Schulchronik Zistersdorf 1945

„1945 … trotzdem Kind“
1945
In der Woche vor Pfingsten 1945 wurde Hauptschullehrer Franz Mayer (ehemaliger in der
NS-Zeit ausgetretener Schulbruder) aufgefordert, provisorisch die Leitung der Volksschule
und der Hauptschule zu übernehmen und mit den anwesenden Lehrkräften einen
Notunterricht zu organisieren.
Das Schulgebäude war vom 17. April bis Mitte Mai 1945 von den Soldaten der Roten Armee
besetzt. Die Räume im Erdgeschoß dienten hauptsächlich ihrer Paketpost, die Räume im
1.Stock wurden für Unterkunft, Kanzleien usw. verwendet.
Kaum waren die Soldaten ausgezogen, durchstreifte die Zivilbevölkerung das ganze
Schulgebäude, um nach möglicherweise Verschlepptem zu suchen.
Da keine Arbeitskräfte aufzutreiben waren, begannen der provisorische Leiter und Fr.
Lehrerin Therese Jahn eigenhändig mit den Aufräumungsarbeiten. Ersterer im Altbau,
letztere im Trakt der Mädchen-Hauptschule. Außer den größeren Schulkindern halfen noch
Fr. Lehrerin Johanna Wiedermann und Fachlehrer Sebastian Handl.
Zuerst wurde die vielen umherliegenden Handgranaten, die Gewehr- und Pistolenmunition
gesammelt und aufs Bürgermeisteramt gebracht.
Am 18. Mai wurden von Schülerinnen noch 2 Handgranaten gefunden, die Herr Fachlehrer
Handl gegen 11:30 Uhr auf die Gemeinde tragen wollte. Beim Stiegenhaus entfiel ihm die
Granate, explodierte und riss ihm den Vorderfuß ab.
Arzt und Schwestern vom Roten Kreuz verarzteten ihn. Zwei von den fünf im Ort noch
vorhandene Pferde wurden aufgetrieben und Herr Dendl Franz brachte Handl mit dem
Pferdewagen ins Spital nach Mistelbach. Dort starb Handl jedoch noch am selben Abend.
22. Mai
Am 22. Mai 1945 begann der Notunterricht. Herr Mayer betreute die Hauptschüler, Fr. Jahn
übernahm die Volksschüler. Nach dem Unterricht wurde weiter gereinigt.
Die Fenster waren ohne Glas.
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