobilität, speziell in der Fähigkeit, den Arbeitsplatz zu erreichen.
Mehr Toleranzarbeitsplätze
Die moderne Arbeitswelt per se macht nicht krank , sondern stellt zunehmend Anforderungen
an kognitive und interpersonelle Leistungsfähigkeit, die Menschen mit psychischen Erkrankungen
teilweise nicht erfüllen können. Immer mehr Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen epidemiologisch gesehen sind es 30% der Normalbevölkerung - laufen bei immer enger werdenden
Anforderungen und Controlling Gefahr, aus der Arbeitswelt herauszufallen. Die
Person-Umwelt-Passung muss wieder mehr beachtet werden. Nicht jeder Mensch muss alles können.
Unsere Arbeitswelt braucht Toleranzarbeitsplätze , damit auch zukünftig Menschen mit
unterschiedlichen Fähigkeitsprofilen arbeitsfähig bleiben sagt Beate Muschalla. Die Erkenntnisse
unserer Studie liefern uns auch wichtige Ansatzpunkte für Interventionen bei Arbeitsängsten, wie zum
Beispiel Wiedereingliederungsmaßnahmen. Je nach Art der Arbeitsangst können gezielte
Maßnahmen eingesetzt werden: Bei sozialen Ängsten kann zum einen ein soziales
Kompetenztraining versucht werden, andererseits können auch Arbeitsplatzanpassungen hilfreich
sein, wie die Versetzung aus einer reinen Verkaufstätigkeit in eine Tätigkeit mit mehr Büroarbeit.
Die Originalstudie finden Sie hier:
Muschalla, B. (2015). Different work capacity impairments in patients with different work-anxieties. International Archives of Occupational
and Environmental Health, online published.
DOI 10.1007/s00420-015-1099-x
https://idw-online.de/de/news650392
Seite 2 von 2