PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

Pastoralreferent Rolf Müller, Frankfurt
„Übrigens“ in hr 4 am Donnerstag, 14. April 2016
Sich drauf einlassen
Überall begegnet mir das Thema „Flüchtlinge“. Die Nachrichten sind voll von Berichten
und Analysen; Politiker streiten darüber, wie viele Flüchtlinge unser Land aufnehmen
kann. Wahlen werden davon bestimmt, und auch in meinem Freundeskreis gibt es oft
nur dieses eine Thema. Nur Flüchtlingen selbst, denen war ich bisher eigentlich recht
selten begegnet. Das wollte ich ändern.
In meiner Gemeinde gibt es viele Leute, die sich mit viel Herz und Verstand den
Flüchtlingen aus unserem Stadtteil annehmen. So veranstalten sie einmal im Monat ein
„Cafe International“. Das ist einfach eine lockere Begegnungsmöglichkeit für Flüchtlinge
und Einheimische bei Kaffee und Kuchen. Es gibt dort die Möglichkeit zum Reden,
Kennenlernen und Informationen austauschen.
Letzte Woche war ich dabei. Zugegeben: Vorher war mir etwas flau im Magen. Ich
wusste einfach nicht, was mich erwartet und welchen Menschen ich begegne. Und als
ich in den Saal rein ging, war ich unsicher. Da waren viele Menschen
unterschiedlichster Hautfarbe, ich konnte viele fremde Sprachen hören, von denen ich
kein Wort verstand. Dann habe ich mir ein Herz gefasst und mich einfach an einen
Tisch dazu gesetzt. Und siehe da: Mit ein paar Brocken Deutsch, etwas Englisch und
mit Hand und Fuß war das Eis ganz schnell gebrochen. Ich kam mit den zwei Männern
aus Eritrea am Tisch sofort in ein sehr interessantes und gutes Gespräch. Sie erzählten
mir von Unterdrückung und Armut und von ihrer langen Reise hierher. Das ging mir
unter die Haut. Ich habe von hier erzählt, wie ich hier die Stimmung wahrnehme, was
für Schwierigkeiten es gibt. Aber es waren nicht nur ernste Dinge, über die wir
gesprochen haben. Es gab auch viel zu lachen! Anschließend haben wir sogar noch
zusammen mit den Kindern gespielt, die da waren.
Als das Cafe nach zwei Stunden zu Ende war, bin ich mit einem neuen Gefühl nach
Hause gegangen. „Flüchtlinge“, das war für mich nicht mehr eine anonyme Masse von
Menschen, von denen ich Bilder im Fernsehen gesehen habe. Sondern ich habe jetzt
konkrete Menschen vor mir. So manche Befürchtung habe ich so hinter mir gelassen.
Ich habe mir ein eigenes Bild von der Situation machen können und besonders von
denen, um die es eigentlich geht: Menschen, die aus großer Not kommen. Und
hinterher habe ich mir gedacht: „Wie gut, dass ich mich da drauf eingelassen habe!“
Zum Nachhören als Podcast:
http://www.hr-online.de/website/radio/hr4/index.jsp?rubrik=29232