BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/833 21. Wahlperiode 26.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 18.06.15 und Betr.: Antwort des Senats Anwendung des § 68 Haftung für Lebensunterhalt des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet in Hamburg In § 68 Absatz 1 AufenthG heißt es: „Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten.“ In §68 Absatz 2 AufenthG heißt es ferner: „Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.“ Nach überwiegender Rechtsauffassung sind die Behörden nicht verpflichtet, den Verpflichtungsgeber vor Eingehen seiner Verpflichtung umfassend auf die mit der Verpflichtungserklärung verbundenen Risiken hinzuweisen. Hierzu frage ich den Senat: 1. Werden Verpflichtungsgeber in Hamburg vor Eingehen einer Verpflichtung gemäß §68 AufenthG umfassend auf die mit der Verpflichtungserklärung verbundenen Risiken hingewiesen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Entgegen der Vorbemerkung schreibt Nummer 68.2.1.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV-AufenthG) den Ausländerbehörden explizit vor, dass der Dritte vor der Abgabe der Verpflichtungserklärung auf die Freiwilligkeit seiner Angaben und Nachweise sowie auf den Umfang und die Dauer der eingegangenen Verpflichtungen hinzuweisen und nachweisbar zu belehren ist, dass unrichtige und unvollständige Angaben strafbar sein können (siehe § 95 Absatz 2 Nummer 2). Die Einzelheiten regelt das in Nummer 68.2.1.1.2 AVwV-AufenthG vorgesehene „Bundeseinheitliche Merkblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i.V.m. § 66 und § 67 AufenthG“ in der jeweils gültigen Fassung. Dieses Merkblatt enthält als Anlage die beigefügte Belehrung, die von jedem Verpflichtungsgeber zu unterschreiben ist und sodann zu den Akten genommen wird, wobei den Verpflichtungsgebern ein Abdruck der Erklärung ausgehändigt wird. Drucksache 21/833 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Darüber hinaus weist die zuständige Behörde in einem unter https://www.hamburg.de/ behoerdenfinder/hamburg/11268115/ hinterlegten Merkblatt ebenfalls auf den Umfang der Haftung hin. Dort ist auch die Belehrung zur Speicherung und Nutzung der Antragsdaten im VIS hinterlegt. 2. Welche Bonitätskriterien werden in Hamburg zugrunde gelegt? Erfolgt eine Überprüfung der Bonität? Wenn nein, warum nicht? Bei den Bonitätskriterien wird in Hamburg zwischen kurzfristigen (Besuchs-) Aufenthalten von bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen und längerfristigen Aufenthalten differenziert. Bei den kurzfristigen Aufenthalten wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verpflichtungsgeber, also der Personen, die sich gemäß §68 AufenthG verpflichtet haben, die Kosten für den Lebensunterhalt von Ausländern zu tragen, durch eine pauschalierte Bonitätsprüfung ermittelt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. Darüber hinaus siehe auch Drs. 20/9442. Bei den längerfristigen Aufenthalten wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verpflichtungsgeber mit einer Bonitätsprüfung überprüft, sofern es sich um natürliche Personen oder Personengesellschaften handelt. Dabei werden die Pfändungsfreigrenzen nach § 850 fortfolgende Zivilprozessordnung beachtet. Die Bonitätsprüfung soll sicherstellen, dass die Verpflichtungsgeber über ein ausreichendes Einkommen verfügen, welches es ihnen unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen langfristig ermöglicht, für den Bedarf der einzuladenden Person/en aufzukommen. Die Höhe des nachzuweisenden monatlichen Nettoeinkommens richtet sich dabei zum einen danach, wie vielen Personen die Verpflichtungsgeber unterhaltspflichtig sind (zur Ermittlung der jeweiligen Pfändungsfreigrenze), und zum anderen nach dem Bedarf der Person/en, für die eine Verpflichtungserklärung abgegeben werden soll. Dieser Bedarf wird nach den Vorgaben der Fachanweisung 1/2014 (http://www.hamburg.de/ contentblob/4313796/data/weisung-1-2014.pdf), anhand des Leistungsrechts sowie der (gegebenenfalls fiktiven) Wohnkosten ermittelt. Die Bonität wird bescheinigt, wenn das Einkommen die individuelle Pfändungsfreigrenze um mindestens den errechneten Bedarf übersteigt. 3. In wie vielen Fällen wurden in Hamburg in den Jahren 2005 – 2015 Verpflichtungserklärungen gemäß §68 Absatz 1 AufenthG abgegeben? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) Das in der Antwort zu 1. genannte bundeseinheitliche Merkblatt empfiehlt unter Verweis auf die Verjährungsfrist in § 70 Absatz 1 AufenthG eine Mindestaufbewahrungsfrist von sechs Jahren. Die hamburgische Praxis orientiert sich an dieser Empfehlung und bewahrt die Originale der entgegengenommenen Verpflichtungserklärungen für sechs Jahre auf. Deshalb liegen Daten nur für die vergangenen sechs Jahre vor: Jahr Kurzaufenthalte bis 90 Tage 18.632 2009 18.990 2010 16.605 2011 16.084 2012 16.858 2013 15.301 2014 6.715 2015* Summe 109.185 *Stand 22. Juni 2015 2 Aufenthalte über 90 Tage 1.674 1.581 1.261 1.345 907 1.420 505 8.693 Gesamt 20.306 20.571 17.866 17.429 17.765 16.721 7.220 117.878 4. In wie vielen Fällen wurden Erstattungen gemäß § 68 AufenthG in den Jahren 2005 – 2015 eingefordert? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) 5. Auf welche Höhe beliefen sich diese Forderungen in den Jahren 2005 – 2015? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/833 Grundsätzlich tragen die Verpflichtungsgeber die Kosten für den Lebensunterhalt, soweit die Ausländer nicht selbst dazu in der Lage sind. Erstattungen kommen also nur in Betracht, soweit Verpflichtungsgeber ihren Pflichten nicht nachkommen und die Freie und Hansestadt Hamburg an ihrer Stelle leistet. Die Anzahl der vorgelegten Verpflichtungserklärungen und die Leistungen bei vorliegenden Erklärungen werden nicht gesondert erhoben. Zur händischen Ermittlung müssten mehrere Tausend Leistungsakten durchgesehen und überprüft werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Aus den gleichen Gründen können auch Forderungen nicht beziffert werden. 3 Drucksache 21/833 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Anlage Bezirksamt …. Fachamt Einwohnerwesen Kundenzentrum Erklärung des Verpflichtungsgebers vor dem Bezirksamt …. zur Abgabe der Verpflichtungserklärung vom: Nr.: ………………….. ………………….. „Ich bestätige, vor Abgabe der Verpflichtungserklärung auf folgende Punkte ausdrücklich hingewiesen worden zu sein: 1. Umfang der eingegangenen Verpflichtungen Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebens- unterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheits- fall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, z. B. Kosten für Ernährung, Bekleidung, Wohnraum (privat oder im Hotel) sowie Kosten für Arzt, Medikamente, Krankenhaus, Pflegeheim oder sonstige medizinisch notwendige Behandlungen. Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen, im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen. Aus den genannten Gründen empfiehlt sich der Abschluss einer Krankenversicherung. Der Verpflichtungsgeber hat im Krankheitsfall auch für die Kosten aufzukommen, die nicht von einer Krankenkasse übernommen werden bzw. die über derVersicherungssumme der Krankenversicherung liegen. Die Verpflichtung umfasst auch die Kosten einer möglichen zwangsweisen Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung nach §§ 66, 67 AufenthG. Derartige Abschiebungskosten sind z. B. Reisekosten (Flugticket und/oder sonstige Transportkosten), evtl. Kosten einer Sicherheitsbegleitung sowie Kosten der Abschiebungshaft. 2. Dauer der eingegangenen Verpflichtungen Die aus der Verpflichtungserklärung resultierende Verpflichtung erstreckt sich unabhängig von der Dauer des zugrunde liegenden Aufenthaltstitels auf den gesamten sich 4 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/833 der Einreise anschließenden Aufenthalt, auch auf Zeiträume eines möglichen illegalen Aufenthalts. Im Regelfall endet die Verpflichtung mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthaltes oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wurde. 3. Vollstreckbarkeit Die aufgewendeten öffentlichen Mittel können im Wege der Vollstreckung zwangsweise beigetrieben werden. 4. Freiwilligkeit der Angaben Alle von mir gemachten Angaben und Nachweise beruhen auf Freiwilligkeit. Mir ist dabei bewusst, dass eine Verpflichtungserklärung unbeachtlich ist, wenn aufgrund fehlender Angaben die Bonität nicht geprüft werden kann. Ich wurde vom Bezirksamt …. auf den Umfang und die Dauer der Haftung hingewiesen, die Möglichkeit von Versicherungsschutz sowie die zwangsweise Beitreibung der aufgewendeten Kosten im Wege der Vollstreckung, soweit ich meiner Verpflichtung nicht nachkomme. Ich wurde belehrt, dass unrichtige und unvollständige Angaben strafbar sein können (z. B. bei vorsätzlichen, unrichtigen oder unvollständigen Angaben, vgl. § 95 AufenthG – Frei- heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe). Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten gemäß § 69 Absatz 2 Nummer 2h AufenthV gespeichert werden. Ich wurde darauf hingewiesen, dass eine Ablichtung der Verpflichtungserklärung bei der Auslandsvertretung abzugeben ist und somit vor Antragstellung eine Kopie gefertigt werden sollte. Weiterhin bestätige ich, zu der Verpflichtung auf Grund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein und erkläre, dass ich keine weiteren Verpflichtungen eingegangen bin, die die Garantiewirkung der aktuellen Verpflichtungserklärung gefährden.“ Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich den Inhalt dieser Belehrung verstanden und einen Abdruck davon erhalten habe. Ich möchte ………………… Person / Personen einladen. 5 Drucksache 21/833 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Zu meinem Haushalt gehört / gehören ………………….. * Person / Personen. *Anzahl Kinder 0 – 5 Jahre: ………… Anzahl Kinder 6 – 13 Jahre: …………. Anzahl Kinder 14 – 17 Jahre: ……….. Anzahl Angehörige ab 17 Jahre: ……. Mein Besuch soll für ………… Tage / Wochen / Monate / für immer einreisen. Unterschrift des sich Verpflichtenden: ....................................................................................... Datum, 6 Name, Vorname
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