8 Wie Ochs und Esel in die Krippe kamen Verbindung zur Textstelle bei Jesaja (Jes 1,3). Mit seinem Vergleich mit den Tieren drückt er aus, dass die Haustiere wissen, zu wem sie gehören und von wem sie ihr Futter erhalten, aber das Volk Israel dieses Wissen immer wieder vergisst. Betrachtet man die ältesten Darstellungen der Geburt Christi (etwa 4. Jh.), so fällt auf, dass alle menschlichen Personen – außer dem Christuskind selbst – an der Krippe fehlen. Ochs und Esel dagegen sind seit ältester Zeit immer da zu finden. Das Zitat aus dem Buch Jesaja haben die frühen Kirchenväter verbunden mit der Geburt Christi und der Frage, ob Jesus von den Menschen erkannt wird oder nicht. In einer Weihnachtshomilie des hl. Augustinus wurden Ochs und Esel als Sinnbilder der beiden Teile der christlichen Kirche gedeutet: Der Ochse, ein reines, opferfähiges Tier, wurde zum Symbol des Volkes Israel und verweist auf den Opfertod Jesus Christus. Der Esel als unreines Tier, das nicht geopfert werden darf, wurde dabei zum Symbol der Heidenvölker. Doch wenn man die Texte der Weihnachtsgeschichten liest, so sind die beiden dort nicht erwähnt. Aber sie sind auch nicht „modernes Beiwerk“ zur idyllischen Ausstattung einer Szene oder um den Stall, in dem Christus geborgen wurde, noch mehr zu verdeutlichen. Vielmehr akzentuieren sie die Sprachlosigkeit der Menschen angesichts des Wunders der Heiligen Nacht. Die Tiere stammen, wie so manches Motiv biblischer Geschichten, aus den so genannten apokryphen Evangelien. Das sind Texte, die im Verborgenen entstanden und nicht in den Kanon der neutestamentlichen Schriften aufgenommen wurden. Im „Pseudo-Matthäus-Evangelium“ (etwa 8./9. Jh.), dessen besonderes Anliegen die Preisung von Maria als Königin der Jungfrauen ist, heißt es im 14. Kapitel: „Am dritten Tag nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus trat die seligste Maria aus der Höhle, ging in einen Stall hinein und legte ihren Knaben in eine Krippe, und Ochs und Esel beteten ihn an. Es erfüllte sich, was durch den Propheten Jesaja verkündet ist, der sagt: „Der Ochs kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn“ (Jes 1,3). So beteten sogar die Tiere Ochs und Esel ihn ständig an, während sie ihn zwischen sich hatten. Da erfüllte sich, was durch den Propheten Habakuk verkündet ist, der sagt: „Zwischen zwei Tieren wirst du erkannt“ (Hab 3,2).“ Auch im Lukas-Evangelium entsteht über das dreimalige Stichwort “Krippe“ im Zusammenhang mit der Geburt Jesu (Lk 2,7.12.16) eine Franz von Sales nimmt das Bild von Ochs und Esel an der Krippe auf und fügt zur Deutung der Kirchenväter hinzu: „Bei den Tieren liegend, erträgt Jesus gern ihr Schnauben. Er liebt diese Tiere, weil das eine das Joch trägt, das andere Lasten. Das eine ist mühselig, das andere beladen.“ Der Ochse wird also zum Sinnbild aller, die unter das Joch des Todes gezwungen und unter der Vergeblichkeit menschlichen Mühens verstummt sind. Der Esel wird zum Sinnbild aller, die schweigend und störrisch die Last des Lebens unter Mühen ertragen.
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