Dankesrede von Mag. Wolfgang Glaser anlässlich der Verleihung der Verdienstmedaille um die Republik Österreich Liebe Mitglieder des VQÖ Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Vorstand! Sehr geehrter Herr Magister Weinert! Es ist mir eine große Ehre diese Auszeichnung heute entgegennehmen zu dürfen. Im Gegensatz zu den meisten Mitgliedern des Verbandes der Querschnittgelähmten Österreichs, bin ich nicht durch einen Unfall querschnittgelähmt, sondern ich wurde 1964 mit einem offenen Rückenmark geboren, was ähnliche Auswirkungen hat wie eine Querschnittlähmung. Die Behinderung mit der ich seit meiner Geburt lebe hat mein Leben stark geprägt und beeinflusst. In den 60er und 70er Jahren in denen ich aufwuchs, war es noch viel beschwerlicher mit einer Behinderung zu leben als heute. Es gab auch noch kein Recht auf schulische Integration. Nur dem Durchsetzungsvermögen und dem Engagement meiner Eltern war es zu verdanken, dass ich eine normale Schule besuchen konnte. Damals gab es auch weder einen Behindertenfahrtendienst, noch eine Schulassistenz, so dass meine Mutter mich jeden Tag selbst zur Schule bringen und mich wieder abholen musste. Es gab damals in Steyr, wo ich aufgewachsen bin, auch noch keine Schulen, die barrierefrei sind. Die Schulklassen waren nur über Stufen erreichbar und ich musste jeden Tag hinauf- und hinuntergetragen werden und es gab auch kein Behinderten-WC. Es war also extrem mühsam, unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen mit einer Behinderung einen normalen Bildungsweg zu durchlaufen. Aber die Mühen haben sich letzten Endes gelohnt. Denn durch die entsprechende Bildung bekam ich die Chance viel zu erreichen. So hatte ich nach der Matura an der Handelsakademie Steyr die Möglichkeit zu studieren. Während des Studiums kam ich Ende der 80er Jahre erstmals mit der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung für Menschen mit Behinderung in Berührung und mir wurde dadurch klar, wie wichtig es ist, sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Menschen mit Behinderung einzusetzen und gemeinsam für die Rechte von Menschen mit Behinderung zu kämpfen. So beschloss ich, in Hinkunft alle Möglichkeiten zu nutzen, um mich für die Belange von Menschen mit Behinderung einzusetzen. Deshalb habe ich zum Abschluss meines Studiums der Publizistik und Kommunikationswissenschaften meine Diplomarbeit über die Öffentlichkeitsarbeit von Nonprofitorganisationen aus dem Behindertenbereich geschrieben, für die ich 1995 vom Public-Relations-Verband Austria den 1. Wissenschaftspreis verliehen bekam. 1992 brachte mich schließlich Gernot Egger, der leider vor kurzem verstorben ist und heute eine Ehrung des Landes OÖ hätte erhalten sollen, zum Vorstand des Verbands der Querschnittgelähmten Österreichs, in dem ich lange Zeit von 1992 bis 2013 Obmann-Stellvertreter war und bis heute für die Redaktion der Verbandszeitschrift „Rollstuhl aktiv“ zuständig bin. So habe ich gemeinsam mit dem gesamten Redaktionsteam inzwischen 92 Ausgaben von „Rollstuhl aktiv“ herausgebracht und wir waren stets bestrebt, sowohl das Erscheinungsbild als auch den Inhalt der Zeitschrift im Sinne unserer Mitglieder weiterzuentwickeln und zu verbessern. Besonders freuen wir uns, wenn auch Mitglieder selbst interessante Beiträge für die Zeitschrift liefern und als Möglichkeit nutzen, etwas zu veröffentlichen. Beim Verband der Querschnittgelähmten Österreichs habe ich mich in der Öffentlichkeitsarbeit aber auch immer wieder behindertenpolitisch engagiert. So habe ich mich beispielsweise bereits in den 90er Jahren gemeinsam mit Gernot Egger für eine Änderung bei der Vergabe von Behindertenparkplatzausweisen eingesetzt. Ein Thema, das heute wieder hochaktuell ist und auch bei der heutigen Generalversammlung zur Diskussion steht. Aber nicht nur ehrenamtlich sondern auch beruflich habe ich mich seit jeher der Arbeit für Menschen mit Behinderung verschrieben. Seit 1991 arbeitete ich viele Jahre für den Verein Miteinander als Leiter eines mobilen Hilfsdienstes in Steyr und von 2001 bis 2008 war ich für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Miteinander zuständig. 2008 gründete ich für die Selbstbestimmt-Leben-Initiative OÖ schließlich ein Bildungs- und Beratungszentrum für Menschen mit Behinderung, das ich auch heute noch leite. Hier war ich auch maßgeblich daran beteiligt, dass die Peer-Beratung also die Beratung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung im oö. Sozialberufegesetz als Sozialberuf verankert und anerkannt wurde. Und ich habe 2009 den sogenannten „Tag der Begegnung“ initiiert, der einmal jährlich den verschiedensten Behindertenorganisationen und Betroffenen in OÖ die Möglichkeit bietet, im öffentlichen Raum an der Linzer Landstraße auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung durch direkte Begegnungsmöglichkeiten abzubauen. Seit 2012 gibt es diesen Tag der Begegnung auch in Steyr und ich hoffe, dass auch bald andere Städte die Idee des Tags der Begegnung aufgreifen und nachahmen. Von 2009 bis zu den Landtags- und Gemeinderatswahlen vergangenen Wochenende habe ich mich auch in der Gemeindepolitik als Gemeinderat für die Anliegen von Menschen mit Behinderung in Steyr engagiert. Leider hat die Flüchtlingskrise der FPÖ bei den Wahlen so viele Stimmen gebracht, dass ich es nicht mehr in den Gemeinderat geschafft habe. In den vielen Jahren, in denen ich mich für Menschen mit Behinderung engagiert habe, habe ich viele Erfahrungen gemacht und viel lernen dürfen. Es wurde mir bald klar, dass durch offene Verständigung und Beharrlichkeit eher Veränderungen bewirkt und Ziele erreicht werden können als durch Aggressivität und Provokation. Und ich habe erkannt, wie wichtig es ist, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und sich nicht nur mit der eigenen Form der Behinderung auseinanderzusetzen, sondern mit der Vielfalt der unterschiedlichsten Behinderungen. Keine Behinderung ist gleich und jeder Mensch mit Behinderung hat unterschiedliche Bedürfnisse. Aber was alle Menschen mit Behinderung verbindet, ist die Erfahrung aus den verschiedensten Gründen Nachteile zu haben und der Gefahr ausgesetzt zu sein, weniger selbstbestimmt leben zu können als Menschen ohne Behinderung. „Behindert ist, wer behindert wird“ heißt es in einem Slogan der Caritas und das trifft es ganz gut. Enorm wichtig ist es auch, dass Menschen mit Behinderung sich auch in unserer Leistungsgesellschaft nicht selbst als minderwertige Menschen mit Mängeln und Defiziten begreifen, sondern als vollwertige Menschen mit Stärken und Kompetenzen, die für diese Gesellschaft wertvoll sind. Und last but not least ist es enorm wichtig, dass Menschen mit Behinderung lernen, untereinander solidarisch zu sein und nicht nur auf sich selbst zu schauen, sondern gemeinsam an einem Strang zu ziehen und gegen Diskriminierungen zu kämpfen. Wenn das gelingt ,wird auch die Gesellschaft über Menschen mit Behinderung lernen, anders zu denken. In den letzten Jahrzehnten hat sich inzwischen vieles für Menschen mit Behinderung in Österreich gebessert. Die Einführung des Pflegegelds oder das Recht auf schulische Integration waren beispielsweise wesentliche Meilensteine für die Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung. Die Welt ist in den letzten Jahrzehnten noch etwas barrierefreier geworden. Aber es gibt noch viel zu tun und viele Dinge die in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verankert sind, müssen noch erreicht werden. Wenn im Behindertenbereich auch in Zukunft etwas weitergehen soll, wird es notwendig sein, dass die unterschiedlichsten Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung sich verstärkt vernetzen und zusammenarbeiten und es muss gelingen, auch die junge Generation dafür zu begeistern, sich für Menschen mit Behinderung einzusetzen. Viele Vereine und auch große Behindertenorganisationen haben damit zu kämpfen, dass sich immer weniger junge Leute finden, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren und auch für den Verband der Querschnittgelähmten Österreichs ist es enorm wichtig, neue engagierte Menschen für die Verbandsarbeit zu finden, denn wir werden alle nicht jünger. Als ich im Vorstand des VQÖ aufgenommen wurde, war ich noch einer der jüngsten und inzwischen bin ich selbst über 50 Jahre alt. Abschließend möchte ich nur mehr sagen, dass die Auszeichnung, die ich heute erhalten habe, für mich ein Ansporn ist, mich auch weiterhin für die Rechte, die Anliegen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in Österreich einzusetzen, solange es mir gesundheitlich möglich ist und ich die Kraft dazu habe. Ich danke allen Menschen, die mich auf meinem Lebensweg unterstützt haben, insbesondere meinen Eltern und vielen Dank auch dem gesamten Team des Verbandes der Querschnittgelähmten Österreichs für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahrzehnten und danke dafür, dass Ihr mich für diese Auszeichnung vorgeschlagen habt. Linz, 3. Oktober 2015
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