Zwangsvollstreckungsrecht 1 Vorlesung Zwangsvollstreckungsrecht Vorlesung Insolvenzrecht – Mündliche Prüfung – für Erasmus- und Master-Studierende Im Rahmen der Vorlesungen biete ich zum Ende des Semesters – voraussichtlich am 26. Januar 2016 ab 14.30 Uhr – eine mündliche Prüfung für Master- und Erasmus-Studierende an. Bitte melden Sie sich bis spätestens 11. Januar 2016 per E-Mail für die Teilnahme an der Prüfung an (unter [email protected]). Bitte geben Sie dabei Ihren Namen und Ihre Matrikelnummer an. Geben Sie bitte außerdem an, ob Sie als Master- oder als Erasmus-Studierende/r an der Prüfung teilnehmen möchten 2 Lehrbücher Zwangsvollstreckung – Einführung 1 • Zwangsvollstreckung dient Durchsetzung materiellen Rechts – Welche Gründe kann es haben, wenn der Schuldner nicht leistet? • Selbsthilfeverbot / Gewaltmonopol des Staates – Kennen Sie Ausnahmen? • Kehrseite: „Vollstreckungsanspruch“ des Gläubiger – Gerichtet gegen den Staat, der für den Gläubiger vollstreckend tätig werden muss – Teil des Justizgewährungsanspruchs – Rechtsbehelfe: § 766 Satz 2 ZPO – Unterscheiden vom materiellrechtlichen Anspruch Zwangsvollstreckung - 4 Zwangsvollstreckung – Einführung 2 • Zweistufigkeit der Rechtsverwirklichung • Erkenntnisverfahren – Zwangsvollstreckung • Weshalb zweispurig? – EV: Tatsachenfeststellung / Rechtsanwendung – ZV: faktische Realisierung „In der Zwangsvollstreckung wird gehandelt, nicht verhandelt“ – Nicht jedem EV folgt ZV, und nicht jeder ZV geht ein EV voraus Zwangsvollstreckung - 5 Gesetzliche Grundlagen • ZPO 8. Buch • Systematik des 8. Buchs – Erster Abschnitt: „Allgemeiner Teil“ (§§ 704-802) • „Titel, Klausel, Zustellung“ – Zweiter Abschnitt: Zwangsvollstreckung wegen Geldforderung (§§ 802a-882h) – Dritter Abschnitt: Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Sachherausgabe und von Verhalten (§§ 883-898) • Weitere Rechtsquellen: – Zwangsversteigerungsgesetz ZVG • Regelt Verfahren bei Immobiliarvollstreckung • § 869 ZPO Zwangsvollstreckung - 6 Überblick das Verfahren der Zwangsvollstreckung • Schaffung der Vollstreckungsvoraussetzungen – Vollstreckungstitel, §§ 704, 794 ZPO – Vollstreckungsklausel, § 724 ZPO – Zustellung, § 750 ZPO, §§ 166 ff. ZPO • Antrag – Beim Gerichtsvollzieher, § 753 ZPO – Beim Vollstreckungsgericht, § 834 ZPO – Auch Prozessgericht • Vollstreckungsakt – – – – Pfändung Wegnahme Beschlagnahme Zwangsgeld-, Zwangshaft • Verwertung – Versteigerung / freihändiger Verkauf, Zuschlag, Ablieferung – Einziehungsprozess bei Forderungen (nach Pfändung und Überweisung) • Ggf. Erlösauskehr Zwangsvollstreckung - 7 Formalisierungsgrundsatz 1 • Baut auf Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren auf • ZwV prüft nicht (nochmals) das materielle Recht • ZwV beschränkt sich auf das „Formale“ – GVZ muss Ergebnis des Erkenntnisverfahrens akzeptieren • Formalisierungsgrundsatz: – Nur formelle Vollstreckungsvoraussetzungen erforderlich • „TKZ“ / Materiellrechtlicher Bestand der Forderung unerheblich • Schuldner muss sich ggf. wehren mit Klage (§ 767 ZPO) … – Formalisierung bei Zugriffstatbeständen • Gewahrsam (§ 808 ZPO), nicht Eigentum des Schuldners • Eigentümer muss sich ggf. wehren mit Klage (§ 771 ZPO) … Zwangsvollstreckung - 8 Formalisierungsgrundsatz 2 Vollstreckungstitel Gläubiger Schuldner § 767 ZPO Zwangsvollstreckung - 9 Formalisierungsgrundsatz 3 Vollstreckungstitel Gläubiger Schuldner § 771 ZPO Eigentümer Zwangsvollstreckung - 10 Verfahrensgrundsätze der Zwangsvollstreckung 1 • Kein einheitliches Verfahren – Richtet sich nach Gläubigerdisposition und Vollstreckungsobjekt – Beispiel: Zahlungstitel kann führen zu • Mobiliarpfändung • Forderungspfändung • Immobiliarvollstreckung • Dispositionsgrundsatz – Antrag / Rücknahme / Freigabe – Vollstreckungsverträge – Freie Reihenfolge des Zugriffs • Keine „Exekutionsgrade“ Zwangsvollstreckung - 11 Verfahrensgrundsätze der Zwangsvollstreckung 2 • Verhandlungsgrundsatz – Nur sehr eingeschränkt – Bei Pfändung gilt Untersuchungsgrundsatz; GVZ muss ermitteln (§§ 755, 758, 802c ZPO) • Formalisierung • Rechtliches Gehör – Art. 103 GG (vor Gericht!) – Nicht beim GVZ (aber Erinnerung nach § 766 ZPO zum Gericht) • Keine obligatorische mündliche Verhandlung Zwangsvollstreckung - 12 Beteiligte • „Gläubiger“ und „Schuldner“ – Nicht „Kläger“/„Beklagte“ • Gläubiger ist, wer einen Vollstreckungstitel hat und die Zwangsvollstreckung betreibt • Schuldner ist, gegen wen vollstreckt wird Zwangsvollstreckung - 13 Vollstreckungsorgane – Überblick • Gerichtsvollzieher – „Außendienst“ – Vollstreckung durch Realakt • Vollstreckungsgericht – Vollstreckung durch „Rechtsakt“ – Insbesondere bei Forderungen • Grundbuchamt – Immobiliarvollstreckung • Prozessgericht nur ausnahmsweise – §§ 887 ff. ZPO Zwangsvollstreckung - 14 Gerichtsvollzieher • Zuständigkeit nach § 753 ZPO – Auffangnorm • GV wird tätig bei körperlichem Zugriff • Befugnisse § 758 ZPO • Rechtsstellung – Beamter, § 154 GVG • Näheres in Gerichtsvollzieherordnung (GVO) und Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) – Staatshaftung – Gerichtsvollzieher führt Vollstreckung eigenständig – Aufsicht des Vollstreckungsgerichts, § 766 ZPO • Aber kein direktes Weisungsrecht Zwangsvollstreckung - 15 Vollstreckungsgericht • Zuständig bei Pfändung von Forderungen und sonstigen Vermögensrechten, § 828 ZPO • Amtsgericht „als Vollstreckungsgericht“, § 764 Abs. 1 ZPO – Funktionell Rechtspfleger zuständig, § 20 Nr. 17 RPflG • Vollstreckungsgericht als Kontrollorgan – § 766 ZPO [Nachprüfung des GVZ] Zwangsvollstreckung - 16 Prozessgericht • §§ 887, 888, 890 ZPO • Näherer Bezug zum Erkenntnisverfahren – Aktenkenntnis Zwangsvollstreckung - 17 Grundbuchamt • nur §§ 867, 932 ZPO: Eintragung einer Sicherungshypothek • Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung erfolgen durch das Vollstreckungsgericht – Das das GBA um Eintragungen ersucht, § 19 ZVG Zwangsvollstreckung - 18 Vollstreckungsobjekte • In welche Gegenstände kann vollstreckt werden? – Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderung, Grundschuld, Markenrecht, Patent, „sonstige Vermögensrechte“ • Prinzip der „Gesamtvermögenshaftung“ • Nicht: – Familien- und Persönlichkeitsrecht – Arbeitskraft – Person des Schuldners • Ausnahmen bei Erzwingung Vermögensauskunft (§ 802g ZPO) und Durchsetzung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 888, 890 ZPO) Zwangsvollstreckung - 19 Vollstreckungsrechtsverhältnis Vollstreckungsorgan Antragsverhältnis Eingriffsverhältnis Gläubiger Schuldner Basisverhältnis Zwangsvollstreckung - 20 Einzelvollstreckung – Gesamtvollstreckung • Gesamtvollstreckung nach InsO: • Das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners wird zu einer besonderen Vermögensmasse zusammengefasst, „Insolvenzmasse“. • Der Insolvenzschuldner darf nach Insolvenzeröffnung über die Insolvenzmasse nicht mehr verfügen. • Verwaltungs- und Verfügungsmacht wird einem Insolvenzverwalter übertragen, § 80 InsO. • Gläubiger können nicht in die Insolvenzmasse vollstrecken (§ 89 InsO). • Ihnen steht nur eine anteilige Befriedigung im Insolvenzverfahren zu („Insolvenzquote“). • Alle Gläubiger werden gleich behandelt. – Bei Einzelzwangsvollstreckung gilt das Prioritätsprinzip, § 804 Abs. 3 ZPO. Zwangsvollstreckung - 21 Schuldnerschutz • Historische Entwicklung: • Ablösung der Personalvollstreckung durch Realvollstreckung • Frühe „Lösungen“ – Hinrichtung des Schuldners – Schuldknechtschaft – Schuldhaft („Schuldturm“) • Heute noch „persönlicher Arrest“, §§ 918, 933 ZPO • Schuldnerschutz durch Pfändungsbeschränkungen – Arbeitseinkommen, Pfändungsfreigrenze 1.049,99 Euro – Unpfändbare Gegenstände, § 811 ZPO • 1953: § 765a ZPO • 1999: Rechtschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) Zwangsvollstreckung - 22 Naturalexekution • Materiellrechtlich kann der Gläubiger gegenständlich Leistung verlangen („Realerfüllung“) – nicht nur Geldersatz – Häufig aber § 281 BGB: Schadensersatz statt Leistung (= Geldersatz) • In wieweit ist der materiellrechtliche Primärleistungsanspruch auch vollstreckbar? • ZPO ermöglicht Naturalexekution – §§ 883, 885 ZPO: Herausgabe kann real erzwungen werden – Sogar Handlungen des Schuldners sind erzwingbar, §§ 887, 888 Abs. 1 ZPO – Nicht aber bei Dienstvertrag, § 888 Abs. 3 ZPO • Beachte § 893 ZPO – Gläubiger kann immer „Interesse“ (Geldersatz) verlangen Zwangsvollstreckung - 23 Verfassungsrechtlicher Rahmen der Zwangsvollstreckung • Grundrechtseingriff durch Zwangsvollstreckung – – – – Art. 14 GG – Pfändung / Beschlagnahme Art. 13 GG – Durchsuchung der Wohnung Art. 2 Abs. 1 GG – Ordnungshaft Art. 1 GG – Existenzminimum • Sicherung der Grundrechte – § 817a ZPO; § 85a ZVG – keine Verschleuderung – §§ 811, 850 ff. ZPO sichern Existenzminimum – § 758a ZPO – richterliche Durchsuchungsanordnung • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz? – Auch Gläubiger kann sich auf Grundrechte berufen – Sonderproblem: Suizidgefahr bei Räumungsvollstreckung • § 765a ZPO • Zwangsräumung nur mit Auflagen, BGH NJW 2005, 1859 Zwangsvollstreckung - 24 Gläubiger „gegen“ Schuldner in Zwangsvollstreckung • Zwangsvollstreckung ist keine „Enteignung“ – Staat wird nicht für sich, sondern für den Gläubiger tätig – Gläubiger kann sich ebenfalls auf Grundrechte berufen – In der Zwangsvollstreckung äußert sich „Haftungsfunktion“ der Vermögensrechte • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz? – Verbot der Überpfändung, § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO – Vollstreckung wegen Bagatellforderungen – Gläubiger vollstreckt in Hausgrundstück, obgleich Pfändung einer Forderung möglich wäre – Suizidgefahr bei Räumungsvollstreckung • § 765a ZPO • BGH NJW 2005, 1859: Zwangsräumung mit Auflagen • Anwesenheit Facharzt / Unterbringung gefährdeter Person in Heilanstalt Zwangsvollstreckung - 25 § 7. Verfahrensvoraussetzungen • Deutsche Gerichtsbarkeit – §§ 18-20 GVG „Gerichtsfreie“: Diplomaten usw. • Rechtsweg – Frage stellt sich nicht – Maßgeblich ist Vorliegen eines Urteils der Zivil- oder Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 62 Abs. 2 ArbGG) oder eines Titels nach § 794 ZPO • • Antrag Zuständigkeit – §§ 764 Abs. 2 [Bezirk der ZV], 828 Abs. 2 ZPO [Sitz Schuldner]; § 802 ZPO: „ausschließlich“ • Vollmacht – § 81 ZPO • Parteifähigkeit – § 50 ZPO • Prozessfähigkeit – § 52 ZPO • Prozessführungsbefugnis – „Richtige“ Parteistellung bestimmt sich nach Titel – Nicht nach materiellem Recht • Postulationsfähigkeit – § 78 ZPO; Anwaltszwang daher nur wenn Landgericht als Prozessgericht tätig §§ 887, 888, 890 ZPO • „Rechtsschutzbedürfnis“ Zwangsvollstreckung - 26 § 8. Vollstreckungstitel • Vollstreckungstitel – § 704 ZPO: Zwangsvollstreckung aus Endurteilen – § 794 ZPO • „Vollstreckungstitel ist eine öffentliche Urkunde, die den zu verwirklichenden Anspruch erkennen lässt und vom Gesetz mit der Wirkung der Vollstreckbarkeit ausgezeichnet ist.“ • Vollstreckungstitel tragendes Element: – Ohne Titel keine Zwangsvollstreckung – Titel begründet die Zwangsvollstreckung • Nicht materielles Recht, nicht „Schuldschein“ – Fehlt Titel, sind Vollstreckungsmaßnahmen nichtig Zwangsvollstreckung - 27 Vollstreckbarkeit • Titel muss vollstreckbar sein • Vollstreckbarkeit beruht auf: – Gesetz: § 704 ZPO, § 794 ZPO – Gericht: §§ 708 ff. ZPO [„vorläufige Vollstreckbarkeit“] • Unterscheiden von anderen Urteilswirkungen – Rechtskraft – Gestaltungswirkung – Tatbestandswirkung • Vollstreckbarkeit hat nichts zu tun mit dem Bestehen des materiellen Rechts/Anspruchs – Vorläufig vollstreckbares Urteil kann falsch sein! Zwangsvollstreckung - 28 Vollstreckungstitel bestimmt … 1 • Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung – Bestimmtheitserfordernis – Urteil kann ausgelegt werden – Klage auf Feststellung des Urteilsinhalt statthaft (§ 256 ZPO) – Bestimmbarkeit genügt: • § 247 BGB [Bezugnahme auf Basiszinssatz] • Koppelung einer Geldleistung an einen Lebenshaltungskostenindex • Nicht: „Zahlung von 1.000 Euro nebst Zinsen“ – Ist der Inhalt nicht bestimmbar, entfällt Zwangsvollstreckung • „Herausgabe eines Gemäldes“ Zwangsvollstreckung - 29 Vollstreckungstitel bestimmt … 2 • Subjekte der Zwangsvollstreckung • Gläubiger und Schuldner richten sich nur nach dem Titel – Nicht nach Forderung ... Zwangsvollstreckung - 30 Zwangsvollstreckung bei Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB Titel: „Der Beklagte wird verurteilt, an D 1.000 Euro zu zahlen“ Versprechensempfänger „Gläubiger“ Versprechender § 328 BGB Forderung Dritter D Zwangsvollstreckung - 31 Titel bestimmt Gläubiger • Auch bei Abtretung nach Titulierung Gläubiger Titel Schuldner § 398 BGB Forderung Abtretungsempfänger Zwangsvollstreckung - 32 Titel bestimmt Gläubiger • Auch bei „Zug um Zug“ Verurteilung • „Beklagter ist nicht Gläubiger Kläger „Zahlung von 10.000 Euro Zug um Zug gegen Übereignung des Pkws Marke xyz …“ Beklagter Zwangsvollstreckung - 33 § 9. Endurteil als Vollstreckungstitel • Systematik des Gesetzes: – §§ 704-793: Zwangsvollstreckung aus Endurteilen – § 794: weitere Vollstreckungstitel – § 795: Verweisung auf §§ 724-793 • „Endurteil“ meint Urteil nach § 300 ZPO – Endurteil beendet die Instanz, nicht notwendig den Rechtsstreit – auch Teilurteil, VU, Anerkenntnisurteil – Vorbehaltsurteil (§§ 302 Abs. 3, 599 Abs. 3 ZPO) – Nicht Zwischenurteile (vgl. § 280 Abs. 2 ZPO) – Ausnahme § 888 Abs. 3 ZPO Zwangsvollstreckung - 34 Endurteil als Vollstreckungstitel, § 704 ZPO Zwangsvollstreckung aus Endurteilen Rechtskraft vorläufige Vollstreckbarkeit aufgrund Erklärung des Gerichts Ggf. Schadensersatz Zwangsvollstreckung - 35 Endurteil als Vollstreckungstitel • Rechtskraft: – „formelle Rechtskraft“ [Unanfechtbarkeit] – § 705 ZPO: Ungenutzter Ablauf der Rechtsmittelfrist – Rechtsmittel unstatthaft (Revisionsurteil BGH) • Nachweis: Rechtskraftzeugnis, § 706 ZPO Zwangsvollstreckung - 36 Endurteil als Vollstreckungstitel • Vorläufige Vollstreckbarkeit • Entscheidung trifft Gericht im Erkenntnisverfahren – Nicht das Vollstreckungsorgan! • Beispiel für Tenor: I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.10.2015 zu bezahlen. II. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrags vollstreckbar. III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Zwangsvollstreckung - 37 Vorläufige Vollstreckbarkeit / Warum? • Weshalb Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft? – VV gefährdet Schuldner – Urteil kann falsch sein • VV nimmt Anreiz für Rechtsmittel – Die nur eingelegt werden, um Zwangsvollstreckung zu verzögern • VV begründet Gefahren für Schuldner • Ausgleich: – Schadensersatz, § 717 Abs. 2 ZPO – Sicherheitsleistung, § 709 Satz 1 ZPO • [Regelfall; Ausnahmen § 708 ZPO] Zwangsvollstreckung - 38 Sicherheitsleistung • „Normalfall“ § 709 ZPO: VV, aber gegen SiL – Nicht wenn Gläubiger SiL nicht erbringen kann, § 710 ZPO • Ausnahmefall § 708 ZPO: VV ohne SiL – Nr. 1 – 3: Schuldnerverhalten (Anerkenntnis; Verzicht) im Erkenntnisverfahren; Schuldner nicht schutzwürdig. – Nr. 4 und 5: Schärfe des Wechselprozesses. – Nr. 6. – Nr. 7 – 9: Vollstreckung soll aus materiellrechtlichen Gründen erleichtert werden (Räumung, Unterhalt, Besitzschutz). – Nr. 10: Berufungsurteile gelten als weithin zutreffend. – Nr. 11: Bagatellstreitigkeit. • § 711 ZPO: Abwendungsbefugnis des Schuldners Zwangsvollstreckung - 39 Höhe der Sicherheitsleistung 1 • § 108 ZPO: Gericht bestimmt • SiL soll Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO abdecken. – Beitreibbarer Betrag plus Vollstreckungskosten – Angabe nach § 708 Satz 2 ZPO • Nicht „absolut“ sondern relativ zum konkret vollstreckten Betrag Zwangsvollstreckung - 40 Art der Sicherheitsleistung 2 • § 108 ZPO: Gericht bestimmt • Regelfall Bankbürgschaft Bank Bürgschaft Schadensersatz § 717 Abs. 2 ZPO Gläubiger Schuldner Vollstreckungstitel Zwangsvollstreckung - 41 Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit • Zwangsvollstreckung bis zur Befriedigung – Nicht nur Sicherungsvollstreckung, vgl. 720a ZPO • Erfüllungswirkung? – hM: Erfüllung bis zur Rechtskraft aufgeschoben – Sonst würde die Leistung den Rechtsstreit erledigen Zwangsvollstreckung - 42 Wegfall der vorläufigen Vollstreckbarkeit 1 • Mit Verkündung des den Titel aufhebenden Urteils – § 717 ZPO • Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben – §§ 776 Satz 1, 775 Nr. 1 ZPO Zwangsvollstreckung - 43 Wegfall der vorläufigen Vollstreckbarkeit 2 • Schadensersatzhaftung nach § 717 Abs. 2 ZPO – Bei Hausdurchsuchung wird Wohnungstür aufgebrochen – Wegen Pfändung seines Autos muss der Schuldner Mietwagen nehmen – Einstellung des Geschäftsbetriebs bei Unterlassung Nutzung Patent • Nur Schaden „aus der Vollstreckung“ – Nicht Schäden Dritter • Beispielsweise bei Pfändung eines Pkws, der nicht dem Schuldner gehört • Verschulden nicht erforderlich – „prozessuale Risikohaftung“ – Gläubiger trägt Risiko des Irrtums des Gerichts erster Instanz Zwangsvollstreckung - 44 Wegfall der vorläufigen Vollstreckbarkeit 3 • Bereicherungshaftung nach § 717 Abs. 3 ZPO – Bei OLG Urteil – Kein Schadensersatz – Gläubiger soll sich auf OLG-Urteil eher verlassen können. Zwangsvollstreckung - 45 § 10. Vollstreckung ausländischer Urteile • §§ 722, 723 ZPO – Vollstreckbarerklärung in einem Vollstreckungsurteil • Europäischer Rechtsraum – EuGVVO: Titelfreizügigkeit – Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckbarerklärung Zwangsvollstreckung - 46 § 11. Weitere Vollstreckungstitel, § 794 ZPO • Prozessvergleich – Prozessbeendigung – Neue materiellrechtliche Grundlage – Vollstreckbarkeit (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) • Voraussetzungen Prozessvergleich als Vollstreckungstitel, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: – Vor deutschem Gericht – Zur Beendigung des Rechtsstreits – Prozesshandlung • ggf. Anwaltszwang – Protokoll, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO – Vollstreckbarer Inhalt Zwangsvollstreckung - 47 Prozessvergleich – Beteiligung Dritter • § 794 Abs. 1 ZPO: „Dritten“ • Dritter muss am Vergleichsschluss mitwirken – Wenn er „Gläubiger“ sein soll • BGHZ 82, 160: kein Anwaltszwang Zwangsvollstreckung - 48 Prozessvergleich – materiellrechtliche Regelung • § 779 BGB – Ein rein materiellrechtlicher Vergleichsvertrag ist kein Vollstreckungstitel • „gegenseitiges Nachgeben“ • Tragung von Prozesskosten genügt Zwangsvollstreckung - 49 Prozessvergleich – Rechtsnatur • Wirkungen: Prozessbeendigung und materiellrechtliche Regelung • Daraus folgt „Doppelnatur“ (hM) – Prozesshandlung und materielles Rechtsgeschäft zugleich • Wirksamkeitsmängel: – Liegt ein Mangel auf prozessualer oder materiellrechtlicher Ebene, ist immer der gesamt Prozessvergleich betroffen – Beispiele: • Anfechtung nach § 123 BGB • Fehlerhafte Protokollierung • Folge: – Prozess ist nicht beendigt worden – Antrag auf Fortführung bei Gericht • Keine erneute Klage, da Rechtshängigkeit – Ist Unwirksamkeit streitig, dann ebenfalls im „alten“ Prozess klären • Keine andere Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit! Zwangsvollstreckung - 50 Prozessvergleich – Fallbesprechung B fährt zu schnell mit seinem Pkw und kollidiert mit dem Fahrradfahrer A. A klagt gegen B und dessen Haftpflichtversicherung V auf Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro und Schmerzensgeld in der Größenordnung von 2.000 Euro. In der mündlichen Verhandlung erklärt B, er habe seine hochschwangere Frau ins Krankenhaus fahren müssen. Unter dem Eindruck dieser Einlassung schließt A mit B und V folgenden Vergleich: 1. V zahlt an A 2.500 Euro. 2. Damit sind alle Ansprüche des A gegen die Beklagten aus dem Verkehrsunfall abgegolten. Der Vergleich wird gerichtlich protokolliert und V zahlt. Später erfährt A, dass B keineswegs auf der Fahrt ins Krankenhaus, sondern zu einer Motorrennsportveranstaltung unterwegs war. A widerruft den Prozessvergleich durch Erklärungen gegenüber B und V. Fragen: Welche Ansprüche stehen A zu? Wie sollte A jetztZwangsvollstreckung vorgehen?- 51 Prozessvergleich – Fallbesprechung B A V Zwangsvollstreckung - 52 Prozessvergleich – Fallbesprechung Fallabwandelung: Nach Klageerhebung verhandeln A und ein Vertreter der V in den Räumen der V. Man einigt sich auf einen Betrag von 4.000 Euro zur Abgeltung aller Ansprüche. V übernimmt auch alle Kosten des Verfahrens. A verpflichtet sich, die Klage zurück zu nehmen, wenn V bezahlt habe. Dies wird schriftlich niedergelegt und von beiden Beteiligten unterschrieben. 1. V zahlt. A nimmt die Klage nicht zurück; wie kann V vorgehen? 2. V zahlt nicht. Was kann A unternehmen? Zwangsvollstreckung - 53 Vollstreckbare Urkunde, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO • Schuldner kann sich vor einem Notar der Zwangsvollstreckung „unterwerfen“ • Textbeispiel: – „Wegen aller in der notariellen Urkunde [X] eingegangenen Zahlungsverpflichtungen unterwirft sich S der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in sein gesamtes Vermögen“ • Große Praktische Bedeutung – Gläubiger kann sofort vollstrecken – Vorsprung, § 804 Abs. 3 ZPO • Gefahren für Schuldner – Wie immer: Vollstreckungsorgan prüft materiellen Anspruch nicht – Daher notarielle Errichtung – Belehrungspflichten, § 17 BeurkG Zwangsvollstreckung - 54 Vollstreckbare Urkunde, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO • Voraussetzungen – – – – Notar / Gericht Parteien vergleichsbefugt Bestimmte Regelung Unterwerfung unter Zwangsvollstreckung • Unterwerfungserklärung – Persönliche Unterwerfungserklärung – Dingliche Unterwerfungserklärung – Unterwerfung zu Lasten des Rechtsnachfolgers, § 800 ZPO Zwangsvollstreckung - 55 § 12. Vollstreckungsklausel • § 724 Abs. 1 ZPO: „mit einer Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung)“ • „Vollstreckungsklausel ist ein amtliches Zeugnis, dass ein konkreter Vollstreckungstitel vollstreckbar ist.“ • Wortlaut und Form § 725 ZPO Zwangsvollstreckung - 56 Unterscheide • (1) „Urteil“ als (unkörperlicher) Entscheidungsakt des Gerichts • (2) Die Urschrift des Urteils – „Original“, vgl. § 734 ZPO, eine Urkunde – Bleibt immer bei den Gerichtsakten • (3) Die Abschrift des Urteils – einfache Kopie • (4) Ausfertigung des Urteils – Abschrift, die von der Behörde stammt, die die Urschrift angefertigt hat – die Ausfertigung vertritt die Urschrift im Rechtsverkehr • (5) vollstreckbare Ausfertigung: eine Ausfertigung mit einer Vollstreckungsklausel – Grundlage der Zwangsvollstreckung Zwangsvollstreckung - 57 Unterscheide Erkenntnisverfahren Klauselerteilungsverfahren Zwangsvollstreckung Zwangsvollstreckung - 58 Gründe für Klausel (-erteilungsverfahren) • Prüfung der Vollstreckungsfähigkeit des Titels ist nicht den Vollstreckungsorganen überlassen • Schuldnerschutz gegen mehrfache Zwangsvollstreckung – § 757 ZPO: Aushändigung vA – § 733 ZPO: (grundsätzlich) nur 1 vA Zwangsvollstreckung - 59 Arten der Vollstreckungsklausel • Einfache Klausel, § 724 ZPO – Normalfall • Titelergänzende Klausel, § 726 ZPO – Zwangsvollstreckung hängt von weiteren Kriterien ab, beispielsweise Bedingungseintritt • Titelübertragende Klausel, §§ 727 ff. ZPO – Änderung des Subjekte der Zwangsvollstreckung • Weitere vollstreckbare Ausfertigung, § 733 ZPO Zwangsvollstreckung - 60 „Titelübertragende“ Klausel • Ausgangspunkt: § 750 ZPO: – Parteien der Zwangsvollstreckung müssen genannt sein • Wie bei Rechtsnachfolge? - § 727 ZPO K B Urteil § 398 BGB D Zwangsvollstreckung - 61 Titelumschreibung Gläubigerseite • Einzelrechtsnachfolge – Abtretung, Übereignung, Legalzession • Teilrechtsnachfolge – (Ver-)Pfändung • Gesamtrechtsnachfolge – § 1922 BGB, Erbfall Zwangsvollstreckung - 62 Beispiel: Rechtsnachfolge bei Bürgenzahlung Titel G S Bürgschaft B Zwangsvollstreckung - 63 Titelumschreibung Schuldnerseite • Erbfall • Schuldübernahme (str.) – Ja bei befreiender SÜ, § 414 BGB • Besitznachfolge Zwangsvollstreckung - 64 Beispiel: Besitznachfolge Herausgabetitel G S § 727 ZPO B Zwangsvollstreckung - 65 „Titelergänzende Vollstreckungsklausel“ • § 726 Abs. 1 ZPO • Voraussetzung: Titel, aus dem die Zwangsvollstreckung nur betrieben werden darf, wenn aus dem Titel ersichtliche besondere Voraussetzungen vorliegen • Beispiele: – Bedingungseintritt – Rechtskraft des Scheidungsurteils bei Unterhaltstitel – Nachweis einer Ersatzwohnung bei Räumungstitel • Bei Befristung gilt § 751 ZPO – Vollstreckungsorgan prüft selbst Zwangsvollstreckung - 66 Zug-um-Zug-Verurteilung • § 726 Abs. 2 ZPO • Nachweis nicht schon im Klauselerteilungsverfahren – Keine Vorleistung des Gläubigers • Nachweis erst in der Zwangsvollstreckung – § 751 ZPO – § 765 ZPO Zwangsvollstreckung - 67 Klauselerteilungsverfahren • Einfache Klausel: § 724 Abs. 2 ZPO: UdG • Qualifizierte Klausel – Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RPflG – Klage nach § 731 ZPO Zwangsvollstreckung - 68 Klauselerteilungsverfahren • Einfache Klausel: § 724 Abs. 2 ZPO: UdG • Qualifizierte Klausel – Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RPflG – Klage nach § 731 ZPO Zwangsvollstreckung - 69 Zustellung • § 750 Abs. 1 ZPO: Urteil muss zugestellt werden – Wegen § 317 ZPO regelmäßig bereits erfüllt – Gläubiger selbst kann zustellen, § 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO • Heilung bei Zustellungsmängel? – Nachholung der Zustellung – Rückwirkung str. • hM verneint; nur ex nunc Wirkung • Wichtig, wenn vor Nachholung ein anderer Gläubiger gepfändet hatte – Beispiel: • G pfändet einen Pkw am 1.2, eine Zustellung des Titels war zunächst unterblieben. Am 1.3. pfändet Gläubiger A. Am 1.4. lässt G den Titel noch zustellen. Der Erlös reicht nicht für G und A. Wer ist vorrangig? Zwangsvollstreckung - 70 § 14. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen Systematik Geldvollstreckung bewegliches Vermögen Individualvollstreckung unbewegliches Vermögen Sachen Forderungen sonst. Rechte Zwangsvollstreckung - 71 Vermögenshaftung • Welche Gegenstände haften? • Haftung = Zugriffsunterworfenheit • Es haften: – Alle Vermögensrechte – Die dem Schuldner gehören Zwangsvollstreckung - 72 Anfechtungsgesetz (AnfG) • Erweiterung der Vermögenshaftung • Rechtshandlungen, die Gläubiger benachteiligen, können angefochten werden • Fallgruppen: – § 3 AnfG Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung (10 Jahre) – § 4 AnfG Unentgeltliche Leistung (4 Jahre) –… • Klage gegen den Empfänger der Leistung („Anfechtungsgegner“) – „Duldung der Zwangsvollstreckung“ Zwangsvollstreckung - 73 Prioritätsprinzip • § 804 Abs. 3 ZPO • Zeitpunkt der Pfändung entscheidet über Befriedigungsreihenfolge • Wichtig, wenn Erlös nicht für alle Pfändungsgläubiger ausreicht. • Bewertung des Prioritätsprinzips – – – – Zeitlicher Zufall entscheidet Entspricht materiellem Recht (Rang) Andere Rechtsordnungen folgen „Ausgleichsprinzip“ In Deutschland in der Insolvenz Zwangsvollstreckung - 74 Vermögensauskunft • Informationsproblem: Wo hat Schuldner Vermögen? • Bis 2012: Offenbarungsversicherung – Erste wenn Zwangsvollstreckung erfolglos war • Seit 2013: § 802c ZPO: Vermögensauskunft – Zu Beginn der Zwangsvollstreckung – Versicherung an Eides Statt, § 802c Abs. 3 ZPO • §§ 156, 163 StGB – Erzwingungshaft, §§ 802g ff. ZPO • Max. 6 Monate – Auskunftspflichten Dritter, § 802l ZPO • Kenntnis von Lohnansprüchen, Bankkonten und Fahrzeugen • Schuldnerverzeichnis, §§ 882b ff. ZPO – „Schwarze Liste“ Zwangsvollstreckung - 75 § 15. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen • § 803 ZPO: „Pfändung“ • Zuständig Gerichtsvollzieher, § 808 ZPO • Antrag des Gläubigers – § 753 Abs. 1 ZPO: „Auftrag“ • Disposition des Gläubigers: – Rücknahme des Antrags – Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf Teilforderung – Bestimmung des Gegenstands der Zwangsvollstreckung • § 754 ZPO: Antrag begründet Inkassobefugnis des GVZ Zwangsvollstreckung - 76 Befugnisse des Gerichtsvollziehers • Aufzählung § 802a Abs. 2 ZPO • § 758 ZPO Durchsuchung usw. • § 802b ZPO „gütliche Erledigung“ – Ratenzahlungsvereinbarung / Vollstreckungsaufschub – Ohne Gläubigerauftrag! – Aber Widerspruch des Gläubigers, § 802b Abs. 3 Satz 2 ZPO Zwangsvollstreckung - 77 „Gewahrsam“ • § 808 Abs. 1 ZPO „im Gewahrsam“ – Auch § 809 ZPO • Unmittelbarer Besitz – Tatsächliche Sachherrschaft – Formalisierung des Zugriffs – GVZ prüft nicht Eigentum • Nicht genügen: – Mittelbarer Besitz (§ 868 BGB) – Mitbesitz (§ 866 BGB) • Es sei denn § 809 Fall 2 ZPO – Besitzdienerschaft (§ 855 BGB) • Besitzherr hat Gewahrsam – Str.: Erbenbesitz (§ 857 BGB) Zwangsvollstreckung - 78 Gewahrsam bei Ehegatten • § 739 Abs. 1 ZPO – Kontrafaktische Fiktion • „nur“ der Schuldner ist Alleingewahrsamsinhaber • Beispiel: GVZ G pfändet für den Gläubiger A ein Gemälde im Wohnzimmer des Schuldners S. Die Ehefrau E protestiert, verweist auf ihr Eigentum am Gemälde, und legt sogleich Erinnerung nach § 766 ZPO zum Vollstreckungsgericht ein. • Wie wird das Gericht entscheiden? • Was kann E tun? Zwangsvollstreckung - 79 § 809 ZPO • Pfändung bei Gewahrsam des Gläubigers • Drittgewahrsam nur bei Herausgabebereitschaft Vermieter Mieter Vollstreckungstitel Gläubiger Zwangsvollstreckung - 80 Was ist bewegliches Vermögen? • Unterscheide: – Bewegliches Vermögen → Pfändung – Unbewegliches Vermögen → Beschlagnahme • § 864 ZPO: Definition unbewegliches Vermögen – Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte (WEG) , Miteigentum an Grundstücken • § 865 Abs. 1 ZPO: Gegenstände des Hypothekenhaftungsverbands – §§ 1120 ff. BGB [Erzeugnisse, Bestandteile, Zubehör] – Pfändbar vor Beschlagnahme des Grundstücks, § 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO • § 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Zubehör nicht pfändbar – Beispiel: Traktor auf einem landwirtschaftlichen Hof • Alles andere ist bewegliches Vermögen! Zwangsvollstreckung - 81 Pfändungsverbote § 811 ZPO 1 • Gläubigeranspruch / Schuldnerschutz • Liste des § 811 Abs. 1 ZPO … – Nr. 1 Kleidung, Hausrat, Wohnung – Nr. 2 – 4a, 8, 12 Existenzminimum – Nr. 5 Arbeitsmittel bei persönlicher oder geistiger Arbeit • Nicht bei kapitalistischer Nutzung – Nr. 7, 9 weitere Arbeitsmittel – Nr. 10 – 14 Persönlichkeitsschutz • Ausnahme § 811 Abs. 2 ZPO – Gläubiger könnte ohnehin nach Rücktritt gemäß § 985 BGB Herausgabe verlangen Zwangsvollstreckung - 82 Fall • K kauft im Möbelhaus V ein neues Bett zum Preis von 2.000 Euro in Raten zu monatlich je 200 Euro. Die Lieferung erfolgt vereinbarungsgemäß unter Eigentumsvorbehalt. Nachdem der K nach 12 Monaten nur 5 Raten bezahlt hat, klagt V auf Zahlung von 1.000 Euro. Der Gerichtsvollzieher erscheint bei K und pfändet das Bett, das er als einzigen Vermögensgegenstand vorfindet. Später wird es zur Versteigerung abgeholt. K fragt, ob er sich gegen die weitere Zwangsvollstreckung wehren kann. ? V K Zwangsvollstreckung - 83 Pfändungsverbote § 811 ZPO 2 • Verzicht auf Pfändungsschutz? – hM: Während der Zwangsvollstreckung, nicht aber „im Voraus“ • Austauschpfändung, § 811a ZPO Zwangsvollstreckung - 84 Vollzug der Pfändung, § 808 ZPO • Inbesitznahme durch GVZ – Die bloße Erklärung („… ist gepfändet …“) genügt nicht • Wie weiter verfahren? [§ 808 Abs. 2 ZPO]: – Geld, Kostbarkeiten, WP wegschaffen – Andere Sachen bleiben zunächst beim Schuldner • Pfandsiegel Zwangsvollstreckung - 85 Anschlusspfändung, § 826 ZPO • Ist Sache gepfändet: • für weitere Pfändung genügt Protokollaufnahme – GVZ muss Schuldner nicht aufsuchen • Vorsicht: Anschlusspfändung nur wirksam, wenn Hauptpfändung wirksam ist – Im Zweifel nochmals nach § 808 ZPO pfänden lassen Zwangsvollstreckung - 86 Wirkungen der Pfändung • Drei Ebenen: – Besitz – Verstrickung – Pfändungspfandrecht Zwangsvollstreckung - 87 Pfändung – Besitzverhältnisse • [Wiederholung] Besitz: – – – – Mittelbarer/unmittelbarer [§ 868 BGB] Eigen-/Fremdbesitz Vermieter – Mieter – Untermieter Wichtig wegen Besitzschutzrechte, §§ 869, 861 f. BGB • Nimmt GVZ das Pfandgut mit gilt: – GVZ – Gläubiger – Schuldner unmittelbarer Fremdbesitzer mittelbarer Fremdbesitzer mittelbarer Eigenbesitzer • Belässt GVZ Pfandgut beim Schuldner gilt: – Schuldner – GVZ – Gläubiger unmittelbarer Fremdbesitzer mittelbarer Fremdbesitzer mittelbarer Eigenbesitzer Zwangsvollstreckung - 88 Wirkungen der Pfändung Zwangsvollstreckung: Pfändung → Verwertung → Erlösauskehr Verstrickung Verfügungs- Pfändungsverbot pfandrecht Zwangsvollstreckung - 89 Pfändung → Verstrickung 1 • In ZPO nicht ausdrücklich geregelt • Staatliche Beschlagnahme – § 136 StGB: Verstrickungsbruch • Grundlage der Verwertung – Ersteigerer erwirbt Eigentum allein aufgrund Verstrickung • Nach Ablieferung – Bestehen von titulierter Forderung oder Eigentum des Schuldners unerheblich Zwangsvollstreckung - 90 Pfändung → Verstrickung 2 • Verstrickung entsteht – Wirksame Pfändung – Fehlerfreie und „leicht“ fehlerhafte Pfändung • Keine Zustellung des Titels • örtliche Unzuständigkeit des GVZ • Verstoß gegen § 811 ZPO – Nicht bei „schwer“ fehlerhafter Pfändung (nichtige Pfändung) • Zwangsvollstreckung ohne Titel • keine Inbesitznahme nach § 808 ZPO • Verstrickung endet durch – Verwertungsakt – „Entstrickung“ nach gerichtlicher Entscheidung, Freigabe Zwangsvollstreckung - 91 Pfändung → Veräußerungsverbot • Nach §§ 135, 136 BGB • Steht für Sachpfändung nicht im Gesetz – Aber § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO / § 23 ZVG • Verhindert Erwerb nach Pfändung Zwangsvollstreckung - 92 Pfändung → Pfändungspfandrecht • § 804 ZPO – Abs. 2 verweist auf §§ 1204 ff. BGB Zwangsvollstreckung - 93 Wiederholung: Pfandrecht nach BGB • Wirkungen: – – – – Befriedigungsrecht des Gläubigers, § 1204 BGB Verwertungsrecht, § 1228 BGB Rang, § 1209 BGB Schutz, § 1227 BGB iVm §§ 985, 823, 989, 1004 BGB • Voraussetzungen: – Einigung und Übergabe, § 1205 BGB – Forderung des Gläubigers, § 1204 Abs. 1 BGB – Eigentum des Schuldners, arg. § 1207 BGB Zwangsvollstreckung - 94 Pfändungspfandrechtstheorien 1 • Unter welchen Voraussetzungen entsteht ein vollstreckungsrechtliches Pfändungspfandrecht? • Privatrechtliche Theorie – Pfändung + Forderung + Eigentum • Öffentlich-rechtliche Theorie – Pfändung – Mit jeder Pfändung entsteht Pfändungspfandrecht • Auch an Sachen Dritter, auch wenn Gläubiger materiellrechtlich keine Forderung zusteht • „Gemischt“-privatrechtlich-öffentlichrechtliche Theorie (hM) – Fehlerfreie Pfändung + Forderung + Eigentum Zwangsvollstreckung - 95 Pfändungspfandrechtstheorien 2 • Bedeutung des Pfändungspfandrechts? • Privatrechtliche Theorie – Pfandrecht ist Grundlage für Verwertung und Rechtsgrund für Erlös – Ohne Pfandrecht keine wirksame Verwertung • Wenn beispielsweise der Schuldner nicht Eigentümer ist oder die Forderung nicht besteht • Öffentlich-rechtliche Theorie – Pfandrecht immer Grundlage für Verwertung und Erlösauskehr – Nicht aber Rechtsgrund für „Behaltendürfen“ des Erlöses; ggf. § 812 BGB • „Gemischt“-privatrechtlich-öffentlichrechtliche Theorie (hM) – Verstrickung Grundlage der Verwertung • Nicht Pfändungspfandrecht – Pfandrecht Rechtsgrund des Behaltendürfen des Erlöses • Also nur, wenn Schuldner-Eigentum und Forderung bestehen Zwangsvollstreckung - 96 Pfändungspfandrechtstheorien Beispiel: Wegen eines titulierten Zahlungsanspruchs des Gläubigers G1 iHv. 1.000 € pfändet der Gerichtsvollzieher am 1.10.2015 ein Gemälde des Schuldners S. Am 15.10.2015 pfändet er das Gemälde erneut zugunsten des Gläubigers G2, der gegen S einen Zahlungstitel iHv. 2.000 € erwirkt hat. Erst am 1.11.2015 wird der Titel des G1 zugestellt. Die Versteigerung des Gemäldes erlöst 1.500 €. Wie ist dieser Erlös auf G1 und G2 zu verteilen? • Verteilungsreihenfolge nach Rang des Pfandrechts, § 804 Abs. 3 ZPO • nach öffentlich-rechtlicher Theorie wird fehlerhafte Pfändung nachträglich geheilt: G1 hat Vorrang • nach gemischt-privatrechtlich-öffentlich-rechtlicher Theorie (h.M.) führt Maßnahme vom 1.10.2015 nur zur Verstrickung, schafft wegen des Verfahrensmangels (fehlende Titelzustellung) aber kein Pfändungspfandrecht: G2 hat Vorrang Zwangsvollstreckung - 97 Verwertung [Überblick] – Pfändung / Verstrickung stellt Pfandgut „sicher“ • Anschließend muss verwertet werden • Unterscheide: – Pfändung von Geld und Wertpapieren, §§ 815, 821 ZPO – Pfändung sonstiger Sachen: Versteigerung, §§ 814 ff. ZPO Zwangsvollstreckung - 98 Gepfändetes Geld • § 808 Abs. 2 ZPO • § 815 Abs. 1 ZPO: Ablieferung beim Gläubiger – Keine Versteigerung • (Erst) Ablieferung verschafft dem Gläubiger Eigentum an Geldzeichen – Nicht schon die Wegnahme, arg. § 815 Abs. 2 ZPO – § 815 Abs. 3 ZPO kein Gegenargument (hM) • keine Regelung über Eigentum, sondern Gefahrtragung • Gläubiger trägt „Transportrisiko“ des gepfändeten Geldes Zwangsvollstreckung - 99 Gepfändete „sonstige“ Sachen • Verwertung durch Versteigerung, § 814 ZPO • Öffentliche Versteigerung – vor Ort, § 814 Abs. 3 Nr. 1 ZPO – im Internet, § 814 Abs. 3 Nr. 2 ZPO: www.justiz-auktion.de Zwangsvollstreckung - 100 Phasen der Versteigerung • Grundsatz: öffentlich-rechtlicher Vorgang • Gebot – Kein Angebot, sondern Antrag auf Zuschlag, § 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, § 156 BGB • Keine Anfechtung • Zuschlag; im Internet Zuschlagsfiktion – Muss dem Meistbietenden erteilt werden, § 817 Abs. 1 ZPO – Öffentlich-rechtlicher kaufähnlicher Vertrag • Keine Leistungsklage, vielmehr § 766 ZPO – Keine Änderung der Eigentumslage an Pfandsache (anders nach § 90 ZVG) • Ablieferung – Reale Sachübergabe – Meistbietender wird Eigentümer kraft Hoheitsakts, § 817 Abs. 2 ZPO • Verstrickung erforderlich, nicht Pfändungspfandrecht • Daher Eigentum des Schuldners unerheblich – Keine Gewährleistung, § 806 ZPO • Erlöszahlung an Versteigerer – dingliche Surrogation, vgl. § 1247 BGB: Verstrickung und Pfändungspfandrecht am Erlös • Erlösauskehr – An Gläubiger durch Hoheitsakt Zwangsvollstreckung - 101 – Abzüglich Kosten der Zwangsvollstreckung, arg. § 817 Abs. 4 ZPO, § 169 GVGA Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung • erst Erlösauskehr an den Gläubiger beendet Zwangsvollstreckung – Ersteigerer wird erst mit Ablieferung Eigentümer – Bis zur Ablieferung noch §§ 767, 771 ZPO statthaft • Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung relevant, wenn (1) keine Forderung (mehr) bestand; Rechtsbehelf während der Zwangsvollstreckung: § 767 ZPO (2) versteigerte Sache nicht dem Schuldner gehörte („schuldnerfremde Sache“); Rechtsbehelf während der Zwangsversteigerung: § 771 ZPO (3) versteigerte Sache unpfändbar war (fehlerhaftes Verfahren); Rechtsbehelf während der Zwangsversteigerung: § 766 ZPO Zwangsvollstreckung - 102 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Beispiel 1: Nachdem der von Gläubiger G beauftragte Gerichtsvollzieher ein Gemälde („Das blaue Quadrat“) des Schuldners S gepfändet hat, zahlt S auf die Titelforderung. Der hiervon nicht informierte Gerichtsvollzieher versteigert gleichwohl das Gemälde an E. Den Versteigerungserlös zahlt der Gerichtsvollzieher an G. Was kann S von E und G verlangen? Zwangsvollstreckung - 103 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung G S E • gegenüber E: keine Ansprüche; E erwarb Eigentum durch Hoheitsakt • gegenüber G: - (Neben-)Pflichtverletzung, §§ 241 II, 280 I BGB ? - Delikt, §§ 823 I, 826 BGB? - Bereicherungsrecht, § 812 I 1 Fall 2 BGB • → vor Zuschlag Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO; danach materiellrechtlicher Ausgleich („verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“: beachte Rechtskraft analog § 767 II, III ZPO) Zwangsvollstreckung - 104 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Beispiel 2: Der von Gläubiger G beauftragte Gerichtsvollzieher pfändet in der Wohnung des Schuldners ein Gemälde des Dritten D und versteigert es an E. Den Versteigerungserlös zahlt der Gerichtsvollzieher an G. Was kann D von E, G und S verlangen? Zwangsvollstreckung - 105 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung G S E D • gegenüber E: keine Ansprüche; E erwarb Eigentum durch Hoheitsakt • gegenüber G: - (Neben-)Pflichtverletzung, §§ 241 II, 280 I BGB ? - Delikt, §§ 823 I, 826 BGB ? - Bereicherungsrecht, § 812 I 1 Fall 2 BGB • gegenüber S: keine Ansprüche; S hat nichts erlangt • → vor Zuschlag Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO; danach nur noch materiell-rechtlicher Ausgleich (»verlängerte Drittwiderspruchsklage«) Zwangsvollstreckung - 106 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung • BGHZ 58, 207 • Sachverhalt: Der Beklagte hatte einen Lkw bei einer GmbH pfänden lassen, der dem Kläger gehörte. Der Kläger forderte den Rechtsanwalt des Beklagten mehrfach unter Vorlage eigentumsbezeugender Urkunden auf, den Lkw frei zu geben, was (zunächst) nicht erfolgt. K verlangt Schadensersatz. Rechtsanwalt K [Eigentümer Lkw] SE Bekl Titel/Pfändung Lkw GmbH Zwangsvollstreckung - 107 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung • BGHZ 58, 207 Schadensersatz des Gläubigers wegen Nichtfreigabe? – BGHZ 58, 207, 214 geht von durch Pfändung begründeter privatrechtlicher Sonderrechtsbeziehung aus – Pflicht zur Prüfung und ggf. Freigabe – Anknüpfungspunkt in BGHZ 58, 207 schuldhaft verspätete Freigabe • Unterlassen – Zurechnung Anwaltsverschulden? • Nach § 278 BGB • BGHZ 118, 205: Eigenhaftung des Rechtsanwalts aus § 823 Abs. 1 BGB? – Nicht wenn Rechtsanwalt durch Weisung des Gläubigers an Freigabe gehindert war Zwangsvollstreckung - 108 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Beispiel 3: Der von Gläubiger G beauftragte Gerichtsvollzieher pfändet den Kühlschrank des Schuldners S und versteigert ihn an E. Den Versteigerungserlös zahlt der Gerichtsvollzieher an G. S verweist auf die Unpfändbarkeit des Kühlschranks und verlangt von E dessen Herausgabe, hilfsweise von G Auszahlung des Erlöses. Zu Recht? Zwangsvollstreckung - 109 Ausgleichansprüche nach Beendigung der Zwangsvollstreckung G S E • Übereignung durch Ablieferung, § 817 Abs. 2 ZPO – kein Herausgabeanspruch gegen E nach §§ 985, 812 Abs. 1 BGB • Zahlungsanspruch gegen G: Kühlschrank war unpfändbar, § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO – öffentlich-rechtliche Theorie: Verfahrensfehler lässt Pfändungspfandrecht unberührt, kein Herausgabeanspruch nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 818 BGB – gemischte Theorie (h.M.): kein Pfändungspfandrecht, kein Rechtsgrund zum Behalten, G muss Erlös herausgeben, §§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 818 BGB • → Vor Zuschlag wäre Erinnerung (§ 766 ZPO) möglich gewesen. Zwangsvollstreckung - 110 § 16. Zwangsvollstreckung in Geldforderungen Schuldner Drittschuldner Gepfändete Forderung Titel Einziehungsklage Gläubiger Zwangsvollstreckung - 111 § 16. Zwangsvollstreckung in Geldforderungen • Die ZPO unterscheidet: – Zwangsvollstreckung in Geldforderungen des Schuldners (§§ 828 – 845, 850 – 853 ZPO), – in Sachforderungen (§§ 846 ff.) und – in andere Vermögensrechte (§§ 857 – 863 ZPO) Zwangsvollstreckung - 112 Zwangsvollstreckung in Geldforderungen • Zur Terminologie der ZPO: – 1:2:3 „Schuldner/Drittschuldner/Gläubiger“ • Anders im materiellen Recht im BGB: – „Zedent/Schuldner/Zessionar “ – „Altgläubiger/Schuldner/Neugläubiger“ • Bei rechtsgeschäftlicher Verpfändung: – „Gläubiger/ Schuldner/Pfandgläubiger“ 1 2 3 Zwangsvollstreckung - 113 Überblick: Zwangsvollstreckung in Geldforderungen • Vollstreckungsorgan: Vollstreckungsgericht – Nicht GVZ • Antrag • Pfändungsbeschluss – Keine Inbesitznahme – Zustellung an Drittschuldner – Pfändung wirksam • Überweisung an Gläubiger – Ebenfalls durch Beschluss • Ggf. Einziehungsprozess – Gläubiger (!) klagt gegen Drittschuldner Zwangsvollstreckung - 114 Vollstreckungsorgan • § 828 ZPO: Vollstreckungsgericht – Amtsgericht, § 794 Abs. 1 ZPO – Rechtspfleger, § 20 Nr. 16 RPflG • Wohnsitz des Schuldners – § 828 Abs. 2 ZPO Zwangsvollstreckung - 115 Die gepfändete Forderung • Unterscheiden: – Forderung, wegen der gepfändet wird • Titelforderung – Forderung, die gepfändet wird • Vollstreckungsobjekt S G DS Zwangsvollstreckung - 116 Die gepfändete Forderung • Alle auf Geld gerichtete Forderungen – Auch bedingte Forderung – Auch künftige Forderung • Drittschuldner muss bekannt sein • Pfändung geht weniger weit als Abtretung künftiger Forderungen • Nur übertragbare Forderung – Arg. § 851 Abs. 1 ZPO – Beispiel: § 717 Satz 1 BGB • Ausnahme § 851 Abs. 2 ZPO – Bei Abtretungsverbot nach § 399 Fall 2 BGB – Abtretungsverbot soll Zwangsvollstreckung nicht ausschließen Zwangsvollstreckung - 117 Pfändung Arbeitseinkommen • Große praktische Bedeutung – Häufig der einzige greifbare Vermögenswert • §§ 832, 833 ZPO: Pfändung erstreckt sich auch auf künftige Bezüge Zwangsvollstreckung - 118 Pfändungsschutz Arbeitseinkommen • §§ 850 ff. ZPO – Aus sozialen Gründen; Grundlage der Lebensführung – Abwägung Schuldner-/Gläubigerinteresse • Welche Forderungen sind unpfändbar? – § 850 Abs. 2/3 ZPO; abgrenzen zu Kapitaleinkommen • § 850a ZPO: absolut unpfändbar – Zweckgebundene Gelder • § 850b ZPO: subsidiär pfändbar – insbesondere Unterhaltsrenten, § 1601 BGB, § 1360 BGB – pfändbar wenn kein sonstiges Vermögen (Abs. 2) Zwangsvollstreckung - 119 Pfändungsschutz Arbeitseinkommen • § 850c Abs. 1 ZPO: Pfändungsfreibetrag – Dynamisierung nach Grundfreibetrag, § 850c Abs. 2a ZPO – § 850c Abs. 2a Satz 2 ZPO: Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung • [2013:] 1.045, 04 Euro; bei 3 Unterhaltsberechtigten 1.876,58 Euro • [2015:] 1.073, 88 Euro; “ 1.928,38 Euro – „Blankettbeschluss“ [§ 850c Abs. 3 Satz 2 ZPO] • Drittschuldner „muss rechnen“ / trägt Risiko Zwangsvollstreckung - 120 Pfändungsschutz Arbeitseinkommen • Nicht bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, § 850d ZPO – Unterhaltsgläubiger sind privilegiert – Dem Schuldner ist der notwendige Unterhalt zu belassen – Problem: Unterhaltsvergleich (gesetzlich?) • Erhöhung der Pfändbarkeitsgrenze auf Antrag, § 850f Abs. 1 ZPO – Härteklausel, aber nur auf Antrag! • Absenkung für Deliktsgläubiger, § 850f Abs. 2 ZPO Zwangsvollstreckung - 121 Pfändungsschutz • § 850i ZPO bei nicht wiederkehrenden Leistungen – Honorarforderungen von Rechtsanwälten, Ärzten usw. • § 850k ZPO „P-Konto“ – Wenn Arbeitseinkommen auf P-Konto einbezahlt, „automatischer“ Pfändungsschutz – Schuldner kann in Höhe der Pfändungsfreibeträge verfügen – P-Konto muss vereinbart werden, § 850k Abs. 7 ZPO – Nach Barauszahlung gilt § 811 Nr. 8 ZPO Zwangsvollstreckung - 122 „Lohnschiebungsverträge“ • § 850h Abs. 1 ZPO: Leistung an Dritten – Pfändung beim Dritten möglich • § 850h Abs. 2 ZPO: unentgeltliche Arbeit Zwangsvollstreckung - 123 § 16. Zwangsvollstreckung in Geldforderungen Schuldner Drittschuldner Gepfändete Forderung Titel Einziehungsklage Gläubiger Zwangsvollstreckung - 124 Pfändungsbeschluss Verfahren 1 • Vorbemerkung: Praxis: „PfÜB“ … • Pfändung und Überweisung in „einem“ Beschluss • Formular Rechtlich müssen Pfändung und Überweisung streng getrennt werden! § 829 ZPO Pfändung: Beschlagnahme/Pfandrecht § 835 ZPO Überweisung: Grundlage für Klage Zwangsvollstreckung - 125 Pfändungsbeschluss Verfahren 2 Zwangsvollstreckung - 126 Pfändungsbeschluss Verfahren 3 • Antrag des Gläubigers – – – – „Pfändungsgesuch“ Zuständigkeit Titel, Klausel, Zustellungsurkunde genaue Bezeichnung der zu pfändenden Forderung • Nach Rechtsgrund und Drittschuldner – gesamte Forderung wird gepfändet • Wenn nicht betragsmäßig im Antrag beschränkt • Schuldner wird nicht gehört, § 834 ZPO – Warum? • Schuldner soll nicht gewarnt werden – Anhörung vor Überweisung? • Praktischer Gesichtspunkt: Kein Raum, da Pfändung und Überweisung in einem Beschlussformular – Art 103 Abs. 1 GG? • § 766 ZPO Zwangsvollstreckung - 127 Pfändungsbeschluss Verfahren 4 • Gericht prüft nicht Bestehen der Forderung – Keine materielle Prüfung im Vollstreckungsverfahren • Gepfändet wird die „angebliche“ Forderung – Grundlage Schlüssigkeitsprüfung nach Gläubigerangaben • Ob Forderung wirklich besteht und dem Schuldner zusteht, wird erst im Einziehungsprozess Gläubiger/Drittschuldner festgestellt – Besteht die Forderung nicht, geht die Pfändung ins Leere – Keine Wirkungen des Pfändungsbeschlusses • Zustellung – An Drittschuldner, § 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO – An Schuldner, § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO • Zustellung an Drittschuldner entscheidend, § 829 Abs. 3 ZPO Zwangsvollstreckung - 128 Fall – Pfändung schuldnerfremder Gegenstände 1 • S hat Schulden bei der Bank B. Diese verlangt die Stellung neuer Sicherheiten. S übereignet seinen Lkw an B zur Sicherung und tritt eine Forderung gegen DS zur Sicherheit ab. Gläubiger G, der die Sicherungsgeschäfte nicht kennt, pfändet den Lkw und die Forderung. Später erklärt B die Freigabe der Sicherheiten. • Kann G den Lkw und die Forderung nach deren Überweisung verwerten? B SiZ / SiA S DS Titel G Zwangsvollstreckung - 129 Fall – Pfändung schuldnerfremder Gegenstände 2 • Verwertung Lkw? – Verstrickung entsteht – unabhängig von Eigentum – Mit Rückerwerb („Freigabe“) entsteht auch Pfändungspfandrecht analog § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB • Verwertung Forderung? – Einziehungsklage nach Überweisung? – Nach BGHZ 56, 339, 350 wird die Forderung der B von Pfändung bei S nicht erfasst; die Pfändung gehe „ins Leere“ – Bei Rückerwerb keine Analogie zu § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB – Andere Rechtslage als bei Sachpfändung! • Wie sollte G vorgehen? – Forderung nochmals pfänden nach Rückübertragung – Für Profis: Pfändung des Rückgewähranspruchs aus Sicherungsvertrag Zwangsvollstreckung - 130 Wirkungen der Pfändung • § 829 Abs. 1 ZPO – Satz 1: Zahlungsverbot an Drittschuldner – Satz 2: Verfügungsverbot an Schuldner • Es entstehen daher: – Verstrickung [nicht im Gesetz] – Pfändungspfandrecht, § 804 ZPO – Verfügungsverbot, § 829 Abs. 1 ZPO • Abtretung durch Schuldner ist dem Gläubiger gegenüber relativ unwirksam, §§ 135, 136 BGB • Zahlung des Drittschuldners an Schuldner ist unwirksam – Drittschuldner muss nochmals an Gläubiger zahlen Zwangsvollstreckung - 131 Pfändung – Stellung des Schuldners • Schuldner bleibt Inhaber der Forderung • Er darf aber nicht verfügen, § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO – Einziehung, Erlass, Aufrechnung usw. • Verfügungen, die die Forderung nicht beeinträchtigen, sind aber wirksam – „Erhaltungsrechte“, beispielsweise Fälligkeitskündigung – Klage gegen Drittschuldner auf Leistung an Gläubiger (hM) • Verfügungen über das Rechtsverhältnis bleiben wirksam – Schuldner als Vermieter kann das Mietverhältnis auch nach Pfändung des Mietzinsanspruchs kündigen – Rückwirkend werden Pfändungen aber nicht unwirksam Zwangsvollstreckung - 132 Pfändung – Stellung des Drittschuldners • Drittschuldner kann nicht mit befreiender Wirkung an Schuldner leisten, § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO – BGHZ 105, 358: Überweisung muss nicht wiederrufen werden • Auskunftspflicht, § 840 ZPO – Zweck: Gläubiger soll die nötigen Informationen für das weitere Vorgehen / eine Klage erhalten • Anerkenntnis nach § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Kein materiellrechtliches Anerkenntnis nach § 780 BGB Wissenserklärung / Beweislastumkehr • Keine Klage auf Erfüllung nach § 840 ZPO (hM) • Vielmehr nur Schadensersatz § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO: – Drittschuldner erklärt nichts: Ersatz des Schadens aus vergeblichem Zahlungsprozess gegen Drittschuldner – Drittschuldner erkennt zu Unrecht an: Schaden wegen Verzichts auf andere Vollstreckungsmöglichkeiten Zwangsvollstreckung - 133 Fall – Anerkenntnis nach § 840 ZPO G hat eine titulierte Forderung gegen S in Höhe von 25.000 Euro. G lässt eine Forderung des S gegen des DS aus einem Darlehen in Höhe von 25.000 Euro pfänden (und überweisen). DS erklärt auf Aufforderung schriftlich, er erkenne die Forderung an und werde zahlen. Daraufhin sieht G von der Pfändung des Pkws des S ab, der einen Wert von 10.000 Euro hat. Gleichwohl erfolgt keine Zahlung. G klagt daraufhin gegen DS. Im Prozess wendet der DS ein, sein Vertreter V habe bereits vor der Pfändung an S bezahlt, was er, DS, aber nicht gewusst habe. Welche Rechte hat G gegen DS? Wie soll er prozessual vorgehen? V S DS Titel 25T€ g Klage G Zwangsvollstreckung - 134 Fall – Anerkenntnis nach § 840 ZPO • Anspruchsgrundlage Forderung S/DS? – Erloschen durch Zahlung, § 362 BGB • Anspruchsgrundlage § 781 BGB? – Nein, Anerkenntnis nach § 840 ZPO keine Willenserklärung • Anspruchsgrundlage Schadensersatz § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO? – Dem Grunde nach gegeben – Verschulden? Kenntniszurechnung/Organisationsverschulden? – Höhe des Schadensersatzes? • 25.000 Euro? Nein, Gläubiger ist nicht so zu stellen als bestünde die Forderung • 10.000 Euro? Ja, bei richtiger Auskunft hätte Gläubiger den Pkw gepfändet. • Ferner Kosten aus Prozess gegen Drittschuldner • Prozessual? – Klageänderung, § 263 ZPO Zwangsvollstreckung - 135 Überweisungsbeschluss • § 835 ZPO – Verwertung der Forderung • Überweisung zur Einziehung – Regelfall • § 836 Abs. 1 ZPO: – Einziehungsermächtigung Zwangsvollstreckung - 136 Überweisungsbeschluss – Stellung des Gläubigers • Gläubiger kann alle Rechtsgeschäfte zur Einziehung (= Durchsetzung) der Forderung vornehmen – Kaufpreis, Mahnung, Aufrechnung – Nicht: Abtretung, Stundung, Verzicht [keine Rechtsdurchsetzung] • Klage gegen Drittschuldner – Im eigenen Namen – Nicht als Vertreter des Schuldners – Grundlage: Einziehungsrecht • Pflichten des Gläubigers – § 841 ZPO: Streitverkündung an Schuldner – § 842 ZPO: Schadensersatz bei verzögerter Beitreibung • Daher wichtig: Möglichkeit zum Verzicht, § 843 ZPO • Nichtstun ist gefährlich! • Zahlt der Drittschuldner, – erlischt das Einziehungsrecht – erlischt die überwiesene Forderung – wird der Schuldner frei Zwangsvollstreckung - 137 Überweisungsbeschluss – Stellung des Drittschuldners • Drittschuldner darf nicht schlechter gestellt werden – §§ 404 ff. BGB analog – Drittschuldner kann alle Einwendungen und Einreden gegen die Forderung dem Gläubiger entgegen halten • Schutz des Drittschuldners über § 836 Abs. 2 ZPO • Zwei Fälle: – Überweisung wirksam, dann aufgehoben, Drittschuldner zahlt in Unkenntnis – Überweisung fehlerhaft, aber nur anfechtbar, Drittschuldner zahlt Zwangsvollstreckung - 138 Überweisungsbeschluss – Stellung des Drittschuldners • Frage: Schützt § 836 Abs. 2 ZPO auch bei nichtigem Überweisungsbeschluss? – BGHZ 121, 98 (= NJW 1993, 735) verneint – Sachverhalt: Es war aufgrund eines Arrestbeschlusses eine Forderung überwiesen worden – BGH: Arrest lässt Überweisung nicht zu [vgl. § 930 Abs. 1 ZPO]; Überweisung nichtig, für nichtige Überweisung gelte § 836 Abs. 2 ZPO nicht – Einschränkend BGHZ 127, 146 (= NJW 1994, 3225): bei nichtiger Überweisung „Vertrauensschutz“ Zwangsvollstreckung - 139 Überweisungsbeschluss – Stellung des Drittschuldners • Frage: Schützt § 836 Abs. 2 ZPO auch, wenn die überwiesene Forderung zuvor abgetreten worden war? • Fall: S tritt eine Forderung gegen den D über 10.000 Euro an den Z ab. D wird von der Abtretung nicht informiert. Später ergeht zugunsten des G ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der dem D zugestellt wird. Daraufhin zahlt D an G 10.000 Euro. Z verlangt nochmals Zahlung von D. Zu Recht? • Z § 398 BGB S D Zahlung G Zwangsvollstreckung - 140 Überweisungsbeschluss – Stellung des Drittschuldners • Frage: Schützt § 836 Abs. 2 ZPO auch, wenn die überwiesene Forderung zuvor abgetreten worden war? • Nein – § 836 Abs. 2 ZPO nimmt Drittschuldner nur das Risiko, dass Überweisung aufgehoben wird – Nicht das Risiko, dass Forderung einem anderen zusteht • Schutz des Drittschuldners über § 408 Abs. 2 BGB Zwangsvollstreckung - 141 Überweisung an Zahlungs statt • § 835 Abs. 2 ZPO: Forderung geht auf den Gläubiger über • Gläubiger gilt als befriedigt, soweit Forderung besteht • Gläubiger trägt aber Durchsetzungsrisiko – Überweisung an Zahlungs statt hat daher wenig praktische Bedeutung Zwangsvollstreckung - 142 § 17. Zwangsvollstreckung in Herausgabeansprüche • Ausgangsbeispiel: S hat sein Fahrrad an DS vermietet. Wie kann Zahlungsgläubiger G des S auf das Fahrrad zugreifen? S Drittschuldner Titel G GVZ Zwangsvollstreckung - 143 Zwangsvollstreckung in Herausgabeansprüche • §§ 846 ff. ZPO • § 847 Abs. 1 ZPO: Pfändungsbeschluss lautet auf Herausgabe an Gerichtsvollzieher – Nicht an Schuldner! – Nicht an Gläubiger! • Erst mit Herausgabe an GVZ erlangt Gläubiger Pfändungspfandrecht an der Sache – Surrogation: Pfändungspfandrecht an Herausgabeanspruch setzt sich an Sache fort • Gibt Drittschuldner nicht heraus, muss Gläubiger klagen – Grundlage: Überweisungsbeschluss – Vollstreckung: § 883 ZPO • § 847 Abs. 2 ZPO: GVZ hat zu verwerten – Wie wenn Sache direkt gepfändet worden wäre Zwangsvollstreckung - 144 Zwangsvollstreckung in Herausgabeansprüche • Herausgabe von Grundstücken • § 848 Abs. 1 ZPO: Herausgabe erfolgt an „Sequester“ – „Treuhänder“ • Anschließend Zwangsvollstreckung nach ZVG, § 848 Abs. 3 ZPO • War gepfändeter Anspruch auf Übereignung gerichtet, ist an Sequester als Vertreter des Schuldners aufzulassen, § 848 Abs. 2 ZPO – Beispiel: Drittschuldner hatte Grundstück an Schuldner verkauft – Schuldner wird Eigentümer – Gläubiger erlangt Sicherungshypothek (§ 867 ZPO), § 848 Abs. 2 Satz 2 ZPO Zwangsvollstreckung - 145 § 18. Zwangsvollstreckung in „andere“ Vermögensrechte • § 857 Abs. 1 ZPO: erfolgt durch Pfändung – Auffangnorm – Ähnlich § 413 BGB bei Abtretung „sonstiger Rechte“ • „Andere“ Vermögensrechte – Vermögensrechte außer Sachen, Forderungen und Immobilien • Beispiele: Miteigentum, Grundschuld, Gesellschaftsanteile [GbR, OHG, KG, GmbHAnteil], Miterbenanteil, Anwartschaftsrechte, Immaterialgüterrechte – Nicht pfändbar sind: • Akzessorische Rechte (Hypothek, Forderung aus Bürgschaft) • Unselbständige Handlungsrechte (Kündigungs-, Rücktrittsrecht) • § 857 Abs. 2 ZPO: wenn kein Drittschuldner, dann Zustellung nur an Schuldner – Beispiel: Patent, Marke – Bei Miterbenanteil, Gesellschaftsanteil, Miteigentum usw.: andere Beteiligte sind „Drittschuldner“ Zwangsvollstreckung - 146 § 19. Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen • §§ 864 – 871 ZPO – § 869 ZPO: ZVG vom 24.3.1897 – Bestimmungen der ZPO auch bei ZVG anwendbar (Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, Rechtsbehelfe) • § 866 Abs. 1 ZPO: Arten der Zwangsvollstreckung – Freie Wahl, § 866 Abs. 2 ZPO • Zwangsversteigerung – Verwertung der Substanz des Grundstücks • Verspricht höchsten Ertrag – Für persönliche oder „dingliche“ Gläubiger • Zwangsverwaltung – Zugriff auf Nutzungen (Erträge) • Eintragung einer Sicherungshypothek (Zwangshypothek) – Gläubiger bekommt nur eine dingliche Sicherung für seine Forderung Zwangsvollstreckung - 147 Gegenstand der Immobiliarvollstreckung, §§ 864 f. ZPO • Grundstücke – einschl. wesentlicher Bestandteile, § 94 BGB. • Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten – Erbbaurechte (§ 11 ErbbauRG); Wohnungseigentum; Bergwerkseigentum • § 864 Abs. 2 ZPO: Bruchteilsrechte an Grundstücken – Miteigentumsanteil und Rechte daran • § 865 Abs. 1 ZPO: Gegenstände, die nach §§ 1120 ff. BGB für die Hypotheken haften – „Haftungsverband“ … Zwangsvollstreckung - 148 § 865 ZPO: Haftungsverband • §§ 1120 ff. BGB • Erzeugnisse – Ernte • Bestandteile • Zubehör – § 97 BGB • z. B. Traktor bei einem landwirtschaftlichen Grundstück – Nach § 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist bei Zubehör stets nur Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen statthaft • Traktor kann nicht gepfändet werden • Beschlagnahme erstreckt sich daher auch auf Zubehör, § 20 Abs. 2 ZVG – Erhaltung wirtschaftlicher Einheit von Grundstück und Zubehör • Miet- und Pachtzinsforderungen, § 1123 BGB Zwangsvollstreckung - 149 Vollstreckungsorgane • § 1 ZVG: Vollstreckungsgericht • Bei Zwangshypothek: Grundbuchamt, § 867 ZPO Zwangsvollstreckung - 150 Sicherungshypothek • § 866 Abs. 1 ZPO – § 867 ZPO spricht (synonym) von Zwangshypothek • Gewährt nur eine Sicherung, keine Befriedigung – hat daher nur Zweck, wenn der Gläubiger nicht bereits dinglich gesichert ist, etwa durch eine Grundschuld. • Antrag § 867 ZPO • GBA prüft Vollstreckungsvoraussetzungen – Eintragung nach GBO – Bewilligung (§ 19 GBO) (natürlich!) nicht erforderlich • Verwertung durch Zwangsversteigerung – § 867 Abs. 3 ZPO: Grundlage Zahlungstitel! – Kein Duldungstitel erforderlich Zwangsvollstreckung - 151 Zwangsversteigerung • Antrag – § 15 ZVG – Voraussetzung: Eintragung des Schuldners, § 17 ZVG • Keine materielle Prüfung des Schuldner-Eigentums • Anordnung – Versteigerungsbeschluss • Zustellung an Schuldner, § 22 Abs. 1 ZVG • Eintragung im Grundbuch, § 19 ZVG – § 20 ZVG: Beschlagnahme des Grundstücks – § 23 ZVG: Veräußerungsverbot; kein Pfandrecht! – § 11 Abs. 2 ZVG: Prioritätswirkung • Versteigerung • Zuschlag – § 85 ZVG: an Meistbietenden – § 90 ZVG: Eigentumserwerb • an allen „Gegenständen der Versteigerung“, §§ 55 Abs. 2, 20 ZVG • Verteilungsverfahren – §§ 105 ff. ZVG – Teilungsplan nach §§ 10, 11 Abs. 2 ZVG Zwangsvollstreckung - 152 Beispiel zu § 23 ZVG • Hinsichtlich des Grundstücks des S wird am 1.2. die Zwangsversteigerung angeordnet; der Beschluss wird am 15.2. eingetragen und zugestellt. Am 1.3. vermietet der S das Grundstück an seinen Freund F zu einem besonders günstigen Mietzins (50% unter marktüblichem Zins). E erhält den Zuschlag und verlangt von F Räumung und Herausgabe. F beruft sich auf den Mietvertrag. • S Mietvertrag F Herausgabe? • G E Zwangsvollstreckung - 153 Zwangsverwaltung • §§ 146 ff. ZVG • Zugriff auf Nutzungen – Durch Beschlagnahme – Insbesondere Miet- und Pachtzins • § 148 Abs. 1 ZVG (von Beschlagnahme umfasst) – Eigentum bleibt beim Schuldner • § 148 Abs. 2 ZVG: Nutzung entzogen • § 149 ZVG: Wohnung darf er behalt • Einsetzung eines Zwangsverwalters, § 150 ZVG – Aufgaben § 152 ZVG • Fortführung grundstücksbezogener Gewerbebetriebe (BGH NJW-RR 2005, 1175) • § 152 Abs. 2 ZVG: Eintritt in Miet- und Pachtverträge – Haftung § 154 Satz 1 ZVG – Vergütung § 152a ZVG iVm ZwVwV (Zwangsverwalterverordnung) • Verteilungsplan, § 155 ZVG Zwangsvollstreckung - 154 Vollstreckung von „Individualansprüchen“ • Individualvollstreckung – Zwangsvollstreckung wegen „sonstiger Ansprüche“ – Andere als Geldforderungen • Individualansprüche sind: – Herausgabe (§§ 883 – 886 ZPO) – Verhalten (§§ 887 – 898 ZPO) – Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) • Nach deutschem Recht ist der Primäranspruch durchsetzbar – § 893 ZPO stellt klar, dass Sekundäranspruch unberührt bleibt Zwangsvollstreckung - 155 § 20. Die Vollstreckung von Herausgabeansprüchen • Beispiel: G leiht dem S einen Staubsauger. S wird zur Rückgabe verurteilt. Wie ist der Vollstreckungstitel durchzusetzen? • G S Zwangsvollstreckung - 156 Vollstreckung von Herausgabeansprüchen • § 883 Abs. 1 ZPO: GVZ hat dem Schuldner den Staubsauger wegzunehmen und dem Gläubiger zu übergeben. • § 883 ZPO darf nicht mit § 808 ZPO vermengt werden – Keine Pfändung bei § 883 ZPO – § 811 ZPO gilt nicht! • § 883 ZPO gilt für dingliche und obligatorische Herausgabeansprüche Zwangsvollstreckung - 157 Vollstreckung von Herausgabeansprüchen • Befindet sich die herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten, ist nach § 886 ZPO der Herausgabeanspruch des Schuldners zu pfänden und zu überweisen – Gläubiger kann dann gegen den Drittschuldner auf Herausgabe an sich (den Gläubiger) klagen – Keine Wegnahme beim Dritten aufgrund Titel gegen Schuldner • G S D Zwangsvollstreckung - 158 Herausgabe eines Grundstücks • § 885 Abs. 1 ZPO – Entsetzung und Besitzeinweisung • Bewegliche Sachen (Mobiliar) werden Schuldner übergeben, § 885 Abs. 2 ZPO – Sonst Verwahrung, § 885 Abs. 3 ZPO – Kosten trägt Schuldner, aber als Antragsteller auch Gläubiger • Es sind nach § 788 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung • Problem: Vollstreckungstitel gegen Ehegatten/Kinder? – Arg. § 750 Abs. 1 ZPO – Früher hM: trotz § 750 ZPO sei kein Titel gegen Ehegatte/Kinder erforderlich; arg. § 739 ZPO analog – Nach früherem Güterrecht war Ehefrau Besitzdienerin des Mannes bzgl. Wohnung Zwangsvollstreckung - 159 § 21. Vollstreckung von Handlungsansprüchen Anspruch auf Vornahme einer Handlung Vertretbare Handlung Ersatzvornahme § 887 ZPO Unvertretbare Handlung Zwangsgeld/ -haft, § 888 ZPO Zwangsvollstreckung - 160 Vertretbare Handlung, § 887 ZPO • Handlung kann von Drittem vorgenommen werden, ohne dass sich der wirtschaftliche Charakter ändert – Handwerkerleistung, Reinigung, Anfertigung von Sachen, Reparatur • Verfahren – Antrag des Gläubigers zur Ermächtigung zur Selbstvornahme, § 887 Abs. 1 ZPO – Zuständig ist Prozessgericht – Verurteilung zur Vorschusszahlung, § 887 Abs. 2 ZPO • Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO • Schuldner kann trotz Ermächtigung noch selbst erfüllen – Und dann nach § 767 ZPO klagen Zwangsvollstreckung - 161 Unvertretbare Handlung, § 888 ZPO • Ersatzvornahme (durch Dritten) nicht möglich – Anspruch auf Auskunftserteilung, Ausstellung Arbeitszeugnis, Widerruf einer Beleidigung • Zwangsgeld (ersatzweise Zwangshaft) oder Zwangshaft – Willensbeugung – Zwangsgeld geht an die Staatskasse • Nicht an den Gläubiger • Voraussetzung ist, dass Vornahme ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt • Nicht bei Leistung von Diensten, § 888 Abs. 3 ZPO – Arbeitsleistung soll nicht gegen den Willen des Schuldners erzwungen werden – Aber bei vertretbaren Handlungen § 887 ZPO – § 887 Abs. 3 ZPO sperrt hier nicht Zwangsvollstreckung - 162 § 22. Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen • Beispiel: Der Schuldner wird verurteilt, Klavierspielen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr in seiner Wohnung zu unterlassen. • § 890 ZPO – Ordnungsgeld / Ordnungshaft – Nach Verstoß gegen Unterlassungspflicht • Anwendungsbereich: Unterlassung … – der Verletzung absoluter Rechte wie Eigentum, Patent, Urheberrecht – ehrenrühriger Behauptungen – unlauteren Wettbewerbs Zwangsvollstreckung - 163 Verfahren - Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen • Androhung des Ordnungsmittels • § 890 Abs. 2 ZPO • Art / gesetzliches Höchstmaß • Zuwiderhandlung • Nach der Androhung • Festsetzung des Ordnungsmittels • Neuer Antrag erforderlich • Gericht prüft, ob Schuldner gegen Titel verstoßen hat • Verschulden erforderlich > Kein § 278 BGB! • Bei juristischen Personen Ordnungshaft gegen Organ • Vollstreckung des Ordnungsmittels • Zugunsten der Staatskasse • Justizbeitreibungsordnung Zwangsvollstreckung - 164 § 23. Erwirken einer Willenserklärung • § 894 ZPO Geht § 888 ZPO vor • Abgabe der Willenserklärung wird fingiert • Voraussetzung Urteil > Nicht Prozessvergleich Willenserklärung > Nicht Wissenserklärung, Arbeitszeugnis Rechtskraft • Wirkungen Willenserklärung wird fingiert Fiktion ersetzt jede Form Nicht aber den Zugang der Willenserklärung > In der Regel Kenntnis des Urteils aufgrund Zustellung • Bei Übereignung (§ 929 BGB) mit Herausgabevollstreckung (§ 883 ZPO) kombinieren Zwangsvollstreckung - 165 Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung formelle Mängel § 766 § 793 § 71 GBO materielle „Gegenrechte“ § 767 § 771 § 805 sittenwidrige Härte der ZV § 765a Zwangsvollstreckung - 166 § 24. Vollstreckungsgegenklage • Ausgangspunkt: Schuldner hat beispielsweise schon geleistet • § 767 ZPO: „Einwendungen“ gegen „Anspruch“ Zwangsvollstreckung - 167 Vollstreckungsgegenklage Titel Gläubiger Schuldner Beklagter Kläger § 767 ZPO Zwangsvollstreckung - 168 Vollstreckungsgegenklage • Ausgangspunkt Formalisierungsgrundsatz – Vollstreckungsorgan prüft nur Titel – Keine materiellrechtliche Prüfung, ob Schuldner leisten muss > Aufgabe des Erkenntnisverfahrens – § 767 ZPO „kompensiert“ Formalisierungsgrundsatz • § 767 ZPO: Schuldner muss gegen Gläubiger klagen – Erkenntnisverfahren über Einwendung – Vorlage an Vollstreckungsorgan, § 775 Nr. 1 ZPO / § 776 ZPO • Beispiele: – Der Schuldner behauptet, er habe die Forderung getilgt, aufgerechnet, sie sei erlassen worden, gestundet worden, der Gläubiger habe verzichtet, usw. – Verlust der Inhaberschaft an der Forderung … Zwangsvollstreckung - 169 Vollstreckungsgegenklage • Beispiel: G klagt gegen S auf Zahlung von 3.000 Euro. S wird antragsgemäß verurteilt. G beauftragt den GVZ mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, tritt die Forderung dann aber an Z ab. GVZ pfändet bei S. G Titel S § 398 BGB Forderung Z Zwangsvollstreckung - 170 Vollstreckungsgegenklage • Ausnahmen – § 775 Nr. 4 ZPO: Erfüllung / Stundung mit Urkunde belegbar > Quittung! – § 775 Nr. 5 ZPO: Überweisungsbeleg • Wird auch vom Vollstreckungsorgan beachtet ohne Vollstreckungsklage Zwangsvollstreckung - 171 Überblick Verfahren Vollstreckungsgegenklage • Zuständig ist Prozessgericht erster Instanz – Keine Klage beim Vollstreckungsgericht • Klage ist statthaft, sobald ein Vollstreckungstitel vorliegt – Sie ist auch zulässig, wenn die Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen hat. • Klagen darf nur der Schuldner – gegen den der Vollstreckungstitel gerichtet ist • Klagegegner ist der Vollstreckungsgläubiger – Wer im Titel oder in der Klausel als Gläubiger genannt ist • Gericht kann nach § 769 ZPO zum Schutze des Schuldners einstweilige Anordnungen treffen – Zu deren Geltendmachung vgl. § 775 Nr. 2 ZPO – Im Urteil sind Eilanordnungen möglich nach § 770 ZPO • Gewöhnliches Erkenntnisverfahren – Schuldner muss Einwendung behaupten und ggf. beweisen Zwangsvollstreckung - 172 Vollstreckungsgegenklage • Ziel: Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels – Nicht hingegen die Beseitigung einzelner Zwangsvollstreckungsmaßnahmen • Beispiel Klageantrag: – „Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom … Az … wird für unzulässig erklärt.“ • Prozessuale Gestaltungsklage – Dem Titel wird die Vollstreckbarkeit genommen Zwangsvollstreckung - 173 Vollstreckungsgegenklage • Klage und Urteil nach § 767 ZPO lassen Rechtskraft des Titels unberührt • Beispiel: – S wird verurteilt, an G 1.000 Euro zu zahlen. Nach Rechtskraft des Urteils zahlt S an G. Gleichwohl will G, der seine Kontoauszüge nicht liest, die Zwangsvollstreckung betreiben. S obsiegt mit der Gegenklage. – S kann die Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO blockieren – S kann aber nicht die 1.000 Euro zurück verlangen Zwangsvollstreckung - 174 Vollstreckungsgegenklage • Klage und Urteil nach § 767 ZPO lassen den titulierten Anspruch unberührt • Beispiel: – G vollstreckt gegen S aus einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). S meint, bereits bezahlt zu haben, unterliegt aber mit der Vollstreckungsgegenklage, weil das Gericht zu dem Ergebnis kommt, S habe an einen Dritten gezahlt. – Steht jetzt auch fest, dass der materielle Anspruch des G besteht? – BGH NJW-RR 1990, 49: nein. Entschieden wird nur über die Einwendung und Vollstreckbarkeit des Titels – Nicht über den materiellen Anspruch • S kann daher die von G vollstreckte Leistung zurück fordern nach § 812 BGB – Notarielle Urkunden erwachsen nicht in Rechtskraft! Zwangsvollstreckung - 175 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss • Einwendungen sind nur zulässig, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind – Nur „neue“ Einwendung – die im Prozess, der zum Titel führte, nicht berücksichtigt werden konnten • Zweck: Sicherung der Rechtskraft des Urteils – Parteien sind präkludiert infolge Rechtskraft – Auch über Gegenklage keine Alt-Einwendungen möglich • Folge: – Einwendungen, die bereits behandelt worden waren, können nicht nochmals erhoben werden – Aber auch Einwendungen, die nicht vorgetragen worden waren, sind mit § 767 ZPO nicht mehr nachholbar > Präklusionswirkung der Rechtskraft > Auf Verschulden kommt es nicht an • § 767 Abs. 2 ZPO lassen sich die „zeitlichen“ Grenzen der Rechtskraft entnehmen Zwangsvollstreckung - 176 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss • Maßgeblicher Zeitpunkt: – letzte mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz – In der Revisionsinstanz vor dem BGH können keine neuen Tatsachen geltend gemacht werden (Rechtsprüfung) Zwangsvollstreckung - 177 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss • Wann ist eine Einwendung aufgrund Gestaltungsrechts „entstanden“? – Entstehung des Gestaltungsrechts? – Ausübung des Gestaltungsrechts? Zwangsvollstreckung - 178 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss Klage letzte mündl. Verh. t Gestaltungsrecht - Täuschung - Entstehung Gegenforderung - Rücktrittsgrund [usw.] Ausübung - Anfechtung - Aufrechnung - Rücktrittserklärung Zwangsvollstreckung - 179 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss • Beispiel: G klagt gegen S aus einem Kaufvertrag. S erfährt während des Prozesses, dass G ihn arglistig getäuscht hat. Erst nach Rechtskraft des Urteils, aber noch innerhalb der Frist des § 124 BGB, ficht S gemäß § 123 BGB an. Kann S mit Erfolg nach § 767 ZPO klagen? • BGHZ 24, 97, 99: Entstehung des Gestaltungsrechts – Bestätigt in BGH NJW 2009, 1671, Rn. 11: „Sind die Gründe vor der letzten Tatsachenverhandlung entstanden und wird die Rechtswirkung der Einwendung erst durch eine Willenserklärung ausgelöst, so ist nach gefestigter Rechtsprechung des BGH der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Willenserklärung objektiv abgegeben werden konnte.“ – Zweck: Vorbeugung gegen Verschleppung • H. Lit.: Ausübung des Gestaltungsrechts – S soll materiellrechtliche Frist ausschöpfen können Zwangsvollstreckung - 180 § 767 Abs. 2 ZPO – Einwendungsausschluss • Beispiel: • Schuldner S wird zur Zahlung von 10.000 Euro an G verurteilt. Nach Rechtskraft rechnet er mit einer Gegenforderung auf, die bereits vor der Klage des G entstanden war. Gleichwohl vollstreckt G. Klageforderung G S Gegenforderung • Hat die Vollstreckungsgegenklage des S Erfolg? • S klagt nach Vollstreckung auf Rückzahlung der beigetriebenen 10.000 Euro (§ 812 BGB). Mit Aussicht auf Erfolg? • Was kann S noch tun? – Klage Gegenforderung? – Gegenforderung untergegangen durch Aufrechnung? … Zwangsvollstreckung - 181 Klage aufrechnungspräkludierte Gegenforderung • BGH NJW 2009, 1671, Rn. 11: Die Gegenforderung ist nicht durch die präkludierte Aufrechnungserklärung unter gegangen: „Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat die Präklusion der Aufrechnung nicht nur verfahrensrechtliche Wirkung. Vielmehr treten auch die materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechnung (§ 389 BGB) nicht ein. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen des Titelschuldners … werden so behandelt, als sei die Aufrechnung nie erklärt worden. Sie können folglich vom Titelschuldner selbstständig gegen den Titelgläubiger geltend gemacht und durchgesetzt werden.“ Zwangsvollstreckung - 182 § 767 Abs. 3 ZPO – Bündelungsgebot • Schuldner muss sogleich alle Einwendungen geltend machen • Eine frühere Vollstreckungsgegenklage präkludiert Einwendungen – Zwangsvollstreckung soll nicht durch immer wieder erhobene Einwendungen verzögert werden • § 767 Abs. 2 ZPO und § 767 Abs. 3 ZPO streng zu trennen! – Abs. 2 bezieht sich auf den Vorprozess – Abs. 3 auf die erste Vollstreckungsgegenklage Zwangsvollstreckung - 183 § 767 Abs. 3 ZPO – Bündelungsgebot Klage 767 Abs. 2 letzte mündl. Verh. Erhebung 767 Urteil 767 767 Abs. 3 Zwangsvollstreckung - 184 § 767 Abs. 3 ZPO – Bündelungsgebot • § 767 Abs. 3 ZPO setzt Verschulden voraus (str.) – Kannte der Schuldner die Einwendung bei der ersten VGK nicht, ist er nicht präkludiert Zwangsvollstreckung - 185 Übungsfall Zwangsvollstreckung Folie 61 G hat gegen S ein rechtskräftiges Urteil vom 1.2. über 20.000 Euro. Am 1.4. erhebt S Vollstreckungsgegenklage mit der Begründung, er habe bereits bezahlt. Die Klage wird abgewiesen, weil S die Erfüllung nicht beweisen kann. Anschließend erhebt S erneut Vollstreckungsgegenklage mit der Begründung, wie er erst jetzt erfahre, habe am 1.3. der Prokurist P des G dem Angestellten A des S die Forderung erlassen. 1. Hat die Vollstreckungsgegenklage Aussicht auf Erfolg? 2. Kann S die später von G im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben Leistung zurück verlangen? Titel G S 1. Vollstreckungsgegenklage [BGB 362] 2. Vollstreckungsgegenklage [BGB 367] P A Zwangsvollstreckung - 186 Übungsfall • Vollstreckungsgegenklage wegen § 397 BGB hat keine Erfolgsaussicht – § 767 Abs. 3 ZPO – Verschulden? Zurechnung § 278 ZPO • Erfolgsaussicht Kondiktionsklage? – Gegeben – Mit dem Einwand „Erlass“ ist S nur gemäß § 767 Abs. 3 ZPO bei einer Vollstreckungsgegenklage präkludiert, nicht jedoch für die Kondiktionsklage. Zwangsvollstreckung - 187
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