SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Gabriel Fauré und seine Zeit (4)
Werke für die Bühne
Von Ines Pasz
Sendung:
Donnerstag, 28. April 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Musikstunde: Gabriel Fauré und seine Zeit
Teil 4: Werke für die Bühne
Um den französischen Komponisten Gabriel Fauré und um seine Zeit geht es in dieser
Woche in der SWR2 Musikstunde, heute um seine Musik für die Bühne, seine Opern und
Schauspielmusiken. Dazu begrüßt Sie herzlich Ines Pasz .
Titelmusik
nach 10 Sekunden runterblenden
0‘10
Gregorianischer Choral, Kontrapunkt, Fuge, Motetten, Bach. Das ist der normale Alltag
für den kleinen Gabriel Fauré in seiner Kirchenmusikschule. Orgel, a capella-Musik,
musiktheoretische Schiften. Wäre da nicht sein junger Klavierlehrer, Camille SaintSaens. Der erzählt den Schülern was vom süßen Gift sehnsuchtsvoller Liebesdramen,
von
sündhaften Venushügeln, umherirrenden Untoten und namenlosen Gralshütern.
Bei seinem Lieblingsschüler Gabriel Fauré hinterlässt das Spuren. Die verbotene Frucht,
einmal in sein Herz gepflanzt, treibt üppige Blüten und schon ist er der begabte Knabe
der reinen, absoluten Kirchenmusik auf immer verloren. Er wird zwar 40 Jahre lang die
Orgel spielen, noch dazu in einer der wichtigsten Kirchen von Paris, der Madeleine, die
Leidenschaft für die Bühne aber, die bleibt. Den Virus Wagner wird man nie wieder los,
selbst wenn man ihm abschwört, wie Camille Saint-Saens.
Musik 1:
Saint-Saens: Arie der Dalila
M0083149 023
5‘45
So viel Erfolg wie Camille Saint-Saens mit seiner Oper „Samson und Dalila“ wird Gabriel
Fauré mit seinen Opern niemals haben, bis heute nicht. Aber sie stimuliert ihn, animiert
ihn und sein Freund und Lehrer Camille ist ihm ein guter Ratgeber. Elina Garanca sang
die Arie der Dalila, begleitet vom SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
unter Marco Armiliato.
Camille Saint-Saens macht seinen jungen Freund Gabriel Fauré vertraut mit den Opern
der Saison. Gounod, Adam, Meyerbeer, es muss nicht immer Wagner sein.
Schon bei seiner ersten Stelle an der Kirche in Rennes büxt der junge Organist Fauré
abends aus seinem Zimmerchen aus, um sich im Stadttheater „Die Hugenotten“
anzuhören. Richtig los geht es aber erst, als er nach fünf Jahren Bretagne endlich wieder
in Paris ist. Auch Gabriel Fauré wird hineingezogen in den allgemeinen Opern-Hype,
zumal Pauline Viardot, in deren Salon Fauré Stammgast ist in ihren besten Zeiten eine
gefeierte Mezzosopranistin war. Fauré verliebt sich nicht nur in die Tochter des Hauses,
Marianne, sondern auch in die Musik der Bühne, von der Pauline ihm so anschaulich
erzählt.
Dann bemüht sich auch noch Charles Gounod persönlich um den jungen Komponisten
und schon haben die Beiden, Viardot und Gounod ihn rumgekriegt, Fauré sieht sich mal
um nach einem Libretto.
Ein gutes Libretto ist schon die halbe Oper, weiß sogar er als Anfänger, also sollte man
gleich groß starten. Er stürzt sich auf einen der erfolgreichsten Librettisten von Paris,
Louis Gallet und bedrängt ihn geradezu mit Anfragen. Fauré ist dem Starautor allerdings
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viel zu unbedeutend, noch dazu plant der nur einen Einakter. Meine Güte, ein Einakter!
Dafür nimmt ein Louis Gallet doch keinen Griffel in die Hand.
Also kommen die Beiden nicht zusammen. Fauré wir immer ungeduldiger: „Ich nehme
alles, was Sie mir anbieten“, schreibt er Gallet, „bedingungslos. Nur schicken Sie mir um
Himmels willen etwas!“
Was aber nicht passiert. Dann sieht sich Fauré anderweitig um. Kramt in der russischen
Literatur, der römischen Antike und der dänischen Geschichte.
Nichts will passen, was leider auch offenbart, dass der junge Gabriel Fauré die Oper
zwar liebt, ihm aber jeglicher dramaturgischer Spürsinn fehlt.
So ist die Liste seiner Bühnenwerke zunächst einmal die seiner ungeschriebenen.
Doch dann eröffnet sich ihm ein ganz neues Feld, das ihm offensichtlich wesentlich mehr
liegt. Ebenfalls für die Bühne, aber ohne innere Dramaturgie und vor allem ohne Libretto,
die Schauspielmusik.
Musik 2:
2‘30
Fauré: Chor aus Caligula
0124487 004
Zum Glück entdeckt Ende der 70er Jahre Roger Norrington für sich das Werk Gabriel
Faurés und spielte mit dem Orchester der Oper Monte Carlo einige der unbekannteren
Bühnenmusiken und auch Auszüge aus der Oper Caligula ein. Ansonsten gäbe es
davon wahrscheinlich bis heute keine Aufnahme.
„Caligula“ stammt von Alexandre Dumas, dem Älteren und ist durchgehend in
Alexandrinern gedichtet, was Dumas mal mehr, mal weniger gut gelingt.
1837 wird die Tragödie in Paris uraufgeführt und Dumas will damit, wie er im Vorwort
erklärt nicht weniger als „den Kampf des ausklingenden Heidentums mit dem
aufkeimenden Glauben“ illustrieren. Rund 50 Jahre später soll das Werk noch einmal auf
die Bühne, dieses Mal auf die große des Odeon Theaters. Für den opulenten Rahmen
braucht man entsprechende Musik und Fauré bekommt den Auftrag.
Mord, Verrat, Machtgier, Unzucht, das dekadente Rom zeigt sich in seinen schillerndsten
Farben. Zumal das Odeon Theater genug Platz bietet für das antike
Schreckensszenario.
Faurés Musik schafft sich dabei ihre ganz eigene Welt und bemüht sich dabei immer
wieder um einen anschaulichen Realismus. Bei einer Szene im Kaiserpalast will Fauré,
wie er sagt „den Eindruck eines antik klingenden Tanzes erwecken.“
Und wie erreicht er das? Vor allem durch die Harmonik. Er spielt mit den Tonarten GDur und h-Moll. Das erinnert an Gregorianischen Choral, der zwar weit weg ist von der
römischen Antike, aber immerhin in eine andere, nämlich frühere Zeit versetzt.
Musik 3:
Fauré: Caligula
0124487 005
1‘55
Die „Air de danse“ aus der Schauspielmusik zu Caligula von Gabriel Fauré mit dem Chor
„Maitrise de Gabriel Fauré“ und dem Orchester der Oper von Monte Carlo unter Roger
Norrington.
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Mit dieser seiner ersten Schauspielmusik scheint Gabriel Fauré das Genre für sich
entdeckt zu haben. „Die große Stimme der Musik erhebt sich hier nicht, um sich wie in
der Oper unmittelbar jedem Moment des Dramas beizuordnen“, erklärt er in einem Text,
„Sie kommentiert lediglich die Handlung, ruft Gefühle in Erinnerung oder erhöht deren
Ausdruck, weitet den Zauber der Kulissen aus und belebt die Kräfte der Natur, die derart
stark auf die handelnden Personen wirken. Ich persönlich habe meine Vorliebe für diese
Art des musikalischen Eingriffs in das Drama mehr als einmal bewiesen, wo ein
literarisches Werk mit lyrischem Charakter und musikalischer Atmosphäre umgeben
wird.“
Lyrisch geht es allerdings nicht immer zu. Je nach Sujet halt, Fauré hat da ganz
eindeutige Vorlieben. Am ehesten liegt ihm die Antike, oder das Mittelalter geht auch
noch. Als er aber Molieres Komödie „Der Bürger als Edelmann“, musikalisch illustrieren
soll, die ja zum Schluss im Orient spielt, reagiert er zurückhaltend. „Komik liegt mit nicht
sehr und ich habe großen Respekt vor der türkischen Zeremonie. Musik mit Turban
bringt mich durcheinander.“ Aber weit kommt Fauré mit seiner Musik sowieso nicht,
mitten in der Arbeit geht das Odeon Theater pleite und die Musik wird nicht mehr
benötigt. Nur ein einziges Stück daraus ist überliefert, es wird eines der berühmtesten
von Fauré überhaupt. Und weil er es selbst so gut findet, verwendet er es später noch
mal, in seiner Schauspielmusik zu „Pelleas und Melisande“. Ganz ursprünglich aber
gehört es in die schräge Komödie von Moliere, als wunderbar gesangliches,
stimmungsvolles Intermezzo.
Musik 4:
Fauré: Sicilienne
M0407865 002
3‘13
Von Gabriel Fauré ursprünglich geplant als Intermezzo zur Schauspielmusik zu „Der
Bürger als Edelmann“, später als berühmte „Sicilienne“ Teil von „Pelleas und Melisande“,
der Flötist Patrick Gallois war das, zusammen mit Kammerorchester des Musikfestivals
Paris.
Auch wenn ihm die Komödie von Moliere angeblich nicht wirklich liegt, bei seiner Arbeit
am „Bourgeois Gentilhomme“ kommt er erst so richtig auf den Geschmack.
Bei seinem Kollegen und Freund Camille Saint-Saens, der gerade ebenfalls an einer
Bühnenmusik sitzt, bringt er sich jedenfalls gleich in Stellung: „Solltest du zufällig eines
Morgens mit tiefer Verachtung gegenüber der „Antigone“ von Meurice erwachen …..Gib
sie mir! Die Schauspielmusik ist das einzige Genre, das meinen geringen Möglichkeiten
annähernd entspricht“.
Da macht sich Fauré denn aber doch sehr klein. Aber sicherlich inspirieren ihn die
Vorgaben der Szene, ohne dass er sich um dramaturgische Fragen kümmern muss.
So wie in der Liebesszene im Shylock von Edmond Haraucourt nach Shakespeares
„Kaufmann von Venedig“. Sie spielt nachts, im Mondschein, im Garten der Porcia,
Nocturne nennt Fauré das Stück deshalb, unendlich gefühlvoll hebt sich ein
stimmungsvolles Geigensolo über gedämpfte Streicher: „Ich musste eine sehr
eindringliche Melodie mit dem Charakter des venezianischen Mondlichtes finden“
schreibt er später an eine Freundin, Elisabeth Greffulhe, „und schließlich war es soweit!
Die Luft, die in Ihrem Park atmete inspirierte mich dazu. Ein Grund mehr, Ihnen aufrichtig
zu danken.“
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Gerade in diesem Nocturne erkennen Musikwissenschaftler Fauré als einen Vorläufer
des Impressionismus, mit einer bestimmten Art von Licht, von Farben, von Stimmungen.
Mit einem Thema, das auf schwelgerische Nachdrücklichkeit verzichtet, sich sogar
zurücknimmt. Nur die Klangfarben im Orchester blühen üppig, aber nie aufgesetzt
sinnlich. „Fauré ist der erste Musiker“, so der Musikkritiker Emile Vuillermoz, „der es
gewagt hat, die Empfindung zu feiern, der es gewagt hat mit Ehrlichkeit ein Parfüm, ein
Lichterspiel, ein welkes Blatt, eine Stimmung, einen Schauder, einen Abglanz zu
besingen. Er hat sich von der sentimentalen Heuchelei getrennt, die wir von den
Menschen der 1840 er Jahre geerbt hatten. Und er schreckte nicht davor zurück, sich
der zarten, der kräftigen, der reizenden, der göttlichen Sinnlichkeit zu bekennen, und sie
zu verherrlichen.“
Musik 5:
Nocturne de Shylock
M0063546 005
3‘05
Mondscheinmusik, das Nocturne aus Gabriel Fuares Schauspielmusik zu Shylock mit
dem Philharmonischen Orchester der Stadt Mexiko unter Enrique Batiz.
In Faurés nächster Bühnenmusik geht es um zwei Liebende, die in einer rätselhaften
Welt leben, der Todessehnsucht näher als der Wirklichkeit. In einer magischen
Anziehung dazu verurteilt sich aufzugeben.
Seele, Tod, Mysterien bestimmen das Drama „Pelleas und Melisande“ von Maurice
Maeterlinck, das mit seiner symbolistischen Kraft eine ganze Generation in seinen Bann
zieht. Prinz Golaud verliebt sich in die schöne Unbekannte Melisande und nimmt sie mit
auf sein Schloss. Dort aber fühlt sie sich zu Golauds Bruder hingezogen, dem
geheimnisvollen Pelleas. Auch er erwidert ihre Gefühle, doch in blanker Eifersucht wird
er von seinem Bruder erschlagen. Aus gebrochenem Herzen stirbt auch Melisande.
Der größte musikalische Ruhm zum Thema gehört sicherlich Claude Debussy, mit seiner
genialen Oper „Pelleas et Meliande“. Gabriel Fauré bleibt die Schauspielmusik, die zu
schreiben Debussy naserümpfend ablehnt. Keinen wirklich sympathischen Eindruck
hinterlässt Debussy in der Angelegenheit. Eigentlich soll er nämlich seine Oper auf eine
Suite zusammenkürzen, für die Londoner Premiere des Schauspiels.
Indiskutabel für Debussy. Er lehnt ab. Als Fauré den Auftrag übernimmt, bezeichnet
Debussy dessen Musik später als minderwertig, die den Vergleich mit seiner nicht
aushielte. Fauré sei der musikalische Meinungsträger einer Gruppe von Snobs und
einfältigen Leuten und sein Musik ein „Spinnlied für Kasinos in Kurorten.“
Beide Musiken entstehen zur etwa gleichen Zeit, die Oper Debussys und die
Bühnenmusik von Fauré. Nur ein einziges Mal wird das Drama überhaupt in Paris
aufgeführt, am 17. Mai 1893 und die ganze Pariser Geisteselite scheint da zu sein.
Dann soll das Stück in London laufen und für diese Vorstellung soll Fauré die Musik
schreiben. Innerhalb eines Monats muss Fauré alles fertig haben. Er schafft es und es
wird ein grandioser Erfolg. Auch Maeterlinck kann sich kaum halten vor Begeisterung.
„Sie haben mir die schönste, umfassendste, zarteste und harmonischste Empfindung
beschert, die ich vielleicht bis zum heutigen Tag erlebt habe.“
Musik 6:
Fauré: Pelleas und Melisande Prelude
M0290813 003
4‘17
6
Komponierte Zartheit, das Prelude zu Faurés Schauspielmusik „Pelleas und Melisande“,
gespielt vom Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Heinz Holliger.
Fauré schildert die Zartheit von Melisande, die Tragik des Schicksals, die
Todessehnsucht. Alles greift ineinander, Tonarten mischen sich, Rhythmen, Themen.
Und doch entsteht dadurch kein Chaos, sondern eine unendlich ruhige, berührende
Klangfläche.
Der Wein und die Antike, sie bringen Gabriel Fauré dann zu seiner ersten Oper. Auch
noch mit von der Partie ist ein reicher südfranzösischer Gutsbesitzer namens Fernand
de Castelbon, der ist nicht nur ein findiger Geschäftsmann, sondern auch Laienmusiker
und Leiter der ortsansässigen Blaskapelle von Béziers im Languedoc.
Reich geworden ist er wie halb Südfrankreich Ende des 19. Jahrhunderts vom Weinbau.
Ein wahrer Geldsegen ergießt sich über die Gegend von Beziers, wo die Rebe
besonders gut gedeiht und so beginnt Castelbon zu träumen, von prächtigen antiken
Festen in der heimischen Arena, nach griechischem Vorbild. Alle sollen mitmachen. Die
Weinbauern und Arbeiter im Chor, die Handwerker beim Bühnenbild, er selbst als
Dirigent der Blaskapelle.
Antike liegt sowieso gerade im Trend in Frankreich. Auch auf höherer akademischer
Ebene, wie bei der Pariser Ecole francaise d’Athène. Die hat in Delphi wichtige
fragmentarische Texte mit musikalischen Symbolen entdeckt und rekonstruiert jetzt die
Tonsprache der Griechen.
Für seine glanzvollen Feste in Béziers versucht Fernand Castelbon nun einen Spagat
zwischen Volksbelustigung und der Darstellung antiker Mythen mit philosophischem
Tiefgang.
Zuerst engagiert er Camille Saint-Saens, der macht gerne mit und schreibt für ihn und
die Arena seine Tragödie „Déjanire“, mit Harfenteppich in Anlehnung an die griechische
Lyra, Damenballett, 100 Mann starkem Streichorchester und der ortsansässigen
mehrfach verstärkten Blaskapelle.
Im Jahr drauf, 1899 hat Saint-Saens erst mal keine Lust mehr, oder keine Zeit, wir
wissen es nicht genau. Jedenfalls empfiehlt er für den nächsten Event seinen
bescheidenen Freund Gabriel Fauré. Das Sujet stammt ebenfalls aus der griechischen
Antike:
Prometheus, der Feuerbringer und Menschenfreund, den die Götter bitter strafen, indem
sie ihn an einen Felsen schmieden. Jeden Tag kommt ein Vogel und frisst von seiner
Leber, die sich, qualvoll für den Unsterblichen ebenfalls jeden Tag wieder erneuert. Bis
der Held Herakles ihn von seinen Leiden befreit.
Musik 7:
Fauré: Promethee Vorspiel
CD 021270 001 PA BR
3‘32
Das Vorspiel zur Oper Promethee, mit dem Orchester der Oper Monte Carlo unter Roger
Norrington.
Monatelang arbeitet Fauré an seiner Oper Prometheus. Aber es geht kaum voran. Im
Sommer des Jahres 1900 bricht eine gnadenlose Hitze über Paris herein. „Mein Vater
ging mit einer Flanellweste bekleidet in der Wohnung auf und ab“, erzählt Faurés Sohn
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später, “die Fensterläden waren geschlossen, die Türen schlugen auf und zu. Gerade
hatte er einige Noten an seinem Schreibtisch niedergeschrieben, als er mit düsterem
Blick wieder aufstand und entrüstet fluchte, er würde niemals wieder ein Auftragswerk für
ein bestimmtes Datum schreiben.“
Doch irgendwann ist die Oper fertig, oder dieser Mischling aus Oper und Schauspiel, bei
dem einige Texte auch gesprochen werden. Das Problem ist also eine durchgehende
musikalische Dramaturgie.
Fauré wählt das Prinzip der Leitmotivik. Drei Motive für die Hauptpersonen Prometheus,
Pandora und die Olympischen Götter, drei andere für das Feuer, die Strafe und die
Hoffnung.
Heraus kommt eine sehr eigene Synthese aus italienischer Oper mit Arien, dem
Musikdrama im Sinne Wagners mit einer durchgehenden Leitmotivik und einer
Schauspielmusik mit dem Wechsel von Text und Musik mit Vorspielen, Intermezzi und
Situationsmusiken.
Opernkomponist, ja oder nein, bei Fauré scheiden sich die Geister. Aber es ist schon
bezeichnend, dass einer der Höhepunkte dieser Oper, wenn man sie denn so nennen
will, ausgerechnet ein ganz undramatischer Moment ist, ein Frauenchor, der Chor der
Okeaniden besingt das harte Los des gequälten Prometheus, zart, strahlend, himmlisch
schön.
Musik 8:
Fauré: Promethee Chor der Oceaniden
CD 021270 007 PA BR
7‘58
Der Chor der Oceanides aus Gabriel Faurés Oper „Promethee“ mit dem Chor „Maitrise
de Gabriel Fauré“ und dem Orchester der Oper von Monte Carlo unter Roger Norrington.
In Beziers wird Fauré „Promethee“ ein Riesenerfolg, 9000 Zuschauer, eine gigantische
Kulisse, eine prall gefüllte Bühne, mitten drin als Dirigent des Spektakels der
bescheidene Komponist.
Gabriel Fauré ist auf den Geschmack gekommen, Oper, es juckt ihm in den Fingern.
Aber weitere sieben Jahre wird es dauern, bis er endlich wieder einen passenden Stoff
findet. Penelope, wieder griechische Antike, die treue Gattin des Helden von Troja, der
den Heimweg nicht finden kann.
Fauré ist so begeistert von dem Libretto des jungen Dichters René Fauchois, dass er
losschreibt, bevor der Text überhaupt fertig ist. Fauchois plant fünf Akte, aber Fauré
winkt ab. Er sei mit 62 Jahren ein alter Mann, wer wisse schon wie viel Zeit ihm noch
bliebe.
Also einigt man sich auf drei Akte. Außerdem strafft Fauré die Besetzung, Telemachos,
der Sohn von Odysseus und Penelope fällt raus und die tapfere Frau mit ihren großen
Emotionen rückt in den Mittelpunkt. Er wolle menschliche Gefühle mit mehr als
menschlicher Musik ausdrücken, schreibt Fauré.
Aber obwohl er über die Maßen motiviert ist, braucht Fauré ganze sechs Jahre bis das
Werk endlich fertig ist. Immer wieder unterbrechen ihn seine Brotberufe, die Arbeit als
Organist, als Pädagoge, als Chorleiter. So arbeitet er hauptsächlich in den
Sommerferien. Aber da, in den Bergen kommt er so richtig in Fahrt. Die Nummernoper
ist für ihn passé, wieder, wie schon in seinem Promethee wählt Fauré die Form des
durchkomponierten Dramas und die Leitmotivtechnik. „Es handelt sich um das
Wagnerische System“, schreibt er an seine Frau, „aber es gibt im Moment nichts
besseres.“
8
Doch trotz einiger Analogien ist Gabriel Fauré mit seiner Penelope meilenweit entfernt
von dem verehrten deutschen Vorbild. Als ambitioniertem Liedkomponisten liegt Fauré
die Stimme am Herzen und die Emotion der Person, die singt. Er stärkt deshalb den
Vokalpart. Textnähe, Textverständlichkeit und eine gewisse expressive Intimität sind ihm
deshalb wichtig. Und wieder, wie so häufig bei Fauré entsteht etwas Einzigartiges, das
niemand sonst so hätte schreiben können. Ein melodienreiches, lyrisches Drama, mit
einem zwar groß besetzten Orchester, das aber meistens fast kammermusikalisch
eingesetzt wird, immer ganz nah am Text.
Am Ende des 1. Aktes eine jauchzende Liebesarie des als Bettler verkleideten
Odysseus, o liebste, treue Gattin, dann kommt Penelope dazu, bringt dem vermeintlich
alten, armen Mann einen Mantel und beide treten ab.
Musik 9:
Fauré: Penelope Ende des 1. Akts
3360536 011+012 CD 1
3‘09
Zu Unrecht fast unbekannt, die Oper Penelope von Gabriel Fauré. Der Schluss des 1.
Aktes war das mit Jessye Norman und Alain Vanzo, begleitet vom Philharmonischen
Orchester Monte Carlo unter Charles Dutoit.
Das war der 4. Teil in dieser Musikstundenreihe über den Komponisten Gabriel Fauré.
Vielen Dank fürs Zuhören und tschüss für heute sagt Ines Pasz.