Deutscher AnwaltSpiegel

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10 // Wirtschaftsstrafrecht/Compliance
Ausgabe 22 // 4. November 2015
Mehr Arbeit für Compliance- und Rechtsabteilungen
Im Blickpunkt: Ausweitung des Korruptionsstrafrechts und Konsequenzen der Reform der §§ 299 ff. StGB für die Praxis
Von Dr. Heiko Ahlbrecht und Dr. Matthias Dann, LL.M.
© tanuha2001/iStock/Thinkstock/Getty Images
Rein wie Wasser:
Das Gesetz zur Bekämpfung
der Korruption bringt
mehr Übersichtlichkeit.
Am 15.10.2015 hat der Bundestag den Gesetzentwurf
zur Reform der Korruptionsdelikte verabschiedet
(BT-Drs. 18/4350, 18/6389). Das vom Bundesjustizministerium vorgelegte „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ dient ausweislich seiner Begründung im Wesentlichen der Umsetzung internationaler Vorgaben
zur Bekämpfung der Korruption und soll Strafbarkeitslücken, etwa beim Geldwäschetatbestand (§ 261 StGB),
schließen. Um mehr Übersichtlichkeit zu gewährleisten,
werden die vorhandenen Korruptionsvorschriften des
IntBestG und des EUBestG in das StGB überführt, ferner
die Korruptionsstrafbarkeiten im geschäftlichen Verkehr
(§ 299 StGB) grundlegend erweitert und die Strafbarkeit
im öffentlichen Sektor (§§ 331, 333 StGB) auf europäische
Amtsträger ausgedehnt. Künftig wird zudem auch die
Vorteilsgewährung an ausländische Amtsträger bestraft
(§ 335a StGB).
der Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, dem Geschäftsherrn, kommt (sogenanntes
Geschäftsherrenmodell). Der Vorteil muss im Rahmen
der Unrechtsvereinbarung zwischen dem Vorteilsgeber
und dem Vorteilsnehmer, also für eine im Interesse des
Vorteilsgebers liegende Gegenleistung für die Verletzung von Pflichten des Vorteilsnehmers gegenüber seinem Geschäftsherrn, gewährt werden. Die Neuregelung
erweitert den Schutzzweck des § 299 StGB damit auf die
Interessen des Arbeitgebers, was auf erhebliche Kritik gestoßen ist. Solche dem Angestellten oder Beauftragten
gegenüber dem Geschäftsherrn obliegenden Pflichten
sollen sich nach der Gesetzesbegründung insbesondere
aus Gesetz und Vertrag ergeben können. Ausreichend ist
allerdings nicht jede aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis resultierende Pflicht. Vielmehr muss sie sich auf den
Bezug von Waren oder Dienstleistungen beziehen.
Ausweitung der Strafbarkeit in § 299 StGB
Kritik am Geschäftsherrenmodell
Während der Straftatbestand der Bestechlichkeit und
Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) in
der bisherigen Fassung darauf abstellt, dass der Vorteil
als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im
Wettbewerb gewährt oder angenommen wird, werden
zukünftig auch Fälle außerhalb von Wettbewerbslagen
unter Strafbarkeit gestellt, bei denen es nicht zu einer
Wettbewerbsverzerrung, sondern zu einer Verletzung
Das Geschäftsherrenmodell ist teilweise auf erhebliche
Kritik gestoßen, weil künftig Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens bestraft werden können, die
sich dafür bestechen lassen, dass sie bei dem Bezug von
Waren oder Dienstleistungen ihre „Pflichten gegenüber
dem Unternehmen“ verletzen, etwa unternehmensinterne Regelungen, die die potentielle Auswahl von Lieferanten und Geschäftspartnern betreffen. Proble- 
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matisch sei zudem, so Experten im Rechtsausschuss des
Bundestages, dass das Gesetz die Verletzung von Dienstpflichten der Arbeitnehmer unter Strafe stelle, um die
loyale Vertragserfüllung als Selbstzweck zu schützen,
ohne einen zusätzlichen Wettbewerbsschutz zu bezwecken. Das Schutzgut der deutschen Korruptionsstraftatbestände sei jedoch traditionell der faire Wettbewerb
und nicht der Schutz des Unternehmens vor illoyalen
Angestellten. Das bestehende zivil- und arbeitsrechtliche Instrumentarium schütze die Vermögensinteressen
der Betriebsinhaber bei Pflichtverletzungen indessen
bereits in ausreichendem Maße, so dass es des scharfen Schwerts des Strafrechts insoweit gar nicht bedürfe.
Je nachdem, ob das Handeln durch das Unternehmen
arbeitsvertraglich als Pflichtverletzung eingestuft werde, könne sich der pflichtwidrig handelnde Angestellte
strafbar machen, was verfassungsrechtliche Bedenken
unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots in
Bezug auf die Pflichtverletzung hervorrufe.
In der Tat besteht die Besonderheit der Neuregelung
darin, dass sie Vorteilsgewährungen auch außerhalb
von Wettbewerbssituationen erfasst werden. Vorteilszuwendungen von Monopolisten werden damit ebenso im Fokus stehen wie solche, die im Vorfeld von Ausschreibungen oder Auftragsvergaben erfolgen. Damit
rücken Verstöße gegen interne vertragliche Vorschriften
ins Blickfeld staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Die
strafrechtliche Relevanz von Pflichtverletzungen im Unternehmen wird in der Folge vermehrt durch Mitarbeiterschulungen aufzuzeigen sein.
Erfordernis der Einwilligung des Unternehmens
in die Pflichtverletzung
Das als Einschränkung des Tatbestands gedachte Merkmal „ohne Einwilligung des Unternehmens“ in § 299 ist
erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nach Empfehlung des Rechtsausschusses eingefügt worden. Dadurch sollen die Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch
seine Angestellten und Beauftragten geschützt werden.
Dieses Schutzes bedarf das Unternehmen selbstverständlich nicht, wenn es den Vorteil durch eben genannte Einwilligung vorab gestattet. Eine Einwilligung liegt
nach der Gesetzesbegründung vor, wenn das Unternehmen sowohl die Annahme oder das Gewähren des
Vorteils gestattet als auch der Verbindung des Vorteils
mit der pflichtwidrigen Handlung des Angestellten oder
Beauftragten zustimmt – eine mehr als praxisferne Vorstellung.
Ausweitung der Strafbarkeit in §§ 331, 333 StGB
auf europäische Amtsträger
Künftig werden auch europäische Amtsträger in den
Anwendungsbereich der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung (§§ 331, 333 StGB) fallen. Nach bisheriger
Rechtslage sind europäische Amtsträger lediglich den
Straftatbeständen der Bestechlichkeit und Bestechung
(§§ 332, 334 StGB) im Hinblick auf eine künftige konkrete Diensthandlung unterworfen. Nach dem neuen § 11
Abs. 1 Nr. 2a StGB fallen unter den Begriff des europäischen Amtsträgers unter anderem Beamte oder sonstige
Bedienstete der EU sowie Personen, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben der EU beauftragt sind. Für die
Abgeordneten des Europaparlaments besteht in § 108e
StGB bereits eine Spezialvorschrift. Die Ausdehnung
wird in der Konsequenz zu einer Einschränkung der legalen Möglichkeiten von Einflussnahmen durch Lobbyisten
auf die Rechtssetzung der EU führen. Dies hat insbesondere für größere Unternehmen Bedeutung, die Lobbyarbeit bei der EU leisten.
Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer
Amtsträger
Nach der neuen Vorschrift des § 335a StGB wird unter
anderem die Bestechung und Bestechlichkeit (§§ 332,
334 StGB) ausländischer Amtsträger, die sich auf eine
künftige, pflichtwidrige Diensthandlung bezieht, unter
Strafe gestellt. Entsprechendes gilt für Bedienstete und
Beauftragte internationaler Organisationen. Ein Konnex
zum internationalen geschäftlichen Verkehr, wie ihn das
IntBestG noch verlangte, soll nicht mehr erforderlich
sein. Wie der Begriff des ausländischen Amtsträgers und
die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung zu bestimmen
ist, bleibt offen. In der Konsequenz werden zukünftig
auch rein ausländische Sachverhalte durch die deutschen Korruptionsstrafnormen erfasst, ohne dass es
einer grenzüberschreitenden Dimension bedürfte. Möglicherweise auftretende Extremsituationen sollen nach
der Gesetzesbegründung im Rahmen der Rechtswidrigkeit, der Schuld und der Strafzumessung sowie auf prozessualer Ebene berücksichtigt werden.
Konsequenzen für die Rechtspraxis
Die Neuregelung der Korruptionsstraftatbestände in dieser oder in ähnlicher Form war zu erwarten. Die nunmehr
verabschiedete Reform bedeutet in der Konsequenz
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lungen, insbesondere im Bereich des § 299 StGB. In der
EU-Lobbyarbeit werden neue Prozesse notwendig sein,
und deutsche Geschäftsführer von Auslandstöchtern inländischer Konzerne müssen entsprechend sensibilisiert
werden. Für korruptionsverdächtiges Verhalten im Ausland und im Umgang mit ausländischen Amtsträgern ist
auch bei Sachverhalten mit rein lokaler Bedeutung größere Vorsicht geboten. Angesichts der Realisierung des
Geschäftsherrenmodells sind zudem unternehmensinterne Richtlinien und Prozesse zu überprüfen, um die
Mitarbeiter nicht unnötigen Strafbarkeitsrisiken auszusetzen.
F
Dentons. The Global Elite Law Firm*
challenging the status quo.
*Acritas Global Elite Law Firm Brand Index 2013 and 2014.
Dr. Heiko Ahlbrecht,
Rechtsanwalt, Partner,
Wessing & Partner,
Düsseldorf
[email protected]
www.strafrecht.de
Dr. Matthias Dann, LL.M.,
Rechtsanwalt, Partner, Wessing & Partner,
Düsseldorf
[email protected]
www.strafrecht.de
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