Prof. Dr. André Meyer, LL.M. Lehrstuhl Zivilrecht XI Fall „Planierraupen“ Bauunternehmer B erfährt im April, dass die mit Baufahrzeugen handelnde T-AG ein günstiges Angebot erhalten hat, zehn neue Planierraupen zum Preis von je 150.000 Euro anzukaufen. Wegen des großen Volumens des Geschäfts möchte die T-AG auf das Angebot aber nur eingehen, wenn sie selbst einen zuverlässigen Abnehmer hat. Sie ist bereit, die zehn Raupen im Paket für 155.000 Euro pro Stück weiter zu verkaufen. Da B selbst nur drei der Raupen brauchen kann, schlägt er seinem Freund A, dem Geschäftsführer der A-GmbH, von welcher B regelmäßig Baufahrzeuge erwirbt, vor, die restlichen sieben für die A-GmbH zu erwerben. A ist damit einverstanden und beauftragt B, die Sache mit dem Prokuristen P der T-AG zu verhandeln. P ist erfreut, einen Abnehmer in Aussicht zu haben, besteht allerdings auf eine Sicherheit der A-GmbH. Diesbezüglich hält B am Dienstag, 4. Mai, bei A Rücksprache. Da die A-GmbH eine in sechs Wochen fällige Kaufpreisforderung in Höhe von 500.000 Euro gegen die X-AG hat, überlegt A, der T-AG diese Forderung als Sicherheit anzubieten. A möchte hierzu das Einverständnis des Gesellschafters G einholen. Deswegen bittet er B, dem P erst am Donnerstag die Forderung als Sicherheit anzubieten, sofern er nicht bis Mittwoch Abend per E-Mail eine anderweitige Nachricht von ihm erhalte. B willigt ein. Anschließend ruft A bei P an und teilt ihm mit, B sei „beauftragt, den Deal am Donnerstag perfekt zu machen“ und dabei auch Sicherheiten im Namen der A-GmbH zu bestellen. Als G am Mittwochmorgen Bedenken äußert, sendet A dem B sogleich eine E-Mail, in der er „das Ganze abbläst“. Da B jedoch an diesem Tag vergisst, seine E-Mails zu kontrollieren, liest er die sich in seinem Postfach befindliche E-Mail nicht, sondern fährt am Donnerstag mit seinem Ferrari zur T-AG. Da auf dem mit Schildern ausgewiesenen „Kundenparkplatz“ der TAG kein Platz mehr frei ist, fährt er auf den Teil des Betriebsgeländes, auf dem u.a. die zum Verkauf stehenden Baufahrzeuge stehen. Er parkt dort rechts neben einem Firmenfahrzeug der T-AG unmittelbar vor einer Laderampe der Lagerhalle. Dann geht er zu P ins Gebäude und bietet die Forderung der A-GmbH gegen die X-AG als Sicherheit für die Kaufpreisforderung der T-AG gegen die A-GmbH an. P ist erfreut, meint allerdings, B solle sich zusätzlich persönlich „für die A-GmbH stark machen“. Schließlich profitiere auch er von dem Gesamtgeschäft. Daraufhin erklärt B: „Wenn es bei diesem Deal zu irgendwelchen Problemen kommt, stehe ich persönlich für die A-GmbH gerade.“ Sodann werden zwei schriftliche Kaufverträge aufgesetzt, der erste über drei Raupen mit B als Vertragspartner, der zweite über sieben Raupen mit der A-GmbH als Vertragspartnerin, diese vertreten durch B. Der Kaufpreis pro Raupe beträgt jeweils 155.000 Euro. In den zweiten Vertrag wird zusätzlich die Erklärung aufgenommen, zur Sicherung aller Ansprüche aus diesem Vertrag werde die Forderung der A-GmbH gegen die X-AG in Höhe von 500.000 Euro an die T-AG abgetreten. B und P unterzeichnen beide Verträge. Als B das Gebäude wieder verlässt, trifft ihn der Schlag: Die Motorhaube und der linke Scheinwerfer seines Ferraris sind zertrümmert. Weil der Wagen des B vor der Laderampe parkte, hatten der Käufer K einer kleinen Betonmischmaschine und der bei der T-AG angestellte Verkäufer V Schwierigkeiten, als sie die Maschine von der Rampe auf den Transporter des K verladen wollten. Da sie sich etwas ungeschickt anstellten, fiel die Maschine von der Rampe herunter und links vorne auf den Ferrari. Da B das Auto mit den Schäden nicht mehr im Straßenverkehr bewegen darf, lässt er es für 100 Euro in die nächste Ferrari-Werkstatt abschleppen. Dort erklärt man ihm, dass wegen seines seltenen Autotyps die Beleuchtungseinheit und eine neue Motorhaube erst in Italien bestellt werden müssten. Die 5.200 Euro teure Reparatur dauere deshalb eine Woche. B ist darüber wenig erfreut. Ebenfalls nicht erfreut ist A, als er am 11. Mai im Briefkasten der A-GmbH ein Schreiben der T-AG vorfindet, in dem diese für den durch B erteilten Auftrag dankt und mitteilt, mit einer Auslieferung der Raupen an die A-GmbH sei in ca. 14 Tagen zu rechnen. Entsetzt ruft A sogleich bei P an und erklärt ihm alles. Er legt dar, dass die A-GmbH nicht zur Zahlung und Abnahme bereit sei. P möchte jedoch keinesfalls nachgeben, weil die T-AG selbst die Raupen nur im Vertrauen auf den Vertrag mit der A-GmbH gekauft habe. P ruft vorsorglich bei B an und kündigt ihm an, ihn auch wegen der sieben an die A-GmbH verkauften Raupen in Anspruch nehmen zu wollen. B erklärt daraufhin, seine nur mündlich abgegebene Erklärung habe ohnehin keinen Wert. Außerdem müsse die T-AG erst einmal die A-GmbH verklagen, ehe sie sich bei ihm, B, melde. Schließlich müsse sich die T-AG jedenfalls den Schaden in Abzug bringen lassen, der durch die Beschädigung seines Ferraris entstanden sei. Zu den 5.300 Euro seien noch Kosten von 2.100 Euro hinzu gekommen, weil er sich für die sieben Tage Reparaturzeit einen Ferrari für 300 Euro pro Tag gemietet habe. P meint, die T-AG hafte nicht, zumal sich V – was zutrifft – bislang als in jeder Hinsicht zuverlässig erwiesen habe und vergleichbare Vorfälle noch nie vorgekommen seien. Ohnehin habe das Auto des B auf den Kundenparkplatz und nicht vor die Rampe gehört. Jedenfalls habe sich B für die eine Woche nur einen stärker marktgängigen Sportwagen mieten dürfen, der – was ebenfalls zutrifft – für 100 Euro am Tag zu haben sei. Schließlich zahle die T-AG die Mietkosten allenfalls für zwei Tage, weil sich B die lange Reparaturzeit seiner „verrückten italienischen Karre“ selbst zuzuschreiben habe. Aufgabe 1: Hat die T-AG gegen die A-GmbH und/oder gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 1.085.000 Euro für die sieben Planierraupen? Ab w a n d l u n g 1 Nachdem A am 11. Mai das Missgeschick erkennt und P sich unnachgiebig zeigt, will A nicht weiter auf seiner Rechtsposition beharren, um dem B keine Probleme zu bereiten. Er erklärt daher: „Nun gut, dann nehmen wir die sieben Raupen eben wie von B verhandelt ab.“ Sodann verlangt die Hausbank der A-GmbH am 17. Mai bei Kreditverhandlungen weitere Sicherheiten. Daher ruft A bei P an und bittet diesen, ihm entgegen zu kommen und für die TAG auf die Forderung gegen die X-AG als Sicherheit zu verzichten. Schließlich könne dann mit dem neuen Kontokorrentkredit der Hausbank nach Auslieferung der sieben Raupen der Kaufpreis bezahlt werden. P ist damit namens der T-AG einverstanden. Die Rückabtretung der Forderung bestätigt er per Fax auch gegenüber der Hausbank der A-GmbH, die daraufhin am 18. Mai die Forderung von der A-GmbH abgetreten erhält. Völlig unvorhergesehen stellt die X-AG am 21. Mai Insolvenzantrag. Da die Hausbank der AGmbH im Hinblick auf den Insolvenzantrag ihre Sicherheit gefährdet sieht, kündigt sie fristlos den gerade verlängerten Kontokorrentkredit. Die A-GmbH kann deswegen die sieben Raupen nicht zahlen, als die T-AG am 25. Mai ihre Lieferbereitschaft anzeigt. Als sich die T-AG daraufhin an B halten will, erklärt dieser zusätzlich, zumindest in Höhe von 500.000 Euro nicht haften zu müssen, weil die T-AG ohne Rücksprache mit ihm die ihr abgetretene Forderung gegen die X-AG aufgegeben habe. Aufgabe 2: Hat die T-AG in diesem Fall einen Anspruch auf Zahlung von 1.085.000 Euro gegen B? Ab w a n d l u n g 2 Bei den Verhandlungen zwischen B und P am 6. Mai gibt sich P nicht mit der mündlichen Haftungserklärung des B zufrieden, zumal diese nach Auffassung des P „rechtlich nicht eindeutig“ ist. Er legt daher dem B eine Erklärung folgenden Inhalts vor, die B unterzeichnet: „Ich erkläre den persönlichen Beitritt zu der Schuld der A-GmbH, die sich aus dem am heutigen Tag von mir im Namen der A-GmbH geschlossenen Kaufvertrag mit der T-AG über sieben Planierraupen ergibt.“ Aufgabe 3: Wie wäre Aufgabe 2 in diesem Fall zu beantworten? Bearbeitungshinweise: 1. Auf alle durch den Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen ist, gegebenenfalls hilfsgutachtlich, einzugehen. 2. Es ist zu unterstellen, dass die in der Abwandlung 1 erwähnte Kreditkündigung durch die Hausbank der T-AG wirksam ist. 3. Weiter ist zu unterstellen, dass in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-AG eine Insolvenzquote von 10 % auf alle Forderungen erzielt werden kann.
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