cb-2015-7_Campos Nave

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BEITRÄGE RISIKOANALYSE UND -IDENTIFIKATION
Campos Nave, Dornröschen ist wachgeküsst – Wie die Vierte EU-GeldwäscheRichtlinie die Flucht ins Steuer-Märchenland provozieren wird
CB-BEITRAG
Dr. Susana Campos Nave, RAin
Dornröschen ist wachgeküsst – Wie die
Vierte EU-Geldwäsche-Richtlinie die Flucht
ins Steuer-Märchenland provozieren wird
Geldwäsche stellt seit jeher ein bekanntes und weit verbreitetes Alltagsphänomen dar. Geld wäscht, wer sog.
inkriminiertes Geld aus deliktischen Vortaten in den redlichen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen versucht.
Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über wesentliche Regelungsbereiche der 4. EU-GeldwäscheRichtlinie und untersucht deren Geeignetheit im Kampf gegen die Geldwäsche.
I. Ausgangslage und gesetzgeberischer Hintergrund
Geldwaschen ist Umtausch, Transfer, Verschleiern, Erwerben, Besitzen und Verwenden von unmittelbar oder mittelbar aus Straftaten
stammenden Vermögensgegenständen.1 Über den Umfang solcher
Tätigkeiten existieren zahlreiche Schätzungen, aber keine Feststellungen. Es werden meist weltweite Beträge von 1000 Milliarden US-Dollar jährlich2 oder ein Umfang von 2 bis 5 % der globalen Wirtschaftsleistung genannt.3 Ziel und gesetzgeberische Intention sind einfach
erklärt: Die Verkehrsunfähigkeit von Taterlösen soll die Begehung von
Vortaten sinnlos machen.4 Obgleich der Geldwäsche-Tatbestand des
§ 261 des Strafgesetzbuches aufgrund seiner ausufernden Regelungsdogmatik und der Entwicklung zu einem Einzelfall-Tatbestand jedem
Strafverteidiger ein Dorn im Auge ist, so darf die Entwicklung und das
Voranschreiten der Geldwäscheprävention aufgrund des Tätigwerdens des Europäischen Gesetzgebers nicht verschlafen werden.
Auf europäischer Ebene wurden erstmalig durch die EU-Richtlinie
Nr. 91/308 vom 10.6.1991 Maßnahmen im Kampf gegen die Geldwäsche ergriffen. Dies führte den deutschen Gesetzgeber dazu, den
Straftatbestand der Geldwäsche in das Strafgesetzbuch aufzunehmen und das „Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) zu verabschieden. Die vierte EUGeldwäsche-Richtlinie nimmt die im Februar 2012 formulierten und
überarbeiteten 40 Empfehlungen der Financial Action Task Force der
OECD (FATF) zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf. Sie zielt insgesamt auf einen mehr risikobasierten und
präventiven Ansatz ab. Der gezielte Austausch von Informationen auf
nationaler, europäischer und internationaler Ebene soll verbessert
werden.5 Gegenstand, Geltungsbereich und Ziel werden vom Europäischen Gesetzgeber als die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung definiert.6 Im sachlichen Geltungsbereich regelt die Richtlinie
die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung.7 Der persönliche
Geltungsbereich der Richtlinie erstreckt sich auf Kreditinstitute, Finanzinstitute, natürliche oder juristische Personen bei der Ausübung
ihrer beruflichen Tätigkeit.8
Das Europäische Parlament hat durch zweite Lesung die Vierte EUGeldwäsche-Richtlinie und die neue Geldtransferverordnung am
Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015
20.5.2015 angenommen.9 Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre
Zeit die Geldwäsche-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die
Vierte EU-Geldwäsche-Richtlinie zeichnet sich gegenüber der Vorgänger-Richtlinie10 dadurch aus, dass sie eine verstärkte Institutionalisierung des risikobasierten Ansatzes zur effizienteren Bekämpfung
der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beinhaltet. Weitere Änderungen liegen in der Ausweitung des Kreises der Verpflichteten,
strengere Vorschriften zu den Kundensorgfaltspflichten sowie eine
Verschärfung der möglichen Sanktionsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Vorgaben der Richtlinie durch die Verpflichteten.
II. Wesentliche Regelungsbereiche der Richtlinie
1. Risk based approach – Risikobasierter Ansatz
Art. 8 Abs. 1 der Geldwäsche-Richtlinie beinhaltet als zentrale Anforderung, dass die Mitgliedstaaten angemessene Schritte einleiten, um
die bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren wie Kunden,
Länder oder geographische Gebiete, Produkte, Dienstleistungen,
Transaktionen und Vertriebskanäle, zu ermitteln und zu bewerten.
Die identifizierten Risikobewertungen müssen aufgezeichnet, ständig
1 Fischer, Strafgesetzbuch, 61. Aufl. 2014, § 261, Rn. 4.
2 Flatten, Zur Strafbarkeit von Bankangestellten bei der Geldwäsche, 1996,
S. 3.
3 Vgl. Zuck, NJW 2002, 1397.
4 Fischer, Strafgesetzbuch, 61. Aufl. 2014, § 261, Rn. 4.
5 Vgl. IHK München und Oberbayern, Sachstand der 4. Geldwäscherichtlinie.
6 RiLi, Abschn. 1, Art. 1 Abs. 1.
7 RiLi, Abschn. 1, Art. 1 Abs. 2 und Abs. 5.
8 Wie etwa Abschlussprüfer, externe Buchprüfer und Steuerberater, Notare und
andere selbstständige Angehörige von rechtsberatenden Berufen, Dienstleister für Trust oder Gesellschaften, Immobilienmakler, andere Personen, die
mit Gütern handeln, soweit sie Zahlungen i. H. v. 10 000 Euro oder mehr in
bar tätigen oder entgegen nehmen, Anbieter von Glücksspieldiensten; vgl.
RiLi, Abschn. 1, Art. 2 Abs. 1.
9 RL (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
20.5.2015, nachfolgend RiLi.
10 RL 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.2.2013.
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Campos Nave, Dornröschen ist wachgeküsst – Wie die Vierte EU-GeldwäscheRichtlinie die Flucht ins Steuer-Märchenland provozieren wird
aktualisiert und den jeweils zuständigen Behörden übermittelt werden.11 In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass
zum Schutze des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes
ermittelt wird, welche Drittländer in ihren nationalen Systemen zur
Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung strategische Mängel aufweisen, die damit wesentliche Risiken für das Finanzsystem der Union darstellen.12
2. Verstärkte Sorgfaltspflichten
Die Mitgliedstaaten haben die von der Richtlinie betroffenen Unternehmen zur Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten zu verpflichten, wenn die nationale oder individuelle Risikoermittlung oder Risikobewertung Anzeichen für ein potentiell höheres Risiko identifiziert
hat.13 Ein Anzeichen für ein potentiell höheres Risiko sind z. B. verglichen zur Geschäftstätigkeit ungewöhnliche oder komplizierte Unternehmensstrukturen, bargeldintensive Unternehmen, Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen ohne persönlichen Kontakt, Produkte
oder Transaktionen, die Anonymität begünstigen könnten und Länder, in denen Korruption und andere kriminelle Tätigkeiten signifikant
stark ausgeprägt sind.14
3. Erweiterung der geldwäscherechtlichen Anforderungen
Eine Neuerung stellt auch die Ausweitung des Anwendungsbereiches der geldwäscherechtlichen Anforderungen dar. So wurde die
Schwelle für Bartransaktionen von 15 000 Euro auf 10 000 Euro
herab gesetzt.15 Das bundesdeutsche Recht bleibt damit hinter den
europäischen Vorgaben zurück. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 GwG16 ist eine
Identifizierung des Kunden erst ab 15 000 Euro Pflicht. Zudem erweitert die Geldwäsche-Richtlinie den Kreis der Verpflichteten auf
Anbieter von Glücksspieldiensten. Nach einer angemessenen Risikobewertung können die Mitgliedstaaten jedoch beschließen, Anbieter
von bestimmten Glücksspieldiensten, mit Ausnahme von Kasinos,
ganz oder teilweise von der Anwendung nationaler Vorschriften zur
Umsetzung der Richtlinie auszunehmen, wenn dies von der Art und
ggf. dem Umfang der Tätigkeiten solcher Dienstleister ausgehende
Risiko nachgewiesenermaßen gering ist.17 Auch hier besteht Umsetzungsbedarf und Anpassung in nationales Recht. Nach den §§ 9a ff.
des GwG sind lediglich Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen
im Internet Verpflichtete i. S. d. GWG. Für die übrigen Anbieter von
Glücksspielen kann es damit bei entsprechend negativ ausfallender
Risikoeinschätzung des Bundesgesetzgebers zu einer Erweiterung
des Anwendungsbereiches des GwG kommen.18 Verpflichtete nach
der neuen Geldwäsche-Richtlinie sind neuerdings auch die bei einer
Vermietung eingeschalteten Immobilienmakler.19 Insoweit wird hier
ebenfalls der Anwendungsbereich des GwG erweitert, da zuvor nur
die zum Kauf oder Verkauf eingeschalteten Immobilienmakler nach
§ 2 Abs. 1 Nr. 7a lit. a GwG zu den Verpflichteten gehörten.
4. Besondere Verpflichtungen im Umgang mit politisch
exponierten Personen
Die Geldwäsche-Richtlinie schreibt ein besonderes Pflichtenprogramm bei Transaktionen mit Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Personen (PEP) vor. Neu ist dabei, dass die Richtlinie nicht
mehr zwischen politisch exponierten Personen im In- und Ausland unterscheidet.20 Das GwG beinhaltet diese besonderen Sorgfaltspflichten bereits in § 6 Abs. 2 Nr. 1 GwG, so dass der Bundesgesetzgeber
hier nicht tätig werden muss. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat jeher diesen besonderen Sorgfaltspflichten keinen
eigenen Statuts und keine Besonderheit beigemessen. Die Behörde
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hat die verstärkten Sorgfaltspflichten gegenüber allen Kunden als gegeben angesehen.21
5. Neue Befreiungsregeln für E-Geld-Produkte
Neue Befreiungsregeln gelten auch für E-Geld-Produkte. Darunter ist
„ein monetärer Wert in Form einer Forderung gegen die ausgebende Stelle, der auf einem Datenträger gespeichert ist, gegen Entgegennahme eines Geldbetrags ausgegeben wird, dessen Wert nicht
geringer ist als der ausgegebene monetäre Wert und von anderen
Unternehmen als der ausgebenden Stelle als Zahlungsmittel akzeptiert wird.“22 Die Geldwäscherichtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten
zu gestatten, dass die Verpflichteten bestimmte Sorgfaltspflichten
gegenüber Kunden bei E-Geld nicht anwenden, wenn bestimmte risikomindernde Voraussetzungen erfüllt sind. Hierbei handelt es sich
in erster Linie um Produkteigenschaften, etwa dass die E-Geld-Karte
nicht wieder aufladbar und ihre Nutzung pro Monat limitiert ist oder
der darauf gespeicherte Betrag 250 Euro nicht überschreiten darf.23
6. Drittländer
Die Geldwäsche-Richtlinie überträgt der Europäischen Kommission
die Befugnis, Rechtsakte zu erlassen, um Hochrisikoländer zu identifizieren. Dabei sollen v. a. strategische Mängel wie etwa der rechtliche
Rahmen für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, Maßnahmen in Bezug auf Sorgfaltspflichten gegenüber
Kunden und die Pflicht, verdächtige Transaktionen zu melden, besondere Berücksichtigung finden.24
7. Sanktionen
Sehr viel konkreter als ihre Vorgängerin gibt die Vierte Geldwäscherichtlinie vor, wie die Mitgliedstaaten Verstöße gegen die Geldwäscheregeln zu sanktionieren haben. So legt sie bspw. für Kredit- und
Finanzinstitute eine maximale Bußgeldhöhe von 5 Mio. Euro oder
10 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes fest.25 Natürliche Personen können mit einer Bußgeldhöhe von ebenfalls 5 Mio. Euro belangt werden.26 Für deutsche Institute bedeutet dies eine beachtliche
Verschärfung: Bisher durften Bußgelder hierzulande im Regelfall maximal 100 000 Euro betragen. Außerdem soll künftig die betroffene
natürliche oder juristische Person und die Art des Verstoßes öffentlich bekannt gegeben werden (naming and shaming).27 Des Weiteren
haben die nationalen Aufsichtsbehörden alle verwaltungsrechtlichen
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RiLi, Art. 8 Abs. 2.
Vgl. RiLi, Art. 9 Abs. 1.
Vgl. RiLi, Art. 17 bzw. 18.
Et al. Scherp, 4. EU-Geldwäscherichtlinie – Vorschlag zur Neufassung der RL
2005/60/EG v. 22.5.2013.
RiLi, Art. 11, lit. c).
Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten – GwG
v. 13.8.2008.
RiLi, Art. 2 Abs. 2.
So auch Kunz/Schirmer, 4. EU-Geldwäscherichtlinie, Februar 2015, S. 2.
RiLi, Art. 2 Abs. 1, Nr. 3, lit. d).
RiLi, Art. 20.
Vgl. Kunz/Schirmer, 4. EU-Geldwäscherichtlinie, Februar 2015, S. 3.
RL 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.9.2000
über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-GeldInstituten, sog. E-Geld-Richtlinie.
RiLi, Art. 12.
RiLi, Art. 9.
RiLi, Art. 59 Abs. 3, lit. a).
RiLi, Art. 59 Abs. 3, lit. b).
RiLi, Art. 60 Abs. 1.
Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015
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Sanktionen und Maßnahmen an die europäischen Aufsichtsbehörden
zu melden; diese wiederum sind verpflichtet, auf ihren Internetseiten
auf die Veröffentlichungen der Aufsichtsbehörden zu verlinken.28
8. Register zu wirtschaftlich Berechtigten
Die Geldwäsche-Richtlinie verpflichtet erstmalig die Mitgliedstaaten
dazu, dass alle juristischen Personen daran gebunden sind, präzise
und aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten sowie zu
Art und Umfang der wirtschaftlichen Berechtigung einzuholen und
aufzubewahren. Diese Informationen sind in jedem Mitgliedstaat in
einem zentralen Register aufzubewahren. Das Register ist nicht öffentlich einsehbar. Zugang erhalten lediglich Aufsichtsbehörden, zentrale Verdachtsmeldestellen, Verpflichtete im Rahmen der Erfüllung
ihrer Kundensorgfaltspflichten sowie – soweit dies nach den nationalen Datenschutzbestimmungen zulässig ist – andere Personen oder
Organisationen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können.
Wo das Register in Deutschland eingerichtet wird, ist derzeit noch offen. Die registerführende Stelle muss die Angaben nicht überprüfen.
Dies wird auch künftig Aufgabe der Verpflichteten sein.29 Besonders
bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die
zentralen Register auch Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten von anglo-amerikanischen Trust-Strukturen enthalten. 30
Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass bei Trust-Strukturen auch
präzise und aktuelle Angaben zu den wirtschaftlichen Eigentümern
des Trust einzuholen sind.31 Die damit einhergehende steuerliche exponierte Stellung, die keinen Raum mehr für steuerliche Gestaltungsberatung lässt, erscheint bedenkenswert. Nach derzeit geltendem
Recht müssen Verpflichtete nach § 4 GwG im Rahmen der Identifizierung ihres Vertragspartners abklären, ob dieser für einen wirtschaftlich Berechtigten handelt und diesen ebenfalls identifizieren. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Verpflichteten nicht ausschließlich
auf das zentrale Register verlassen dürfen, um ihre Sorgfaltspflichten
zu erfüllen. Bei der Erfüllung dieser Pflichten ist entsprechend eines
risikobasierten Ansatzes und einer Einzelfallprüfung vorzugehen. 32
Wenn doch stets im Rahmen von kundenbezogenen Sorgfaltspflichten eine Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten vorzunehmen
ist, bleibt kein Raum für Rechtssicherheit und Enthaftung der Verpflichteten.
Vorgesehen ist auch, dass die zuständigen nationalen Sicherheitsund Fachbehörden, in Deutschland etwa das Bundeskriminalamt und
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, uneingeschränkt
zugänglich sind.33 Bedenkenswert erscheint jedoch die Passage, wonach alle Organisationen und Personen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können, Zugang zu den Daten des Registers haben.34
Wie dies mit nationalen Datenschutzbestimmungen zu vereinbaren
ist, bleibt zu prüfen und zu beobachten. Gerade bei internationalen
Großbanken, die auch Niederlassungen in den sog. Steuerparadiesen
unterhalten, war ohne diese Angaben ein großes Missbrauchspotential enthalten. Der sog. beneficial owner (BO) von Gesellschaften und
Trusts konnte so jahrzehntelang bewusst verschleiert werden.
Obwohl die geldwäscherechtlichen Anforderungen gestiegen sind,
verbleiben trotzdem den Unternehmergeist beflügelnde Ausflüge in
Steuer-Märchenparadiese. Die Länder der Alpenrepubliken weichen
exotischeren Zielen wie Belize. Denn wer die Daumenschrauben per
Gesetz zu eng anlegt, provoziert, dass der ökonomische Druck der
Unternehmer an anderer Stelle entweicht: Die Flucht ins Steuer-Märchenland. Die Steueroasen sind dabei zahlreich: Die Länder der Alpenrepubliken, die bekannten Offshore-Paradiese. Die Gefahr dabei
ist, dass zwar Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung eingedämmt
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Campos Nave, Dornröschen ist wachgeküsst – Wie die Vierte EU-GeldwäscheRichtlinie die Flucht ins Steuer-Märchenland provozieren wird
werden sollen, jedoch aber nicht bedacht wird, dass sog. Umgehungsgeschäfte stattfinden. Trickreiche Steuerberater können durch
gezielte Beratung die Steuerlast von Milliarden-Konzernen kleinrechnen. Die finanzielle Lücke, die dadurch in den einzelnen Volkswirtschaften klafft, ist enorm. Steuervermeidung schien kalter Kaffee zu
sein; dabei wird dieser erneut und besonders stark aufgebrüht. Zu
den Vortaten der Geldwäsche gehört eine Steuerhinterziehung nämlich nur dann, wenn sie gewerbsmäßig oder bandenmäßig erfolgt,
und zwar bezogen auf die durch eine Steuerhinterziehung ersparten
Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und
-vergütungen, (§ 261 Abs. 1 S. 3 StGB).
„Briefkastenfirmen können zukünftig nicht mehr im Verborgenen arbeiten“, so Grünen-Finanzexperte Sven Gigold im EU-Parlament. Als
„zentrale Errungenschaft“ im Kampf gegen Geldwäsche bezeichnete
SPD-Finanzexperte Peter Simon die Neuregelung. Damit werde endlich
„Licht in die obskure Welt der verschachtelten Unternehmenskonstrukte und Briefkastenfirmen“ gebracht.35 So wünschenswert diese
Folgen auch wären, bleibt dennoch zu bezweifeln, ob die Einführung
des Registers dies tatsächlich leisten kann. Besonders bedenkenswert
erscheint dabei v. a. nach den jüngsten Ereignissen des Datendiebstahls und Datenmissbrauchs um die Affäre der amerikanischen Nationalen Sicherheitsbehörde NSA, dass bei einem berechtigten Interesse
das Register für jedermann zugänglich ist – auch für investigative
Journalisten. So hoch der Verfassungsrang der Pressefreiheit gem.
Art. 5 Abs. 1 S. 2 Variante 1 GG auch berechtigterweise ist, so mächtig
ist auch der Wunsch nach Kriminalität im Grellfeld der Medien.
III. Zusammenfassung
Die oben dargestellte Abwanderung von Konzernen aus der nationalen europäischen Steuerhoheit ist zu befürchten. Der Gesetzgeber,
sei es der bundesdeutsche als auch der europäische, hat sich noch
nie einen Gefallen getan durch verstärkte Regulierung von bestimmten Vorgängen und Abläufen. Dort, wo die gesetzlichen Anforderungen so akribisch normiert sind, steigt sowohl deren Fehleranfälligkeit
als auch der Wunsch nach deren Umgehung. So verkümmert oft jeder guter Gedanke am Feigenblatt der gesetzgeberischen Akribie.
AUTORIN
Dr. Susana Campos Nave, RAin, ist bei
Rödl&Partner in Berlin als Strafverteidigerin
auf dem Gebiet des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts tätig. Des Weiteren berät sie
nationale und internationale Unternehmen
in der strafrechtlichen Präventionspraxis
(Corporate Compliance).
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RiLi, Art. 62.
RiLi, Art. 30.
RiLi, Art. 31.
RiLi, Art. 31 Abs. 1.
RiLi, Art. 30 Abs. 9 und 10.
RiLi, Art. 30 Abs. 5, lit. a).
RiLi, Art. 30 Abs. 5, lit. c).
Der Tod der Briefkastenfirma, abrufbar unter tagesschau.de vom 2.6.2015.
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