"Vollzeitpflege in Gastfamilien"

Inobhutnahme
und
Vollzeitpflege in Gastfamilien für
unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge in Düsseldorf
Trägerkonferenz der Erziehungsstellen im Rheinland
am 17.11.2015 in Köln
Referent: Andreas Sahnen, Sachgebietesleiter,
Pflegekinderdienst
Neue gesetzliche Grundlagen
zum 01.11.2015
• § 42 a SGB VIII – Vorläufige
Inobhutnahme von ausländischen
Kindern und Jugendlichen nach
unbegleiteter Einreise
• § 42 b SGB VIII – Verfahren zur
Verteilung unbegleiteter
ausländischer Kinder und
Jugendlicher
Ablauf der Verteilung
1. Vorläufige Inobhutnahme des umF durch
Jugendamt am Ort der Einreise
2. Meldung an die Landesverteilstelle
(7 Werktage)
3. Meldung an die Bundesverteilstelle
(3 Werktage)
4. Meldung BVA an zuständige
Landesverteilstelle
(2 Werktage)
5. Zuweisung des umF an
Zuweisungsjugendamt durch
Landesverteilteilstelle (2 Werktage)
Verteilstelle in NRW
• Einrichtung im LVR für ganz NRW
(www.landesstelle-nrw.lvr.de)
• Verteilschlüssel
– bundesweite Verteilung: Königssteiner
Schlüssel
– landesweite Verteilung:
flächendeckende Verteilung nach
Bevölkerungszahl
(Faustformel: 3000 Einwohner = 1 UMF,
aktuelle Schätzung: 1750 Einwohnung)
Aufgaben des erstaufnehmenden
Jugendamtes am Ort der Einreise
1. Alterseinschätzung
•
•
•
•
Prüfung Minderjährigkeit
Vier-Augen-Prinzip
Dolmetscher
Dokumentation
2. Erst-Screening
•
•
•
•
Kindeswohlgefährdung
Verwandte im In- oder Ausland?
Gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder
anderen umF?
Ausschluss der Verteilung wegen Gesundheitszustands?
Aufgaben des
Zuweisungsjugendamtes
1. Alterseinschätzung
2. Inobhutnahme
3. Bestellung eines Vormunds
•
•
•
beantragt Krankenversicherung
leitet medz. Diagnostik zum Kind ein
klärt Status Aufenthalt (Duldung)
4. Clearingverfahren (Fortsetzung)
5. Überleitung in Hilfe zur Erziehung
Clearingverfahren
1.
Situation des Kindes
•
•
•
•
familiäre Hintergründe
Gesundheit / Traumata
Bildungsstand
Minderjährigkeit
2.
Status Aufenthalt - Duldung
•
•
•
•
Fluchtgeschichte
Fluchtgründe
aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten
Residenzpflicht 90 Tage (Vormund kann Befreiung beim
örtlichen Ausländeramt stellen)
Aufenthaltserlaubnis, wenn Jugendlichen die
Fluchteigenschaften zuerkannt werden
•
Aktivitäten im Pflegekinderdienst
zur Zielgruppe umF in 2015
• Erarbeitung der Konzeption „Vollzeitpflege in
Gastfamilien für unbegleitete minderjährige
Ausländer“
Zielsetzung:
Minderjährige Ausländer, die unbegleitet einreisten,
sollen eingeladen werden, mittel- und langfristig
bei geeigneten Personen in einer Gastfamilie zu
leben, wenn das ihr Wunsch ist, diese Hilfe ihrem
Bedarf entspricht und Vollzeitpflege die passende
Förderung bietet.
Beschreibung des Bedarfs umF
Klärung der Lebenssituation
• Unterstützung im Hinblick auf Biographie und Identität
• Förderung von Kontakten zu Familienangehörigen in der Heimat
und im Exilland
• Netzwerk – Kontakte zu anderen Jugendlichen mit gleichem
Schicksal fördern und begleiten
• Auseinandersetzung dem Thema Asyl, Aufenthalt und
Abschiebung
Verständnis, im Hinblick auf besondere Verhaltensmuster,
• Angstzustände durch Abspaltung traumatischer Erfahrungen,
• Triggerreize, Intrusionen
• Traumapädagogische Beratung zur Integration des
Lebensschicksals in die Persönlichkeit
Beschreibung des Bedarfs umF
Toleranz im Hinblick auf Herkunft und Identität
• Eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeit aufgrund fehlender
Sprachkenntnisse
• kulturelle Unterschiede z.B. Ernährung, Religion etc.
• offene familiäre Strukturen in der Anpassungsleistungen
willkommen sind, und eine fortschreitende Integration in das
Familienleben nicht erwartet wird.
Bildungsförderung
• Kommunikation mit Unterstützung eines Dolmetschers
• Erlernen der Sprache – Zugänge zu Sprachkursen inkl.
Finanzierung
• Schule – Beschulung und Schulabschluss
• Ausbildungsplatz – Berufsorientierung und Ausbildung
ermöglichen
Qualitative Eckpunkte
im Konzept:
 Ausbau migrationssensibler Pflegekinderhilfe
in Düsseldorf
Menschen mit unterschiedlicher Lebens- und
Bildungsgeschichte, unterschiedlichen
sozialen Erfahrungen, Lebensstilen,
religiösen und ideologischen
Vorstellungen, unterschiedlichen
kulturellen und ethischen Verankerungen
fordern neue Konzepte und Zugänge, hin
zu einer migrationssensiblen
Pflegekinderhilfe, ein.
Qualitative Eckpunkte
im Konzept:
 Interkulturelle Kompetenz der beratenden Dienste
Gelingende Pflegekinderhilfe für die Zielgruppe der umA setzt
interkulturelle Kompetenz der beratenden Dienste voraus.
„Interkulturelle Kompetenz meint im Kern die Kompetenz
zu verstehen, was Menschen beschäftigt und belastet,
auch wenn sie durch andere Kulturen geprägt sind.
Sie hat im Arbeitsfeld der sozialpädagogischen
Dienste und erzieherischen Hilfen eine zentrale
Bedeutung, wenn es darum geht, Zugänge zu
Migranten und Migrantinnen zu finden und geeignete
Hilfen zu entwickeln.“
(Grümer S. & Pinquart, M. 2008)
Qualitative Eckpunkte
im Konzept:
 Gastfamilien mit Migrationsgeschichte gewinnen
Die Sensibilisierung und Gewinnung von Menschen mit
Migrationsgeschichte gelingt durch
• interkulturelle Netzwerkarbeit zum Bedarf an
geeigneten Pflegepersonen, dazu gehören
gemeinsame Informationsveranstaltungen,
Broschüren in den Landessprachen der Gemeinden
u.a.m.
• die Informationsvermittlung über die Strukturen der
Pflegekinderhilfe
• den Abbau von Ängsten und Vorbehalten gegenüber
den sozialen Diensten im Jugendamt
Qualitative Eckpunkte
im Konzept:
 Matching
Ein zentrales Qualitätsmerkmal leistungsfähiger Pflegekinderhilfe
ist das Matching, der bedarfsgerechte Vorschlag einer
geeigneten Pflegefamilie für ein konkretes Kind.
Bedarfsgerechte Ausgestaltung des Überganges:
• Abgleich zwischen dem Profil der Gastfamilie und dem Profil des
umA
• Auswahl geeigneter Gasteltern mit Zustimmung des Vormunds
• Anfrage geeigneter Gasteltern und Vorstellung des
Bedarfsprofils umA
• Zustimmung Gasteltern zum Kennenlernen des UMA
• Bedarfsgerechte individuell abgestimmte Planung des
persönlicheren Kennenlernens und Kontaktintensivierung zur
Vorbereitung der Aufnahme in die Gastfamilie
• Fachliche Begleitung des Übergangs, ggf. unter Einbeziehung
eines Dolmetschers
Qualitative Eckpunkte
im Konzept:
 Personalausstattung
Quantitativ:
• Aufgrund der besonderen Aufgabenstellung bei der
Anbahnung, der Begleitung, der
Unterstützungsleistungen sowie der Supervision und
pädagogischen Intervention ist für die Startphase eine
Personalbemessung von 1 Fachkraft und 10 Plätze
erforderlich.
• Betreuungsschlüssel: 1 Vollzeitstelle Fachberatung zu
10 Kinder / Jugendliche.
Qualitativ:
• Die Fachberatung verfügt über interkulturelle
Kompetenz und ist in der Lage Zugänge zu Migranten
und Migrantinnen zu finden und geeignete Hilfen zu
entwickeln.
Pflegepersonen für umF
sind Menschen mit…
• unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Verankerungen,
• Lebenserfahrung, Alltagskompetenz im Zusammenleben mit
Kindern / Jugendlichen,
• Persönlichkeit, optimistischer Grundhaltung, „lebensbejahend“,
• Feingefühl, Offenheit und Wertschätzung im Kontakt,
• ausreichende Verständigung in deutscher Sprache,
• Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Fachberatung und
anderen sozialen Diensten zu den Zielen der Hilfeplanung,
• der Motivation zu helfen und es in Ordnung ist, genutzt zu
werden,
• Stabilität und Belastbarkeit, die die Erfahrungen des Kindes /
Jugendlichen von Flucht, Vertreibung, Krieg und Gewalt hören
und aushalten können,
• Verständnis und Akzeptanz für besondere Verhaltensmuster
seelisch verletzter (traumatisierter) Kinder und Jugendlicher zur
Regulation,
• Toleranz im alltäglichen Zusammenleben der Familie, z.B. dem
Ausleben kultureller und religiöser Bedürfnisse des anderen.
Beratungsthemen zur
Unterstützung…
• Ankommen und Einleben des umF in der Gastfamilie,
• „Fremdheit“ wahrnehmen und kultursensiblen Umgang pflegen,
• Toleranz im alltäglichen Zusammenleben der Familie, z.B. dem
Ausleben kultureller und religiöser Bedürfnisse des anderen,
• Kulturelle Vielfalt zulassen und fördern, (Essgewohnheiten),
• Förderung der Kommunikation mit Unterstützung (Dolmetscher),
• Regelung der Kommunikation mit Handy, Internet (z. B. PC
Nutzung),
• Alltag in der Familie, Abläufe und Rituale,
• Einbindungs- und Rückzugsmöglichkeiten in der Familie,
• Förderung von Kontakten des umF zur Familie / Verwandte,
• Unterstützung zur Sprachförderung und in der Schule
(Hausaufgaben),
• Begleitung zu Terminen (Behörden, Schule, Ärzte u. Therapeuten)
• Beobachtung und Beschreibung von besonderen
Verhaltensweisen, z.B. Angst vor Dunkelheit, Einnässen,
Antriebslosigkeit, Ticks etc.,
• Akzeptanz für besondere Verhaltensmuster seelisch verletzter
(traumatisierter) Kinder und Jugendlicher zur Regulation u.a.m….
Hilfeplanverfahren
Vollzeitpflege § 33 Satz 2 SGB VIII
• Fortsetzung des Clearingverfahrens durch FB PKD
zur Feststellung des Hilfebedarfs z.B. in
Vollzeitpflege einschließlich Sonderformen gemäß §
33 Abs. 2 SGB VIII
• PKD erstellt Bedarfsprofil zum Kind / Jugendlichen
und schlägt geeignete Form der Vollzeitpflege z.B.
Erziehungsfamilie vor.
• ASD versendet Bedarfsprofil an die Trägerkonferenz
der Erziehungsstellen im Rheinland mit der Bitte,
eine geeignete Erziehungsfamilie vorzuschlagen
• ASD / Vormund und Fachberatungsträger und
Erziehungsfamilie gehen in die weitere Abstimmung
Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit!