der füllstand kommt per sms

M E S S - & R E G E LT E C H N I K
Für viele Industrieunternehmen sind technische Gase unverzichtbare Betriebsmittel.
Versorgungsengpässe müssen vermieden werden. Das zwingt Betreiber von Gastankanlagen mit
oft dezentral verteilten Tanks zu einer ausgefeilten Logistikplanung, deren Effizienz von der vor
Ort installierten Messtechnik abhängt. Die Lösung im Zeitalter von Industrie 4.0:
mechatronische Füllstandkontrolle und Datenfernübertragung kombinieren.
TEX T: Manuel Schwestka, Wika BILD : Wika
Der Bedarf an tiefkalt verflüssigten Gasen und damit der
notwendigen Lagerkapazität ist in den vergangenen Jahren
weltweit angestiegen. Diese Entwicklung wird unter anderem beeinflusst von der Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas
(LNG, Liquified Natural Gas). Der Energieträger kann in diesem Aggregatzustand effizient transportiert und fernab von
Versorgungsnetzen platzsparend gelagert werden. Ein Liter
LNG expandiert im gasförmigen Zustand auf etwa 600 l Volumen und bietet darüber hinaus eine etwa doppelt so hohe
Energiedichte wie konventionell komprimiertes Erdgas (CNG,
Compressed Natural Gas). Neben LNG spielen weitere flüssig
gelagerte Gase eine entscheidende Rolle in den unterschiedlichsten Anwendungen und Prozessen. Die Metallindustrie
benötigt Argon als Schutzgas zum Schweißen, die Lebensmittelbranche Stickstoff oder Kohlendioxid zum Schockgefrieren.
Sauerstoff wiederum ist ein wichtiges Medium in der Medizin.
Druck unter kryogenen Bedingungen messen
Flüssiggase für Großabnehmer werden in dafür ausgelegten
Tankanlagen gelagert. Deren messtechnische Überwachung
wird durch die tiefkalten, nach dem griechischen Wort für
Frost auch kryogen genannten Umgebungsbedingungen nicht
einfach: Im Inneren der doppelwandig vakuumisolierten Spezialtanks herrschen immerhin Temperaturen bis zu -250 °C.
Bei der Prozesskontrolle stehen vor allem zwei Kenngrößen im Fokus: Betriebsdruck und Füllstand. Der Betriebsdruck wird aus Sicherheitsgründen permanent überprüft.
Steigt er durch Temperaturschwankungen oder zu niedrigem
Verbrauch über ein bestimmtes Niveau, muss der überschüssi-
w w w. i n d u s t r. c o m / p u a
ge Druck und damit eine entsprechend große Menge Gas über
ein Sicherheitsventil in die Atmosphäre entlassen werden. Der
Füllstand, die zweite relevante Kenngröße, wird ebenfalls über
eine Druckmessung kontrolliert. Dazu wird der Differenzdruck zwischen flüssiger und gasförmiger Phase im Behälter
ermittelt. Für die genaue Berechnung des Inhalts müssen neben dem hydrostatischen Druck noch die Tankgeometrie –
liegender oder stehender Behälter, verschiedene Deckel und
Böden – sowie die spezifische Dichte des Messstoffs in die Kalkulation einbezogen werden.
Die Füllstandkontrolle bei Gastanks beruhte in der Vergangenheit auf einer mechanischen Messung, der ermittelte Wert
musste vor Ort abgelesen werden. Heutzutage werden überwiegend Messgeräte mit elektrischen Signalausgängen eingesetzt, die alle Angaben an eine Leitwarte oder Kontrollstelle
des Betreibers übertragen. Dort kann die Nachbestellung für
alle betriebseigenen Tanks koordiniert oder an den externen
Lieferanten weitergeleitet werden. Doch muss sich die Mess­
technik zunehmend an einem anderen Geschäftsmodell bei
der Flüssiggas-Versorgung ausrichten: Die Betreiber der Tankanlagen legen die Organisation des Nachschubs vollständig
in die Hände ihrer Lieferanten. Damit diese wiederum eine
erhebliche Anzahl Tanks an verschiedenen Standorten effi­
zient mit Gas beliefern können, müssen alle Messwerte in einem einzigen System oder einer Datenbank zusammengeführt
werden. Eine Messanordnung, die diesem Modell entsprechen
soll, hat folgende Aufgaben zu bewältigen:
▶▶ Betriebsdruck und Füllstand exakt messen
▶▶ Messwerte (lokale Signalausgänge) bereithalten
▶▶ Daten der Messwerte an den Lieferanten fern übertragen
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MESS- & REGELTECHNIK
DER FÜLLSTAND KOMMT PER SMS
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Gastankanlagen mit oft dezentral verteilten Tanks benötigen eine ausgefeilte Logistikplanung. Deren Effizienz
hängt dann von der vor Ort installierten Messtechnik ab.
▶▶ Lokale Anzeige der Messwerte von Füllstand und Druck
als Back-up
Analog zu diesen Anforderungen hat Wika das modulare
Messgerätekonzept Cryo Gauge entwickelt. Die Basis bildet ein
tankspezifisches, mechatronisches Differenzdruckmessgerät,
welches die Messwerte für den Füllstand lokal anzeigt und mittels integriertem Transmitter in elektronische Form umwandelt. Über einen Ventilblock angekoppelt ist eine mechanische
Betriebsdruckanzeige mit angeschlossenem Druckmessumformer, der wie der Transmitter des Füllstandmessgeräts ein 4- bis
20-mA-Standardsignal liefert. Beide Ausgänge dienen als Input
für das Datenfernübertragungsmodul des Systems. Diese Einheit digitalisiert die analogen Messwerte und überträgt sie per
GSM-Technik (Global System for Mobile Communications) an
ein Online-Datencenter, auf das der jeweilige Lieferant Zugriff
erhält. Dabei werden die Messwerte wahlweise im SMS- (Short
Message Service) oder GPRS-Modus (General Packet Radio
Service) übertragen. Das Modul ist zusätzlich mit zwei Kabel­
ausgängen ausgestattet, die dem Betreiber die Parameterwerte
auch lokal zur Verfügung stellen.
Die Wireless-Übertragung der Angaben an das Datencenter erfolgt benutzerdefiniert in Abhängigkeit von der Tankgröße, dem jeweiligen Gas und dessen Verwendungszweck
entweder täglich oder stündlich. Eine zusätzliche Überwachungsfunktion löst im Fall eines unerwartet raschen Sinkens
des Füllstands, verursacht zum Beispiel durch eine Leckage am
Tank, sofort eine Warnmeldung aus. Das Online-Datencenter, das über eine passwortgeschützte Website zugänglich ist,
protokolliert und visualisiert nicht nur sämtliche Tankdaten.
Über die Plattform lässt sich auch das Übertragungsmodul
komfortabel einstellen. Kernelemente sind das Konfigurieren
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von benutzerdefinierten Alarmen und das Weiterleiten von
Benachrichtigungen. Schnittstellen zu Drittsystemen sind
ebenfalls möglich. Um den Tankfüllstand zu überwachen, werden typischerweise zwei oder drei sogenannte Alarmschwellen eingerichtet. Die erste Marke signalisiert dem zuständigen
Logistik-Mitarbeiter, das Nachfüllen zu planen. Die zweite
Schwelle zeigt das Unterschreiten der Sicherheitsreserve an
und eskaliert die Meldung gegebenenfalls an einen Kollegen
oder Vorgesetzten. Eine dritte Marke teilt etwa das Erreichen
des maximalen Füllstands mit.
Höhere Effizienz für beide Seiten
Weiterhin können alle Nachrichten zielgerichtet an spezifische Personen oder Personengruppen weitergeleitet werden.
So geht zum Beispiel die reguläre Information zum Nachbestellen per E-Mail an die Logistikabteilung, während technische Störungen direkt dem Serviceteam gemeldet werden. Das
Cryo-Gauge-Messsystem bietet nicht nur eine Tankkontrolle
an festen Standorten. Bei mobilen oder temporären Tankanlagen wird seine Elektrik über ein Batteriepack versorgt. So ist
selbst in Arealen ohne ausreichende Infrastruktur eine Überwachung möglich.
Dieses Anwendungsbeispiel macht deutlich, dass Messsysteme mit Telemetrie beiden Seiten Vorteile bieten. Dem Lieferanten ermöglicht es eine kostenoptimale Routenplanung
zum Befüllen der Tanks per Fahrzeug. Der Tankbetreiber muss
sich nicht mehr selbst darum kümmern, Gase zu beschaffen,
und profitiert darüber hinaus von einer erhöhten Betriebssicherheit. Das Potenzial, das in der Kombination von klassischer Messtechnik und moderner Kommunikationselektronik
steckt, ist damit noch längst nicht ausgeschöpft. ☐
P&A-Kompendium 2015/2016