Tagesordnungspunkt: Ehrendoktorate an der TU Wien Im vergangenen Dezember wurde dem Nobelpreisträger Konrad Lorenz, zu Lebzeiten bekennender Nationalsozialist und NSDAP-Mitglied, posthum die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg aberkannt. Der Vorgang steht exemplarisch und bisher leider einzigartig dafür, dass Wissenschaft nicht unabhängig von ihrer gesellschaftspolitischen Rolle agieren kann und darf. Eine genauere Untersuchung der Listen der Ehrendoktorwürden an österreichischen Universitäten zeigt leider, dass die klare Stellungnahme des Senats der Universität Salzburg eine Ausnahme darstellt. Auch die Technische Universität Wien hat unter den von ihr Geehrten bekennende Nationalsozialisten (!) und NSDAP-Mitglieder. Bei vielen, denen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde, ist schwer nachvollziehbar, was sie zwischen 1933 und 1945 genau taten. Steile Karrieren in jener Zeit lassen aber für g e w ö h n l i c h n i c h t a u f e i n a b l e h n e n d e s o d e r k r i t i s c h e s Ve r h a l t e n d e m nationalsozialistischen Regime gegenüber schließen. Eine umfassende Untersuchung der insgesamt 84 an der TU Wien verliehenen Ehrendoktorwürden ist daher dringend notwendig. Selbst bei einem kurzem Blick in die Liste der Träger_innen der Ehrendoktorwürde der TU Wien finden sich bereits einige Personen mit eindeutiger Nähe zum Nationalsozialismus wieder, wie nachfolgende Beispiele zeigen: Ferdinand Porsche war seit 1937 Mitglied der NSDAP und engagierte sich stark in der Kriegsindustrie. Dafür wurde er mit einem SS-Totenkopfring ausgezeichnet. 1940 wurde er Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Stuttgart, er entwickelte Panzermodelle für den Vernichtungskrieg der Nazis. Er forderte Zwangsarbeiter aus den Konzentrationslagern für seine Werke an, in seinen “Ausländerkinder-Pflegestätten” starben viele hunderte Kinder. Porsche starb 1951 in Zell am See. 1965 verlieh die Technische Universität Wien ihm posthum die Ehrendoktorwürde. Eberhard Clar habilitierte 1929 an der Technischen Hochschule Graz zum Dozenten für Angewandte Geologie und Petrographie. Clar war bereits seit 1933 Mitglied der damals in Österreich illegalen NSDAP. Ebenfalls bereits vor dem “Anschluss” gehörte er dem nationalsozialistischen “Deutschen Dozentenbund” an, vorher zudem dem Deutschen Turnerverband sowie der austrofaschistischen “Vaterländischen Front”. 1944 wurde er an die Technischen Hochschule Wien, wie die TU Wien damals hieß, berufen. Dem Vorschlag den Lehrstuhl für Geologie an Clar zu vergeben, liegt ein Eignungsbericht bei: „Er gehört der NSDAP seit 1933 ohne Unterbrechung an und hat sich schon in der illegalen Zeit als einwandfreier Kämpfer für die Bewegung erwiesen.“ Clar starb 1995 in Bad Ischl. Die TU Wien verlieh ihm 1965 die Ehrendoktorwürde. Dagobert Frey lehrte ab 1931 Kunstgeschichte an der Universität Breslau. 1939, nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen, war er mitverantwortlich für die Verschleppung von Kunstschätzen aus dem Nationalmuseum Warschau und für die Sprengung des Warschauer Königsschlosses unter dem Befehl Heinrich Himmlers. Er starb 1962 in Stuttgart und 1959 die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Wien. Roland Rainer studierte Architektur an der Technischen Hochschule Wien und ging in den 30er Jahren nach Berlin, wo er 1938 Mitglied der NSDAP wurde. Anderen Quellen zufolge war er - obwohl Mitglied der austrofaschistischen “Vaterländischen Front” - bereits seit 1936 illegales Mitglied der NSDAP in Österreich. Er zeigte sich in seinen Arbeiten der nationalsozialistischen Diktion verpflichtet, verschwieg diese Phase seines Schaffens später, indem er seine ersten theoretischen Arbeiten mit 1947 datierte. 2004 starb der Architekt in Wien, die TU Wien ehrte ihn 1982 mit einer Ehrendoktorwürde. Robert Sauer trat 1932 der NSDAP bei. Er war damals Lehrender an der Technischen Hochschule Aachen und war auch im nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund aktiv. 1943 wurde er aufgrund seiner Parteizugehörigkeit zum Dekan ernannt. Er betrieb vor allem kriegstechnisch relevante Forschung und wurde nach Kriegsende von den USAmerikanern seines Amtes enthoben. 1954 wurde er Rektor der TH München, 1965 erhielt er die Ehrendoktorwürde der TU Wien. Sauer starb 1970 in München. Friedrich Tamms war Architekt und wurde von Hitler persönlich zum Hochschulprofessor in Berlin ernannt. Er war verantwortlich für die mit Flugabwehrkanonen bestückten Flakturm-Paare in Berlin, Hamburg und Wien (“Führerstädte”). Er arbeitete eng mit Speer und Wolters zusammen Noch während des Zweiten Weltkriegs nahm Adolf Hitler ihn in die sogenannte “Gottbegnadeten-Liste” der wichtigsten Architekten auf. 1980 starb Tamms in Düsseldorf. Die Ehrendoktorwürde der TU Wien erhielt er 1972. Die Universitätsvertretung der TU Wien möge daher beschließen: • Das Pressereferat der HTU wird in der nächsten Ausgabe der HTU.info das Thema der Ehrendoktorate der TU Wien behandeln. • Die HTU setzt sich gemeinsam mit den im Senat vertretenen Fraktionen für eine Untersuchung der Liste der Ehrendoktorate, wie dies an der Universität Salzburg geschehen ist, ein. • Das Vorsitzteam der HTU wird dieses Thema mit Rektorin Seidler besprechen und die in der Universitätsvertretung vertretenen Fraktionen über den Verlauf der Gespräche informieren. • Sollte die TU Wien keine derartige Untersuchung einleiten, wird die HTU öffentlichkeitswirksam auf diese Thematik aufmerksam machen.
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