3. Vorlesung

3. Vorlesungseinheit:
Zweitspracherwerbstheorien
Behaviorismus
Universität Athen
Fachbereich für Deutsche Sprache und Literatur
Seminar: DGY19 Εισαγωγή στη Διδακτική ΙΙ
Dozentin: Prof. Dr. Dafni Wiedenmayer
Theorien zum Spracherwerb
Wozu brauchen wir sie?
• verdeutlichen den sprachlichen Lernprozess als Ganzes.
• verdeutlichen mögliche Verbindungen zu nicht-sprachlichem
Lernen.
• verdeutlichen Gemeinsamkeiten zwischen L1- und L2-Erwerb.
• verdeutlichen die Bedingungen, unter denen der L2-Erwerb
gelingen kann.
Was ist Behaviorismus?
• Verhaltensforschung
• Teilbereich der Psychologie
• Kernpunkt: das Verhalten (behavior) des Individuums.
• die sichtbaren/erfassbaren Aktivitäten und deren
Bedingungen.
• interne Prozesse spielen keine Rolle.
• Lerner: „black box“, Produkt seiner Umwelt, von außen
gesteuertes Wesen.
• Reiz zu Reaktion.
Watsons „Little Albert“ - Experiment
http://www.youtube.com/watch?v=Xt0ucxOrPQE
2:35
Lernen/Spracherwerb =
Reiz und Reaktion
• Lernen ist die Aneignung bzw. das Imitieren von
Verhaltenseinheiten.
• Reiz-Reaktions-Kette
Input
• Reiz aus der
Umwelt - Mensch
wird mit einer
Äußerung
konfrontiert
Black box
• Vorgänge im
Gehirn werden
nicht beachtet
Output
• Reaktion,
Verhalten Mensch versucht
die Äußerung
partnergerecht zu
verwenden
• Folge eines Reizes kann eine positive/negative Reaktion sein,
der Lerner bekommt positive/negative Verstärkung aus der
Umwelt (Belohnung vs. Bestrafung).
• Spracherwerb:
• Lerner ist VON INNEN passiv, wird auf ÄUßERE Reize aktiv und
tritt dann in Reaktion, VERHÄLT sich reaktionsgerecht, indem er
Sprachmuster imitiert.
• Lehrer setzt Anreize und gibt positive/negative Rückmeldung
auf die Reaktionen der Lernenden.
Fremdspracherwerb:
Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse
Fries (1945)/Lado (1975)
• Lerner erlernen die Regeln der L2 mühelos und ohne Fehler,
falls diese den Regeln ihrer L1 gleich/ähnlich sind.
• Tranfer von L1 auf L2
• positiver Transfer: strukturelle Gleichheiten zwischen L1
und L2 setzen keine Fehler voraus → erleichtern den
Fremdspracherwerb.
• negativer Transfer: linguistische Unterschiede zwischen L1
und L2 → Fehler sind zu erwarten.
• kann zur Vermeidung bestimmter Strukturen in die L2
führen, weil sie in der L1 nicht vorhanden sind.
• kann zum überhäufigen Gebrauch bestimmter Strukturen in
der L2 führen, weil sie in der L1 zur Norm gehören.
• ähnliche Sprachen setzen keinen positiven Transfer voraus.
Fremdspracherwerb:
Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse II
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•
Interferenzen
Übertragung von L1-Strukturen auf äquivalente L2-Strukturen.
Übertragung von L2-Strukturen auf die L1.
Übertragung von L2-Strukturen auf die L3 und umgekehrt.
Lassen sich auf allen sprachlichen Ebenen beobachten:
auf phonetischer Ebene: Aussprachefehler
auf semantischer Ebene: falsche Freunde
auf pragmalinguistischer Ebene: kulturgeprägte
Kommunikationsdivergenzen
• auf grammatischer Ebene: weniger eindeutig
Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse III
• Kritik des behavioristischen Lehrkonzepts (beim Lernen):
• man kann nur diejenigen Lernprozesse erklären, die durch
äußeres Verhalten bestimmt werden.
• Problemlösungsfähigkeit des Lerners spielt keine Rolle, sondern
das Imitieren von Verhaltensmustern.
• Lerner ist passiv.
• Kritik des behavioristischen Lehrkonzepts (beim Spracherwerb):
• Problemlösungsfähigkeit des Lerners spielt keine Rolle, sondern
das Imitieren von Sprachmustern (von L1 auf L2).
• Lerner soll eine aktive, selbst konstruierende und bewusst
reflektierende Rolle einnehmen, um mit den Interferenzen
zurechtzukommen.
• Transfer gilt als Störung → der FSU sollte so gestaltet werden, als
ob es keine L1 gäbe.
• Bedarf nach einer lernersprachlichen Theorie, die Interferenzen
zwischen L1 und L2 anspricht und anhand von Regeln thematisiert
→ Bedarf nach der Kontrastiven Analyse.
Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse IV
Aufgabe 1
Erwachsener Fortgeschrittener Lerner (L1: Griechisch, L2:
Englisch auf C-Niveau) macht auf die Zielsprache Deutsch
ständig die folgenen Wortstellungsfehler:
1. Prinzipiell ich bin dagegen.
2. Im Gegensatz dazu, der Großhandel verkauft vorwiegend an
Wiederverkäufer.
a. Auf welcher Ebene sind Interferenzen zu finden?
b. Wo ist negativer bzw. positiver Transfer zu behaupten?
Lösung
Interferenzen auf syntaktischer Ebene:
• zwischen L1 und L3: Προσωπικά (εγώ) είμαι εναντίον./ Εν
αντιθέσει, το χονδρεμπόριο πουλά κυρίως σε μεσάζοντες.
(Negativer Transfer)
• zwischen L2 und L3: Personally I am against this./ Contrary to
this (As opposed to this), trade sales mainly to resellers.
(Negativer Transfer)
• zwischen L1 und L2: positiver Tranfer
Vom Behaviorismus zur Kontrastiven Analyse V
Aufgabe 2
Wie würden Lerner mit Englisch als L1 im DaFAnfängerunterricht das wortinitiale <s> aussprechen?
Auf welcher sprachlichen Ebene behauptet man Interferenzen?
Handelt es sich um positiven oder negativen Transfer?
z.B. See - Suppe - sehr - Salat
Lösung
phonetischer Ebene: Sprachorgane sind auf muttersprachliche
Lautmuster schon eingestellt, negativer Transfer.
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse zur
audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM)
(̴1940-1970)
Vor dem Hintergrund der Konzepte des Behaviorismus (Reiz →
Reaktion) und der Kontrastiven Analyse sind einige der zentralen
Unterrichtsprinzipien der ALM zu verstehen:
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
h.
Primat der gesprochenen Sprache
Prinzip der Einsprachigkeit
Induktive Grammatikvermittlung
Übungsformen (z.B. Nachsprechübungen, pattern drills)
Technische Mittel
Sprachlabor damals
http://www.youtube.com/watch?v=UxE615N765Y
und heute
http://www.youtube.com/watch?v=4FKMzAoXYfs&feature=relate
d
Überwiegende Rolle des Lehrenden
Lerner: Rezipient und Nachahmer
Prinzip der Fehlervermeidung
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse
zur audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM)
Aufgabe 3
Welche Argumente sprechen für den Einsatz des Sprachlabors?
Was kann ein Sprachlabor nicht leisten?
Lösung
Vorteile
Mängel
Extensive Einübung der Fertigkeit Hörprogramme enthalten fast nur
Sprechen für jeden einzelnen Schüler.
pattern drills zu Satzmustern (zum
Nachsprechen).
Entwickung spezieller Hörprogramme/ - Freies Sprechen wird nicht gefördert.
software.
Individuelle Korrekturmöglichkeit durch
den Lehrer oder auch durch sprachliche
Muster
auf
dem
Tonband/im
Hörprogramm.
Authentizität
(Nachahmung
Aussprache).
Pattern drills
(Imitation, häufiges
Wiederholen) sind wenig motivierend.
Einzelne Schüler üben isoliert, ohne
Kontakt zu Mitschülern (Authentizität
der
Sprachvorbilder sinkt).
muttersprachlicher
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse
zur audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM)
Aufgabe 4
Wie würde man einen Lektionsentwurf gemäß den Prinzipien der ALM
zu den Präpositionen mit Dativ gestalten?
(Einführungstext, Übungsformen, Grammatikdarstellung)
Lösung
• Einführungstext: in dialogischer Form, möglichst viele
Dativpräpositionen sind enthalten.
• Übungsformen: pattern drills, zum Ausfüllen und Nachsprechen.
Hans kommt aus dem Haus.
Klaus ........................ Schule.
Mira ......................... Stadt.
Jürgen ...................... Turnhalle.
• Grammatikdarstellung: Beispielsätze ohne Regeln.
gegenüber: Er wohnt gegenüber dem Kino.
Sie wartet gegenüber der Kirche.
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse
zur audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM)
Aufgabe 5
Nach
heutiger
Auffassung
können
vorhandene
Fremdsprachenkenntnisse den Erwerb einer weiteren Sprache
erleichtern. Wie würde ein Vertreter der ALM zu dieser
Auffassung stehen?
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse zur
audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM) II
• Parallele Entwicklung zur ALM/Anschluss am Behaviorismus
(Reiz → Reaktion)
• Primat der gesprochenen Sprache
• Einsprachigkeit
• Semantisierung des Wortschatzes durch Abbildung →
Kombination von Bild und gesprochenem Wort
• Synonymie (gucken = sehen, schauen)
• Antonymie (klein = nicht groß)
• Hypernomie/übergeordnete Begriffe (Pudel = Hund)
• Hyponomie/untergeordnete Begriffe (Gemüse=Zwiebel)
• Bedeutungsvermittlung durch Verwendungsbeispiele
• Pattern drills/Sprachlabor/Bildergeschichten
Vom Behaviorismus und der Kontrastiven Analyse zur
audiolingualen/-visuellen Methode (ALM/AVM)
Aufgabe 6
Welche sind die Vorteile und Nachteile der AVM (evtl. auch der ALM)?
Lösung
Vorteile
Nachteile
Konzentration auf gesprochene
Sprache, was für bestimmte
Lernergruppen wichtig ist (Touristen,
Geschäftsleute).
Vernachlässigung des
Lesens/Schreibens.
Dialogschulung
Gesprochene Sprache wird zwar
gefördert, doch keine authentische
Sprache, sondern ein
„grammatikalisiertes“ Deutsch.
Hörverstehensschulung
Motivationssinkende Übungsformen.
Bedeutungvermittlung durch Bilder.
Gelegentlich wird das visuelle Element
überbetont.
Einsprachigkeit