SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Gabriel Fauré und seine Zeit (4) Werke für die Bühne Von Ines Pasz Sendung: Donnerstag, 28. April 2016 Redaktion: Ulla Zierau 9.05 – 10.00 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2 2 Musikstunde: Gabriel Fauré und seine Zeit Teil 4: Werke für die Bühne Um den französischen Komponisten Gabriel Fauré und um seine Zeit geht es in dieser Woche in der SWR2 Musikstunde, heute um seine Musik für die Bühne, seine Opern und Schauspielmusiken. Dazu begrüßt Sie herzlich Ines Pasz . Titelmusik nach 10 Sekunden runterblenden 0‘10 Gregorianischer Choral, Kontrapunkt, Fuge, Motetten, Bach. Das ist der normale Alltag für den kleinen Gabriel Fauré in seiner Kirchenmusikschule. Orgel, a capella-Musik, musiktheoretische Schiften. Wäre da nicht sein junger Klavierlehrer, Camille SaintSaens. Der erzählt den Schülern was vom süßen Gift sehnsuchtsvoller Liebesdramen, von sündhaften Venushügeln, umherirrenden Untoten und namenlosen Gralshütern. Bei seinem Lieblingsschüler Gabriel Fauré hinterlässt das Spuren. Die verbotene Frucht, einmal in sein Herz gepflanzt, treibt üppige Blüten und schon ist er der begabte Knabe der reinen, absoluten Kirchenmusik auf immer verloren. Er wird zwar 40 Jahre lang die Orgel spielen, noch dazu in einer der wichtigsten Kirchen von Paris, der Madeleine, die Leidenschaft für die Bühne aber, die bleibt. Den Virus Wagner wird man nie wieder los, selbst wenn man ihm abschwört, wie Camille Saint-Saens. Musik 1: Saint-Saens: Arie der Dalila M0083149 023 5‘45 So viel Erfolg wie Camille Saint-Saens mit seiner Oper „Samson und Dalila“ wird Gabriel Fauré mit seinen Opern niemals haben, bis heute nicht. Aber sie stimuliert ihn, animiert ihn und sein Freund und Lehrer Camille ist ihm ein guter Ratgeber. Elina Garanca sang die Arie der Dalila, begleitet vom SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter Marco Armiliato. Camille Saint-Saens macht seinen jungen Freund Gabriel Fauré vertraut mit den Opern der Saison. Gounod, Adam, Meyerbeer, es muss nicht immer Wagner sein. Schon bei seiner ersten Stelle an der Kirche in Rennes büxt der junge Organist Fauré abends aus seinem Zimmerchen aus, um sich im Stadttheater „Die Hugenotten“ anzuhören. Richtig los geht es aber erst, als er nach fünf Jahren Bretagne endlich wieder in Paris ist. Auch Gabriel Fauré wird hineingezogen in den allgemeinen Opern-Hype, zumal Pauline Viardot, in deren Salon Fauré Stammgast ist in ihren besten Zeiten eine gefeierte Mezzosopranistin war. Fauré verliebt sich nicht nur in die Tochter des Hauses, Marianne, sondern auch in die Musik der Bühne, von der Pauline ihm so anschaulich erzählt. Dann bemüht sich auch noch Charles Gounod persönlich um den jungen Komponisten und schon haben die Beiden, Viardot und Gounod ihn rumgekriegt, Fauré sieht sich mal um nach einem Libretto. Ein gutes Libretto ist schon die halbe Oper, weiß sogar er als Anfänger, also sollte man gleich groß starten. Er stürzt sich auf einen der erfolgreichsten Librettisten von Paris, Louis Gallet und bedrängt ihn geradezu mit Anfragen. Fauré ist dem Starautor allerdings 3 viel zu unbedeutend, noch dazu plant der nur einen Einakter. Meine Güte, ein Einakter! Dafür nimmt ein Louis Gallet doch keinen Griffel in die Hand. Also kommen die Beiden nicht zusammen. Fauré wir immer ungeduldiger: „Ich nehme alles, was Sie mir anbieten“, schreibt er Gallet, „bedingungslos. Nur schicken Sie mir um Himmels willen etwas!“ Was aber nicht passiert. Dann sieht sich Fauré anderweitig um. Kramt in der russischen Literatur, der römischen Antike und der dänischen Geschichte. Nichts will passen, was leider auch offenbart, dass der junge Gabriel Fauré die Oper zwar liebt, ihm aber jeglicher dramaturgischer Spürsinn fehlt. So ist die Liste seiner Bühnenwerke zunächst einmal die seiner ungeschriebenen. Doch dann eröffnet sich ihm ein ganz neues Feld, das ihm offensichtlich wesentlich mehr liegt. Ebenfalls für die Bühne, aber ohne innere Dramaturgie und vor allem ohne Libretto, die Schauspielmusik. Musik 2: 2‘30 Fauré: Chor aus Caligula 0124487 004 Zum Glück entdeckt Ende der 70er Jahre Roger Norrington für sich das Werk Gabriel Faurés und spielte mit dem Orchester der Oper Monte Carlo einige der unbekannteren Bühnenmusiken und auch Auszüge aus der Oper Caligula ein. Ansonsten gäbe es davon wahrscheinlich bis heute keine Aufnahme. „Caligula“ stammt von Alexandre Dumas, dem Älteren und ist durchgehend in Alexandrinern gedichtet, was Dumas mal mehr, mal weniger gut gelingt. 1837 wird die Tragödie in Paris uraufgeführt und Dumas will damit, wie er im Vorwort erklärt nicht weniger als „den Kampf des ausklingenden Heidentums mit dem aufkeimenden Glauben“ illustrieren. Rund 50 Jahre später soll das Werk noch einmal auf die Bühne, dieses Mal auf die große des Odeon Theaters. Für den opulenten Rahmen braucht man entsprechende Musik und Fauré bekommt den Auftrag. Mord, Verrat, Machtgier, Unzucht, das dekadente Rom zeigt sich in seinen schillerndsten Farben. Zumal das Odeon Theater genug Platz bietet für das antike Schreckensszenario. Faurés Musik schafft sich dabei ihre ganz eigene Welt und bemüht sich dabei immer wieder um einen anschaulichen Realismus. Bei einer Szene im Kaiserpalast will Fauré, wie er sagt „den Eindruck eines antik klingenden Tanzes erwecken.“ Und wie erreicht er das? Vor allem durch die Harmonik. Er spielt mit den Tonarten GDur und h-Moll. Das erinnert an Gregorianischen Choral, der zwar weit weg ist von der römischen Antike, aber immerhin in eine andere, nämlich frühere Zeit versetzt. Musik 3: Fauré: Caligula 0124487 005 1‘55 Die „Air de danse“ aus der Schauspielmusik zu Caligula von Gabriel Fauré mit dem Chor „Maitrise de Gabriel Fauré“ und dem Orchester der Oper von Monte Carlo unter Roger Norrington. 4 Mit dieser seiner ersten Schauspielmusik scheint Gabriel Fauré das Genre für sich entdeckt zu haben. „Die große Stimme der Musik erhebt sich hier nicht, um sich wie in der Oper unmittelbar jedem Moment des Dramas beizuordnen“, erklärt er in einem Text, „Sie kommentiert lediglich die Handlung, ruft Gefühle in Erinnerung oder erhöht deren Ausdruck, weitet den Zauber der Kulissen aus und belebt die Kräfte der Natur, die derart stark auf die handelnden Personen wirken. Ich persönlich habe meine Vorliebe für diese Art des musikalischen Eingriffs in das Drama mehr als einmal bewiesen, wo ein literarisches Werk mit lyrischem Charakter und musikalischer Atmosphäre umgeben wird.“ Lyrisch geht es allerdings nicht immer zu. Je nach Sujet halt, Fauré hat da ganz eindeutige Vorlieben. Am ehesten liegt ihm die Antike, oder das Mittelalter geht auch noch. Als er aber Molieres Komödie „Der Bürger als Edelmann“, musikalisch illustrieren soll, die ja zum Schluss im Orient spielt, reagiert er zurückhaltend. „Komik liegt mit nicht sehr und ich habe großen Respekt vor der türkischen Zeremonie. Musik mit Turban bringt mich durcheinander.“ Aber weit kommt Fauré mit seiner Musik sowieso nicht, mitten in der Arbeit geht das Odeon Theater pleite und die Musik wird nicht mehr benötigt. Nur ein einziges Stück daraus ist überliefert, es wird eines der berühmtesten von Fauré überhaupt. Und weil er es selbst so gut findet, verwendet er es später noch mal, in seiner Schauspielmusik zu „Pelleas und Melisande“. Ganz ursprünglich aber gehört es in die schräge Komödie von Moliere, als wunderbar gesangliches, stimmungsvolles Intermezzo. Musik 4: Fauré: Sicilienne M0407865 002 3‘13 Von Gabriel Fauré ursprünglich geplant als Intermezzo zur Schauspielmusik zu „Der Bürger als Edelmann“, später als berühmte „Sicilienne“ Teil von „Pelleas und Melisande“, der Flötist Patrick Gallois war das, zusammen mit Kammerorchester des Musikfestivals Paris. Auch wenn ihm die Komödie von Moliere angeblich nicht wirklich liegt, bei seiner Arbeit am „Bourgeois Gentilhomme“ kommt er erst so richtig auf den Geschmack. Bei seinem Kollegen und Freund Camille Saint-Saens, der gerade ebenfalls an einer Bühnenmusik sitzt, bringt er sich jedenfalls gleich in Stellung: „Solltest du zufällig eines Morgens mit tiefer Verachtung gegenüber der „Antigone“ von Meurice erwachen …..Gib sie mir! Die Schauspielmusik ist das einzige Genre, das meinen geringen Möglichkeiten annähernd entspricht“. Da macht sich Fauré denn aber doch sehr klein. Aber sicherlich inspirieren ihn die Vorgaben der Szene, ohne dass er sich um dramaturgische Fragen kümmern muss. So wie in der Liebesszene im Shylock von Edmond Haraucourt nach Shakespeares „Kaufmann von Venedig“. Sie spielt nachts, im Mondschein, im Garten der Porcia, Nocturne nennt Fauré das Stück deshalb, unendlich gefühlvoll hebt sich ein stimmungsvolles Geigensolo über gedämpfte Streicher: „Ich musste eine sehr eindringliche Melodie mit dem Charakter des venezianischen Mondlichtes finden“ schreibt er später an eine Freundin, Elisabeth Greffulhe, „und schließlich war es soweit! Die Luft, die in Ihrem Park atmete inspirierte mich dazu. Ein Grund mehr, Ihnen aufrichtig zu danken.“ 5 Gerade in diesem Nocturne erkennen Musikwissenschaftler Fauré als einen Vorläufer des Impressionismus, mit einer bestimmten Art von Licht, von Farben, von Stimmungen. Mit einem Thema, das auf schwelgerische Nachdrücklichkeit verzichtet, sich sogar zurücknimmt. Nur die Klangfarben im Orchester blühen üppig, aber nie aufgesetzt sinnlich. „Fauré ist der erste Musiker“, so der Musikkritiker Emile Vuillermoz, „der es gewagt hat, die Empfindung zu feiern, der es gewagt hat mit Ehrlichkeit ein Parfüm, ein Lichterspiel, ein welkes Blatt, eine Stimmung, einen Schauder, einen Abglanz zu besingen. Er hat sich von der sentimentalen Heuchelei getrennt, die wir von den Menschen der 1840 er Jahre geerbt hatten. Und er schreckte nicht davor zurück, sich der zarten, der kräftigen, der reizenden, der göttlichen Sinnlichkeit zu bekennen, und sie zu verherrlichen.“ Musik 5: Nocturne de Shylock M0063546 005 3‘05 Mondscheinmusik, das Nocturne aus Gabriel Fuares Schauspielmusik zu Shylock mit dem Philharmonischen Orchester der Stadt Mexiko unter Enrique Batiz. In Faurés nächster Bühnenmusik geht es um zwei Liebende, die in einer rätselhaften Welt leben, der Todessehnsucht näher als der Wirklichkeit. In einer magischen Anziehung dazu verurteilt sich aufzugeben. Seele, Tod, Mysterien bestimmen das Drama „Pelleas und Melisande“ von Maurice Maeterlinck, das mit seiner symbolistischen Kraft eine ganze Generation in seinen Bann zieht. Prinz Golaud verliebt sich in die schöne Unbekannte Melisande und nimmt sie mit auf sein Schloss. Dort aber fühlt sie sich zu Golauds Bruder hingezogen, dem geheimnisvollen Pelleas. Auch er erwidert ihre Gefühle, doch in blanker Eifersucht wird er von seinem Bruder erschlagen. Aus gebrochenem Herzen stirbt auch Melisande. Der größte musikalische Ruhm zum Thema gehört sicherlich Claude Debussy, mit seiner genialen Oper „Pelleas et Meliande“. Gabriel Fauré bleibt die Schauspielmusik, die zu schreiben Debussy naserümpfend ablehnt. Keinen wirklich sympathischen Eindruck hinterlässt Debussy in der Angelegenheit. Eigentlich soll er nämlich seine Oper auf eine Suite zusammenkürzen, für die Londoner Premiere des Schauspiels. Indiskutabel für Debussy. Er lehnt ab. Als Fauré den Auftrag übernimmt, bezeichnet Debussy dessen Musik später als minderwertig, die den Vergleich mit seiner nicht aushielte. Fauré sei der musikalische Meinungsträger einer Gruppe von Snobs und einfältigen Leuten und sein Musik ein „Spinnlied für Kasinos in Kurorten.“ Beide Musiken entstehen zur etwa gleichen Zeit, die Oper Debussys und die Bühnenmusik von Fauré. Nur ein einziges Mal wird das Drama überhaupt in Paris aufgeführt, am 17. Mai 1893 und die ganze Pariser Geisteselite scheint da zu sein. Dann soll das Stück in London laufen und für diese Vorstellung soll Fauré die Musik schreiben. Innerhalb eines Monats muss Fauré alles fertig haben. Er schafft es und es wird ein grandioser Erfolg. Auch Maeterlinck kann sich kaum halten vor Begeisterung. „Sie haben mir die schönste, umfassendste, zarteste und harmonischste Empfindung beschert, die ich vielleicht bis zum heutigen Tag erlebt habe.“ Musik 6: Fauré: Pelleas und Melisande Prelude M0290813 003 4‘17 6 Komponierte Zartheit, das Prelude zu Faurés Schauspielmusik „Pelleas und Melisande“, gespielt vom Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Heinz Holliger. Fauré schildert die Zartheit von Melisande, die Tragik des Schicksals, die Todessehnsucht. Alles greift ineinander, Tonarten mischen sich, Rhythmen, Themen. Und doch entsteht dadurch kein Chaos, sondern eine unendlich ruhige, berührende Klangfläche. Der Wein und die Antike, sie bringen Gabriel Fauré dann zu seiner ersten Oper. Auch noch mit von der Partie ist ein reicher südfranzösischer Gutsbesitzer namens Fernand de Castelbon, der ist nicht nur ein findiger Geschäftsmann, sondern auch Laienmusiker und Leiter der ortsansässigen Blaskapelle von Béziers im Languedoc. Reich geworden ist er wie halb Südfrankreich Ende des 19. Jahrhunderts vom Weinbau. Ein wahrer Geldsegen ergießt sich über die Gegend von Beziers, wo die Rebe besonders gut gedeiht und so beginnt Castelbon zu träumen, von prächtigen antiken Festen in der heimischen Arena, nach griechischem Vorbild. Alle sollen mitmachen. Die Weinbauern und Arbeiter im Chor, die Handwerker beim Bühnenbild, er selbst als Dirigent der Blaskapelle. Antike liegt sowieso gerade im Trend in Frankreich. Auch auf höherer akademischer Ebene, wie bei der Pariser Ecole francaise d’Athène. Die hat in Delphi wichtige fragmentarische Texte mit musikalischen Symbolen entdeckt und rekonstruiert jetzt die Tonsprache der Griechen. Für seine glanzvollen Feste in Béziers versucht Fernand Castelbon nun einen Spagat zwischen Volksbelustigung und der Darstellung antiker Mythen mit philosophischem Tiefgang. Zuerst engagiert er Camille Saint-Saens, der macht gerne mit und schreibt für ihn und die Arena seine Tragödie „Déjanire“, mit Harfenteppich in Anlehnung an die griechische Lyra, Damenballett, 100 Mann starkem Streichorchester und der ortsansässigen mehrfach verstärkten Blaskapelle. Im Jahr drauf, 1899 hat Saint-Saens erst mal keine Lust mehr, oder keine Zeit, wir wissen es nicht genau. Jedenfalls empfiehlt er für den nächsten Event seinen bescheidenen Freund Gabriel Fauré. Das Sujet stammt ebenfalls aus der griechischen Antike: Prometheus, der Feuerbringer und Menschenfreund, den die Götter bitter strafen, indem sie ihn an einen Felsen schmieden. Jeden Tag kommt ein Vogel und frisst von seiner Leber, die sich, qualvoll für den Unsterblichen ebenfalls jeden Tag wieder erneuert. Bis der Held Herakles ihn von seinen Leiden befreit. Musik 7: Fauré: Promethee Vorspiel CD 021270 001 PA BR 3‘32 Das Vorspiel zur Oper Promethee, mit dem Orchester der Oper Monte Carlo unter Roger Norrington. Monatelang arbeitet Fauré an seiner Oper Prometheus. Aber es geht kaum voran. Im Sommer des Jahres 1900 bricht eine gnadenlose Hitze über Paris herein. „Mein Vater ging mit einer Flanellweste bekleidet in der Wohnung auf und ab“, erzählt Faurés Sohn 7 später, “die Fensterläden waren geschlossen, die Türen schlugen auf und zu. Gerade hatte er einige Noten an seinem Schreibtisch niedergeschrieben, als er mit düsterem Blick wieder aufstand und entrüstet fluchte, er würde niemals wieder ein Auftragswerk für ein bestimmtes Datum schreiben.“ Doch irgendwann ist die Oper fertig, oder dieser Mischling aus Oper und Schauspiel, bei dem einige Texte auch gesprochen werden. Das Problem ist also eine durchgehende musikalische Dramaturgie. Fauré wählt das Prinzip der Leitmotivik. Drei Motive für die Hauptpersonen Prometheus, Pandora und die Olympischen Götter, drei andere für das Feuer, die Strafe und die Hoffnung. Heraus kommt eine sehr eigene Synthese aus italienischer Oper mit Arien, dem Musikdrama im Sinne Wagners mit einer durchgehenden Leitmotivik und einer Schauspielmusik mit dem Wechsel von Text und Musik mit Vorspielen, Intermezzi und Situationsmusiken. Opernkomponist, ja oder nein, bei Fauré scheiden sich die Geister. Aber es ist schon bezeichnend, dass einer der Höhepunkte dieser Oper, wenn man sie denn so nennen will, ausgerechnet ein ganz undramatischer Moment ist, ein Frauenchor, der Chor der Okeaniden besingt das harte Los des gequälten Prometheus, zart, strahlend, himmlisch schön. Musik 8: Fauré: Promethee Chor der Oceaniden CD 021270 007 PA BR 7‘58 Der Chor der Oceanides aus Gabriel Faurés Oper „Promethee“ mit dem Chor „Maitrise de Gabriel Fauré“ und dem Orchester der Oper von Monte Carlo unter Roger Norrington. In Beziers wird Fauré „Promethee“ ein Riesenerfolg, 9000 Zuschauer, eine gigantische Kulisse, eine prall gefüllte Bühne, mitten drin als Dirigent des Spektakels der bescheidene Komponist. Gabriel Fauré ist auf den Geschmack gekommen, Oper, es juckt ihm in den Fingern. Aber weitere sieben Jahre wird es dauern, bis er endlich wieder einen passenden Stoff findet. Penelope, wieder griechische Antike, die treue Gattin des Helden von Troja, der den Heimweg nicht finden kann. Fauré ist so begeistert von dem Libretto des jungen Dichters René Fauchois, dass er losschreibt, bevor der Text überhaupt fertig ist. Fauchois plant fünf Akte, aber Fauré winkt ab. Er sei mit 62 Jahren ein alter Mann, wer wisse schon wie viel Zeit ihm noch bliebe. Also einigt man sich auf drei Akte. Außerdem strafft Fauré die Besetzung, Telemachos, der Sohn von Odysseus und Penelope fällt raus und die tapfere Frau mit ihren großen Emotionen rückt in den Mittelpunkt. Er wolle menschliche Gefühle mit mehr als menschlicher Musik ausdrücken, schreibt Fauré. Aber obwohl er über die Maßen motiviert ist, braucht Fauré ganze sechs Jahre bis das Werk endlich fertig ist. Immer wieder unterbrechen ihn seine Brotberufe, die Arbeit als Organist, als Pädagoge, als Chorleiter. So arbeitet er hauptsächlich in den Sommerferien. Aber da, in den Bergen kommt er so richtig in Fahrt. Die Nummernoper ist für ihn passé, wieder, wie schon in seinem Promethee wählt Fauré die Form des durchkomponierten Dramas und die Leitmotivtechnik. „Es handelt sich um das Wagnerische System“, schreibt er an seine Frau, „aber es gibt im Moment nichts besseres.“ 8 Doch trotz einiger Analogien ist Gabriel Fauré mit seiner Penelope meilenweit entfernt von dem verehrten deutschen Vorbild. Als ambitioniertem Liedkomponisten liegt Fauré die Stimme am Herzen und die Emotion der Person, die singt. Er stärkt deshalb den Vokalpart. Textnähe, Textverständlichkeit und eine gewisse expressive Intimität sind ihm deshalb wichtig. Und wieder, wie so häufig bei Fauré entsteht etwas Einzigartiges, das niemand sonst so hätte schreiben können. Ein melodienreiches, lyrisches Drama, mit einem zwar groß besetzten Orchester, das aber meistens fast kammermusikalisch eingesetzt wird, immer ganz nah am Text. Am Ende des 1. Aktes eine jauchzende Liebesarie des als Bettler verkleideten Odysseus, o liebste, treue Gattin, dann kommt Penelope dazu, bringt dem vermeintlich alten, armen Mann einen Mantel und beide treten ab. Musik 9: Fauré: Penelope Ende des 1. Akts 3360536 011+012 CD 1 3‘09 Zu Unrecht fast unbekannt, die Oper Penelope von Gabriel Fauré. Der Schluss des 1. Aktes war das mit Jessye Norman und Alain Vanzo, begleitet vom Philharmonischen Orchester Monte Carlo unter Charles Dutoit. Das war der 4. Teil in dieser Musikstundenreihe über den Komponisten Gabriel Fauré. Vielen Dank fürs Zuhören und tschüss für heute sagt Ines Pasz.
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