Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt An den Grossen Rat 15.5452.02 JSD/P155452 Basel, 13. Januar 2016 Regierungsratsbeschluss vom 12. Januar 2016 Schriftliche Anfrage Heinrich Ueberwasser betreffend «Einsatz des Zivilschutzes bei einer Flüchtlingswelle» Das Büro des Grossen Rates hat die nachstehende Schriftliche Anfrage Heinrich Ueberwasser dem Regierungsrat zur Beantwortung überwiesen: «Gemäss Medienberichten will der Bund hauptsächlich den Zivilschutz beiziehen, um die Hilfe für Flüchtlinge zu realisieren, sollte es zu grossen Flüchtlingszahlen kommen. Anders als der Bund zweifle ich, ob die offenbar zur Verfügung stehenden 73'000 aktiven Angehörigen des Zivilschutzes rechtzeitig aufgeboten, geschult und eingesetzt werden können. Der Zivilschutz leistet zwar immer wieder gute Arbeit, ist aber selbst laufend einschneidenden Veränderungen und Verkleinerungen ausgesetzt und braucht für eine solche schwierige und aufwändige Aufgabe selbst Unterstützung. Ich frage deshalb den Regierungsrat: 1. Teilt der Regierungsrat meine Einschätzung, dass der Zivilschutz die Aufgaben im Zusammenhang mit einer Flüchtlingswelle nicht alleine bewältigen kann? 2. Wieviele aktive Zivilschutzangehörige aus Basel-Stadt (mit welchem beruflichen Hintergrund) würden zur Verfügung stehen? 3. Wieweit sind die aktiven Zivilschutzangehörigen für Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen geschult und haben vergleichbare Aufgaben geübt? 4. Wieviel Zivilschutzanlagen und welches Material stehen in Basel-Stadt zur Verfügung? 5. Wie lange können und sollen Flüchtlinge bei welcher Belegung in Zivilschutzanlagen wohnen und wieweit ist die Unterbringung und Betreuung danach sichergestellt? 6. Welche staatlichen und privaten Organisationen aus Basel-Stadt sowie von ausserhalb von Bund und Kantonen können und sollen den Zivilschutz unterstützen oder sogar unabhängig vom Zivilschutz zum Einsatz kommen? 7. Welche Funktionen können und wollen private Organisationen übernehmen, die Erfahrungen mit der Betreuung und Integration von Migranten und Migrantinnen haben? 8. Ist der Kanton Basel-Stadt (in Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen Kantonen) dementsprechend organisatorisch auf die Aufnahme von Flüchtlingen in grosser Zahl vorbereitet? 9. Wieweit arbeiten der Zivilschutz und andere Organisationen in Flüchtlingsfragen grenzüberschreitend mit den Behörden und Organisationen im Trinationalen Eurodistrict Basel TEB und darüber hinaus zusammen? Heinrich Ueberwasser» Wir beantworten diese Schriftliche Anfrage wie folgt: Den Mitgliedern des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt zugestellt am 15. Januar 2016. Seite 1/3 Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Seit Ende Oktober 2015 ist die Schweiz deutlich intensiver von den europäischen Migrationsbewegungen betroffen. Aufgrund dieser Entwicklungen hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Prognosen für das Jahr 2015 angepasst und hat mit insgesamt rund 35'000 (+/- 5'000) Asylgesuchen bis Ende Jahr gerechnet. Für das Jahr 2016 geht das SEM von vergleichbaren Richtwerten aus. Der Kanton Basel-Stadt hat gemäss Bundesauftrag für die Unterbringung und Betreuung der zugewiesenen Asylsuchenden zu sorgen. In Basel-Stadt ist das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) – namentlich die Sozialhilfe – mit dieser Aufgabe betraut. Gemäss nationalem Verteilschlüssel werden derzeit 1,9% der Asylsuchenden zugewiesen, abzüglich diverser Kompensationsleistungen. 1. Teilt der Regierungsrat meine Einschätzung, dass der Zivilschutz die Aufgaben im Zusammenhang mit einer Flüchtlingswelle nicht alleine bewältigen kann? Der Zivilschutz ist einer der Partner der Sozialhilfe. 2. Wieviele aktive Zivilschutzangehörige aus Basel-Stadt (mit welchem beruflichen Hintergrund) würden zur Verfügung stehen? Dem Zivilschutz Basel-Stadt steht ein Sollbestand von 800 Angehörigen aus unterschiedlichsten Berufsgattungen zur Verfügung. Diese erhalten nach ihrer Einteilung in den Zivilschutz eine Grund- sowie eine Fachausbildung. Fachausbildung Technische Hilfeleistung Betreuung Führungsunterstützung Logistik Kulturgüterschutz Angehörige 400 150 100 100 50 Tabelle 1: Zivilschutzorganisation Basel-Stadt, Anzahl Angehörige nach Fachausbildung 3. Wieweit sind die aktiven Zivilschutzangehörigen für Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen geschult und haben vergleichbare Aufgaben geübt? In den Grund- und Fachkursen ausgebildet sowie in den Wiederholungskursen in Altersheimen angewendet wird die Aufnahme und Betreuung von schutzsuchenden Personen. Die bei Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen spezifischen Themen wie Sprache, Kultur etc. sind jedoch keine Schwerpunktthemen. 4. Wieviel Zivilschutzanlagen und welches Material stehen in Basel-Stadt zur Verfügung? Der Zivilschutz verfügt grundsätzlich über 65 Anlagen. In diesen stehen Betten, Matratzen und Wolldecken zur Verfügung. Die wenigsten davon sind jedoch für die Unterbringung von Flüchtlingen geeignet (Sanitäre Einrichtungen, Brandschutz, Notausgänge, Schlafstellen, räumliche Aufteilung etc.). 5. Wie lange können und sollen Flüchtlinge bei welcher Belegung in Zivilschutzanlagen wohnen und wieweit ist die Unterbringung und Betreuung danach sichergestellt? Per Ende Dezember 2015 stehen der Sozialhilfe rund 150 Reserveplätze in ordentlichen Asylstrukturen und rund 100 Plätze in unterirdischen Zivilschutzanlagen zur Verfügung. Letztere gelten weiterhin als notfallmässige Übergangslösung. Seite 2/3 Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt 6. Welche staatlichen und privaten Organisationen aus Basel-Stadt sowie von ausserhalb von Bund und Kantonen können und sollen den Zivilschutz unter-stützen oder sogar unabhängig vom Zivilschutz zum Einsatz kommen? 7. Welche Funktionen können und wollen private Organisationen übernehmen, die Erfahrungen mit der Betreuung und Integration von Migranten und Migrantinnen haben? Wie eingangs erwähnt, ist primär die Sozialhilfe für die Betreuung und Unterbringung der Asylsuchenden im Kanton Basel-Stadt zuständig. Bei der Sozialhilfe und den Hilfswerken gehen aus der Zivilbevölkerung seit Monaten zahlreiche Unterstützungsangebote für Flüchtlinge ein. Diese Solidarität und Hilfsbereitschaft ist sehr zu begrüssen, denn zu einer gelingenden sozialen Integration von Flüchtlingen trägt die Zivilbevölkerung massgeblich bei. Im Sinne von Sofortmassnahmen sind zwei Koordinationsstellen geschaffen worden: 1) Die Koordinationsstelle «Freiwillige für Flüchtlinge»1 sammelt und triagiert die eingehenden Unterstützungsangebote und vernetzt mit den bestehenden Organisationen und Projekten. Sie leitet die Angebote an interessierte Flüchtlinge, die Begleitung im Alltag brauchen, Deutsch üben möchten oder Aufgabenbetreuung von Schulkindern suchen, weiter. Die Christoph Merian Stiftung und der Kanton Basel-Stadt, unterstützt von der reformierten Landeskirche, haben die Offene Kirche Elisabethen mit der Leitung der Koordinationsstelle beauftragt. 2) Die GGG-Kontaktstelle «Gastfamilien für Flüchtlinge»2 nimmt Wohnangebote von Privaten entgegen, prüft sie und vermittelt diese an Flüchtlinge, die in kantonalen Asylstrukturen untergebracht sind. Das WSU hat die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige mit dieser Aufgabe beauftragt, da diese über Erfahrungswerte sowohl in der Beratung von Ausländerinnen und Ausländern als auch in der Arbeit mit Freiwilligen verfügt. 8. Ist der Kanton Basel-Stadt (in Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen Kantonen) dementsprechend organisatorisch auf die Aufnahme von Flüchtlingen in grosser Zahl vorbereitet? Der Kanton Basel-Stadt ist im Rahmen der Eventualplanung auf Szenarien mit rasch ansteigenden Zuweisungen von Flüchtlingen vorbereitet. Es wurde ein Koordinationsstab Asyl mit Vertretungen aus dem Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, dem Justiz- und Sicherheitsdepartement, dem Gesundheitsdepartement sowie dem Bau- und Verkehrsdepartement eingesetzt, der in stetem Austausch mit dem Kernstab der Kantonalen Krisenorganisation (KKO) steht. Sollte eine ausserordentliche Lage eintreten, würde die KKO die Führung in Sachen Unterbringung und Erstversorgung von Flüchtlingen übernehmen. 9. Wieweit arbeiten der Zivilschutz und andere Organisationen in Flüchtlingsfragen grenzüberschreitend mit den Behörden und Organisationen im Trinationalen Eurodistrict Basel TEB und darüber hinaus zusammen? Die Zuständigkeit für Flüchtlingsfragen ist national geregelt. Internationale Zusammenarbeit im Asyl- und Flüchtlingsbereich liegt in der Kompetenz des Bundes. Im Namen des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt Dr. Guy Morin Präsident 1 2 Barbara Schüpbach-Guggenbühl Staatsschreiberin www.fff-basel.ch www.ggg-fluechtlinge.ch Seite 3/3
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