Frauenperspektiven 2015 „ÜBER ARBEIT – ÜBER LEBEN“ 17. ––––––––––– 26. April 2015 „…der beste deutsche MC ist eine Frau.“ Mit dieser bemerkenswerten Feststellung der öffentlichen Musikpresse begann Anfang der 1990 Jahre der Siegeszug des heute durchweg männlich dominierten Hip-Hop in Deutschland. Der besagte „beste deutsche MC“ (Master / Mistress of Ceremonies) ist CORA E. (bürgerlich Sylvia Macco), eine Undergroundkünstlerin aus Heidelberg, die bis heute alles verkörpert, was Rap als Lebenshaltung im Idealfall darstellen kann. Neben Gruppen wie Advanced Chemistry gilt sie bis heute als die Pionierin des deutschsprachigen Rap schlechthin. Im Alter von sieben Jahren wurde sie als Scheidungskind aus dem Kieler Mittelstand in eine Heidelberger Wohnblocksiedlung versetzt. Ihre schwierige Lebenssituation im Brennpunktviertel verarbeitete sie als Zwölfjährige mit Alkohol und Drogen bis sie mit Graffiti und Breakdance, den Anfängen der deutschen Hip-Hop-Bewegung, ein Ventil und eine emotionale Stütze fand. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in New York, dem „Mekka des Hip-Hop“, begann Cora E. mitte der 1980er Jahre zu rappen. 1988 stand sie erstmalig auf der Bühne. Ihr rhythmischer, präziser Word-Flow scheint bis heute unübertroffen. Gleich nach der Wende arbeitete sie mit der Leipziger Hip-Hop-Gruppe Beside The Norm, ab 1992 dann mit dem Hamburger DJ und Produzenten Marius No.1 und trat an der Seite von Breakdance-Heroen wie Battle Squad oder den Taino Tactix und Rap-Gruppen wie Advanced Chemistry, LSD, Stieber Twins und No Remorze auf. Bekannt geworden ist sie durch die inzwischen als Hip-Hop-Klassiker geltenden Tracks „Könnt ihr mich hör’n?“ (Debut-Maxi, 1993/ wiederveröffentlicht auf Chiefrocker 2003) und „Nur ein Teil der Kultur“ (1994). In diesen Liedern gibt sie Statements und Erklärungen über Hip-Hop und seine Kultur ab. 1997 veröffentlichte sie bei EMI die Single „Schlüsselkind“, womit sie erstmals auch außerhalb des Undergrounds auf sich aufmerksam machte. „… war erst zwölf, als ich das erste Bier probierte und auch die beste Mutter merkt nicht, dass ihr Kind nach Alkohol stinkt – wenn sie selber trinkt“, rappt Cora hier. „Schlüsselkind“ ist ein Stück gerappte Autobiographie, in der Kindheit, Scheidung der Eltern, Drogenkonsum, Rebellion, sowie Hip-Hop als Rettungsanker ineinander übergehen: „Die Welle aus Amerika spülte mich an Land zurück.“ In Szenekreisen erlangte die Schlüsselkind-Single Kultstatus. Ein Jahr später folgte ihr bis heute einziger Longplayer „CORAgE“. Bei ihren Major-Veröffentlichungen wurde sie unter anderem unterstützt von den Stieber Twins und Freundeskreis, die zu ihrer Single „Zeig’s mir“ einen Remix beisteuerten. Ebenfalls 1998 erschien außerdem das Album „Geheimrezept“ der Jazzkantine, auf dem Cora E. gemeinsam mit anderen Größen der internationalen Hip-HopSzene rappt. Cora E. ist, als eine der wenigen deutschen Rap-KünstlerInnen, Mitglied in der Zulu-Nation, eine vom DJ Afrika Bambaata um 1975 in New York gegründete Organisation, die sich gegen ein Gang-Wesen im Rap stellt. Der Verzicht auf Gewalt und Drogenkonsum jeglicher Art ist wesentlicher Bestandteil der Organisationskultur. In Heidelberg gründete Advanced-Chemistry-Kopf DJ Torch das erste deutsche Chapter der Zulu-Nation, dem auch Cora E. seit der ersten CORA E. Künstlerinformation Stunde angehört. Die Mitglieder stehen für eine Hip-Hop-Kultur mit hohem soziopolitischem Anspruch und Ethos. Die zunehmenden Kommerzialisierung und Banalisierung des Hip-Hops ablehnend, zog sich Cora E. 2001 offiziell aus dem Bühnengeschehen zurück. In den Folgejahren trat sie vereinzelt auf Veröffentlichungen anderer Kolleginnen und Kollegen sowie als Mentorin für anspruchsvollen UndergroundHip-Hop auf. Ein geplantes Comeback 2012 sagte sie nach mehrfachen diskreditierenden Angriffen aus der jungen Hip-Hop-Szene wieder ab. Einen Namen hat sich Cora E. auch in der Jugendbildung gemacht. Regelmäßig gibt sie Rap-Workshops für Jugendliche. Der „Schlüsselkind“-Text ist, bei Schott und Reclam verlegt, zur Schullektüre avanciert. Ihren Lebensunterhalt verdiente die gelernte Krankenschwester und zweifache Mutter durchgängig in der Psychiatrie der Heidelberger Uni-Klinik. Sich den Bezug zur „wahren Welt“ zu erhalten und sich durch eine bürgerliche Existenz künstlerische Autonomie zu sichern, war für die Künstlerin stets von hoher Bedeutung. Die Frauenperspektiven Karlsruhe schätzen sich glücklich, Cora E. für einen exklusiven Auftritt bei der Festivaleröffnung am 16. April, um 18 Uhr, im SUBSTAGE e.V. gewonnen zu haben. In einer Vorschaufunktion auf Festivalbeiträge von jubez und SUBSTAGE e.V., in denen die schwierige Position von Frauen im Popbusiness zur Sprache kommt, sowie auf Konzerte im KOHI-Kulturraum und dem Kulturverein Tempel e.V., welche die Verbindung von musikalischer Expression und Lebenshaltung veranschaulichen, wird Cora E. drei Stücke aus ihrem Album „CORAgE“ beisteuern: „Schlüsselkind“ „Der MC ist weiblich“ und „Hip Hop gab mir'n Titel“. Foto: Pressebild Cora E.
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