BANKING & FINANCE - Watson Farley & Williams

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BANKING
&
FINANCE
AUGUST 2015
FALLSTRICKE BEI DER
RESTRUKTURIERUNG
VON KREDITEN –
DOPPELSICHERHEITEN
IN DER INSOLVENZ
“FALLSTRICKE, DIE EINE
ERFOLGREICHE
RESTRUKTURIERUNG VON
KREDITEN SOGAR
VERHINDERN KÖNNEN…”
Fallstricke bei der Restrukturierung von Krediten – Doppelsicherheiten in der
Insolvenz
Das Insolvenzrecht weist bekanntlich eine Reihe von Fallstricken auf, die eine
erfolgreiche Restrukturierung von Kreditengagements behindern oder sogar
verhindern können, wenn diese nicht sorgfältig vorbereitet wurde. Während einige
Problemkomplexe mittlerweile geradezu marktbekannt sind, sorgen einige andere
auch 7 Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise noch immer für größere Überraschung
und Klärungsbedarf. Zu dieser Gruppe gehört auch das Recht des
Insolvenzverwalters einer Gesellschaft, unter bestimmten Umständen den
Gesellschafter auf Zahlung an die Insolvenzmasse in Anspruch zu nehmen, wenn
sowohl der Gesellschafter als auch die Gesellschaft Sicherheiten für dieselben
Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestellt haben (Doppelsicherheiten), Sicherheiten
der Gesellschaft verwertet und Gläubiger der Gesellschaft aus den
Verwertungserlösen dieser Sicherheiten befriedigt wurden.
In einer Restrukturierung kann sich daher folgende Situation ereignen: Die A-GmbH
hat ein Darlehen bei der B-Bank aufgenommen und dafür Sicherheiten an ihren
Vermögensgegenständen bestellt. Die Muttergesellschaft der A-GmbH hat der BBank darüber hinaus eine Garantie für die Verbindlichkeiten der A-GmbH unter dem
Darlehensvertrag gewährt. Neben der A-GmbH hat die Muttergesellschaft noch
weitere Tochtergesellschaften, die Darlehen bei der B-Bank und anderen Banken
aufgenommen haben. Diese Darlehen sind ebenfalls durch Garantien der
Muttergesellschaft besichert. Die Gruppe gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Die
Banken, einschließlich der B-Bank, vereinbaren eine Restrukturierung ihrer
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Kreditengagements. Diese umfasst auch die Entlassung der Muttergesellschaft aus
den gewährten Garantien. Unter anderem soll dadurch verhindert werden, dass eine
mögliche Insolvenz einer der Tochtergesellschaften auf die gesamte Gruppe
durchschlägt.
Trotz der Restrukturierungsbemühungen wird die A-GmbH wenige Monate später
insolvent und ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der
Insolvenzverwalter verwertet die Sicherheiten, die die A-GmbH für das Darlehen der
B-Bank gewährt hatte. Aus den Verwertungserlösen werden die Forderungen der BBank bedient. Trotz der Entlassungsvereinbarung nimmt der Insolvenzverwalter
berechtigterweise anschließend die Muttergesellschaft auf Zahlung eines Betrages an
die Insolvenzmasse in Anspruch, der den Erlösen aus der Verwertung der
Sicherheiten, die die A-GmbH gewährt hatte, entspricht.
Der Versuch, die Muttergesellschaft von den Auswirkungen der Insolvenz der
Tochtergesellschaften abzuschirmen, schlug damit fehl. Was ist der rechtliche
Hintergrund für dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis?
Nach § 135 II InsO kann der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft Rechtshandlungen anfechten, mit der die Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf
Rückgewähr eines Darlehens innerhalb von einem Jahr vor dem Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein
Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte.
Der von dieser Regelung adressierte Grundfall ist die Tilgung eines Darlehens durch
die Gesellschaft innerhalb eines Jahr vor Insolvenzantragstellung, das der
Gesellschaft von einem Dritten gewährt wurde und durch den Gesellschafter
besichert ist.
Als Folge der Anfechtung ist der Gesellschafter gemäß § 143 III InsO verpflichtet,
einen Betrag entsprechend der dem Dritten gewährte Befriedigung an die
Insolvenzmasse zu zahlen. Durch die Befriedigung des Dritten ist der Gesellschafter
nämlich in gleicher Höhe von seiner Sicherheit befreit worden. Den wirtschaftlichen
Wert dieser Befreiung muss der Gesellschafter der Gesellschaft zurückgewähren.
Dass die A-GmbH das Darlehen gar nicht getilgt hat, sondern dass hier der
Insolvenzverwalter Sicherheiten der A-GmbH verwertet hat und aus den Erlösen die
Darlehensverbindlichkeiten zurückgeführt hat, spielt dabei keine Rolle. Zu den
Rechtshandlungen, mit denen die Gesellschaft einem Dritten Befriedigung für
Forderungen auf Rückgewähr eines Darlehens gewähren kann, zählt nämlich auch
die Verwertung von Sicherheiten, die die Gesellschaft für die Darlehensforderung
bestellt hatte.
Es liegt also eine Rechtshandlung vor, mit der eine Gesellschaft (A-GmbH) einem
Dritten (B-Bank) für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung
gewährt hat und das Darlehen ist darüber hinaus auch durch den Gesellschafter
(Muttergesellschaft) besichert.
Allerdings wurde die Darlehensforderung nicht wie vom Wortlaut des § 135 II InsO
verlangt, vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befriedigt, sondern erst
danach. In seinem Urteil vom 1. Dezember 2011 (NZI 2012, 19) hat der BGH
entschieden, dass in einem solchen Fall § 143 III InsO aufgrund vergleichbarer
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Interessenlage analog anzuwenden sei. Es kommt daher nicht darauf an, ob die
Befriedigung innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragsstellung oder danach
erfolgt ist.
Schließlich bleibt noch zu klären, ob es eine Rolle spielt, dass die Muttergesellschaft
aus der Garantie entlassen wurde. Man könnte argumentieren, dass die
Muttergesellschaft aufgrund dessen ohnehin nicht mehr verpflichtet gewesen sei, aus
der Garantie anzutreten und deshalb durch die Befriedigung der Darlehensforderung aus den Verwertungserlösen auch gar nicht mehr von
Zahlungsverpflichtungen unter der Garantie befreit werden konnte. Diesem
Argument folgend würde § 143 III InsO dann keine Anwendung finden und die
Muttergesellschaft müsste keine Zahlung an die Insolvenzmasse leisten.
Allerdings hat das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 14. März 2012 (BB 2012,
1434) entschieden, dass selbst ein Verzicht auf die Garantie innerhalb eines Jahres
vor Insolvenzantragstellung nicht dazu führt, dass der Gesellschafter von einer
Zahlungspflicht nach § 143 III InsO befreit wird. Das OLG Stuttgart argumentiert,
dass der Erlassvertrag gegenüber der Bank zwar wirksam sei, der Gesellschafter
aber im Innenverhältnis zur Gesellschaft weiterhin vorrangig für die Rückzahlung des
Darlehens aufzukommen habe, sofern der Erlass innerhalb eines Jahres vor
Insolvenzantragstellung oder danach erfolge.
“…ANFECHTUNGSRISIKO
NACH § 135 II INSO
BESTEHT NUR, WENN DIE
GARANTIE INNERHALB
EINES JAHRES VOR
INSOLVENZANTRAGSTELLUNG ODER
DANACH ERLASSEN
WIRD…”
Im Beispielfall konnte die Muttergesellschaft also nicht erfolgreich von den Auswirkungen der Insolvenz einer Tochtergesellschaft abgeschirmt werden. Hätten
weitergehende Maßnahmen ergriffen werden können, um dieses unerfreuliche
Ergebnis zu vermeiden? Zunächst einmal ist festzustellen, dass das dargestellte
Anfechtungsrisiko nach § 135 II InsO nur besteht, wenn die Garantie innerhalb eines
Jahres vor Insolvenzantragstellung oder danach erlassen wird. Es geht im Folgenden
also lediglich darum, wie mit einer Anfechtung innerhalb dieses Zeitraumes
umgegangen werden kann.
Die Beantwortung dieser Frage hängt vor allem von den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Im Beispielfall hätten unter
Umständen zumindest die wirtschaftlichen Folgen der Anfechtung abgemildert
werden können, wenn vereinbart worden wäre, dass Zahlungen der Muttergesellschaft an die Insolvenzmasse der A-GmbH nach § 143 III InsO analog, soweit
möglich, wieder an die Muttergesellschaft zurückgeleitet werden. Auf diese Weise
ließe sich der Liquiditätsabfluss aus der Muttergesellschaft verringern und damit auch
die wirtschaftlichen Auswirkungen der Insolvenz der A-GmbH auf die gesamte
Gruppe. Umgesetzt werden könnte eine solche Maßnahme durch eine Verpflichtung
der Banken, Beträge, die sie als Insolvenzgläubiger auf ihre unbesicherten
Restforderungen erhalten, an die Muttergesellschaft weiterzuleiten, soweit diese
Beträge auf Zahlungen der Muttergesellschaft nach § 143 III InsO analog
zurückgehen. Für die B-Bank würde eine solche Vereinbarung zunächst einmal
bedeuten, dass sie sämtliche Erlöse aus der Verwertung der Sicherheiten, die die AGmbH gestellt hat, behalten darf. Falls die Darlehensforderungen der B-Bank nach
Verwertung der Sicherheiten der A-GmbH noch nicht voll zurückgeführt sind, würde
die B-Bank als ungesicherte Insolvenzgläubigerin im Rahmen der Schlussverteilung
quotal aus der Masse befriedigt werden. Soweit diese Zahlung aus Mitteln erfolgt,
die die Muttergesellschaft in Folge der Anfechtung des Insolvenzverwalters nach §
143 III InsO analog zuvor an die Masse geleistet hat, müsste die B-Bank diese Mittel
an die Muttergesellschaft auskehren.
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Ob eine solche Maßnahme tatsächlich geeignet ist, eine mögliche Insolvenz der
Muttergesellschaft im Einzelfall zu verhindern, hängt von den Umständen des
Einzelfalles ab. Jedenfalls sollten sich sowohl Gläubiger als auch Gesellschafter eines
Schuldners in der Krise bewusst sein, dass im Fall von Doppelsicherheiten trotz der
Freigabe von Gesellschaftersicherheiten innerhalb eines Jahres vor
Insolvenzantragstellung oder danach, der Gesellschafter bis zur Höhe seiner
(ehemaligen) Sicherheit durch den Insolvenzverwalter in Anspruch genommen
werden kann, nachdem der Insolvenzverwalter Sicherheiten der Gesellschaft
verwertet hat.
KONTAKT
Sollten Sie Fragen zu diesem Briefing haben, können Sie sich gerne jederzeit
an Dr. Stefan Kilgus, Dr. Klaus Schmid-Burgk, Frederik Lorenzen oder Ihre
üblichen Ansprechpartner wenden.
DR. STEFAN KILGUS
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DR. KLAUS SCHMID-BURGK
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Das hier Dargestellte ist möglicherweise nicht auf Ihre Situation anwendbar. Bei Anfragen oder Wünschen nach einer Rechtsberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner bei
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