(Allgemeine) Didaktik!

Institut für Erziehungswissenschaft
Erziehungswissenschaft, Fachdidaktiken,
Allgemeine Didaktik – Zur Veränderung
komplexer Beziehungsverhältnisse
Referat an der Fokus-Tagung
«Konzepte der Disziplinarität»
der KOFADIS
13.01.2016, Pädagogische Hochschule Fribourg
Prof. Dr. Lucien Criblez
© Prof. Dr. Lucien Criblez, Historische Bildungsforschung und Steuerung des Bildungssystems
Übersicht
1. Einleitung
2. Zehn Thesen zum komplexen
Beziehungsgeflecht zwischen
Erziehungswissenschaft, Allgemeiner
Didaktik und Fachdidaktik
3. Ein Desiderat:
erziehungswissenschaftliche
Metareflexion der Didaktik?
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1. Einleitung
«Die Diskussion um das Selbstverständnis der Fachdidaktik in
Beziehung zur Allgemeinen Didaktik, zur Pädagogik und
Psychologie einerseits und zu den Fachwissenschaften
andererseits ist so alt wie die Fachdidaktik selber. Angesichts
von in der Lehrerbildung vorherrschenden unterschiedlichen
Ansätzen von Didaktik und Pädagogik, aber auch im Hinblick auf
die Heterogenität der in Schulen zu vermittelnden und deshalb
fachdidaktisch zu bearbeitenden wissenschaftlichen, praktischen
und musischen Bildungsgegenstände, halte ich die Streitfrage
nicht nur für wenig fruchtbar, sondern zumindest heute auch für
kaum entscheidbar» (Reusser, 1991, S. 196).
Trotzdem Ziel des Referates: Zeigen, dass es sich lohnt, sich mit
dem Verhältnis auseinanderzusetzen.
Vielleicht: einige nicht ganz konventionelle Positionen
Sicher nur: thesenartig, Grundlage für Reflexion und Diskussion
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2. Zehn Thesen zum komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Erziehungswissenschaft, Fachdidaktiken und
Allgemeiner Didaktik
1. Die Fachdidaktiken entwickeln sich im historischen
Prozess von der Praxisreflexion über Lehr“disziplinen“
zu Forschungs“disziplinen“!
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3 Phasen der Entwicklung der Fachdidaktik
1. Fachdidaktik als Teil des Diskurses von „Schulmännern“
(Lehrern, Schulinspektoren, Seminardirektoren …) über die
„Modernisierung“ der Schule und „Qualitätsstandards“ in der
Schule
Ausprägung vor allem als Methodendiskurs mit dem Ziel:
Verbesserung der Unterrichtspraxis
teilweise: Technologieerwartungen im Sinne von: die beste
und wirksamste Methode (kontext- und
personenunabhängig)
2. Fachdidaktiken als Lehr“disziplinen“ in der Lehrerinnen- und
Lehrerbildung
-
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in der universitären Ausbildung von Sekundar- und
Gymnasiallehrpersonen: seit den 1910er-Jahren (Criblez,
2011)
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-
in der Ausbildung von Primarlehrkräften: seit der Einführung
von tertiären Ausbildungsmodellen bzw. der Trennung von
Allgemeinbildung und Berufsbildung -> eigenständige
Ausbildungsbereiche (Badertscher et al., 1993); Profilierung im
LEMO-Bericht (Müller et al., 1975)
3. Fachdidaktik als Lehr- und Forschungs“disziplinen“ im Rahmen
der Pädagogischen Hochschulen
-> Teil des Entwicklungsprozesses von der rezeptiven Vermittlung
von Erkenntnissen zur produktiven Generierung von
Erkenntnissen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Larcher
Klee & Sieber, 2007)
-> sekundäre Disziplinenbildung (Stichweh, 1987)
«Didaktiken bilden ein wissenschaftliches Forschungsfeld, das die
Vermittlung von Wissen und Können in dafür spezialisierten
Institutionen zum Gegenstand hat» (Schneuwly, 2013, S. 19).
-> Braucht es noch eine Allgemeine Didaktik? (Gautschi, 2004;
Nentwig, 2004) -> Verteidigungsposition (Koch-Priewe et al., 2007;
Tröhler, 2004)
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2. Die Fachdidaktiken zeigen teils Merkmale von
wissenschaftlichen Disziplinen, teils aber auch
(noch?) nicht!
Wissenschaftssoziologisch (u.a. Becher, 1989; Bourdieu, 2001)
gesehen verfügen die Fachdidaktiken in der Schweiz inzwischen
über einige wesentliche institutionelle „Insignien“ bzw. Merkmale
einer wissenschaftlichen Disziplin:
-
Professuren (in der Schweiz v.a. an Pädagogischen
Hochschulen, teilweise auch an Universitäten -> Genf, teilweise
Zürich)
-
Tagungen und Kongresse
-
„Fachgesellschaften“ (SGL, fdd, KOFADIS)
-
Wissenschaftliche Kommunikationsorgane/Zeitschriften (nicht in
der Schweiz, aber im deutschsprachigen Raum)
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(Noch?) fehlende Merkmale einer wissenschaftlichen Disziplin:
-
eigenständige Institute
-
eigenständige Möglichkeiten der Nachwuchsförderung;
Nachwuchsförderung im Rahmen der Erziehungs/Bildungswissenschaften (Basel, Genf, Zürich)
-
erst teilweise eigenständige Theorieproduktion, die von einem
professionellen Feld rezipiert wird
-
keine eigenständigen Methoden -> sozial- und
geisteswissenschaftliche Methoden (gilt auch für
Erziehungswissenschaft)
Fachdidaktiken: „mehr und mehr disziplinär organisiert“
(Schneuwly, 2005)!
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3. Die akademischen Disziplinen sind in sehr
unterschiedlichem Ausmass Referenzdisziplinen für
die Fachdidaktiken!
Akademischen Referenzdisziplinen: nur eine Bestimmungsgrösse
für die Fachdidaktik -> unterschiedliche Referenzialitäten
(Reusser,1991)
-
Akademische Disziplinen und Wissenschaft: nicht alleinige
Referenz für Schulfächer (vgl. Reusser: Eingangszitat)
- gesellschaftlich als notwendig erachtete Fähigkeiten
/Fertigkeiten: Hauswirtschaft, Turnen, Singen, Schreiben …
- Kultur, Kunst (schulischer Auftrag des Tradierens)
- gesellschaftliche Praxen (Medien; Staatsbürgerpflichten in der
Demokratie/Politische Bildung)
- gesellschaftlicher Problemlösebedarf (Umwelt-,
Gesundheitserziehung …)
-
Spezialisierung in den akademischen Referenzdisziplinen versus
Schulfächer als Problem (z.B. Räum, Zeiten, Gesellschaften;
Wirtschaft, Arbeit, Haushalt)
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-
Schulfächer ohne akademische Referenzdisziplin
(Hauswirtschaft, Handarbeit, teilweise Musik …)
-
Schulfächer mit nicht eindeutigen, teils multiplen
akademischen Referenzdisziplinen (Heimatkunde/-unterricht;
Religionen und Kulturen/Ethik, Politische Bildung,
Naturwissenschaft und Technik, Wirtschaft und Recht …)
-> Im historischen Prozess haben sich die Bezüge zwischen
einem Teil der Schulfächer, den „kognitiven“ Fächern, und
ihren Referenzdisziplinen abgeschwächt – allerdings in
unterschiedlichem Ausmass je Schulstufe.
-> Nur teilweise Kongruenz zwischen akademischer Disziplin
und Fachdidaktik -> Differenz zwischen Forschung in der
akademischen Disziplin und in der Fachdidaktik
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-
Aber auch: „Bruch mit dem ‚Applikationismus‘“ (Schneuwly,
2005, S. 455)
-
Gemeinsame Referenzdisziplin der Fachdidaktiken:
Erziehungswissenschaft
-
Gemeinsames Forschungsinteresse der Fachdidaktiken:
Analyse der Transformationsprozesse (transposition
didactique; Chevallard, 1985): Selektion, Konstruktion,
Rekombination, „Ordnen“ horizontal und vertikal,
Popularisieren und Didaktisieren von Wissen, Fähigkeiten,
Fertigkeiten, Kompetenzen, Werten …
- wissenschaftliches Wissen -> schulisches Wissen
- gesellschaftlich-kulturelle Praxen -> schulisch zu
vermittelnde Fähigkeiten und Fertigkeiten
- Gesellschaftliche Werte -> schulisch zu vermittelnde Werte
- Kulturelle Güter -> Tradieren durch Unterricht
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4. Die Allgemeine Didaktik und die Fachdidaktiken
sind wesentlich mehr als Methodik!
-
Im traditionellen Fachdiskurs und in der traditionellen
Lehrerinnen- und Lehrerbildung: Fachdidaktik wurde (und
wird) oft gleichgesetzt mit bzw. reduziert auf Methodik
-
Deutlich wird dies insbesondere in Reformdebatten, die
oftmals Methodendebatten waren und sind:
- Reformpädagogik: Arbeitsprinzip/Selbsttätigkeit
- 1990er-/2000er-Jahre: Neue Lehr-/Lernformen
-
In der Lehrerinnen- und Lehrerbildung: Methode steht aus
Gründen des Praxisdruckes im Vordergrund
-
Aber: Didaktik beschäftigt sich nicht nur mit dem Wie, sondern
auch mit dem Was (Reusser, 1991)!
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-
Fachdidaktik muss alle Transformationsprozesse (vgl. These
3) vom wissenschaftlichen Wissen oder andern
extraschulischen Referenzen zu schulischem Wissen
bearbeiten: selektionieren, ordnen, transponieren,
didaktisieren/methodisieren, popularisieren/trivialisieren …
-
Die Methodenperspektive bezieht sich nur auf eine von drei
Ebenen, auf denen die Fachdidaktik tätig sein muss:
Mikro: Unterricht (Methodenfragen, Aufgabenkulturen, …)
Meso: Schule
Makro: Schulsystem/Bildungspolitik
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5. Fachdidaktik ist angewandte Erziehungs/Sozialwissenschaft!
„Didaktik ist die Wissenschaft und Lehre von den gegenstands- oder
fachbezogenen Prozessen des Lehrens und Erkennens bzw. vom
pädagogisch angeleiteten, sach- und methodenbezogenen Lernen
und Verstehen“ (Reusser, 1991, S. 197).
„Fachdidaktik wurde verstanden als Reflexion über die
‚pädagogische Dimension des Faches‘, Forschungsgegenstand der
Fachdidaktik ist das jeweilige Schulfach unter Anwendung der in der
Allgemeinen Didaktik üblichen Methoden (Beckmann, 1978, S. 111).
Dilemma der Entwicklung (These 1): Fachdidaktische Forschung in
der 3. Entwicklungsphase ist (empirische) Unterrichtsforschung ->
Versozialwissenschaftlichung der Fachdidaktiken (am Beispiel
Naturwissenschaftsdidaktik: Heitzmann, 2004)
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-> Didaktik = anerkannt als Teil der Erziehungswissenschaft
(Kron, Jürgens & Standop, 2014, S. 20ff.)
-> Wenn Fachdidaktik eine schulfachspezifische Didaktik ist, ist
sie angewandte Erziehungswissenschaft im Sinne der
Anwendung erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen,
Vorgehensweisen und Methoden auf Forschung in einem
Unterrichtsfach. Sie ist aber – im Sinne des „Mehr als
Methodik“ – auf weitreichende Kenntnisse aus den
akademischen Referenzdisziplinen angewiesen, um
grundlegende fachdidaktische Fragen bearbeiten zu können
(systematischer Aufbau der Lernprozesses,
Curricularisierung, Schwierigkeitsgrade, Gegenstandslogik
und -adäquatheit …)
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6. Fachdidaktik ist mehr als auf ein
Unterrichtsfach angewandte (Allgemeine)
Didaktik!
„Allgemeine Didaktik ist wie Stricken ohne Wolle“ (Dietrich,
1994).
-
Neben den Schulfächern sind für die Fachdidaktik konstitutiv:
die extradidaktischen und extraschulischen Referenzfelder:
- akademische Referenzdisziplinen
- Kulturgut
- gesellschaftliche nachgefragte Fähigkeiten und Fertigkeiten
- gesellschaftliche Problemlagen
-
Logik, Systematik und Ordnung der Referenzfelder sind für
fachdidaktische Fragen zentral -> Differenzen zwischen den
Schulfächern macht Fachdidaktiken notwendig!
Umkehrthese: Allgemeine Didaktik ist generalisierte
Fachdidaktik – wenn denn Generalisierungen¨oberhalb der
Schulfächer überhaupt möglich sind.
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7. Fachdidaktik ist mehr als empirische
Unterrichtsforschung in einem Schulfach!
-
3 empirische Wendungen in den Erziehungswissenschaften:
- Beginn 20. Jahrhundert: experimentelle Pädagogik und
Didaktik (Criblez, 2010)
- «realistische Wendung» (Roth, 1962) in den 1960er/1970er Jahren: Orientierung an den Sozialwissenschaften,
Pädagogik -> Erziehungswissenschaft
- 2000er-Jahre: Aufschwung der empirischen
Bildungsforschung (in der Folge von PISA)
-> In der Fachdidaktik: von der normativen Lehrdisziplin zur
empirischen Unterrichtsforschung
-
Nicht einfach: Innovation im Sinne neuer (empirischer)
Methoden, sondern mit empirischer Wende ist auch
verbunden: Transformation des Forschungsgegenstandes von
der Reflexion über Unterricht zur empirischen Untersuchung
von Unterricht
Den Aufschwung der FD in diesem Kontext interpretieren!
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Aber
Gründe gegen die Verengung der Fachdidaktik auf empirische
Unterrichtsforschung:
-
Methodenpluralismus in der fachdidaktischen Forschung,
insbesondere wenn andere Dimensionen/Ebenen der
Fachdidaktik als die Mikroebene berücksichtigt werden
-
Fachdidaktik ist auch mit normativen Fragen beschäftigt, etwa
der Konstruktion von Lehrplänen und der Entwicklung von
Lehrmitteln -> sinnvoll mit Normativität des Gegenstandes
umgehen, Normativität des Gegenstands als
Forschungsthema
-
Die Fachdidaktiken brauchen einen weitergehenden
Theoriebildungsanspruch! Induktive Verfahren sollten – so
zumindest der Forschungsanspruch – in Theorieproduktion
münden!
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8. Die Fachdidaktik vernachlässigt bisher das
Konstituens ihrer selbst: das Schulfach!
„Die Schulfächer, denen sich die Fachdidaktiken zuordnen,
definieren sich als kategoriale inhaltliche und methodische
Gesichtspunkte, anhand deren wir unser Weltwissen ordnen, als
Perspektiven, unter denen wir die Natur- und Kulturwelt
wahrnehmen. Sie sind Ausdruck unseres überlieferten
Kulturverständnisses und beinhalten die ihm entsprechenden
Denkweisen und Deutungsmuster. Die Fachbereiche und ihre
gegenseitigen Abgrenzungen sind zwar geschichtlich und
kulturell geprägt, […] jedoch im Prinzip wie die Wissenschaften
und die gesellschaftlichen Bedingungen einem ständigen Wandel
unterworfen, d.h. veränderbar“ (Wyss & Reusser, 1985, S. 71).
Fachdidaktik konstituiert sich wesentlich über das Schulfach,
auch wenn sie angewandte Erziehungswissenschaft ist! Das
Schulfach definiert den „Zuständigkeitsbereich“!
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-
Schulfächer = historisch-gesellschaftliche Konstruktionen
(Chervel, 1998; Goodson, Hopmann & Riquarts, 1999).
-> Fachdidaktik braucht deshalb auch ein Interesse für die
entsprechenden (bildungspolitischen) Akteure und deren
Interessen und Ansprüche an die Schule (-> These 10)
-> Die Auseinandersetzung mit den Schulfächern und deren
historischer Entwicklung ist für die wissenschaftliche
Fachdidaktik konstitutiv (Criblez & Manz, 2015).
-
Auswählen und Ordnen des Wissens und des schulisch zu
Vermittelnden sind fachdidaktische Kernaufgaben: Ohne
Referenz auf und Kenntnis der entsprechenden
wissenschaftlichen Refefenzdisziplinen bzw. anderer
Referenzgrössen (Kultur, gesellschaftliche Problemlagen …)
ist das unmöglich.
-
Dies gilt sowohl für die äussere als auch für die innere
„Ordnung“ der Schulfächer
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9. Die Fachdidaktiken brauchen eine historische
Perspektive!
-
Lange Tradition des fachdidaktischen Diskurses -> ernst
nehmen als „Wissensreservoir“ als Professionalisierungsfaktor
(Beispiel: Diskussion über Kompetenzorientierung ohne Bezüge
zur Curriculumdiskussion der 1970er-/1980er-Jahre)
-
Wenn Schulfächer historisch-gesellschaftliche Konstruktionen
sind (wissenssoziologische und -historische Position):
-> auch Fachdidaktik verändert sich mit der Veränderung von
Schulfächern
-> Wissenschaftsorientierte Fachdidaktik muss sich mit diesen
sie selbst konstituierenden Veränderungen auseinandersetzen!
-> Notwendigkeit der Beschäftigung mit der historischen
Dimension von Schulfächern in der Ausbildung (MA, PhD)
von Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern
-
Selbstreflexive Beschäftigung mit sich verändernden
Schulfachgrenzen schafft notwendige kritische Distanz zum
eigenen Forschungsgegenstand
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10. Die Fachdidaktiken haben eine gesellschaftspolitische Dimension. Sie müssen sich auch mit der
Makroperspektive der „schulischen Wissenspolitik“
beschäftigen, nicht nur mit der Mikroperspektive!
-
In Anlehnung an Nico Stehr „Wissenspolitik“ (2003):
Fachdidaktische Forschung muss auch die „Makroebene“ des
Bildungssystems fokussieren und die „schulische
Wissenspolitik“ analysieren:
- Entscheidungsprozesse und –verfahren
- Legitimationsmuster
- Kompetenzordnungen und Steuerungsinstrumente
- Akeurskonstellation und ihre Handlungskoordinationen
-…
-
Entwicklungsrichtung: Die Fachdidaktiken (genereller: die
Didaktik) sollten ihren Forschungsradius erweitern im Sinne
der curriculum studies, wie sie im angelsächsischen
Sprachraum betrieben werden (Kridel, 2010; Malewski, 2009)
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3. Ein Desiderat: erziehungswissenschaftliche
Metareflexion der Didaktik?
Wie geht die (Allgemeine, Fach-)Didaktik mit dem Grundwiderspruch
aller didaktischer Bemühungen um, dass
einerseits jede didaktische Forschung und jeder didaktische
Erkenntnisgewinn mit dem alten Wunsch Comenius’ verbunden ist,
«die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die
Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr
lernen; in Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe
herrsche, dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt»
(Comenius, 1632/1954, S. 9);
andererseits das Postulat nach Individualisierung jegliche Versuche
von Generalisierungen in diese Richtung grundlegend in Frage stellt?
Solche und ähnliche Fragen bedürfen einer Metareflexion – der
erziehungswissenschaftliche Diskurs (Erziehungswissenschaften im Plural) bietet den Fachdidaktiken im Kontext der
Sozialwissenschaften den notwendigen Rahmen.
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Besten Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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