Vortrag: Flüchtlinge zwischen Traumatisierung, Resilienz und Weiterentwicklung Die Ankunft der vielen Flüchtlinge aus Syrien und aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten der Welt in Europa hat das Thema Trauma durch Gewalterfahrung wieder in die Mitte der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Allerdings werden viele Flüchtlinge nur als hilfsbedürftig, als körperlich oder seelisch krank und als behandlungsbedürftig betrachtet. Der Blick auf Defizite bestimmt häufig unser Bild vom Flüchtlingsdasein. Damit wird man vielen dieser Menschen nicht gerecht. Viele möchten auch nicht das Etikett des hilfsbedürftigen psychisch Kranken angehängt bekommen. Der Blick auf ihre Ressourcen, Stärken und Widerstandskräfte weitet auch enorm die Möglichkeiten aus, unabhängig von fachkundiger therapeutischer Behandlung hilfreich diesen Menschen zu begegnen. Er trägt zur Erhaltung eigener innerer Kräfte und zur Bewältigung von erlittenen Leid und schweren seelischen Belastungen bei. Dabei wird nicht nur der Blick auf individuelle Personeneigenschaften gelenkt, sondern die dynamische Wechselwirkung mit Umweltfaktoren im Bewältigungsprozess diskutiert. Der Erhalt von Ressourcen und Stärken sowie die Wiederherstellung und Förderung adaptiver Systeme nach einer Traumatisierung ist häufig zunächst förderlicher als das Aussprechen leidvoller Erfahrungen, bei denen sie nur Ohnmacht und Hilflosigkeit erleben mussten. Resilienz ist keine unveränderbare und überdauernde Eigenschaft eines Flüchtlings, sondern verändert sich im unspektakulären Alltag in der Postmigrationsphase. Im gesellschaftlichen Umgang mit Flüchtlingen wird dieses noch viel zu wenig beachtet. Deshalb sollten wir stärker im psycho-sozialen Umgang mit Flüchtlingen unser Augenmerk auf Resilienz und Wachstum richten. Das wird letztlich auch den Helfern und Unterstützern gut tun und ein eigenes Ausbrennen vermeiden. Ernst-Ludwig Iskenius: Kinder- und Jugendarzt; ehem. ärztlicher Leiter des Behandlungszentrums für traumatisierte Flüchtlinge in VillingenSchwenningen; Fortbildner im Flüchtlingsbereich; Ehrenamtliche Tätigkeit im Aktionsnetz Heilberufe von AI, IPPNW t.
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