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Klinische Untersuchungsverfahren
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FEEL-KJ für den Altersbereich von 5 bis 10 Jahren gespannt sein.
sondern beispielsweise auch ein Mangel an sozialer Interaktion als belastend und damit als Stress auslösend gedeutet und abgefragt werden kann.
Literatur
Der Fragebogen besteht aus neun Skalen mit insgesamt
57 Items. Die Durchführungszeit beträgt 10–15 Minuten.
Die neun Skalen erfassen Arbeitsüberlastung, Soziale
Überlastung, Erfolgsdruck, Unzufriedenheit mit der Arbeit,
Überforderung bei der Arbeit, Mangel an sozialer Anerkennung, Soziale Spannungen, Soziale Isolation und Chronische Besorgnis. Chronische Besorgnis stellt neben den
inhaltsgebundenen Skalen eine Besonderheit dar. Da Personen, die generell zur Besorgnis neigen, Stressepisoden
intensiver, länger und aversiver erleben als grundsätzlich
weniger besorgte Personen, kann die Besorgnis-Skala helfen, die dem Stresserleben zu Grunde liegende objektive
Belastung präziser zu erfassen. Gleichzeitig kann speziell
diese Skala für die Therapieevaluation interessant sein.
Carter, A., Briggs-Gowan, M. J. & Ornstein Davis, N. (2004).
Assessment of young children’s social-emotional development and psychopathology: recent advances and recommendations for practice. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 45, 109–134.
Petermann, F. & Wiedebusch, S. (2003). Emotionale Kompetenz bei Kindern. Hogrefe: Göttingen.
Silvia Wiedebusch, Münster
DOI: 10.1026/1616-3443.35.3.240
Schulz, P., Schlotz, W. & Becker, P. (2004). Trierer Inventar zum chronischen Stress (TICS). Göttingen:
Hogrefe. Preis: € 49,–.
Das Interesse an Messinstrumenten, die Stresserleben erfassen, ist besonders deshalb angestiegen, weil immer
deutlicher wird, dass es die andauernden, nicht bewältigten Stressoren zu sein scheinen, die das Befinden, das
Gesundheitsverhalten und letztendlich den Gesundheitsstatus beeinflussen können.
Mit dem Trierer Inventar zum chronischen Stress (TICS)
wird im deutschsprachigen Raum erstmals ein normiertes
Instrument vorgelegt, das sich für die Gruppendiagnostik
und die individuelle Diagnostik von chronischem Stresserleben eignet.
„Stresserleben“ meint in diesem Rahmen die subjektive Stresserfahrung. Dies bedeutet, dass, anders als in
einem reizorientierten Stresskonzept, nicht unterschiedliche Stressoren, sondern die persönlichen Bewertungen
von Belastungen abgefragt werden. Die Autoren des TICS
beziehen sich bei ihrer Definition von Stress auf Semmer
und Udris (1995, S. 146), denen zufolge Stress eine aversiv
erlebte, von negativen Emotionen begleitete Beanspruchung darstellt. Ob eine Beanspruchung als aversiv bewertet wird, hängt sehr stark von den Ressourcen ab, die
eine Person sich selbst zuschreibt (Lazarus, 1986). Während der eine eine bestimmte Situation als sehr belastend
empfindet, wird ein anderer möglicherweise durch diese
Situation im Sinne einer Herausforderung angespornt.
Genau diese Interaktion zwischen dem Stressreiz und der
persönlichen Bewertung stellt das zentrale Element der
Stressforschung und der Therapie stressabhängiger Störungen dar. Basierend auf diesem interaktionalen Stresskonzept sind im TICS die einzelnen Fragen deshalb so formuliert, dass die Belastung durch die Situation bereits impliziert ist (z.B. Item 03: „Ich mache zu viele Fehler, weil ich
mit dem, was ich zu tun habe, überfordert bin“; Hervorhebungen durch die Rezensenten). Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Belastungsbereiche, die im TICS untersucht
werden, nicht ausschließlich Überlastungen darstellen,
Die Autoren raten ausdrücklich davon ab, die Summenwerte der neun Skalen zu einem Gesamtsummenwert
zusammen zu fassen. Als Alternative schlagen sie die
Screening Scala zum chronischen Stress (SSCS) (Durchführungszeit ca. 3–5 Minuten) vor. Die SSCS besteht aus
insgesamt 12 Items aus den folgenden fünf TICS-Unterskalen: Chronische Besorgnis, arbeitsbezogene und soziale Überlastung, Überforderung und Mangel an sozialer
Anerkennung.
Um die Interpretation der Skalen zu erleichtern, schlagen die Autoren vor, die zehn Skalen inhaltsbezogen in
vier Blöcke unterteilt zu betrachten. Der erste Block umfasst hierbei die Skalen Arbeitsüberlastung, Soziale Überlastung und Erfolgsdruck, welche sich alle auf erlebten
Stress, der aus hohen Anforderungen resultiert, beziehen.
Der zweite Block beinhaltet die Skalen Arbeitsunzufriedenheit, Überforderung bei der Arbeit, Mangel an sozialer Anerkennung, Soziale Spannungen und Soziale Isolation. Diese Gruppe fasst Skalen zusammen, die sich alle
durch einen Mangel auszeichnen (Mangel an Sicherheit,
Erfolg, Kontakten usw.).
Der dritte Block wird allein durch die Skala chronische
Besorgnis gebildet. Er ist damit von inhaltlichen Zusammenhängen chronischer Stressoren unabhängig und bildet eher das Persönlichkeitsmerkmal der „Besorgnisneigung“ ab.
Im vierten Block werden die Fragen der SSCS zusammengefasst. Dieser Block bezeichnet damit ein Globalmaß
für chronisches Stresserleben.
Die erste Version des TICS wurde 1999 veröffentlicht
und enthielt damals 39 Items (Schulz & Schlotz, 1999) zu
den Bereichen Arbeitsüberlastung, Arbeitsunzufriedenheit, soziale Belastung, Fehlen sozialer Anerkennung, chronische Besorgnis und belastende Erinnerungen. Seitdem
wurde der Fragebogen zwei Mal überarbeitet und liegt mit
dem Handbuch damit als Version 3 vor. Die von Version 2
zu Version 3 im Test verbliebenen Skalen genügen den
Anforderungen des ordinalen Rasch-Modells. Die 9 Fak-
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toren in der neuesten Version des Tests klären insgesamt
57.1 % der Gesamtvarianz auf. Die internen Konsistenzen
der TICS Skalen inklusive der Zusatzskala SSCS im Rahmen der klassischen Testtheorie (Cronbachs ) liegen zwischen .82 und .91. Die Reliabilität ist damit als gut bis sehr
gut einzustufen. Für die Skalen des Tests liegen Normwerte (Gesamtnormierungsstichprobe N = 604) für die Altersgruppen 16–30, 31–59 und 60–70 vor. Eine Auflistung erster Validierungsstudien im Testhandbuch und eigene Studien deuten auf eine gute externe Validität des TICS im
Zusammenhang mit anderen akuten und überdauernden
Stressmaßen und überdauernden psychologischen Kriterien (z. B. dispositionelle Stressreaktivität, Stresserfahrungen, Neurotizismus) hin.
Das einfach anwendbare Instrument eignet sich sowohl für den Einsatz in gesunden wie auch in klinischen
Stichproben. Insbesondere die Baseline-Testung von Probanden bezüglich eines hohen chronischen Stresserlebens
und der Vergleich mit den Normwerten des Tests können
verhindern, dass Probanden, die unter einer zu großen
Stresslast leiden, in Untersuchungen zu Stress einbezogen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei
dem Trierer Inventar zum chronischen Stress um ein sehr
empfehlenswertes Instrument zur Belastungsevaluation
handelt. Zusammenhänge zwischen Stresserleben und
anderen Variablen lassen sich mithilfe des TICS gezielt
und methodisch fundiert untersuchen. Gleichzeitig enthält
der Fragebogen mit der Skala SSCS ein benutzerfreundliches Screeninginstrument.
Literatur
Lazarus, R. S. (1986). Stress, appraisal and coping. New York:
Springer.
Schulz, P. & Schlotz, W. (1999). Das Trierer Inventar zur Erfassung von chronischem Streß (TICS): Skalenkonstruktion,
teststatistische Überprüfung und Validierung der Skala Arbeitsüberlastung. Diagnostica, 45, 8–19.
Semmer, N. & Udris, I. (1995). Bedeutung und Wirkung von
Arbeit. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie (2 ed., S. 133–166). Bern: Huber.
Dr. Beate Ditzen und Dr. Urs M. Nater
Emory University School of Medicine, Atlanta, USA
DOI: 10.1026/1616-3443.35.3.241