Eosinophile Enteritis als seltene Ursache von Bauchschmerzen

CASUISTIQUES
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In rund der Hälf te der Fälle mit einer Atopie oder allergischen Erkrankung assoziiert
Eosinophile Enteritis als seltene
Ursache von Bauchschmerzen
Andrea Blanc Bühlmann a , Nicolas Rodondi b , Sabina Berezowska c , Grischa Marti b
a
b
c
Klinik für Innere Medizin Spital Tiefenau, Spital Netz Bern AG, Bern
Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital, Bern
Institut für Pathologie, Universität Bern
Hintergrund
stellte. Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiss oder
Hypereosinophilien sind häufig, und nahezu immer
abklärungsbedürftig. 95% davon werden ursächlich
durch Infektionen insbesondere durch Parasiten, Medikamente wie Sulfonamide, Penicilline oder Carbamazepin, Allergien und Überempfindlichkeitsreaktionen
wie Asthma bronchiale oder Atopien ausgelöst. In diesem Artikel möchten wir einen Fall mit einer seltenen
Ursache einer Hypereosinophilie mit Bauchschmerzen
schildern, die Eosinophile Enteritis.
blutigen Durchfall verneinte er. Ähnliche Symptome
seien bereits in Vergangenheit aufgetreten, jedoch
stets selbstlimitierend gewesen. Weiter verneinte
der Patient kürzliche Auslandsaufenthalte, noch fand
sich eine positive Umgebungsanamnese für ähnliche
Symptome. Auf Anraten seines Hausarztes hatte der
Patient bereits während zehn Tagen eine gluten- und
laktosefreie Diät durchgeführt, dies jedoch ohne Besserung der Beschwerden. Der bis anhin gesunde Mann
litt einzig unter einem Asthma bronchiale, das mit
einer Bedarfsinhalation gut kontrolliert sei. In der
Familienanamnese war einzig eine Lymphomerkran-
Fallbericht
kung des Vaters auffällig.
Anamnese
Der 26-jährige Betriebsökonom wurde von der Notfall-
Status
station an die Medizinische Poliklinik des Inselspitals
Klinisch zeigte sich ein 26-jähriger Patient in gutem
überwiesen zur Weiterabklärung einer Hypereosino-
Allgemein- und normalem Ernährungszustand mit
philie. Der Patient litt seit drei Wochen unter krampf-
einer periumbilikalen Druckdolenz und einer isolier-
artigen, epigastrischen Schmerzen und Durchfall von
ten Lymphadenopathie inguinal rechts. Der restliche
heller Farbe, weshalb er sich auf der Notfallstation vor-
klinische Status war bland.
A
B
Abbildung 1: Manifestation einer Eosinophilen Gastroenteritis in den Duodenalbiopsien. A: Erhaltene Duodenalschleimhaut-Architektur mit Ödem in der
Lamina propria (Hämatoxylin- und Eosin-Färbung, ×100). B: Fokal angehäufte eosinophile Granulozyten mit intraepithelialer Verteilung (Hämatoxylin- und
Eosin-Färbung, ×400).
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Untersuchungen
Nach einer initialen Protonenpumperhemmer-(PPI-)The-
Im Differentialblutbild bei Eintritt fiel eine relevante
rapie und dem Vermeiden von nusshaltigen Nahrungs-
periphere Eosinophilie von 6,52 G/l bei nur diskret er-
mitteln zeigte sich eine rasche Symptomlinderung.
höhter Gesamtleukozytenzahl von 13 G/l auf. Die rest-
Aufgrund der raschen Besserung der Beschwerden
lichen Laborwerte inklusive C-reaktivem Protein waren
konnten wir auf eine Steroidtherapie oder gar die Gabe
unauffällig. In den weiteren Analysen zeigte sich eine
von Immunsuppressiva verzichten. Die Regredienz der
relevante Erhöhung des Gesamt-IgE mit 1770 kU/l (nor-
Eosinophilie bis zur fast vollständigen Normalisierung
mal <70 kU/l). In der Sonographie des Abdomens fand
liess sich einige Wochen nach Diagnosestellung doku-
sich eine diskrete Splenomegalie von 12 cm. Die Stuhl-
mentieren. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat der Patient
untersuchung auf Parasiten und die Serologien für
keine Beschwerden mehr, die PPI-Therapie konnte im
Fasciola, Strongoloides und Toxocara blieben negativ.
Verlauf sistiert werden.
Die Stuhluntersuchung auf Parasiten und die
Serologien für Fasciola, Strongoloides und
Toxocara blieben negativ
Diskussion
Die Eosinophile Enteritis ist eine seltene Ursache der
Aufgrund der im Vordergrund stehenden Bauchpro-
Hypereosinophilie. Bei knapp 300 in der Literatur be-
blematik entschieden wir uns zur Durchführung einer
schriebenen Fällen ist die genaue Prävalenz unbekannt,
Gastro- und Kolonoskopie. Hierbei zeigte sich histo-
wird jedoch auf ca 20/100 000 Personen geschätzt [1].
logisch im Bereich des Duodenums und terminalen
Die Eosinophile Enteritis beginnt typischerweise in
Ileums eine massive Vermehrung von eosinophilen
der dritten Dekade, kann aber in jedem Alter auftreten
Granulozyten (bis über 70/high-power field; HPF) teils
[1, 2]. Die klinischen Zeichen sind vergesellschaftet mit
mit Übergreifen auf das Oberflächenepithel, ohne
der Tiefe und der Ausdehnung der Infiltration durch
strukturelle Schleimhautalterationen (Abb. 1). Es fan-
eosinophile Granulozyten im Magen-Darm-Trakt [3].
den sich jedoch keine Hinweise für Lamblien, Zöliakie,
So kann vom Ösophagus bis zum Rektum ein Befall
chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder einen
vorliegen, am meisten betroffen ist jedoch der Magen
Morbus Whipple. Diese Mukosa-Eosinophilie ist grund-
und das Duodenum [3]. Die Symptome sind meist un-
sätzlich unspezifisch, erfüllt aber in Zusammenschau
spezifisch und können als Bauchschmerzen, Nausea, Er-
der Befunde die Kriterien einer Eosinophilen Enteritis.
brechen, Dysphagie, Durchfall oder Meläna angegeben
Die etablierten Diagnosekriterien hierzu sind die Infil-
werden [4]. Die genaue Pathogenese bleibt weiterhin
tration von eosinophilen Granulozyten in die Darm-
unklar, aber die klinischen Symptome und der Zusam-
wand (Minimum 50/HPF), gastrointestinale Symptome,
menhang mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Abwesenheit anderer Ursachen einer Hypereosinophi-
suggeriert eine allergische Komponente. So zeigte sich,
lie und der Ausschluss anderer Organmanifestationen
dass in rund der Hälfte der Fälle eine Atopie oder aller-
[2]. Wir haben daher bei einer positiven Familienanamnese für Lymphome eine periphere Immunphänotypisierung und eine Knochenmarkspunktion durchgeführt, diese zeigten eine normale
Differenzierung aller drei Zellreihen. Die basale
Serumtryptase als Zeichen einer möglichen Mast-
Die genaue Pathogenese bleibt weiterhin
unklar, aber die klinischen Symptome
und der Zusammenhang mit Nahrungsmittel­
unverträglichkeiten suggeriert eine aller­
gische Komponente
zellerkrankung war normal. Ebenfalls waren die pANCA
gische Erkrankung vorbestehend ist [2]. Bei einigen der
und cANCA als Hinweis für eine Autoimmunerkran-
Patienten zeigten sich erhöhte Werte des Immunglo-
kung normal. Auch das Fusionsprotein FIPL1-PDGFRα
bulin E im Serum. Da Infektionen, insbesondere durch
als Indikator für ein Hypereosinophiliesyndrom (HES)
Parasiten hervorgerufen, und hämatoonkologische Er-
war negativ.
krankungen sekundär eine Eosinophile Enteritis aus-
Verlauf
werden. Die empfohlene Diagnostik beinhaltet daher
Bei nochmaliger detaillierter Anamnese konnte der
ein Differentialblutbild, die Bestimmung des totalen
Genuss von Nüssen als auslösender und aggravieren-
Immunglobulins E im Serum, eine Blutsenkungs-
der Faktor der Beschwerden eruiert werden. Die aller-
geschwindigkeit, einen Haut-Pricktest und RAST für
gologischen Untersuchungen (Pricktest und Radio-All-
allergenspezifische IgE, den Ausschluss von Infektio-
lösen können, müssen diese zwingend ausgeschlossen
ergo-Sorbens-Test; RAST) zeigten eine pathologische
nen durch Stuhlproben und Serologien, sowie obligat
Reaktion auf Haselnüsse und Mandeln, serologisch
eine Gastro- und Kolonoskopie mit Biopsieentnahme
fand sich eine Sensibilisierung auf Erdnüsse.
[4]. Diese Biopsie sollte neben dem typischen histologi-
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schen Bild mit Infiltration von mehr als 50 eosinophi-
Leider existieren bis heute keine randomisierten,
Andrea Blanc Bühlmann
len Granulozyten/HPF eine Zöliakie, eine chronisch
kontrollierten klinischen Studien zur Behandlung der
Klinik für Innere Medizin
Korrespondenz:
entzündliche Darmerkrankung oder eine Vaskulitis
Erkrankung, so dass die Therapie bisher empirisch
Spital Netz Bern AG
ausschliessen [4, 5]. Weiter sollte bei (repetitivem)
bleibt. Elementar dabei ist der Verzicht auf Nahrungs-
Tiefenaustrasse 112
Nachweis einer Hypereosinophilie im Differentialblut-
mittel, für die eine entsprechende Sensibilisierung
bild die Durchführung einer Knochenmarkbiopsie, die
nachgewiesen wurde [4]. Weiter ist die Behandlung mit
Bestimmung der Serumtryptase zum Ausschluss einer
topischen und/oder systemischen Steroiden die heutige
Mastzellerkrankung sowie des Vitamins B12 und eine
Standardtherapie mit einer Ansprechrate von bis zu
genetische Analyse des FIPL1-PDGFRα-Fusionsproteins
90% der Fälle [2]. In schweren Fällen kann eine Immun-
erfolgen, um ein Hypereosinophiliesyndrom auszu-
therapie mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin sinn-
schliessen [4].
voll sein [4]. PPI können sinnvoll sein, auch in Abwe-
Die Erkrankung verläuft üblicherweise gutartig. Seltene
senheit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit [4].
Spital Tiefenau
CH-3004 Bern
andrea.blanc[at]
spitalnetzbern.ch
Komplikationen sind eine Darmobstruktion, gastrointestinale Blutung, Cholangitis, Pankreatitis oder duodenale Ulzera [5]. Weiter kann eine unbehandelte Eosi-
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen
Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
nophile Enteritis zu einer schweren Malabsorption
Literatur
führen [5].
1
Schlussfolgerung für die Praxis
2
Auch wenn selten, so ist die Eosinophile Enteritis dennoch eine wichtige
Differentialdiagnose bei Hypereosinophilie mit gastrointestinalen Sym-
3
ptomen.
Die rasche Durchführung einer Endoskopie mit Biopsie kann zur Diagnosesicherung führen und dem Patienten bei Nachweis einer spezifischen Nahrungsmittelunverträglichkeit und entsprechend Elimination der Nahrungsmittel meist rasch zur Linderung der Symptome verhelfen.
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