Was heißt hier guter Unterricht in einer guten Schule?

Astrid Wasmann
Was heißt hier guter Unterricht in einer guten Schule?
EinVergleichvonProjektunterrichtundlehrergelenktemUnterricht
Zusammenfassung:
Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Unterrichtsform eine hohe Lernqualität erreicht. Den
Merkmalen guten Unterrichts folgend werden Projektunterricht und lehrergelenkter Unterricht
vergleichend analysiert. In Projekten erwerben Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit
selbstgesteuert zu lernen. Projektunterricht ist geeignet für die Ausbildung von fachlichen und
überfachlichen Kompetenzen. Auf Schulebene hat er das Potenzial, Schulentwicklung
voranzutreiben. Dazu müssen die Kollegen stärker kooperieren, Zeitstrukturen für Projektarbeit
einplanen und gemeinsame Absprachen hinsichtlich eines Projektcurriculums treffen.
Schlüsselworte: Projektunterricht, lehrergelenkter Unterricht, Unterrichtsqualität,
Kompetenzorientierung, Projektcurriculum
What Does it Mean a Good Learning and Teaching? A Comparison between Project
–based Learning and Instructional Teaching
Abstract:
This paper asks which learning setting reaches a high quality of the learning process. Following
characteristics of a good teaching and learning this paper compares the aspects of project-based
learning and instructional learning. In projects pupils improve self-guided learning. Project-based
learning fosters a competence orientation. On school level, it has the potential of moving school
development forward. The success depends on how teachers collaborate, how they insert a
timeline for project-based learning and whether they elaborate a project curriculum.
Keywords: project-based learning, instruction, quality of teaching and learning, orientation to
competence, curriculum of project competencies
1.
Einführung
In der
Vergangenheit wurden Unterrichtsformen wie lehrergelenkter Unterricht und
Projektunterricht nicht nur kontrovers diskutiert, sondern es wurde sich auch vehement und
emotional für die eine oder andere Unterrichtsform eingesetzt. Was ist dran an der
Behauptung, Projektunterricht sei der Königsweg oder Projekte bringen Spaß, aber man
lerne nichts (Bastian & Gudjons, 1998a; Bauer, 2004; Frey, 2002). Oder lehrerzentrierter
Unterricht sei nur auf die sogenannten „Mittelköpfe“ ausgerichtet.
Im ersten Teil vergleicht dieser Beitrag die Qualität von Projektunterricht mit lehrergelenktem,
indem er den empirisch begründeten Merkmalen guten Unterrichts von Helmke folgt
(Helmke, 2003). Insbesondere wird die Wirksamkeit von Projektunterricht hinsichtlich der
Kompetenzorientierung beleuchtet. Dann wir die Verankerung von Projektunterricht auf
Schulebene diskutiert, um ein abschließendes Urteil zu fällen, ob mehr Projektunterricht zu
einer besseren Schulqualität führt.
1
2.
Charakterisierung von Projektunterricht
Projektunterricht definitorisch schwer eingrenzbar, da er in der Vergangenheit für
unterschiedliche Zwecke verschieden ausgelegt wurde (Hänsel, 1999b). Im schulischen
Kontext verstehe ich unter einem Projekt einen Unterrichtsabschnitt, in dem sich Lehrer und
Schüler einem gemeinsam formulierten Problem oder Thema zuwenden, für dessen
Bearbeitung einen Plan entwickeln, sich arbeitsteilig mit der Lösung beschäftigen, die
Lösungsversuche allen Teilnehmern vermitteln und in einem gemeinsamen Produkt
präsentieren (Wasmann-Frahm, 2008). Im Gegensatz zum Lehrgangsunterricht folgt
Projektunterricht nicht einer systematisch aufbauenden Lernstruktur, sondern Inhalte werden
themenzentriert so gelernt, wie sie in ihrer Struktur in der Wirklichkeit vorkommen, was
häufig zur Überschreitung von Fächergrenzen führt. Es wird vornehmlich selbstgesteuert das
gelernt, was für die Lösung eines realen Problems notwendig ist oder eine komplexe
Handlung abbildet. Die Lernwege der Schülerinnen und Schüler verlaufen different. Ein
Projekt wird nach einer gewissen Zeit abgeschlossen. Da jede Projektgruppe zu Beginn
eines Projekts beschließt, was sie bearbeiten will und dazu einen Plan erstellt, hat jedes
Projekt einen einmaligen Verlauf. Als Projektmethode wird eher der Ablauf eines Projekts
aufgefasst (Frey, 2002).
Im lehrergelenkten Unterricht hingegen entscheidet der Lehrer die Inhaltsauswahl, das
methodische Vorgehen und die inhaltliche Tiefe, mit der ein Thema bearbeitet wird, allein
und plant einen systematischen Aufbau des Lernstoffes. Auch die in diesem Unterricht
eingesetzte Gruppenarbeit wird von ihm festgelegt.
3.
Guter Unterricht, was ist das?
Will man eine hohe Lehr-, Lernqualität erreichen, müssen in beiden Fällen Kriterien guten
Unterrichts beachtet werden. So schreibt Helmke:
„Wir wissen aus der Forschung wie aus der Schulpraxis, dass es brillianten und anregenden
lehrerzentrierten Frontalunterricht ebenso gibt wie dilettantischen Gruppen- oder Projektunterricht
– und vice versa.“ (Helmke, 2007)
Um die Unterrichtsqualität von Projektunterricht mit lehrergelenktem zu vergleichen, folge ich
den bekannten empirisch begründeten Merkmalen guten Unterrichts basierend auf dem
Angebots-Nutzungs-Modells zur Wirksamkeit von Unterricht (Helmke, 2003). Die folgende
Analyse orientiert sich an Helmkes Kriterien.
3.1 Effiziente Klassenführung
Die Klassenführung gilt als zentrale Voraussetzung für anspruchsvollen und erfolgreichen
Unterricht (Helmke, 2003, S. 78). Eine effiziente Klassenführung reduziert Störungen auf ein
Minimum und schafft Zeit zum eigentlichen Lernen. Dem Projektlernen wird häufig der
Vorwurf gemacht, er liefe unorganisiert, ja chaotisch ab (siehe auch Bohl & Kucharz, 2010).
Da viele Schülergruppen an unterschiedlichen Themen mit verschiedenen Methoden
arbeiten, wirkt dieser Unterricht manchmal unstrukturierter als ein Unterricht, bei dem alle
Schüler und Schülerinnen nebeneinander an Tischen sitzen und mehr oder weniger das
Gleiche tun. In der Tat muss die Projekt-Lehrkraft dafür sorgen, dass das offene Arbeiten
strukturiert geschieht. Bei Störungen muss gehandelt und an gemeinsam beschlossene
Regeln erinnert werden. Im selbstbestimmten Lernen liegt bereits ein hohes
Motivationspotenzial und damit eng verknüpft ein störungsfreies Lernen.
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3.2 Lernförderliches Unterrichtsklima
Ein lernförderliches Klima wird unter anderem durch Schaffung von Phasen ohne Bewertung,
durch gegenseitige Wertschätzung und auch Toleranz bei Langsamkeit der Schüler oder
Schülerinnen erreicht. Projektunterricht ist ohne gegenseitigen Respekt nicht vorstellbar. In
den Schülerteams muss respektvoll miteinander umgegangen und diskutiert werden, sonst
funktioniert Gruppenarbeit nicht. Projektunterricht nimmt für sich in Anspruch, dass er das
Lehrer-Schüler Verhältnis auf eine neue Basis der Gleichberechtigung hebt (Bastian &
Gudjons, 1998b; Hänsel, 1999a). Insofern ist das Arbeitsklima per se entspannter, da
natürlicher als im lehrerzentrierten Unterricht kommuniziert wird. Nur bei angenehmer
Atmosphäre werden Schülerinnen und Schüler eigene Ideen entwickeln und diese umsetzen.
Es finden auch private Gespräche statt, was in einem stark lehrergelenkten Ansatz als viel
störender empfunden wird als im Projektunterricht.
Harmonieren die Gruppen jedoch nicht, ist dies als Störung des Unterrichtsklimas zu
werten, in dem Fall können die Gruppenmitglieder nicht effizient miteinander arbeiten.
Insofern ist es wichtig, auf eine gute Gruppenzusammensetzung zu achten, gerade weil beim
Projektlernen in längeren Gruppenarbeitsphasen gearbeitet wird als im lehrerzentrierten
Unterricht. In letzterem legt der Lehrer vielleicht in einer Unterrichtsstunde Gruppenarbeit für
10 Minuten bis zu einer halben Stunde fest, während im Projektunterricht
Gruppenarbeitsphasen über einen Zeitraum von drei Wochen stattfinden können. Während
einer Projektwoche wird über mehrere Tage ganztägig in der Gruppe gearbeitet.
3.3 Motivierung
Schülerinnen und Schüler können durch hohe Leistungsanforderungen, durch Interesse
weckende Themen oder durch einen hohen Alltagsbezug der Themen motiviert werden. Das
Engagement der Lehrkraft spielt auch immer eine Rolle. Einen Großteil der Projektlernzeit
verbringen Schülergruppen im selbstbestimmten und von ihren Interessen geleiteten Lernen.
Meine eigenen empirischen Untersuchungen zum Projektunterricht zeigen, dass die
Lernenden gerade die Selbstbestimmung in höchstem Maße schätzen und je eigenständiger
sie entscheiden und vorangehen dürfen, desto motivierter arbeiten sie (Wasmann-Frahm,
2008). Diese Erkenntnis wird gestützt durch die Theorie der drei ‚basic needs‘
Selbstbestimmung, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit nach Deci & Ryan
(1993). In gutem lehrerzentriertem Unterricht werden viele verschiedene Methoden zur
Motivierung der Schülerinnen und Schüler von der Lehrkraft eingesetzt und explizit auf
Methodenwechsel geachtet. Dabei spielt die Selbstbestimmung der Schülerinnen und
Schüler kaum eine Rolle.
3.4 Klarheit und Strukturiertheit
Dieses Merkmal bezieht sich auf die Strukturierung des Lernens durch die Ansprache der
Lehrkraft. Verwendet sie eine Sprache, die die Schülerinnen und Schüler verstehen?
Formuliert sie klare Ziele des Unterrichtsabschnitts und gibt strukturierende Hinweise und
Zusammenfassungen des Lernstoffes? Das Postulat der Struktur und Klarheit wird im
Projektunterricht erreicht, wenn die Lehrkraft die Phasen des Projekts von der Initiative bis
zum Projektabschluss transparent macht, so dass alle Schülerinnen und Schüler zu jedem
Zeitpunkt erkennen können, an welcher Stelle des Projektablaufs sie sich befinden.
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Erarbeitungsphase
Abschluss
Teilthema 1
Synthese/
Projektinitiative
Planungsphase
Teilthema 2
Produkt/
Bewertung
Teilthema 3
Teilthema 4
Abbildung 1: Ablaufschema eines Projektes
Aus Berichten über Projekte geht hervor, dass unbedingt auf Klarheit und Strukturiertheit
geachtet werden sollte, sonst schaffen die wenig strukturiert arbeitenden Schülerinnen und
Schüler es nicht die selbst gesetzten Projektziele zu erreichen, so von Carlowitz (2001). Das
sind beispielsweise Kinder und Jugendliche mit ADHS oder mit Asperger-Syndrom.
Andererseits wird die Lehrkraft in Bezug auf Klarheit der Sprache im Projektunterricht
entlastet, denn es finden viele kommunikative Austauschprozesse direkt in den Gruppen
statt.
3.5 Kompetenzorientierung
Dieses Qualitätskriterium betrifft den umfassenden Erwerb fachlicher und überfachlicher
Kompetenzen. Der Kompetenzbegriff umfasst immer sowohl Wissen als auch Können. Nach
Weinert setzt sich eine Kompetenz aus kognitiven, motivationalen und handlungsmäßigen
Anteilen zusammen (Weinert, 2001). Die enge Verknüpfung von Handeln und Wissen im
Projektunterricht ermöglicht sowohl den Erwerb von Fachwissen als auch die Erweiterung
methodischer Fähigkeiten sowie der Handlungskompetenz. Insofern ist Projektunterricht
prädestiniert für den Erwerb fachlicher Kompetenzen, aber auch fächerübergreifender
Kompetenzen wie Handlungskompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz
(Wasmann-Frahm, 2009).
Kommunikationskompetenz wird vor allem in den fachlichen Diskussionen der SchülerTeams sowie den Präsentationen gefördert. In den vielen Gesprächen der Gruppenarbeit
lernen Schülerinnen und Schüler sich so auszudrücken, dass die Mitschüler sie oder ihn
verstehen. Ihr Redeanteil ist im Projektunterricht unvergleichlich höher als im
lehrerzentrierten Unterricht.
In vielen komplexen Projekten wird der Erwerb von Bewertungskompetenz systematisch
unterstützt, da ein komplexes Thema wie beispielsweise Klimawandel, fairer Handel, die NSZeit oder Nahrungsmittelzusätze und Ähnliches aus unterschiedlichen Perspektiven
beleuchtet wird und Schülerinnen und Schüler einen Meinungsbildungsprozess durchlaufen,
indem sie das Problem beziehungsweise Thema selbst bewerten (siehe auch Wasmann,
2014, p. 113ff).
Die Projektlerndimensionen Selbstbestimmung, Kooperation und Interesse und
Handlungsorientierung fördern die Entwicklung sowohl der Fachkompetenzen als auch der
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fächerübergreifenden. Andererseits sind diese Kompetenzen notwendig, um selbstgesteuert
Fachwissen und Kompetenzen aufzubauen (vgl. auch Wasmann-Frahm, 2009).
Folgendes Schema verdeutlicht die Förderung von Kompetenzen durch Projektlernen:
Fachkompetenzen
Projektlerndimensionen
Handlungsorientierung
Fachwissen
Methodenkompetenz
Kommunikationskompetenz
Bewertungskompetenz
Selbstbestimmung
Kooperatives Lernen
Interesse
Fächerübergreifende Kompetenzen
Selbstkompetenz
Sozialkompetenz
Handlungskompetenz
Abbildung 2: Modell der Kompetenzentwicklung im Projektunterricht, Pfeil: Wirkrichtung
Die Grafik macht deutlich, dass fächerübergreifende Kompetenzen durch die erhöhte
Selbstbestimmung und Selbständigkeit sowie die kooperativen Arbeitsweisen und
handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand erworben werden. Von
daher kann man schlussfolgern, dass die Kompetenzvermittlung in der Struktur von
Projektunterricht angelegt ist. Handlungskompetenz als letztendliche Anwendung von
Wissen im praktischen Leben ist mit Projektunterricht originär verknüpft, denn die handelnde
Auseinandersetzung mit dem Lernobjekt herrscht im Projektunterricht vor. Zudem lässt sich
ein Projekt selbst als eine komplexe Handlung auffassen (Wasmann-Frahm, 2008).
3.6 Schülerorientierung
Schülerorientierung nimmt Schülerinnen und Schüler als Experten für ihr eigenes Lernen
ernst und gibt sachbezogenes Feedback. Sie erhalten individuell angepasste fachliche und
persönliche Unterstützung durch die Lehrkraft. Zudem ist eine gemeinsame Reflexion über
das Lernen wünschenswert. Auch dieser Punkt ist in der Projektkonzeption verwurzelt. Eine
ursprüngliche Projektidee, die stark von dem frühen Projektverfechter Kilpatrick vertreten
wurde, besteht darin, Schüler ins Zentrum der Erziehungsdiskussion zu stellen (Kilpatrick,
1935). Im heutigen Kontext einer stärkeren Individualisierung des Lernens gewinnt der Fokus
auf die Lernenden wieder an Bedeutung.
Im Projektunterricht sollten Schülerinnen und Schüler individuell von der Projekt-Lehrkraft
beraten und in ihrer Entwicklung begleitet werden (Bohl & Kucharz, 2010). Die Lehrkraft
muss anders als im lehrergelenkten Unterricht ihr Augenmerk auf Beratung, Moderation und
Scaffolding ausrichten. Nach meinen Beobachtungen besteht für viele Lehrer im
Projektunterricht die große Schwierigkeit darin, dass sie sich nicht von der Lehrersteuerung
auf Moderationstechniken umstellen, zu routiniert nehmen sie ihre Führungsrolle als Lehrer
mit in den Projektunterricht.
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3.7 Förderung aktiven, selbstständigen Lernens
Die Ausprägung dieses Qualitätsmerkmals lässt sich daran ablesen, ob die Lehrkraft es
schafft, statt engführender Lenkung Freiräume zu selbständigem Lernen zu schaffen. Im
Projektunterricht steht die für die aktive Lernzeit gewünschte Eigenverantwortung der
Schüler und Schülerinnen für ihr Lernen in dem Vordergrund. Die aktive Auseinandersetzung
mit dem Lerngegenstand findet in der Erarbeitungs- und Präsentationsphase des
Projektunterrichts statt. Von daher ist die aktive Lernzeit im Projektunterricht per se
besonders hoch. Im lehrergelenkten Unterricht ist der Redeanteil von Lehrern immer höher,
allein schon, weil sie jede Stunde aufs Neue in die Organisation der Stunde einführen,
während die aktive Schülerarbeit sich im Projektlernen über Stunden, Tage oder Wochen
hinziehen kann.
Auch die Selbstbestimmung hat einen hohen Stellenwert, denn Projekte basieren auf
Partizipation der Schüler von Anfang an. Schüler und Lehrer legen gemeinsam das Ziel ihres
Projektes fest. Die Zielstellung von Projektunterricht, Schülerinnen und Schüler
demokratiefähig zu machen und mehr demokratische Strukturen in die Schule zu bringen,
basiert auf hoher Partizipation (Bastian, Gudjons, Schnack, & Speth, 2004; Dewey, 1916,
Nachdruck 2000; Jung, 2005).
3.8 Variation von Methoden und Sozialformen
Ein weiteres Kennzeichen guten Unterrichts besteht darin, Unterrichts- und Sozialformen in
angemessener Weise zu variieren. Weder methodische Monokultur noch unangebrachte
Variation wirken sich günstig auf erfolgreiches Lernen aus. Methodenvielfalt im
Projektunterricht bedeutet einen adäquaten Lernzugang für ein neues Lernobjekt zu finden.
Das kann ein Hörerlebnis sein, aber ebenso Fühlen, Riechen oder Betrachten. Wenn ein
Experiment angemessen erscheint, um etwas zu verstehen, wird ein solches aufgebaut, aber
nur dann. Methoden werden im Projektunterricht nicht danach ausgewählt, dass möglichst
ein Methodenwechsel stattfindet, sondern nur danach, ob die Methode die größte Passung
für den Erwerb eines Lernstoffes aufweist (Dewey, 1938). Methodenwahl hat hier einen
grundlegend anderen Begründungszusammenhang als im lehrerzentrierten Unterricht
(Wasmann, 2014). Während im Projektunterricht Methode und Objekt wie in ihrer
ursprünglichen Verknüpfung zusammengeführt werden, ist im lehrerzentrierten Unterricht die
Wahl der Methode und der Sozialform eine didaktische Entscheidung (Meyer, 2001).
3.9 Konsolidierung, Sicherung, intelligentes Üben
Explizites Üben ist eher im lehrerzentrierten Unterricht anzusiedeln als im Projektunterricht.
Auch Lernstrategien gehören dazu, damit diese als ‚basic skills‘ bei späteren
anspruchsvollen Aufgaben zur Verfügung stehen. Im Projektunterricht finden keine
wiederholenden
Übungen
im
klassischen
Sinn
statt.
Stattdessen
werden
Methodenwerkzeuge und metakognitive Strategien eingeübt. Projektunterricht ist eher auf
die Lösung anspruchsvoller Probleme ausgerichtet, wobei Lernstrategien durch die
eigenständige Informationsverarbeitung, die Durchführung der Erkenntnismethoden und den
kommunikativen Austausch gefestigt werden.
3.10 Passung
Als letztes Kriterium für guten Unterricht führt Helmke (2003) die Passung von
angemessenem Schwierigkeitsgrad und Unterrichtstempos an. Dabei geht es um den
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sensiblen Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen wie sozialer und kultureller
Hintergrund, Fähigkeitsniveau, Migrationshintergrund und Geschlecht.
Im Projektunterricht ist eine hohe Passung von Lernstoff und Lerngruppe auf Grund der
interessengeleiteten Wahl der Themen, der selbst gewählten Lernwege und der
unterschiedlich verlaufenden Diskussionen und gegenseitigen Erklärungen in den
Schülerteams bereits angelegt. Die Schülerteams können nur von ihrem eigenen Vorwissen
ausgehend selbst den nächsten Schritt der Erarbeitung gehen. In dieser Vorgehensweise
liegt automatisch eine individuelle Passung von Anforderung und Lernschritt.
4. Integration von Projekten auf Schulebene
Was muss geschehen, damit eine Schule aus der pädagogischen Ausgestaltung von
Projekten hinsichtlich ihrer Schulqualität profitiert? Wichtig ist, dass ein Projektkonzept für die
Schule erarbeitet und fest im Schulprogramm verankert wird. In diesem Kontext sind die
Projektwochen am Ende eines Schuljahres, nachdem die Zeugniskonferenzen stattgefunden
haben, weniger empfehlenswert. Sie geben das Signal, man hole den Spaß nach, der im
laufenden Schuljahr vielleicht gefehlt habe oder gehe schon vorzeitig in den ‚inneren‘ Urlaub
oder gleich in den echten. Schon in den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts fiel auf, dass
die Grundidee des Projektlernens so stark verwässert wird (Bastian & Gudjons, 1998b).
Wertvoller sind da Projekttage oder Projektwochen im Laufe des Schuljahres,
eingebunden in die curricularen Vorgaben. Man findet derzeit eine Vielzahl unterschiedlicher
Projektentwürfe an Schulen. So macht man sich in der Steuerungsgruppe einer Schule
Gedanken darüber, welche Kompetenzen in welchen Klassenstufen durch Projektunterricht
speziell gefördert werden sollen. So werden in Klasse 5/6 die kooperativen Kompetenzen im
Vordergrund stehen, in Klassenstufe 7 wird Modellkompetenz in den Fokus genommen und
in der Klassenstufe 9 etwa ein Projekt fächerübergreifend strukturiert.
Man kann Projekttage auch nutzen, um die metakognitiven Fähigkeiten für
eigenständiges, selbstgesteuertes Lernen zu schulen. Hierfür ist Projektarbeit geradezu
prädestiniert (Wasmann, 2014). Diese von verschiedenen Schulen umgesetzten Ideen
zeigen einen methodischen Projektansatz (siehe Klaus-Groth Schule1, Elsa-BrandströmSchule2 und andere).
Andere schulinterne Gremien legen die curricularen Inhalte der Projektwochen fest. Führt
das Fach Weltkunde beispielsweise in einer bestimmten Zeitschiene ein Projekt zum Thema
Europa durch, wird ein Teil des weltkundlichen Curriculums zeitlich abgedeckt. Dafür erhält
der Englischunterricht in der darauffolgenden Klassenstufe die Möglichkeit eine Projetarbeit
durchzuführen. In den neunten Klassen dann ist das Thema NS-Zeit vorgesehen mit den
Möglichkeiten eines handlungsorientierten Ansatzes mit Zeitzeugen, Fahrten in ein
Konzentrationslager oder etwa der Auseinandersetzung mit Stolpersteinen durchzuführen.
Andere Schulen legen Themen wie Atmung und Blutkreislauf für die sechsten Klassen fest.
In solchen Projektwochen und für deren Vorbereitung muss auf Schulebene mehr
miteinander kommuniziert werden als beim herkömmlichen lehrerzentrierten Unterricht.
Dieser Umstand trägt zu einer weiteren Lehrerprofessionalisierung bei, denn für die
Durchführung zeitgleicher Projekte an der ganzen Schule müssen die Lehrkräfte sich
austauschen und ihr Methodenrepertoire erweitern.
1
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http://www.kgs-tornesch.de
http://www.ebs-elmshorn.de
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Manche Schulen nennen solche Lehr-Lernzeit Vorhabenwochen. Der auf die
Arbeitsschulen zurück gehende Begriff Vorhaben bedeutet handlungsbasiertes Vorgehen
ähnlich dem Projekt, jedoch ohne eine explizite Partizipation der Schülerinnen und Schüler
von der Vorbereitung an (vgl.Pütt, 1978). Wenn man die Projekt-Festlegungen einzelner
Schulen betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass es sich eher um Vorhaben als um
Projekte handelt. Das Lernen der Sechstklässler über Atmung und Blutkreislauf
beispielsweise findet eher als Stationsarbeit oder als Freiarbeit denn als Projektarbeit statt,
da es viele enge Vorgaben für die Schülerinnen und Schüler gibt. Die Lernenden werden
nicht in die Planung einbezogen und können keinen eigenen Schwerpunkt setzen.
Selbstgesteuertes Lernen erreicht aber in der Projektarbeit eine höhere Ausprägung (Bauer,
2004; Bohl & Kucharz, 2010). Auch Traub gibt zu bedenken, dass viele Projekte, die als
solche deklariert sind, nicht den theoretischen Anforderungen einer Projektkonzeption mit
Selbststeuerungs- und Partizipationsdimension entsprechen (Traub, 2012).
Andere Schulen öffnen ihre Unterrichtsstruktur hin zu mehr Projektarbeit, indem
regelmäßige Projektarbeit für jeden Schüler einmal pro Woche fest verankert ist. Auch hier
gibt es ganz unterschiedliche Festlegungen der einzelnen Schulen. Die einen beginnen
vorsichtig mit einer Stunde individueller Projektarbeit pro Woche. Schülerinnen und Schüler
sind aufgefordert, über ein Schuljahr hinweg ein eigenständiges Projektthema
durchzuführen. Andere Schulen ermöglichen drei Stunden pro Woche und wieder andere
teilen die Lernzeit in einen Tag eigenständigen Lernens und vier Tage lehrergelenkten
Unterrichts auf (siehe auch Kap. 16 in Wasmann, 2014). Diese Schulen haben für sich
erkannt, dass die Unterrichtsausprägungen von Projektlernen und lehrergelenktem Unterricht
jeweils Vorteile für unterschiedliche Lernbereiche bieten. Während Projektunterricht
Metakognitionen in selbstbestimmtem und selbstgesteuertem Lernen fördert und
Kompetenzerwerb ermöglicht, führt lehrerzentrierter Unterricht schneller zu handfesten
Ergebnissen in auswendig lernbaren Wissenselementen, beispielsweise Vokabeln.
Erfolgreiche gute Schulen wie die, die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet sind,
weisen einen hohen Anteil selbstgesteuerter Lehr-, Lernformen auf und sind in der
Lernentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler anderen Schulen weit voraus (Beispiel:
Max-Brauer Schule in Hamburg3).
Insgesamt gesehen halte ich die Erstellung eines schulinternen Projektcurriculums
hinsichtlich Schulentwicklung für sehr bedeutsam, denn Projektunterricht funktioniert nicht
von selbst. Fähigkeiten, die für das Projektlernen wichtig sind wie Kooperation,
selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen, müssen in festgelegter Folge aufgebaut
werden. Auf der anderen Seite kann Projektunterricht zur Vermittlung dieser Kompetenzen
schulisch genutzt werden.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass guter Unterricht nicht von der Methode
abhängt, sondern von der Lehrerprofessionalität. Entlang der 10 Merkmale guten Unterrichts
konnte ich zeigen, dass beide Ausprägungen von Unterricht – Projekte wie auch Instruktion –
ihre Tücken haben und die Qualität davon abhängt, wie gut ein Lehrer die jeweilige
Unterrichtsform beherrscht. Bei empirischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die
Effizienz des Projektunterrichts stärker von der Lehrperson als von der Methode
vorhersagbar ist (Bieberbach, 2000). Dieses Ergebnis stimmt mit den Metastudien von Hattie
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http://www.maxbrauerschule.de
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überein, nach denen ein kaum messbarer Effekt (Effektstärke: d = 0,01) bezüglich
Lerneffekte bei Schülern auf Grund offener oder gelenkter Unterrichtsformen zu finden war
(Hattie, 2009, p. 88f). Ich gebe zu bedenken, dass die Metaanalysen von Hattie sich auf
Studien aus Anfang der 1980er Jahren beziehen und Schulen heute die curriculare
Einbindung von Projektunterricht systematisch erarbeiten. Außerdem ist Projektunterricht
eine sehr anspruchsvolle Unterrichtsform sowohl auf Lehrer- als auch auf Schülerseite. Der
Projektidee in allen Aspekten – Kooperation, Selbststeuerung, Partizipation,
Handlungsorientierung, Multiperspektivität auf ein Thema, fächerübergreifende Aspekte des
Themas, Ganzheitlichkeit des Themas und Bezug zur Wirklichkeit – gerecht zu werden,
bedarf großer Anstrengungen. Lehrer professionalisieren von Projekt zu Projekt in ihrer
Projektkompetenz. Hat eine Schule sich einmal entschlossen, Projekte pädagogisch sinnvoll
in das Schulleben zu integrieren, entwickelt sich das Kollegium kollektiv weiter. Die Qualität
der Schule profitiert davon. Gute Schulen wissen beide Unterrichtsausprägungen
lehrerzentriertes Lernen und Projektunterricht zu nutzen und setzen diese nicht zufällig ein,
sondern legen in ihren Schulprogrammen genau fest, in welcher Situation welche Methode
zur Anwendung kommt.
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Frau Dr. Astrid Wasmann
Studienleiterin
für
Pädagogik
in
Schleswig-Holstein
und
Oberstudienrätin am Elsensee-Gymnasium.
Von 2012-2014 Vertretungsprofessorin für Didaktik der Biologie an der
Universität Vechta
Forschungsschwerpunkte: Begabungsförderung und Projektunterricht
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