1. Vorlesungseinheit: Zweitspracherwerbstheorien Universität Athen Fachbereich für Deutsche Sprache und Literatur Seminar: DGY19 Εισαγωγή στη Διδακτική ΙΙ Dozentin: Prof. Dr. Dafni Wiedenmayer Grundprozess des Spracherwerbs Sprachlicher Input Interne Verarbeitung Intake Theorien zum L2-Erwerb • verdeutlichen den sprachlichen Lernprozess als Ganzes. • verdeutlichen mögliche Verbindungen zu nicht-sprachlichem Lernen. • verdeutlichen Gemeinsamkeiten zwischen L1- und L2-Erwerb. • verdeutlichen die Bedingungen, unter denen der L2-Erwerb gelingen kann. Behaviorismus • Jedes Lernen ist die Aneignung bzw. das Imitieren von Verhaltenseinheiten. • Mensch wird mit einer Äußerung konfrontiert → versucht sie partnergerecht zu verwenden → bekommt positive/negative Verstärkung aus der Umwelt. Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse Fries/Lado • L2-Lerner, die ihre Muttersprache bereits weitgehend erlernt haben, übertragen Eigenschaften und Strukturen der L1 auf die L2. • Tranfer von L1 auf L2 • positiver Transfer: strukturelle Gleichheiten zwischen L1 und L2 setzen keine Fehler voraus → erleichtern den Fremdspracherwerb. • negativer Transfer: linguistische Unterschiede zwischen L1 und L2 → Fehler sind zu erwarten. • kann zur Vermeidung bestimmter Strukturen in die L2 führen, weil sie in der L1 nicht vorhanden sind. • kann zum überhäufigen Gebrauch bestimmter Strukturen in der L2 führen, weil sie in der L1 zur Norm gehören. • ähnliche Sprachen setzen keinen positiven Transfer voraus Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse II • Interferenzen • Übertragung L1-Strukturen auf äquivalente L1-Strukturen und umgekehrt. • • • • Lassen sich auf allen sprachlichen Ebenen beobachten: auf phonetischer Ebene: Aussprachefehler auf semantischer Ebene: falsche Freunde auf pragmalinguistischer Ebene: kulturgeprägte Kommunikationsdivergenzen • auf grammatischer Ebene: weniger eindeutig • sind auch zwischen L2 und L3 usw. möglich Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse III • Kritik des behavioristischen Lehrkonzepts: • Tranfer gilt als Störung. • Lerner soll eine aktive, selbst konstruierende und bewusst reflektierende Rolle einnehmen, um mit den Interferenzen zurechtzukommen. • der FSU sollte so gestaltet werden, als ob es keine L1 gäbe. • Bedarf nach einer lernersprachlichen Theorie, die Interferenzen zwischen L1 und L2 anspricht und anhand von Regeln thematisiert → Bedarf nach der Kontrastiven Analyse. Kognitivismus • Zweitpracherwerb ist ein ständiger Reifungsprozess: • Lerner konstruiert durch kognitive Denk- und Verstehensprozesse Regeln in der L2, während er sein Regelwissen aus der L1 wiederaufgreifen soll. L2-Input wird in ein organisiertes Netz vorhandenen L1-Wissens eingepasst. • L1 und L2 entwickeln sich unabhängig voneinander nach universalen sprachlichen Reifungsprinzipien. • Regelkonstruktion in der L1 verwirklicht sich anhand des internen Regelapparats. • Regelkonstruktion in der L2 beruht auf der angeborenen universalgrammatischen Fähigkeit. Kognitivismus Natural-Approach-Hypothesen • Ungesteuerter L2-Erwerb folgt ähnlichen Erwerbsstadien wie der L1-Erwerb → gesteuerter L2-Erwerb soll dem ungesteuerten L2-Erwerb ähneln (Input-Hypothese). • Ungesteuerter L2-Erwerb ähnelt den Umständen des L1Erwerbs → gesteuerter L2-Erwerb soll den Umständen des ungesteuerten L2-Erwerbs ähneln (Natural-Order-Hypothese). • Ungesteuerter L2-Erwerb beruht auf die angeborene universalgrammatischen Fähigkeit, die den L1-Erwerb prägt → gesteuerter L2-Erwerb beruht sich auf einen bewusst aufgebauten regelbildenden Mechanismus, der die formale Korrektheit jeder Äußerung überwacht (Monitor-Hypothese). Theorien der Lernersprachen • kein fehlerhaftes Zwischenstadium, sondern eine eigenständige komplexe Sprachvarietät, eine inter-language. • inter-language: • beteht aus Erwerbsstadien . • wird sowohl von korrekten als auch von fehlerhaften L2Äußerungen gekennzeichnet. • befindet sich in ständiger Veränderung. • Eine bestimmte L2-Struktur kann in einem gewissen Erwerbsstadium nicht gelehrt werden, wenn der Lerner nicht bereit ist (Lehrbarkeitshypothese). Theorien der Lernersprachen II Erwerbsphasen • Ist ein Lerner noch nicht bereit eine bestimmte L2-Struktur in einem gewissen Erwerbsstadium, dann: • wird die Verarbeitung vom Input zum Intake zurückgestellt oder • die L2-Struktur wird zwar aufgenommen doch in sprachlich falscher Form (Übergangsvariante). • Folgt die didaktische Progression der internen Progression der L2-Erwerbsphasen nicht, dann: • weist der L2-Erwerb Rückfälle auf, • kommt der L2-Erwerb zum Stillstand (Fossilierung). • Fossilierung ist ein Niveau der inter-language, das den Ansprüchen und Bedürfnissen des Lerners entspricht und genügt. Konnektionismus • Konnektivität von Neuronen im Gehirn. • Sprachverarbeitung ist der komplexe Prozess miteinander interagierter Neuronen. • vorhandenes Neuronennetzwerk + externe Reize = neue neuronale Verbindungen. • Erfahrungen mit der Umwelt interagieren auf komplexe Weise mit dem bereits erworbenen Wissen anders bei jedem Menschen und führen deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen (≠ Behaviorismus). • Sprachlicher Input wird von mehreren Neuronengruppen verarbeitet, welche nicht mit demselben Grad arbeiten (Competition-Modell). Konstruktivismus • Interaktion der Menschen mit ihrer Umwelt spielt eine große Rolle (≠ Kognitivismus) • situatives Handeln: Gehirn konstruiert neue fremdsprachliche Muster anhand bereits bekannter Handlungsschemata. • konstruktive Operationen: • Assimilation: Anpassung eines Menschen and die sprachlich fremde Umgebung. • Akkommodation: Aufbauen eines kognitiven Handlungsmuster, um gewisse fremdsprachliche Situationen zu bewältigen. Konstruktivismus II Konstruktive Operationen im FSU • Lerner erreicht ein bestimmtes Erwerbsstadium (assimiliert sich an das sprachliche Fremde), nur dann kann er den angebotenen Input verarbeiten (akkommodiert sich). • Lernsituationen: • sollen komplexe , authentische sprachliche und nichtsprachliche Erfahrungen ermöglichen. • Lerner handeln problemlösend. • zu zweit oder in Kleingruppen. • dichte Kommunikation ohne Hemmungen. • Lernerautonomie wird gefördert. • Projektunterricht ist geeignet. Konstruktivismus III Kritik • Bewältigung sprachlich fremder Situationen bedeutet erfolgreich zu handeln und keine Schaden zu nehmen. • In der instruktionellen Lernumgebung werden aber Fehler erwartet und sogar positiv bewertet. • Eine konstruktivistische Fremdsprachendidaktik sollte die Lernumgebung (in micro und macro) berücksichtigen.
© Copyright 2024 ExpyDoc