VGH München, Beschluss v. 05.11.2015 – 15 B 15.1371 Titel: VGH München: Regensburg, Grenzgarage, Prüfumfang, Dachraum, Landesanwaltschaft, Rechtsquelle, Privileg, Baugenehmigungsverfahren, Gesamtbetrachtung, Wohnnutzung, Erledigungserklärung, Beklagte, Klägergrundstück, Ergänzungsbescheid, ohne mündliche Verhandlung, Bauerlaubnis, Parallele, Grenzbebauung, Baugrundstück Normenketten: VwGO § 161 II BayBO Art. 6, 59 S. 1 Nr. 2, 63 I Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO Art. 6 Abs. 6 BayBO VwGO § 161 II BayBO Art. 6, 59 S. 1 Nr. 2, 63 I Schlagworte: Berufung, vereinfachtes Verfahren, Baugenehmigung, Abweichung, Abstandsfläche, Grenzgarage, Wohnnutzung, Dachraum, 16m-Privileg, Prüfungsumfang, Nchbaranfechtung Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden. III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. IV. In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren festgesetzt. Gründe 1 1. Nachdem der Beklagte und der Kläger mit Schriftsätzen vom 29. September und 19. Oktober 2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und das erstinstanzliche Urteil vom 25. September 2014 für wirkungslos zu erklären (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend; § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend). 2 2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen. 3 Den Gegenstand dieses Rechtstreits (zur parallelen Klage gegen einen nachfolgenden Ergänzungsbescheid vom 11.9.2014 für dasselbe Vorhaben vgl. den Beschluss im Verfahren 15 B 15.1372 vom heutigen Tag) bildete die Nachbarklage gegen eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Bauerlaubnis des Beklagten vom 28. Mai 2014 für den Wohnhausan- und -umbau eines auf dem westlich an das Klägergrundstück angrenzenden Baugrundstück stehenden Gebäudes (Gesamtlänge des ursprünglichen Bestandes: 22,74 m). Im südlichen Bereich des Baugrundstücks - an der Grenze zum Grundstück des Klägers - wurde die Errichtung einer neuen, an das Hauptgebäude angebauten Grenzgarage genehmigt. Im Norden des Baugrundstücks befindet sich bereits eine giebelständige Grenzbebauung, die - nach dem Abbruch eines Schuppens - auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite mit ihrer Traufseite künftig einen Abstand von 3 m einhalten soll. 4 Wie im Zulassungsbeschluss vom 16. Juli 2015 angedeutet, war die Klage nach summarischer Prüfung begründet; im Fall einer streitigen Entscheidung hätte die erstinstanzliche Entscheidung voraussichtlich abgeändert werden müssen. Die Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 dürfte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzen. 5 Wie im Folgenden näher zu erläutern ist, hat bereits die streitgegenständliche Genehmigung vom 28. Mai 2014 die Zulässigkeit des Vorhabens auf der gesamten Ostseite des Gebäudes einschließlich der neuen Grenzgarage festgestellt, obwohl die Vorgaben des Art. 6 Abs. 6 und 9 BayBO nicht eingehalten werden. Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO darf bei einem Gebäude, das mit einer Außenwand an eine Grundstücksgrenze gebaut wird, eine zweite Außenwand nur bis zu einer Länge von nicht mehr als 16 m die volle Abstandsfläche bis auf die Hälfte unterschreiten. Gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO darf eine in ihren Abmessungen selbst gesetzeskonforme Grenzgarage nur dann an ein Hauptgebäude angebaut werden, wenn dieses die eigenen Abstandsflächen einhält. Das genehmigte Vorhaben verfehlt beide Anforderungen. 6 2.1 Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Bauherren nur eine Abweichung in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlich benachbarten Grundstücks beantragt hätten und nur darüber in der Genehmigung vom 28. Mai 2014 entschieden worden sei. Hierdurch werde der östlich benachbarte Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt. 7 Bereits die erste Annahme überzeugt nicht. Das im Streit gewesene Vorhaben umfasste neben dem „Wohnhausan- und -umbau in ein Zweifamilienhaus“ auch die Errichtung einer neuen Grenzgarage. Sie ist nach der Eintragung auf dem Grundriss für das Kellergeschoss - einschließlich eines auf beiden Seiten durchgängig mit Mauern versehenen und überdachten, nach Angaben 2,49 m tiefen Vorplatzes, der in seinem westlichen Teil zugleich zu einem neu zu schaffenden Hauseingang/Treppenhaus führt - 8,74 m lang. Dieses Gebäude befindet sich im Südosten des Baugrundstücks und damit auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite. 8 Erst diese Maßnahme führt dazu, dass die Gesamtlänge der auf dem Baugrundstück an den Grenzen insgesamt vorhandenen Bebauung die in Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO für höchstens zulässig erklärten 15 m überschreitet. Warum bei einer derartigen zeitlichen Abfolge nur für den an der Nordgrenze bereits vorhandenen Altbestand (Länge des Garagenteils rund 6,80 m, die Länge der giebelständigen Grenzwand insgesamt wird auf den Bauvorlagen mit 9,23 m angegeben) eine Abweichung in Bezug auf die Überschreitung der Höchstlänge beantragt worden sein soll, ergibt sich - jedenfalls auch - nicht aus dem Wortlaut des Abweichungsantrags. Danach bezog sich dieser Antrag seinem Wortlaut nach nur allgemein auf die „bebaute Grenzlänge“. In der Bauakte ist zudem an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu finden, dass der Antrag auf Abweichung nur auf das bereits vorhandene Grenzgebäude beschränkt worden wäre. Vielmehr wird zur Begründung dieses Antrags (vgl. Bl. 40 der Bauakte) ausgeführt, dass der neue, als Kleingarage mit einem Flachdach auszuführende Stellplatz nur an der Ostseite platziert werden könne. Daran schließt sich die Feststellung an, dass die maximale Länge der Grenzbebauung von 15 m überschritten werde. 9 2.2 In jedem Fall aber wäre der Umstand, dass es sich bei dem an der Nordgrenze stehenden Bauwerk nicht nur um eine Garage, sondern im Obergeschoss um einen Teil des Hauptgebäudes handelt, zu berücksichtigen gewesen. Eine Garage verliert ihre gesetzliche Privilegierung als an der Grenze zulässiges Bauwerk, wenn ihr „Nebenraum“ funktional nicht der Garagennutzung zugeordnet ist (VG München, U. v. 24.2.2014 - M 8 K 13.922 - juris Rn. 21 m. zahlr. w. N.). Das ist hier der Fall. Im Grundriss für das Obergeschoss dieser baulichen Anlage findet sich u. a. die Eintragung „Mögliche Wohnnutzung“. Die mit einer Grundfläche von 29,81 qm ausgewiesene zweite Ebene dieses Gebäudeteils ist nur über eine neu einzusetzende Tür vom Dachgeschoss des südlich direkt anschließenden Wohnhauses aus zu erreichen. Das „Wohngaragen-Satteldach“ hat auf der Westseite eine rund 2,70 m breite und mit ihrem First bis zu einer Höhe von etwa 1,90 m aus der Dachfläche heraustretende Gaube. 10 Bei zutreffender Annahme eines dort grenzständigen Hauptgebäudes hätte sich die untere Bauaufsichtsbehörde - auch unabhängig von der Formulierung des Abweichungsantrags durch die Bauherren (so zutreffend VG München, B. v. 14.8.2009 - M 8 SN 09.3344 - n. v.; vgl. dazu BayVGH, B. v. 26.10.2009 - 2 CS 09.2121 - juris) - im Rahmen der sich nach dem Sachverhalt unmittelbar aufdrängenden Prüfung der Voraussetzungen des 16m-Privilegs (Art. 6 Abs. 6 BayBO) bereits anlässlich der Genehmigung vom 28. Mai 2014 mit der abstandsrechtlichen Situation der Außenwand des Vorhabens auf der zum Grundstück des Klägers weisenden Ostseite befassen müssen. Das gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Bereits dieses Unterlassen indiziert die Rechtswidrigkeit der im Streit stehenden Genehmigung und zugleich die Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 25. September 2014. 11 Die im Lauf des Rechtstreits vorgelegte Genehmigung vom 25. März 1991 („Bauvorhaben Garagendach“) hat keinen Einfluss auf die negative abstandsrechtliche Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Das auf den zur Genehmigung zum Aufbau eines Satteldachs auf die jetzige „Wohngarage“ gehörenden Bauvorlagen eingezeichnete Vorhaben hält mit seiner östlichen, schon damals als vorhandener Bestand eingetragenen, Außenwand nur eine Entfernung von 2,50 m (Maßangaben: 2,26 m zuzüglich 0,24 m) zum Grundstück des Klägers ein. Nun soll diese Wand 3 m von der Grenze abrücken. Darüber hinaus wird jetzt ein zuvor zwischen der Garage und dem Wohnhaus vorhandener, 1,10 m breiter Durchgang auf der Ost- wie auch auf der Westseite zugemauert. Insgesamt handelt es sich dabei um die Identität des verhältnismäßig kleinen Anbaus berührende Maßnahmen, die ersichtlich nicht von jener, ohnehin nur die Aufbringung eines Dachs beinhaltenden, Genehmigung gedeckt sind. Daneben soll das Obergeschoss der Garage, eben unter diesem Dach, eine neue Zweckbestimmung erhalten, wodurch die Genehmigungsfrage für diesen Gebäudeteil insgesamt neu aufgeworfen wird. Dass die in den aktuellen Bauvorlagen als Bestand ausgegebene Gaube auf der Westseite des Dachs in ihren Abmessungen deutlich größer ausgefallen ist als der in der Genehmigung aus dem Jahr 1991 vorzufindende Dachaufbau sei nur am Rande erwähnt. Ebenso wenig kommt es noch darauf an, dass die Bauvorlagen zur Genehmigung vom 28. Mai 2014 im Grundriss für das Erdgeschoss die ursprüngliche Lage der Ostwand nicht in einer der früheren Genehmigung entsprechenden Distanz von der Grenze - nämlich 2,50 m -, sondern ganz im Norden in 2,80 m und im weiteren Verlauf in 3,00 m Abstand von der Grenze zum Grundstück des Klägers darstellen. Der Widerspruch zum Schnitt C-C, der mitten durch das Bauwerk gelegt ist und an dieser Stelle für die Wand einen Grenzabstand von - allenfalls - 2,65 m zeigt, ist leicht erkennbar aber im Baugenehmigungsverfahren ebenfalls folgenlos geblieben. 12 2.3 Bei einer vollständigen Prüfung des Bauantrags in dem von der Sache her gebotenen Umfang wäre darüber hinaus ohne Weiteres feststellbar gewesen, dass die Wand des Bauvorhabens auf der Ostseite in einem wegen ihrer Lage und den erreichten Höhen kritischen, insgesamt 17,49 m langen Bereich („Wohngarage“: 6,75 m; Wandteil des Hauptgebäudes: 10,74 m) an keiner Stelle die vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhält. Der Anbau der neuen Grenzgarage an das Hauptgebäude und der Abriss des früheren Schuppens neben der „Wohngarage“ samt der Zurückverlegung von deren östlicher Außenwand um (angeblich?) einen halben Meter samt dem direkten Anschluss an das Hauptgebäude vermitteln dem Vorhaben in diesem Bereich ein Erscheinungsbild, das eine abstandsrechtliche Neubeurteilung erfordert (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 35 m. w. N.). Die „Wohngarage“ verfügt nach der Ansicht Osten und dem Schnitt C-C über eine traufseitige Wandhöhe (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) von rund 4,20 m. Diese Anlage ist jedoch nach dem Grundrissplan für das Erdgeschoss nur 3 m von der Grenze zum Klägergrundstück entfernt; auf dem zitierten Schnitt lässt sich wie bereits erwähnt - nur eine Distanz von 2,65 cm (entspricht 2,65 m) abgreifen. Für die daran nach Süden hin anschließende, unveränderte Giebelwand des Hauptgebäudes errechnet sich das Maß H auf der Grundlage der Ansicht Osten mit 5,63 m (4,60 m plus 1/3 aus 3,10 m, vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 2, 4 und 6 BayBO). Hier stehen auf dem Baugrundstück infolge der leicht schräg zur Grenze stehenden Wand zwischen 4,40 m im nördlichen und 4,60 m im südlichen Bereich zur Verfügung. Die Vorgaben des 16mPrivilegs werden angesichts der Länge dieser Außenwand des Hauptgebäudes von knapp 17,50 m offensichtlich verfehlt. Zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch im Hinblick auf die neue Grenzgarage wird auf unten 2.5 verwiesen. 13 2.4 Der bereits angesprochene und im Angesicht des Falles zu verfolgende rechtliche Ansatz hat zum Ergebnis, dass die Bauaufsichtsbehörde mit ihrer Genehmigung vom 28. Mai 2014 - unabhängig von einem nach seinem Wortlaut konkret auch darauf bezogenen Antrag und ob sie es nun wollte oder nicht jedenfalls tatsächlich die in den Bauvorlagen dargestellte abstandsrechtliche Lage auch auf der Ostseite des Vorhabens gebilligt hat. Die vom Kläger angegriffene Baugenehmigung hat die Rechtmäßigkeit des Vorhabens auch in diesem Punkt festgestellt. 14 Für die Frage, ob ein Vorhaben die Abstandsflächen einhält, gibt das Gesetz durch die in Art. 6 Abs. 6 BayBO enthaltenen inhaltlichen Maßgaben zugleich den Prüfumfang im Genehmigungsverfahren vor. Ohne die Überprüfung der Lage an allen Seiten eines Gebäudes kann, wie der vorliegende Fall nachdrücklich vor Augen führt, keine den Anforderungen des Gesetzes Genüge leistende Aussage getroffen werden. Diese Vorgaben des materiellen Abstandsflächenrechts sind nicht disponibel, sie können insbesondere nicht durch einen nur auf eine entsprechend ausgewählte Seite oder nur einen ganz bestimmten Teil eines Vorhabens bezogenen Abweichungsantrag eingeschränkt werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtmäßigkeit eines Vorhabens, das das 16m-Privileg bereits vollständig in Anspruch nimmt, nicht mit einer weiteren Abweichung von der Einhaltung der vollen Abstandsflächen auf einer dritten Seite hergestellt werden könne. Eine Antwort dazu, ob ein solcher Fall gegeben ist, kann - wie gesagt sinnvollerweise stets erst nach einer Prüfung der Situation des zur Genehmigung gestellten Vorhabens an allen Seiten erfolgen. Nur so wird ferner sichergestellt, dass ein Bauherr den gegen eine Genehmigung für sein die gesetzlichen Abstandsflächen an einer oder mehreren Seiten nicht oder nicht voll einhaltendes Vorhaben möglichen Nachbarrechtsschutz nicht alleine nach seinen Vorstellungen steuern kann. Dieser Rechtsgedanke bildete im Übrigen auch eine wesentliche Überlegung in der Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. April 2000 zum Anwendungsbereich des 16mPrivilegs (GrS 1/1999, 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89 ff. = juris Rn. 18). Ein als einheitliches Ganzes zur Genehmigung beantragtes Vorhaben, das - wie hier zumindest hinsichtlich der baulich unmittelbar mit dem Haupthaus verbundenen „Wohngarage“ - auch objektiv nicht teilbar ist, kann nicht nach dem Belieben der am Verfahren Beteiligten in, obendrein nur dem jeweiligen Gutdünken folgende, mutmaßlich abweichungsfähige Einzelteile zerlegt werden. 15 Wollte man in dem hier streitig gewesenen Fall die Feststellungswirkung der Genehmigung gleichwohl nur auf die ausdrücklich beantragte Abweichung beschränken, wie es der Leitsatz einer Entscheidung vom 29. Oktober 2015 (BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 -, das 16m-Privileg spielte dort allerdings keine Rolle, vgl. Rn. 37 a.E.) einschränkungslos postuliert, hätte das im vorliegenden Fall folgendes Ergebnis: Weil es an der Nordgrenze des Baugrundstücks in Wirklichkeit keine privilegierte Grenzbebauung gibt, geht die mit der Bauerlaubnis verbundene Abweichungsentscheidung „hinsichtlich der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. ...“, die nach der dazu gegebenen Begründung nur die „bestehende Garage“ betreffen sollte, ins Leere. Der Nutzen einer solchen, hier noch dazu nicht einmal „strikt antragsgemäßen“ (siehe oben 2.1) Baugenehmigung für den Bauherrn wäre also nicht etwa nur beschränkt (vgl. zu diesem Argument BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 35), sondern fehlte mangels Deckungsgleichheit mit dem Vorhaben von vorneherein. Eine so verstandene Baugenehmigung wäre auch nicht in der Lage, irgendetwas zu regeln, weil „das auf Antrag Geregelte“ gar nicht existiert. Der von dieser Abweichungsentscheidung formal nicht berührte Nachbar könnte dagegen nicht mit einer Anfechtungsklage vorgehen, obgleich er mit dem Vorhaben nicht einverstanden und von diesem „in seiner neuen Gestalt“ materiell unübersehbar betroffen ist. Für keinen der Beteiligten wäre aus dieser Betrachtungsweise ein rechtlicher Nutzen ableitbar: Der Bauherr verfügte auch nach der Durchführung des von ihm veranlassten Baugenehmigungsverfahrens über ein formell und materiell illegales Vorhaben; der Nachbar könnte im Hinblick darauf den Wunsch auf Einschreiten an die Bauaufsichtsbehörde herantragen und damit ein neues bauaufsichtliches Verfahren in Gang setzen. In Anbetracht dessen bedarf es keiner Vertiefung, dass ein alle Fälle erfassendes einseitiges Abstellen auf den „gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfumfangs“ (vgl. BayVGH. U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 36 m. w. N. aus der eigenen Rechtsprechung) neben der (vom Gesetzgeber so beabsichtigten?) Herbeiführung in jeder Hinsicht offensichtlich rechtswidriger Zustände auch nicht geeignet wäre, die Arbeit der Bauaufsichtsbehörden zu erleichtern oder zu vereinfachen. 16 Es sind nicht zuletzt Fälle wie dieser, die Zweifel daran begründen, inwieweit die durch Art. 59 Satz 1 BayBO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingeführte, gezielte Eliminierung des Bauordnungsrechts aus dem Prüfungskatalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens sinnvolle und vertretbare Ergebnisse zu liefern imstande ist und die die Erwartung wecken, dass eine künftige Novelle hier die im Interesse aller Beteiligten zu wünschenden, die Rechtslage eindeutig klärenden Korrekturen vornimmt. Bis dahin lässt sich der mit Wirkung vom 1. August 2009 in das Gesetz eingefügten Ablehnungsbefugnis eines Bauantrags aus nicht zum Prüfumfang gehörenden, aber „zufällig entdeckten“ Gründen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO) der Wunsch des Gesetzgebers entnehmen, dass trotz des im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich eingeschränkten Prüfumfangs möglichst wenige rechtswidrige Baugenehmigungen zustande kommen mögen. Soll der Zweck eines jeden Baugenehmigungsverfahrens, die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse und der mit der Klärung der Rechtslage am Ende herbeigeführte Rechtsfrieden, nicht handgreiflich verfehlt werden, bleibt bis auf Weiteres nichts Anderes übrig, als in einem Einzelfall wie hier unvollständig gestellte oder ihrem Wortlaut nach an der Sache vorbeigehende Anträge auf Abweichung von den Abstandsflächen im Verfahren ergänzend auszulegen und damit einen dem Vorhaben gerecht werdenden Prüfumfang im Genehmigungsverfahren zu eröffnen. 17 2.5 Die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 ergibt sich hier nach alledem aus der bereits unter 2.3 am Ende getroffenen Feststellung. 18 Die an die dort beschriebene östliche Außenwand des Hauptgebäudes im Süden anschließende neue Grenzgarage verschärft den Widerspruch des Vorhabens mit den Abstandsflächenvorschriften auf dieser Seite zusätzlich. Diese Garage darf gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO nicht an das die eigenen Abstandsflächen nicht einhaltende Hauptgebäude angebaut werden. 19 Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 BayBO 1998 noch ausdrücklich enthaltene Anforderung, dass die Verbindung der nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayBO zulässigen Grenzbebauung mit einem Hauptgebäude zulässig ist, soweit dieses Gebäude für sich betrachtet die auf es selbst treffenden Abstandflächen einhält, ist - verklausuliert - in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO 2008 aufgegangen. Danach sind die dort aufgezählten Vorhaben, damit auch Garagen, in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Der Bezugnahme auf die Abstandsflächen eines (Haupt-)Gebäudes ist zu entnehmen, dass dieses selbst auch im Fall des Anbaus einer Garage „in dessen Abstandsflächen“ die eigenen Abstandsflächen einhalten muss, wenn das privilegierte Grenzgebäude an Ort und Stelle die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO erfüllen soll (ebenso: Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. August 2015, Art. 6 Rn. 262). Das ist hier nicht der Fall. 20 In dem Bereich des Hauptgebäudes, in dem die Grenzgarage angebaut werden soll, springt die Außenwand des hier unveränderten Hauptgebäudes um 0,50 m zurück. Sie hält - bei dem bereits erwähnten leicht schrägen Verlauf - zur Grundstücksgrenze nach der Angabe auf den Bauvorlagen einen Abstand von mindestens 5,195 m ein. Dieser Teil der Wand ist 5,25 m lang. Auf der Ansicht von Süden lässt sich auf der rechten (östlichen) Seite für den Schnitt dieser Wand mit der Haut des hier von Nord nach Süd verlaufenden Satteldachs ein Maß von rund 4,7 cm (entspricht 4,70 m) abgreifen. In diesem Teilbereich hält die Außenwand des Hauptgebäudes damit die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers zwar ein. Andererseits verlängert die grenzständige neue Garage infolge ihres nach Süden versetzten Anbaus an das Hauptgebäude die Gesamtlänge der grenznahen bzw. grenzständigen Bebauung auf dem Baugrundstück von bisher 22,74 m (Wohnhaus samt „Wohngarage“) auf nunmehr 27,24 m (17,49 m plus 1,01 m plus 8,74 m). Mit ihren weit überwiegenden Teilen unterschreitet die gegliederte Außenwand des Hauptgebäudes jedoch die gesetzlichen Abstandsflächen, weshalb der genehmigte Anbau so nicht zulässig ist. 21 2.6 Mangels der Voraussetzungen hierfür dürfte die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO ausscheiden. 22 Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin - wenn man von dem deutlich hervortretenden Wunsch der Bauherren, den eigenen Grund und Boden baulich möglichst umfangreich auszunutzen und im Süden und Westen des Baugrundstücks vorhandene Freiflächen beizubehalten, einmal absieht - das Besondere dieses Falles, die „Atypik“ bestehen soll (vgl. zu dieser Voraussetzung näher: König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2014, Rn. 865 mit zahlreichen Beispielen in Fn. 443 sowie BayVGH, B. v. 15.9.2015 - 2 CS 15.1792 - juris Rn. 4; B. v. 21.7.2015 - 22 ZB 14.2340 - juris Rn. 24 bis 26; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). 23 Rechtmäßige Verhältnisse könnten eventuell dadurch hergestellt werden, dass die neuen Eigentümer des ehemals klägerischen Grundstücks im Norden auf einer von eigenen Gebäuden freien Länge von rund 5 m die für die „Wohngarage“ auf dem Baugrundstück fehlende Abstandsfläche auf ihr Grundstück übernehmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 3. Var. BayBO). Diese Lösung wurde zuletzt in einer Mitteilung des Beklagten vom 29./25. September 2015 ins Gespräch gebracht. 24 2.6 Um nach seiner Auffassung die Rechtsschutzmöglichkeiten aller durch Grenzbauten auf dem Baugrundstück betroffenen Nachbarn zu wahren, hat der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen mit einem Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch die - nach dem Hinzutreten der neuen, 8,74 m langen Garage im Südosten - sich an den Grenzen des Baugrundstücks nach seiner Berechnung über insgesamt 17,73 m erstreckenden baulichen Anlagen eine Abweichung auch gegenüber dem Grundstück des Klägers erteilt. Wie eingangs erwähnt, wurde dieser Bescheid Gegenstand eines eigenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Urteils (RO 7 K 14.1553, vgl. dazu den unter dem Aktenzeichen 15 B 15.1372 ergangenen Beschluss von heutigen Tag). 25 Da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 154 Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. 26 3. Streitwert: § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nachdem das Verwaltungsgericht für die Klagen gegen die Genehmigung vom 28. Mai 2014 und gegen den dasselbe Vorhaben betreffenden Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 jeweils eigene Verfahren angelegt hat und dies auch im Berufungsverfahren geschehen ist, andererseits aber keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regelempfehlung von 7.500,-- Euro erkennbar sind, wurde die erstinstanzliche Festsetzung halbiert und auch für das Berufungsverfahren nur die Hälfte festgesetzt. 27 4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG.
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