Falldemonstration: „lymphozytäre Enteritis“ Carl M. Oneta, Winterthur, www.oneta.ch Lymphozytäre Enteritis Marsh-Klassifikation Fall: Herr X.Y., 1945 • 1. Konsultation bei mir 07/09 wegen: – persistierenden durchfallartigen Stühlen ohne Blutbeimengungen, Blähungen und langsam progredientem Gewichtsverlust (ca. 6kg während der letzten 3 Jahre) trotz glutenfreier Ernährung seit 12/06 – AZ zufriedenstellend, Patient dadurch nicht sehr stark im Alltag eingeschränkt Fall: Herr X.Y., 1945 • Anamnese (1): – Seit 1970 regelmässig als Entwicklungshelfer (Bauingenieur) vor allem in Afrika, Asien, aber auch Südamerika tätig – Zwischen 1970 und 2000: div. Tropenkrankheiten wie Malaria, Filariose, Bilharziose; St. n. Hepatitis A und B. – Wegen seit ca. 2003 immer wieder auftretenden, durchfallartigen Stühlen, Suche nach Tropenkrankheiten, jedoch ohne Erfolg, insbesondere keine Parasiten oder Würmer Fall: Herr X.Y., 1945 • Anamnese (2): – 11/06 Koloskopie wegen zusätzlich vermehrten Abdominalkrämpfen: • Makroskopisch: unauffällig • Mikroskopisch: Nachweis einer lymphozytären Enteritis mit subtotaler Zottenatrophie (Marsh Typ 3a-b) – Zöliakie-AK: GLA neg., EMA neg, TTG neg. – Labor: normal ausser rez. Vitamin-B12-Mangel – Diagnose 11/06: Zöliakie • Einführung einer glutenfreien Ernährung • Regelmässige parenterale Vitamin-B12-Substitution • Initiale Besserung der Beschwerden, jedoch nie eindeutiger, klarer Rückgang der Diarrhoe und Abdominalbeschwerden. Fall: Herr X.Y., 1945 • Abklärungen seit 07/09: – Status: Patient in gutem AZ, BMI von 19.8 kg/m2 – Labor: Diskrete nch, nzyt Anämie (Hb 13.4g/dl) – Leukozyten normal inkl. Diff. (keine Eosinophilie) – BSR 3mm/h, CRP <5mg/l, Calprotektin im Stuhl ~80mg/g – Kein Malabsorptionssyndrom (Vit. B12, Fsre, Ferritin, Alb no), GLA neg, EMA neg, TTG neg (totales IgA normal) – Leber-/Panreas-/Nierenwerte o.B. – Pankreaselastase im Stuhl >500mg/g Fall: Herr X.Y., 1945 • Gastroskopie 07/09: – Makroskopisch: flache Duodenalschleimhaut – Mikroskopisch: • lymphozytäre Enteritis Marsh Typ 1 bis herdförmig 3a-b • Anteile eines tubulären Adenoms (low-grade) • Koloskopie 07/09: – Makroskopisch: flache Ileumschleimhaut, Polyp im Sigma – Mikroskopisch: • Lymphozytäre Enteritis Marsh Typ 3a-b • Intestinale Spirochätose • Tubuläres Adenom (low-grade) Fall: Herr X.Y., 1945 • Makroskopischer Befund: Duodenum Ileum Fall: Herr X.Y., 1945 • Histologie vom 07/09: Duodenum Ileum Differentialdiagnose: „Lymphozytäre Enteritis“ • Zöliakie (glutensensitive Enteropathie) – – • • • • • • • • • • • • • • • • AK-positiv AK-negativ Refraktäre Sprue „Kollagene Sprue“ Tropische Sprue Andere NM-Intoleranzen (z.B. Kuhmilch-Protein, Soja-Protein, Hafer) Giardiasis Virale Gastroenteritis, postinfektöse Diarrhoe Autoimmune Enteropathie (z.B. i.R. SLE) Medikamentös induzierte Enteritis (z.B. NSAR) Diffuses Lymphom des Dünndarms Commen variable immunodeficiency syndrome Other Immundefizienz-Syndrome inkl. AIDS Intestinale Tbc M. Crohn Zollinger-Ellison-Syndrom eosinophile Gastroenteritis Strahlenenteritis Meist erhöhte Zahl von IELy Meist normale Zahl von IELy Fall: Herr X.Y., 1945 • Ergänzende Laboruntersuchungen 07/09: – HLA DQ2/8 positiv – Keine erneuten Stuhlkulturen – HIV negativ – Spez. Allergene für Milcheiweiss, Weizenmehl, Hafermehl, Sojabohne, a-Lactalbumin, b-Lactoglobulin, Kasein negativ Diskussion der DD • Zöliakie möglich, aber unwahrscheinlich – – – – – AK vor gf Diät negativ (AK-negative Zöliakie ws. sehr selten) Lymphozyt. Enteritis proximal betont Kein eindeutiges Ansprechen auf gf Ernährung Keine Verschlechterung nach Wiedereinname von Gluten (Genetische Prädisposition vorhanden (HLA DQ2/8 positiv)) • Refraktäre Sprue möglich, aber unwahrscheinlich – Unwahrscheinlich, da keine Zöliakie vorliegend • Andere NM-Intoleranz resp. -Allergie möglich – Laktose-, Fruktose-, Histaminintoleranz machen keine LE – Spez. Allergene für Milcheiweiss, Weizenmehl, Hafermehl, Sojabohne, a-Lactalbumin, b-Lactoglobulin, Kasein negativ Diskussion der DD • Kollagene Sprue möglich, aber nicht vorhanden – Histologisch nicht nachweisbar • Autoimmune Enteropathie möglich – Diagnose wie ? (anti-Enterozyten-AK ?) – Probatorisch Steroidstoss u/o Azathioprin ? • Chronische Giardiasis möglich, aber – Mehrfach kulturell und histologisch ausgeschlossen Diskussion der DD • tropischen Sprue möglich – Diverse längere Tropenaufenthalte: • 1970 – 1972: Kamerun • 1775 – 1978: Kenya, Aufenthalt in Tanzania • 1979 – 1982: Nepal, Reisen nach Indien und Myanmar • 1983 – 1999: 2-4 Wo/Jahr in Nepal, Tanzania, Sri Lanka, Malaysia, Philippinen • 1999 – 2004: Sri Lanka • 2004 – 2008: 3-4 Wo/Jahr in Buthan, Sri Lanka – Histologisch dazu passend, dass Enteritis im distalen Dünndarm ausgeprägter ist als im proximalen Fall: Herr X.Y., 1945 Schlussdiagnose: 1. Persistierende lymphozytäre Enteritis Marsh 3a-b • Hochgradiger Verdacht auf tropische Sprue DD: autoimmune Enteritis • Langjähriger Vitamin-B12-Mangel, sonst keine Zeichen der Malabsorption 2. 3. 4. 5. Resektion von tubulären Adenomen in Duodenum und Kolon St. n. diversen Tropenkrankheiten St. n. Hepatitis A und B Intestinale Spirochätose Fall: Herr X.Y., 1945 • Therapie und Verlauf seit 07/09: – Beginn einer Behandlung mit Doxicyclin in Kombination mit Folsäure am 21.07.09, die über 6 Monate fortgeführt und gut vertragen wird. – Im Verlauf gibt Patient deutliche Besserung seiner Beschwerden an (insgesamt 90%ige Besserung) – Es persistieren gewisse Stuhlunregelmässigkeiten und gelegentliche diarrhoeartige Stühle, die als postinfektiöses Colon irritabile interpretiert werden – Die Wiedereinführung einer glutenhaltigen Ernährung ändert an der Situation nichts. Die Zöliakie-AK bleiben negativ. Fall: Herr X.Y., 1945 • Kontrollkoloskopie und –gastroskopie 06/13: – Vollständige Regeneration sowohl der duodenalen als auch ilealen Schleimhaut – Patient anhaltend trotz glutenhaltiger Ernährung weitgehend beschwerdefrei (intermittierende Reizdarmbeschwerden)
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