- Competence Site

GRUNDLAGEN - ROUNDTABLE
#NextMES –
Produktionssteuerung im Zeitalter
neuer Technologien und neuer
Produktionsparadigmen!
IM INTERVIEW: Andreas Kirsch, Vorstand, GUARDUS Solutions AG
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
„Digitalisierung“, „IoT“, „CPS“ und „Industrie 4.0“ gelten als die Zukunftsperspektiven für die
Produktion. Klar ist auch, dass neue Technologien einen Wandel induzieren. Ansonsten ist
vor allem sehr viel unklar. Dabei werden die Veränderungen massiv sein. Relevante Fragen
sind hierbei u.a.
• Wie sehen die neuen Produktionsparadigmen aus?
• Welche Arbeitsteilung zwischen MES, ERP und Shop Floor zeichnet sich ab?
• Welche Architektur, welche Sourcing-Strategien sind heute / morgen sinnvoll?
Gilt Integration oder Kollaboration als Erfolgsmuster?
• Welche weiteren Zukunftsentwicklungen werden durch IoT & Co angestoßen?
• #NextAct: Was sind die nächsten Schritte für Fertigungsunternehmen?
Es freut uns, dass wir wieder das Who-Is-Who der MES-Branche für diesen Austausch zur
Zukunft der Produktion gewinnen konnten.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen; Ihr Team der Competence Site
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Competence Book - MES II
EINLEITUNG - ROUNDTABLE
Sehr geehrter Herr Kirsch,
Frage 1: Neues Produktionsparadigma im Zeitalter von Digital, Industrie 4.0 …
„Digitalisierung“, „IoT“, „CPS“ und „Industrie 4.0“ gelten als die Zukunftsperspektiven für die Produktion. Klar ist auch, dass neue Technologien einen Wandel induzieren. Ansonsten ist vor allem sehr viel
unklar.
Inwieweit sind heutige Paradigmen der Fertigungsindustrie mit Blick
auf Industrie 4.0 noch gültig/anwendbar? Insbesondere soll sich die
klassische Automatisierungspyramide auflösen. Aber wo sind die neuen
Grenzen und wie ist die neue Arbeitsteilung zwischen Management und
Shopfloor bzw. „ERP“, „MES“ und „Shopfloor“?
Antwort:
Zunächst einmal wird die sogenannte Automatisierungspyramide, die aus dem internationalen Standard IEC 62264 erwachsen ist, sich nicht auflösen. Ganz im Gegenteil
dadurch, dass die IEC 62264 ein wichtiger Bestandteil im Referenzmodell für Industrie
4.0 RAMI ist, wird diese erst noch richtig an Bedeutung gewinnen. Die Zuordnung von
einzelnen Funktionen auf ERP, MES oder SCADA Ebene war bezogen auf die angewandeten Produktionsmethodologien schon immer in verschiedenen Ausprägungen am
Markt vorhanden und damit waren auch die Grenzen nie für alle Industrien in Beton
gegossen.
Was aber durchaus zu einer Veränderung der Grenzen führt, ist die Tatsache, dass durch
neue Technologien die Pyramide nun um weitere Elemente ergänzt wird und die vernetzte Integration als zusätzliche Komponente zu der horizontalen und vertikalen Integration hinzukommt.
Frage 2: Architektur und Sourcing für #NextMES
Durch den Wandel der Paradigmen stellt sich auch die Frage der
Architektur und des Sourcing neu. Integrierte Gesamtsysteme
und Single Sourcing / Single Vendor versus vernetzte Systeme und
Best-of-Breed-Philosophie stehen sich gegenüber. Hier scheinen kollaborative Systeme / Plattformen die Lösungen für die Zukunft zu sein.
„[...] dadruch, dass die
IEC 62264 ein wichtiger Bestandteil im
Referenzmodell für Industrie 4.0 RAMI ist,
wird diese erst noch
richtig an Bedeutung
gewinnen.“
Hat sich aus Ihrer Sicht wirklich die Entscheidungsbasis für Fragen
zu Architektur und Sourcing geändert? Was würden Sie Unternehmen
raten, um zukunftsfähig zu sein? Wovon sind gegebenenfalls Entscheidungen für die eine oder die andere Alternative abhängig? Wo macht
ein integriertes System Sinn, wo rechtfertigt der funktionale Vorteil von
Best-of-Breed den Integrationsaufwand durch Schnittstellen etc.? Wie
sehen die idealen Szenarien für die horizontale und vertikale Integration aus?
Antwort:
Die Entscheidungsbasis hat sich dahin gehend geändert, dass MES mittlerweile eine
mehr strategische Bedeutung bekommen hat und nicht mehr ein reines IT Projekt des
Bereichs Produktion ist. Dies sehen wir als GUARDUS sehr positiv.
Competence Book - MES II
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EINLEITUNG - ROUNDTABLE
Wichtig für die Zukunft wird es für den Anwender sein, in Softwaresysteme zu investieren, die es erlauben sich schnell auf Prozessveränderungen einzurichten. Dazu
gehört eine höhere Flexibilität und auch die Möglichkeit neue Technologien schneller
einzubinden und an die Arbeitsprozesse zu adaptieren. Die größte Herausforderung
für die Anwender wird es sein keine klassischen Anforderungskataloge mehr zur Systemauswahl zu erstellen, da diese viel zu starr und eher eine Momentaufnahme zum
Zeitpunkt des Auswahlprozesses darstellen als mehr dazu überzugehen sich Lösungen
in ihrer Gesamtheit (integrativ, Best of Breed, Kollaboration, etc.) anbieten zu lassen.
Dazu zählt auch Architektur, funktionale Inhalte, Schnittstellen, Zukunftsfähigkeit
und Wandlungsfähigkeit. Ausschreibungen, die zu viel im Detail funktional vorgeben
schränken den Open Mind ein und verhindern dadurch manchmal innovative Lösungen zu berücksichtigen.
„Wichtig für die
Zukunft wird es für
den Anwender sein,
in Softwaresysteme
zu investieren, die es
erlauben sich schnell
auf Prozessveränderungen einzurichten.“
Frage 3: Weitere Zukunftsentwicklungen wie IoT, UX, … für #NextMES
Einige technologische Innovationen wie IoT werden sicherlich noch an
Bedeutung gewinnen. Auch neue Formen der User Experience (Gesture,
Augmented Reality!) werden sich weiter ändern. Selbst Gamification
Ansätze werden diskutiert.
Was sind Ihrer Meinung nach (wirklich) wichtige Zukunftsentwicklungen, die man als Anwender im Blick haben soll? Wo lohnen sich die
Anstrengungen besonders?
Antwort:
Wichtig wird es sein, schnell neue IoT Features so einzubinden, dass diese nutzenorientiert verwendet werden können. Hierzu dienen in der Regel sogenannte Use Case Szenarien. Schließlich ist es durch die rasante Innovationsgeschwindigkeit sehr schwer zu
extrapolieren was z.B. in 5 Jahren an IoT Komponenten nutzbringend und sinnvoll zur
Verfügung steht. Manche werden sich davon durchsetzen manche werden aber bezogen
auf die Fertigungsindustrie auch scheitern. Das Thema User Experience wird durch die
steigende Komplexität zukünftig einen sehr wichtigen Stellenwert einnehmen und eine
höhere Aufmerksamkeit als in der Vergangenheit erfahren.
Wir als GUARDUS verfolgen dieses Thema unter dem Begriff Comfort by Design schon
seit Jahren, um damit dem Anwender bei seinen täglichen Arbeitsprozessen so zu unterstützen, dass er von der Komplexität einer vernetzen Integration möglichst wenig
belastet wird. Dies hat auch schon immer dazu positiv beigetragen, dass die Akzeptanz
bei der Einführung des Systems insbesondere im Shopfloorbereich sehr hoch ist. Wir sehen deshalb den Trend zu einem Human Centred Design (HCD) sehr positiv. In wieweit
Gamification welche bei Simulationssoftware sicherlich schon Einzug gehalten hat sich
auf alle Systeme in der Pryramide erstrecken wird, wird sich im Rahmen der Aufwand
und Nutzen Analyse erst noch zeigen.
„Wichtig wird es sein, schnell neue IoT Features so einzubinden,
dass diese nutzenorientiert verwendet werden können.“
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Competence Book - MES II
EINLEITUNG - ROUNDTABLE
Frage 4: #NextAct für #NextMES?
Bei aller Euphorie für Innovationen stellt man oft fest, dass die „Praxis“
bei solchen Diskussionen abgehangen wird. Oft fehlen in der Praxis die
Grundlagen für Innovationen oder es ist unklar, wie der eigene Fortschritt gelingen kann.
Wie bewerten Sie die Reife der Praxis für Innovationen wie Industrie 4.0 /
MES 4.0? Wie können Unternehmen sich zukunftsfähig ausrichten, die heute
noch Lücken in der System- und Kompetenzbasis (Prozesse, …) aufweisen?
Können Sie 1-2 Beispiele schildern, wo es „normalen“ Unternehmen der
Praxis gelungen ist, sich zukunftsorientiert auszurichten? Was waren
Herausforderungen, was waren Erfolgsmuster, wie wurde vorgegangen,
was wurde „neu“ geschaffen mit welchem ROI?
Antwort:
Wenn man bedenkt, dass nach Einführung von CIM Bausteinen nach nun mehr 30 Jahren immer noch viele Unternehmen keine papierlose oder gar digitale Fabrik haben und
häufig noch tayloristisch eingeführte CIM Bausteine wie BDE, MDE, CAQ etc. betreiben
und einsetzen stellt sich mit Industrie 4.0 der Sprung in die digitale Fabrik für solche
Unternehmen natürlich als sehr große Herausforderung dar. Für solche Unternehmen
steht durch die Situation zwischen eingesetzter Praxis und sehr schnellem innovativem
Fortschritt ein großer Innovationssprung zu Industrie 4.0 bevor.
Da wir MES Anbeiter sind, ist natürlich in unserem Kundenkreis die Digitalisierung der
Fabrik viel fortgeschrittener. Hier gibt es aber auch bereits Kunden mit Leuchtturmprojekten, die z.B. das Thema CPS für sich im Rahmen der elektronischen Produktidentifikation und der One Piece Flow Strategie mit Traceability über mehrere Standorte schon
umgesetzt haben. Dabei war eine wesentliche Voraussetzung die Rüstzeiten durch hohen Automatisierungsgrad praktisch zu eleminieren und damit eine Art Einzelfertigung
trotz hoher Stückzahl zu erreichen.
Frage 5: #NextAct-Initiative: Books, Medien, Events, … eigene Pläne
„Es ist wichtig eine
Standardisierung zu
schaffen, die auch
international von den
Anbietern und Anwendern akzeptiert und
implementiert wird.“
Damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingt, müssen möglichst
viele für den Wandel gewonnen werden. Wir werden mit unseren Partnern durch Competence Books, Multiplikation in diverse Medien und
ein #NextAct-Event zur Transformation beitragen und dabei auf die Vernetzung der Community wie auf die Vernetzung mit anderen Initiativen
setzen. Kollaborativ muss der Wandel zur Kollaboration gelingen!
Wo sehen Sie Ansätze, damit dass Transformationswunder Deutschland,
insbesondere Industrie 4.0, … gelingt? Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Transformations-Ergebnissen? Was sind Ihre eigenen Pläne für
die kommenden 12 Monate und darüber hinaus, um sich selbst und Ihre
Kunden zu transformieren?
Antwort:
Hier sehen wir zwei wichtige Erfolgsfaktoren neben der ganzen Technik wie IoT, Security etc. die erfüllt werden müssen. Es ist wichtig eine Standardisierung zu schaffen, die
auch international von den Anbietern und Anwendern akzeptiert und implementiert
wird. Gelingt dieses nicht, dann wird Kollaboration auf Grund der entstehenden Heterogenität scheitern. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Thema Prozessorganisation
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EINLEITUNG - ROUNDTABLE
und deren Veränderung bei den Anwendern. Nur wenn diese sich auf allen Ebenen ändert, kann auch der Umgang mit den neuen Technologien wirschaftlich sinnvoll umgesetzt werden. (Stichwort Management 4.0).
Wir als GUARDUS begleiten unsere Kunden mit einer Evolutionsstrategie, die es erlaubt
einerseits Investitionsschutz in angewandte Technologie zu sichern und andererseits
mittels eines auf den Kunden angepassten Evolutionplans diese wirtschaftlich verträglich in eine auf den einzelnen Kunden ausgerichtete Industrie 4.0 Welt zu begleiten. Wir
sehen darin die größten Erfolgsaaussichten für uns, unsere Kunden und die, die es noch
werden wollen.
Vielen Dank für das Interview!
Zu Andreas Kirsch:
Andreas Kirsch ist seit Mitte 2006 Vorstandsmitglied der GUARDUS Solutions AG.
Zu seinen Verantwortungsbereichen gehören die Produktentwicklung, das Qualitätsmanagement sowie Finanzen & Controlling.
Im April 2007 initiierte Andreas Kirsch die Gründung des etablierten DIN Arbeitskreises für MES. Ergebnisse dieses Arbeitskreises waren u.a. die VDMA 66412
Einheitsblätter.
Darüber hinaus leitet Andreas Kirsch die internationale Working Group für die ISO
Standardisierung von Manufacturing Operation Management kurz MOM. Ein Ergebnis der Arbeitsgruppe ist die Standardisierung von Kennzahlen für Manufacturing Operation Management. Diese wurden mit der ISO 22400-2 im Januar 2014
publiziert und damit der erste international anerkannte Standard für Produktionskennzahlen für die Fertigungsindustrie geschaffen.
Durch seine Mitgliedschaften in verschiedenen Standardisierungsgremien ist
Andreas Kirsch darüber hinaus auch stark in das aktuelle Thema Industrie 4.0
involviert.
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