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Die Evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR -­‐ Kaiserswerther Straße 450 -­‐ 40474 Düsseldorf TELEFON: 0211-41 55 81-0 FAX:0221-41 55 81-20 E-­‐MAIL: buero@rundfunkreferat-­‐nrw.de INTERNET: www.kirche-­‐im-­‐wdr.de Die Text-­‐Rechte liegen bei den Autoren und beim Evangelischen Rundfunkreferat. Verwendung nur zum privaten Gebrauch! evangelisch: Kirche in WDR 5 | 27.06.2015 | 06:55 Uhr | Christoph Neumann
Wie wir uns sehen
Viele Jahre beruflich an einem Ort bleiben zu können, das ist vielen heute nicht
mehr vergönnt. Und das betrifft dann oft die Partnerin, den Partner und die
Kinder mit. In Zukunft werden wir uns, so prognostizieren es
Wirtschaftsforscher, immer mehr darauf einstellen müssen, unseren Wohnort
häufiger im Leben zu wechseln.
Als Pastorenfamilie haben auch wir etliche Umzüge hinter uns bringen müssen.
„Was werden das für Leute sein, die dort leben?“ So haben wir uns bei jedem
Ortswechsel gefragt. Werden unsere Kinder zurechtkommen mit den neuen
Schulkameraden, den Nachbarn, den anderen Mietern im Haus oder den
Menschen in der Gemeinde? Welche Ärzte sind da? Sind die gut und
vertrauenswürdig? Oft haben wir schon vorher ein Bild von den Menschen, zu
denen wir kommen. Und wie wir die Menschen dann zunächst erleben, das
hängt sehr stark davon ab, wie dieses Bild aussieht. Liebe ich das Meer, esse
gerne Fisch und genieße das weite, ebene Land, finde ich die Hamburger oder
Ostfriesen wahrscheinlich von vornherein sehr sympathisch. Und die Bayern
mag ich, wenn ich bayrisches Bier und die Berge mag und „Bayern München“
Fan bin.
Schon die Leute im alten Griechenland haben ähnliche Erfahrungen gemacht,
denn auch da waren die Menschen schon oft beruflich unterwegs:
Sprecherin: "Der Fabeldichter Aesop saß eines Tages am Rand der Straße
nach Athen, als ihn ein Reisender fragte: `Welche Art von Leuten lebt denn in
Athen?` Aesop entgegnete: `Sagt mir erst, woher Ihr kommt und was dort für
Leute leben`.
Stirnrunzelnd sagte der Mann: `Ich komme von Argos. Die Menschen dort
taugen nichts, sie sind Lügner, Diebe, ungerecht und streitsüchtig. Ich war froh,
von dort wegzukommen.` `Wie schade,` antwortete Aesop, `dass Ihr die Leute
in Athen nicht anders finden werdet.` Gleich darauf kam ein anderer Reisender
vorüber und stellte die gleiche Frage, und als Aesop sich auch bei ihm nach
seiner Herkunft und den Bewohnern der Stadt erkundigte, meinte dieser: `Ich
komme von Argos, wo alle Menschen freundlich, ehrbar und wahrhaftig sind. Ich
habe sie ungern verlassen.`
Da lächelte Aesop und sagte: `Freund, ich freue mich, dass ich Euch sagen
kann: Ihr werdet die Menschen in Athen ganz genauso finden.`“
(Barbara & Hans Hug (Hrg.): Blätter, die uns durch das Jahr begleiten, 2. März,
Kreuz Verlag, 1992.)
So, wie wir die Menschen jetzt sehen, das Bild, das wir jetzt von ihnen haben,
so werden wir die Menschen auch morgen betrachten. Ganz gleich wo wir
hingehen und wer dort lebt. Man nennt das auch Menschenbild. Das bestimmt,
wie ich auf andere, auf Fremde zugehen kann und wie ich ihnen entgegentrete.
Als Christ orientiere ich mich an dem Menschenbild Jesu. Der war damals in
einem recht kleinen Land von Dorf zu Dorf unterwegs. Ganz gleich, wo Jesus
hinkam, er hatte ein bestimmtes Bild von den Menschen. Für Jesus war jeder
Mensch ein Ebenbild Gottes. Er behandelte Männer, Frauen und Kinder mit
Respekt. Er heilte, tröstete, besuchte gesellschaftliche Outsider, sorgte für
Gerechtigkeit und konfrontierte die Leute wenn es sein musste mit ihren
Schattenseiten. Mit diesem Menschenbild Jesu, mit dieser "Brille", sehe ich die
Menschen um mich her mit den Augen Gottes. Und Gott sagte, als er den
Menschen geschaffen: Siehe, (…) sehr gut!
Mit dieser Brille heute unterwegs, kann ich mich auf neue Begegnungen freuen
ob am Meer oder in den Bergen. Ich sehe nicht verklärt oder rosarot – eher
grün: hoffnungsvoll. Oder golden: wertschätzend. Probieren Sie diese Brille
doch auch mal aus – Sie werden sehen: Überall sind plötzlich liebenswerte
Menschen! Einen guten Tag wünscht Ihnen aus Hemer, Pastor Christoph
Neumann.
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