mieteinander – Das Magazin der HOWOGE www.howoge.de mieteinander Jubiläumsausgabe | 30 Jahre Hohenschönhausen Helle Fassaden, sattes Grün Berlins jüngste Groß siedlung bietet Wohnkomfort inmitten der Natur Entdecken Sie Hohenschönhausen! Vom Tonstudio bis zur Tofu-Fabrik – so vielfältig ist das Jubiläumsviertel Sven Felskis Favoriten Auf Streifzug mit einem Eisbären: Berlins legendärer Eishockey-Spieler zeigt uns seinen Kiez Orankesee Obersee ße tra f-S ol -W Menschen Hohenschönhausen ad nr Hohenschönhausen Inhalt Ko e nse iße Sa n eg rW din os Alt enh ofe r Str a tra ße 08 20 Die ganze Vielfalt: Hip-Hop, Fußball, Orchideen Heimatgefühle: Klaviere, Pferde, Lagerfeuer Diese Menschen machen Hohenschönhausen durch ihre Arbeit und ihr Engagement einmalig Zehn Menschen erzählen von besonderen Orten und Herausforderungen in ihrem Heimatkiez ße 22 Inhalt Zukunft: Gut gerüstet für das 21. Jahrhundert EDITORIAL Ein Blick in die Zukunft: So könnte sich die Großsiedlung in den nächsten 30 Jahren entwickeln Liebe Leserinnen, liebe Leser, Mitten im Park: Der grüne Rand von Berlin Die Hochhaus siedlungen der 80er-Jahre überzeugen durch viel Natur. Ein Parkspaziergang im Ostseeviertel 30 18 Beste Bohnen: Besuch bei den Soja-Spezialisten Markus Treiber und Xiao Chen lieben Tofu. Mit ihrem Familienbetrieb versorgen sie ganz Norddeutschland 26 Ganz schön was los: Rückblick 1985–2015 Das neue Hohenschönhausen wird 30 Jahre alt. Wir zeigen, was bisher geschah 2 — 30 Jahre Hohenschönhausen 04 Sven Felski präsentiert seine Heimat-Favoriten Der Eishockey-Crack blieb Hohenschönhausen immer treu. Ein Kiez-Spaziergang mit dem Vorstandschef der Eisbären Juniors Hohenschönhausen hat in diesem Jahr allen Grund zu feiern: Vor 30 Jahren wurde aus dem großen Neubaugebiet ein eigenständiger Bezirk. Heute gehört die Großsiedlung zu Lichtenberg. Die Menschen in Hohenschönhausen sind stolz auf ihren Teil Berlins: Hier ist es großstädtisch und grün zugleich. Man kann durchs Linden Center bummeln und in Landschaftsparks wandern. Die kulturellen und sozialen Angebote sind reichhaltig, für jede Altersgruppe und fast jede Lebenslage ist etwas dabei. Nicht zuletzt gibt es Wohnungen für jeden Bedarf: preisgünstig, praktisch und meist frisch saniert in den Neubaugebieten oder bürgerlich-prächtig in vielen Altbauten. Mit dieser Zeitschrift zum 30-jährigen Gründungsjahr lädt Sie die HOWOGE zu einer Entdeckungsreise durch Hohenschönhausen ein. Eishockey-Legende Sven Felski zeigt uns sein Heimatviertel. Daneben möchten wir Ihnen Bürgerinnen und Bürger vorstellen, die hier leben, arbeiten und mit ihrem Engagement den Stadtteil bereichern. Sie stehen für die Vielfalt Hohenschönhausens – ob sie nun Filme drehen, Gärten pflegen oder Tofu herstellen. Zur Reise durch unseren Stadtteil bieten wir noch eine Reise durch die Zeit: Erfahren Sie, was sich in den drei vergangenen Jahrzehnten hier im Kiez und zugleich in der weiten Welt getan hat – und werfen Sie einen Blick auf Hohenschönhausen, so wie es in der Zukunft aussehen könnte. Willkommen in einem ganz besonderen Teil Berlins! Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Kirstin Gebauer Leiterin Unternehmenskommunikation und Marketing 30 Jahre Hohenschönhausen — 3 Spaziergang Hohenschönhausen Felskis HeimatFavoriten Hohenschönhausen-Spaziergang mit dem Eisbären-Idol: Wo Sven Felski zum Eishockey-Star wurde, wo er gern baden ging – und wo das Softeis am besten schmeckt L uft und Boden sind eisig, doch Sven Felski ruft: „Hier brennt es richtig, wenn bei Spielen alle 4700 Plätze voll sind.“ Wir stehen am wichtigsten Ort seiner glanzvollen Eishockey-Karriere, dem legendären Wellblechpalast im Sportforum Hohenschönhausen. Dort beginnt unser Rundgang mit dem „Bürgermeister von Hohenschönhausen“. So nannte ihn einst sein Trainer Jeff Tomlinson, weil Sven Felski hier jeden Menschen und jeden Winkel kennt. Im Wellblechpalast übte er als Kind beim SC Dynamo Berlin zunächst Eiskunstlauf, wechselte dann zum Eishockey. Von 1992 bis 2012 spielte er als Profi, immer für seinen Klub: die Eisbären Berlin. 4 — 30 Jahre Hohenschönhausen Früh um sieben begann das Training. Als Schulkind war ich mehr in der Eishalle als im Klassenraum“ Sven Felski, Eishockey-Legende Heute ist er Vorstandschef der Eisbären Juniors und trainiert die U-17-Nationalmannschaft. Den größten Teil seines Lebens hat Sven Felski in der Gegend verbracht. Als Kind lebte er 400 Meter südlich von hier in der Altenhofer Straße – „reine Glückssache, dass das Sportforum so nah war“. Schon mit drei Jahren stand der kleine Sven zum ersten Mal auf Kufen. Auch seine spätere Schule lag günstig: zwischen Wohnung und Eisbahn. „Ich war aber mehr beim Training als im Klassenraum“, erzählt Sven Felski. Das war bei sportlich talentierten Kindern wie ihm erwünscht. „Mein Sportlehrer, Herr Behrend, hat schon damals gesagt, aus mir könnte mal was werden.“ Damit das wahr wurde, trainierte Sven Felski als Kind unermüdlich. Früh um sieben ging er in die Eishalle, dann in die Schule und wieder zurück in die Halle. Zwei Zettel hingen beim Verein am Schwarzen Brett. „Ihr seid die Besten“, stand auf dem einen, „Ihr wollt es werden“, auf dem anderen. Sven Felskis Name stand meist auf dem ersten Zettel: Er gehörte zu den Besten. Mit 18 war er Eishockey-Profi. Seiner Nachbarschaft blieb er treu: Die Familie lebte jetzt an der Ecke Küstriner Straße und Verdener Gasse. Auf dem Weg zum Training lag die Bäckerei Rauch. „Die Bäckersfrau kannte ich schon als kleiner Steppke“, erinnert sich Sven Felski. Matthias und Marlies Rauch reichen ihm noch heute die Brötchen über den Tresen, wenn er vom Wellblechpalast herüberkommt. Von dort führten ihn Trainingsläufe weit durch den Stadtteil, „meistens fünf bis zehn Kilometer rund um den Faulen See, den Oranke- und den Obersee“. Hatte Sven Felski im Sommer zwischen Sport und Schule etwas Zeit, ging er ins Strandbad Orankesee. Dann frönte er einer ganz anderen Eis-Leidenschaft – in „Heidis Café“ in der Konrad-Wolf-Straße. Sven Felskis klares Urteil: „Da gibt es das beste Softeis im ganzen Stadtteil.“ Eisbären-Revier Als Chef der Eisbären Juniors ist Sven Felski noch oft im Wellblechpalast Hohenschönhausen Spaziergang Felskis Lieblingsorte Sven Felski: Wegmarken einer Eishockey-Karriere Mit 11 Jahren wechselt Sven Felski in seinem Verein SC Dynamo Berlin vom Eiskunstlauf zum Eishockey – eine außergewöhnliche Sportkarriere beginnt. Von der Wohnung in Hohenschönhausen hat es der Steppke nicht weit zum Training im Sportforum. Mit 17 beginnt er im Profikader der Eisbären. Fauler See 5 1000 Spiele in der höchsten Liga hat Sven Felski absolviert – und immer für die Eisbären Berlin. 926 waren es in der Deutschen EishockeyLiga (DEL, seit 1994), 74 Spiele in der Ersten Bundesliga. 5 Orankesee Obersee 233 Tore ße 5 tra f-S ol -W schoss Sven Felski in Erstliga-Spielen und Play-offs. ad nr Ko 6 3 6-mal deutscher Meister! 1 2 eg rW see en iß We Der Höhepunkt von Sven Felskis Eishockey-Karriere ist zugleich die bisher beste Phase der Berliner Eisbären: Sechs Meisterschaften erkämpft „Felle“ zwischen 2005 und 2012. Seitdem sind die Eisbären Rekordmeister der DEL. Sa n din os Alt enh ofe r Str a tra ße ße 1000 – das Schicksalsspiel 4 In seinem 1000. Punktspiel am 24. April 2012 holt Sven Felski mit den Eisbären zum sechsten Mal die DEL-Trophäe. Erst nach einigen Wochen wird klar, dass es für den damals 37-Jährigen aufgrund einer Knieverletzung die letzte Saison war. 5000 Fans Alles erreicht Sven Felski war deutscher Meister und OlympiaTeilnehmer feiern am 9. August 2013 den Abschied von Sven Felski mit einer riesigen Party im Wellblechpalast. Zum Abschiedsspiel laufen Eishockey-Stars aus der ganzen Welt auf, auch NHLPlayer Marco Sturm, seit Kurzem Eishockey-Bundestrainer. 1812 Minuten musste Sven Felski auf der Strafbank abkühlen. Das ist DEL-Rekord. 46 Quadratmeter 1 Träume unter Wellblech Im Sportforum Hohenschönhausen begann seine Karriere: Als Kind übte Sven Felski hier Eiskunstlauf, später wurde es eine Spur härter: Dann wechselte der begabte Läufer zum Eishockey im Wellblechpalast, der legendären Eissporthalle. Viele Berliner kennen sie wegen der jährlichen Eiskunstlauf-Gala des SC Berlin. Hier trainieren auch die Eisbären Juniors. Seit 2015 ist Sven Felski Vorstandschef beim Nachwuchs (Weißenseer Weg 51–55). 6 — 30 Jahre Hohenschönhausen 2 Schlemmen im „Casino“ Ausgehungert vom Training, schmeckt das Essen am besten. Zum Glück liegt das „Casino Eisstadion“ im Wellblechpalast gleich neben der Umkleide. Hier gibt es solide Hausmannskost zu günstigen Preisen (Weißenseer Weg 53). 3 Seltener Gast Im Klassenraum war Sven Felski seltener anzutreffen als in der Eishalle. An der früheren Kinder- und Jugendsportschule „Werner Seelenbinder“ trainieren auch heute noch junge Talente. Das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin ist eine „Eliteschule des Sports“ des DOSB (Fritz-Lesch-Str. 35, www.slzb.de). 4 Brötchenkauf als Ritual Das Bäcker-Ehepaar Matthias und Marlies Rauch kennt den erfolgreichen Eisbären schon, seit er ein kleiner Junge war. Noch heute kauft Sven Felski seine Brötchen gern in der Bäckerei Rauch in der Sandinostraße 14. 5 Laufpensum: drei Seen Den Faulen See, Orankesee und Obersee kennt Sven Felski von unzähligen Trainingsläufen. Blieb im Sommer zwischen Sport und Schule etwas Zeit, war auch ein Abstecher ins Strandbad Orankesee erlaubt. 6 Ein Leben für das Eis Als Experte erkennt Sven Felski nicht nur Eisqualität unter den Kufen, sondern auch auf der Zunge. Seine Lieblingssorte: das Softeis aus dem „Eiscafé Heidi“ (Konrad-Wolf-Str. 111). misst die Eishockey-Suite im Hohenschönhausener Sporthotel „Kolumbus“. Tipps zur Gestaltung kamen von Sven Felski. Der Boden gleicht einer Eisfläche, an den Wänden hängen Fotos der Eisbären-Fankurve. Die 11 bleibt für immer Die legendäre Rückennummer 11 wird am 28. September 2014 zu Ehren des ewigen Eisbären unter das Dach der Mercedes-Benz-Arena gezogen. In seiner ersten Profi-Saison 1992/93 spielte Felski übrigens mit der Nummer 10, erst dann wurde die 11 frei. 30 Jahre Hohenschönhausen — 7 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen Von Hohenschönhausen nach Las Vegas Maria Schindler unterrichtet Hip-Hop Von Hohenschönhausen nach Las Vegas ist es nur ein kleiner Schritt, genauer gesagt: ein kleiner Tanzschritt, aber der muss perfekt sitzen. Deshalb trainieren die Jugendlichen in Markus Benschs Schule „Magic Dance“ sehr diszipliniert Hip-Hop. Das erfordert sportliche Höchstleistungen: Der Breakdancer springt in den Handstand oder wirbelt auf seinem Rücken wie eine Kugel im Kreis. „Tanzen ist die wunderbarste Beschäftigung, aber auch Anlass für großen Ehrgeiz“, erzählt Maria Schindler. Dank ihrer Ambitionen hat sie es weit gebracht. Mit dem „Team Recycled“ qualifizierte sich die Tanzlehrerin 2012 für die World Hip Hop Dance Championship in Las Vegas. Das verlangt Kraft und Kondition, aber Maria Schindler kann die Jungs und Mädchen motivieren. „Ich habe sie alle abgehärtet“, sagt Kursleiterin Maria Schindler und wirkt dabei gar nicht streng. Ihre Kritik ist direkt, aber so freundlich, dass sie die Jugendlichen gern annehmen. Schul-Inhaber Markus Bensch hat es mit seiner Frau Johanna Ende der 90er-Jahre sogar zu einem Weltmeistertitel gebracht: im Formationstanz. Wer den beiden nacheifern möchte, kann sich dem Tanzsportclub anschließen und an Turnieren teilnehmen. Aber auch Freizeittänzer kommen auf ihre Kosten. Das Kursangebot reicht von Walzer und Disco Fox bis hin zum fitnessorientierten Zumba. Entscheidend ist der Spaß am Tanzen – und der trägt manchen bis nach Las Vegas! www.magicdance.de Ganz schön bunt Hohenschönhausen lebt vom Engagement seiner vielen Bewohner. Die folgenden Porträts gewähren Einblick in einen vielfältigen Stadtteil H ohenschönhausen funktioniert gut: Die Straßen sind breit, das Netz der Verkehrslinien ist eng und schnell getaktet. Der Nachteil daran ist: Mancher ist so flott zwischen Wohnzimmer und Arbeitsplatz unterwegs, dass er übersieht, wie viel Interessantes es hier zu entdecken gibt. Die folgenden Seiten gehören deshalb den außergewöhnlichen Menschen, die mit ihren spannenden Projekten den Stadtteil prägen. Die einen ganz öffentlich, so wie die Natur-Fans vom Umweltbüro oder die Freizeit-Fußballer der Bunten Liga. Die anderen eher unauffällig im Hintergrund: so wie Musikproduzent Bernd Wendlandt, der den Songs von Silbermond den letzten Schliff gibt. Oder wie Markus Treiber und Xiao Chen, die Restaurants in ganz Norddeutschland mit köstlichem Tofu versorgen. Denn im Nordosten Berlins wird nicht nur gewohnt, sondern auch höchste Qualität produziert. Wer sich einen Moment Zeit nimmt und genauer hinschaut, trifft viele engagierte Persönlichkeiten – mit Interessen, die so vielfältig sind wie ganz Berlin. 8 — 30 Jahre Hohenschönhausen Tanzen ist das Wunderbarste Maria Schindler (Foto oben) unterrichtet in der Tanzschule „Magic Dance“ Hip-Hop für Kinder und Jugendliche. Ihre Companies Rockin‘ Diamonds und New Limits treten auch zu Wettbewerben an, zum Beispiel bei der Berliner Streetdance-Meisterschaft 30 Jahre Hohenschönhausen — 9 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen Die Natur mit eingeplant Drei Hohenschönhausener erinnern sich, wie 1985 alles begann 2003 gründete Volkmar Lucius mit anderen Fußball-Fans eine Freizeit-Liga. Sogar das Spielfeld ist selbst gemacht Stadion im Eigenbau Volkmar Lucius über sein Engagement für die Bunte Liga Zurück zu den Wurzeln, das ist bei der Bunten Liga Berlin wörtlich zu verstehen. Das Fußballfeld auf den Falkenberger Krugwiesen hat keinen perfekten Rollrasen. Aus der Wiese kann schon mal eine Wurzel heraus ragen. Doch das stört die FreizeitKicker nicht. Für sie steht der Fußball im Vordergrund. Ihr Gänseblümchen-Stadion haben sie selbst hergerichtet. „Unsere VIP-Lounge besteht aus zwei Baumstämmen am Spielfeldrand“, sagt Volkmar Lucius. Der frühere Sport- 10 — 30 Jahre Hohenschönhausen lehrer war 2003 Gründungsmitglied der Bunten Liga und betont: „Bei uns Alternativ-Fußballern ist vieles anders als im Vereinssport.“ Insgesamt 30 Teams aus ganz Berlin sind in drei Ligen eingeteilt. An deren Spieltagen treffen die Mannschaften aufeinander. In einigen spielen Frauen und Männer gemeinsam. Es gibt keinen Schiedsrichter, die Spieler einigen sich selbst. Ein Spiel dauert zwölf Minuten. Ein Ball, eine Wiese, begeisterte Spieler – das ist Fußball pur. www.bunte-liga-berlin.de Fußball ohne Schnickschnack: Unsere VIP-Lounge besteht aus zwei Baumstämmen am Spielfeldrand“ Volkmar Lucius, Mitbegründer der Bunten Liga Berlin Als Neu-Hohenschönhausen noch nagelneu war, kam Martina Friedrich immer mit dem Koffer zur Arbeit. Der Inhalt: Waschzeug und Dutzende Verträge. „Im ersten Jahr habe ich immer Schuhputzzeug und Waschsachen mitgenommen“, erzählt die HOWOGE-Kundenbetreuerin aus dem Ostseeviertel. „Viele Wege waren noch nicht fertig, deshalb musste ich durch Schlamm und Staub laufen.“ Als Martina Friedrich 1985 in Hohenschönhausen anfing, war noch alles im Bau. Sie arbeitete damals für eine kommunale Wohnungsverwaltung in Ost-Berlin. Ihre Aufgabe: Tausende neue Wohnungen zuweisen. Zwischen 1984 und 1989 entstanden auf 327 Hektar Wohnungen für rund 90.000 Personen. „Wir sind mit Koffern voller Mietverträge im Bus hergefahren“, erinnert sich Martina Friedrich. In einer gerade eröffneten Schule saßen neben ihr auch Vertreter von Polizei, Kindergarten und Schule. „Die neuen Mieter konnten alles auf einmal erledigen“, so Martina Friedrich. „Das war eine anstrengende Pionierzeit, aber auch eine sehr schöne.“ Auch Rolf Meyerhöfer erinnert sich an den Matsch, den die Möbelpacker an ihren Schuhsohlen bis in die 6. Etage seiner neuen Wohnung trugen. Doch der pensionierte Physiklehrer will nicht klagen, sondern loben: „Die Planer hatten aus früheren Fehlern gelernt. Die Infrastruktur war zum Teil schon vor den Wohnungen fertig. Niemand sollte es länger als zehn Minuten zur Haltestelle haben.“ So fand die Familie Meyerhöfer bereits eine komplette Infrastruktur vor, als sie am 1. September 1985 ihr neues Heim bezog. Was der engagierte Stadtteil-Historiker besonders schätzt: „Auch die Natur war von Anfang an in die Planung einbezogen, zum Beispiel der Barther Pfuhl und der Berl.“ Wir sind mit Koffern voller Mietverträge im Bus hergefahren. Das war eine anstrengende aber sehr schöne Pionierzeit“ Bernd Kuhnert kennt Neu-Hohenschönhausen ebenso gut wie Rolf Meyerhöfer. Jeden Morgen sieht der HOWOGE-Hausmeister in den Häusern und Höfen des Welsekiezes nach dem Rechten. Für 517 Wohnungen trägt er Verantwortung. „Im Schnitt wechsele ich an jedem Arbeitstag – unter anderem – ein bis zwei Lampen in den Hausfluren aus“, berichtet Bernd Kuhnert. „Viele der Mieter kenne ich beim Namen – alles Menschen, die seit langem und gern hier wohnen.“ Bernd Kuhnert, HOWOGE-Hausmeister, kennt im Welsekiez viele der Mieter mit Namen Martina Friedrich, HOWOGE-Kundenbetreuerin, betreut seit 1985 Mieter in Hohenschönhausen Rolf Meyerhöfer, Stadtteil-Historiker, zog am Tag der Bezirksgründung ein 30 Jahre Hohenschönhausen — 11 Menschen Hohenschönhausen Auf der Suche nach dem Haken Im Tonstudio Valicon produziert Bernd Wendlandt Musikstars wie Silbermond. Sein Urteil: die perfekte Lage für kreative Prozesse Hohenschönhausen Menschen Seit 1991 arbeitet Musikproduzent Bernd Wendlandt in Alt-Hohenschönhausen. Ausgebildet wurde er an der Hochschule für Musik Hanns Eisler „Songschreiber hören manchmal gar nicht mehr, wie gut eine Melodie ist, da sie zu tief im Thema stecken“, sagt Bernd Wendlandt. „Als Produzent muss ich sie dann von außen aus ihrer Schleife rausreißen.“ Und tatsächlich schoss die Single „Irgendwas bleibt“ im März 2009 an die Spitze der Charts – Lady Gaga musste weichen. Das Tonstudio Valicon ist ein guter Ort für kreative Prozesse – und für laute Musik. Selbst aus dem schallgedämmten Studio pflanzen sich Basswellen über die Wände fort. „Unser Haus steht zum Glück frei, wir haben einen kleinen Hof und Garten drum herum“, schwärmt Bernd Wendlandt. „Die Lage ist ideal! Bei uns können die Künstler im grünen Hof am Grill entspannen oder im Sommer zwischendurch im Orankesee baden. Wer so relaxt, kommt auf ganz neue Ideen.“ www.valicon.de I n der Nähe des Obersees steht eine alte Schmiede. Hier arbeiten fleißige Handwerker, aber sie schmieden kein Metall, sondern Melodien. Musikproduzent Bernd Wendlandt und seine vier Kollegen vom Tonstudio Valicon feilen so lange an einem Musikstück, bis daraus ein Hit geworden ist. Stars wie Silbermond, Silly und Thomas Godoj kommen deshalb nach Alt-Hohenschönhausen. Lenas Eurovisions-Coup „Satellite“ ist hier entstanden. „Mein Kollege Brix hatte das Lied vier Jahre auf der Festplatte liegen“, erinnert sich Bernd Wendlandt. „Aber so ein Song passt eben nicht bei jedem: Lena hat mit ihrer Art genau den richtigen Ton getroffen.“ Ein Hit wie „Satellite“ trifft den Nerv seiner Zeit – und das Valicon-Team weiß, wo die Synapsen liegen. „Einen guten Song bringen wir so in Form, dass Leute auf ihn aufmerksam werden“, erklärt er seinen Beruf. Er fügt ein weiteres Instrument zum Song hinzu, hebt eine der vielen aufgenommenen Stimmen hervor oder fährt eine andere zurück. „Manchmal fehlt nur ein Wort, um den Unterschied zu machen“, sagt Bernd Wendlandt. So wie damals bei der Band Silbermond. Das Album „Nichts passiert“ war schon fertig. Da kam Gitarrist Thomas Stolle mit einer neuen Idee. „Der Song hatte nur eine Strophe, aber ich habe sofort gefühlt: Das ist ein guter Hook“, beschreibt Bernd Wendlandt den Schlüsselmoment. Ein Hook – auf Deutsch „Haken“ – ist genau die eingängige Tonfolge oder Liedzeile, die aus einem normalen Lied einen Hit macht. Thomas Stolle aber blieb skeptisch. War der Song schon reif? 12 — 30 Jahre Hohenschönhausen Popmusik mit Potenzial Lenas „Satellite“ und „Irgendwas bleibt“ von Silbermond waren zwei der größten Hits aus dem Tonstudio Valicon. Auch Glasperlenspiel (Foto) schafften es mit „Beweg dich mit mir“ (2013) an die Spitze der deutschen Verkaufs-Charts. Die Band Silly kam mit „Kopf an Kopf“ auf Platz zwei. Ihr Album „Alles rot“ (2010) erzielte Rang drei und hielt sich 64 Wochen in den Top 100. 30 Jahre Hohenschönhausen — 13 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen „Hier wachsen Leidenschaft und Toleranz“ Anne Härtel organisiert den Interkulturellen Garten Lichtenberg mieteinander: Frau Härtel, bei Ihnen gibt es viele Beete, aber keinen Zaun. Anne Härtel: Den brauchen wir auch nicht. Hier bei uns gärtnern zwar Leute aus 17 Ländern und allen Altersstufen – vom Kleinkind bis zum 77-Jährigen. Aber es geht ja gerade um das Sich-Kennenlernen, um gegenseitige Hilfe und Austausch. Was unterscheidet das Angebot von dem einer Kleingartenkolonie? Die Gemeinschaft steht im Vordergrund. Von unseren 54 Beeten sind momentan 40 verpachtet. Die Pacht für ein Beet ist vergleichsweise niedrig. Zusätzlich haben wir aber auch Gemeinschaftsbeete für Leute, die kein eigenes Beet haben wollen oder können, zum Beispiel ein Kinderbeet für die jüngsten Mitglieder und ein Tischbeet für Rollstuhlfahrer. Hier bei uns gärtnern zwar Leute aus 17 Ländern und allen Altersstufen – vom Kleinkind bis zum 77-Jährigen“ Anne Härtel, Umweltkontaktstelle Lichtenberg, www.firmaris.de/aktuelles.226.0.html Wie klappt das Zusammenspiel? Sehr gut. Zu unseren gemeinsamen Arbeitseinsätzen kommen bis zu 40 Leute. Viele wollen auch nicht unbedingt Gartenarbeit machen, sondern handwerken oder für alle Kuchen backen. Hier kann jeder seine Talente zeigen, unabhängig davon, wo seine Interessen liegen. Wir wollen Menschen zusammenbringen: Jung und Alt, Alleinstehende und Familien, Menschen mit und ohne Behinderung. Lauritz Andreasen hat Geduld: „Manche Pflanzen brauchen mehrere Jahre für ein paar Zentimeter Wachstum“ Drei Tipps für Orchideen-Anfänger Substrat statt Erde Orchideen brauchen zum Wachsen ein spezielles Substrat, in normaler Blumenerde verfaulen die Wurzeln. Substrat alle zwei bis drei Jahre auswechseln. Die meisten kommen also gar nicht zum Gärtnern? Am Anfang nicht. Sie kommen erst einmal wegen der schönen Natur und der ungezwungenen Kontakte. Aber dann wachsen die Leidenschaft und das Wissen um Pflanzen, um Naturschutz. Und jeder hier schätzt und erfährt den Wert von Toleranz und gegenseitiger Rücksicht. Sparsam gießen Orchideen sind Überlebenskünstler und kommen lange ohne Wasser aus. Daher sparsam gießen, am besten mit Regenwasser. Auf keinen Fall dürfen die Wurzeln im Wasser stehen. Ruhe respektieren Blaue Blüten aus dem Becher Lauritz Andreasen züchtet exklusive Orchideen in seinem Privat-Labor Anne Haertel organisiert den Interkulturellen Garten in Lichtenberg und die Garten initiative in der Wiecker Straße 14 — 30 Jahre Hohenschönhausen Lauritz Andreasen greift zu einem Glas mit „Berlin Spirit“. Ein starker Schnaps aus Hohenschönhausen? Nicht ganz: In dem Kunststoffbecher reift eine Blume. Lauritz Andreasen züchtet Orchideen im Labor in Hohenschönhausen. In seinem Treibhaus in der Feldtmannstraße stapeln sich Plastikbecher mit den empfindlichen Gewächsen. „Die Töpfe und Töpfchen habe ich nie gezählt“, sagt Lauritz Andreasen, „aber es sind wohl weit über tausend.“ In jedem Behälter wächst eine Orchidee heran. Auf natürlichem Weg lässt sich die „Königin der Blumen“ nur schwer vermehren. Erst ein Trick aus dem Biolabor macht aus dem Luxusgut eine erschwingliche Topfpflanze: die In-vitro-Gewebekultur. Dabei werden die Bildungsgewebe an der Wurzelspitze in kleinste Stückchen aufgeteilt und in einer speziellen Nährlösung zum Wachsen angeregt – ein Klon entsteht. Das ist eine Geduldsprobe. „Manche Pflanzen brauchen mehrere Jahre für ein paar Zentimeter Wachstum“, berichtet Lauritz Andreasen. „Millionär werde ich damit nie. Aber ich habe eine Leidenschaft, immer wieder neue Sorten zu züchten.“ Das ist Berliner Spirit! Viele Orchideenarten legen jedes Jahr eine Wachstumspause ein. In dieser Zeit auf Dünger verzichten, noch weniger gießen und die Pflanze an einen kühleren Ort stellen. Königin der Blumen Erst die Aufzucht im Labor macht die empfindlichen Orchideen erschwinglich für die Fensterbank 30 Jahre Hohenschönhausen — 15 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen Herausgeber: HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH Ferdinand-Schultze-Straße 71 13055Berlin Telefon: (030) 5464 2401 Fax: (030) 5464 2405 Webseite: www.howoge.de Leitung: Kirstin Gebauer (V. i. S. d. P.) Redaktion: Kirstin Gebauer, Rilana Mahler, Jacqueline Tartler, Annemarie Rosenfeld Verlag: Axel Springer SE Axel-Springer-Str. 65 10888 Berlin E-Mail: [email protected] Webseite: www.as-corporate-solutions.de Geschäftsleitung (Corporate Solutions): Frank Parlow, Lutz Thalmann Projektmanagement: Franziska Winter Redaktion: Philip Eicker, Roland Stimpel Gestaltung: Lisa Moder, Anna Schlichter, Marcus Spiller Bildredaktion: Sebastian Müller Schlussredaktion: Matthias Sommer Druck: Möller Druck & Verlag GmbH Zeppelinstr. 6 16356 Ahrensfelde Filmen in der Freizeit Bei einer Umschulung im SWR-Archiv in Baden-Baden entdeckte Björn Seidel-Dreffke seine Faszination für Dokumentarfilme Am großen Mühlrad drehen Björn Seidel-Dreffke macht einen Film über den Platz am Mühlengrund. Schon die Dreh arbeiten inspirieren die Nachbarn 16 — 30 Jahre Hohenschönhausen D ie rote Sonne versinkt hinter den Hochhäusern, schwarz funkelt der Wein im Glas, sacht zupft der warme Ostwind an den Tischdecken der Taverne. An diesem Sommerabend verliebt sich Björn Seidel-Dreffke in den Platz am Mühlengrund. „Wenn man bei Sonnenuntergang auf der Terrasse sitzt, hat der Ort etwas von einem Dorf am Mittelmeer“, schwärmt der 52-Jährige. Jede Woche kommt der Übersetzer mit einem befreundeten Fotografen auf den Stadtplatz. Sie stellen eine Kamera auf und beginnen zu filmen. Bis November drehen sie wöchentlich 20 Minuten lang, was sich dort gerade tut. Aus dem Material und aus Interviews mit Passanten soll ein Dokumentarfilm entstehen. Sogar ein Lied über den Mühlenradbrunnen gibt es schon: Ein Rheinschiffer singt es und spielt dazu auf der Ukulele. „Film und Musik sollen die Menschen so berühren, wie uns dieser Ort berührt hat“, sagt Björn Seidel-Dreffke. Hinter dem ehrenamtlichen Projekt steht die „Initiative audio visuelle Medien für soziale Themen“. Björn Seidel-Dreffke hat sie mit zwei engagierten Hohenschönhausenern gegründet. Ihr erstes Werk „Platten-ART-en“ dokumentierte 2014 das Kulturangebot im Kiez. Bei den Dreharbeiten stießen die Macher auch auf den Mühlengrund mit dem bekannten Brunnen von Achim Kühn. Auch ihn haben sie schon auf Film gebannt. Seine Erzählungen von der alten Holländermühle, die hier einst ihre Flügel drehte, hat sie inspiriert. „Das ist ein Ort mit einer gewachsenen Geschichte“, betont Björn Seidel-Dreffke. Eines ihrer wichtigsten sozialen Anliegen haben die Initiatoren bereits erreicht: Bei den Dreharbeiten kommen sie mit den Anwohnern oft ins Gespräch. „Wir freuen uns, wenn wir viele Leute inspirieren können“, sagt Björn Seidel-Dreffke. „Wir haben hier so viel Schönes entdeckt, dass wir davon etwas weitergeben möchten.“ Bildnachweise: Cover: Uwe Tölle; Editorial/Inhalt: David Heerde, Lydia Hesse, Ini Neumann, Jörg Carstensen/ Picture-Alliance, Daniel Hofer (3), Howoge; Felskis Heimat-Favoriten: Uwe Tölle, Daniel Hofer (5), Christof Koepsel/GettyImages, Mazbln, francisblack/Istockfoto; Ganz schön bunt: Daniel Hofer (5), Felix Zahn/Picture-Alliance, ivosevicv/Istockfoto; Auf der Suche nach dem Haken: Daniel Hofer (3), Peter Bischoff/GettyImages, Andrea_Hill/Istockfoto, s-cphoto/Istockfoto; Am großen Mühlrad drehen: Daniel Hofer; Bestes aus der Bohne: David Heerde (3); Klaviere, Pferde, Lagerfeuer: Daniel Hofer (9), Thomas Schulze/Picture-Alliance; Mitten im Park: Lydia Hesse (3), Michael Begsteiger/GettyImages, Klaus Dombrowsky; In 30 Jahren ist viel passiert: akg-images/ddrbildarchiv.de, Juri Reetz/Breuel-Bild/ Picture-Alliance, KPA/Picture-Alliance, Fritz Rust/ Picture-Alliance, Lionel Cironneau/AP/PictureAlliance, European Press Photo Agency EPA/ Picture-Alliance, Hendrik Schmidt/Picture-Alliance, Laci Perenyi/Picture-Alliance, Fuse/GettyImages, Chromorange/Picture-Alliance, Jwnabd/wikipedia, Rainer Jensen/Picture-Alliance, Andreas Rentz/ GettyImages, Carlsen Verlag Gmbh/S. Wilharm/ Picture-Alliance, Jörg Carstensen/Picture-Alliance, Carl Court/GettyImages, Carlo Ferraro/PictureAlliance, Frederic/Geisler-Fotopres/Picture-Alliance; Nachhaltig: Ini Neumann/Anpassung Marcus Spiller 30 Jahre Hohenschönhausen — 17 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen Entspannungsbecken Warme Tofu-Stücke kühlen im Wasserbad ab. Die Auslieferung erfolgt noch am selben Tag. Für Tofu gilt: Je frischer desto besser! Bestes aus der Bohne Markus Treiber und Xiao Chen beliefern ganz Norddeutschland mit frischem Tofu. Zu Besuch in einer Hohenschönhausener Lebensmittelfabrik mit Zukunft E s ist keine Hexerei: In knapp sechs Stunden verwandeln sich harte, gelbe Sojabohnen in ein weißes, saftiges Stück Tofu. Die Verwandlung beginnt um fünf Uhr früh mit der ersten Schicht bei Treiber Tofu. Dampfig-feuchte Luft füllt die Fabrikhalle in der Grenzgrabenstraße. Die Sojamühle heult. Aus großen Kochtöpfen duftet heiße Sojamilch. Aus ihnen zapfen die Mitarbeiter gegen neun Uhr den ersten Tofu. Die weiße Masse läuft in tiefe Bleche. Pressen drücken den Käse fest, Molke pladdert zu Boden. Ein Schneidegitter zerteilt den Kuchen in buttergroße Stücke. „Tofu soll zart und saftig sein, aber trotzdem eine schnittfeste Struktur aufweisen“, erklärt Markus Treiber. Seit 1993 produziert der Lebensmitteltechniker gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Xiao Chen den asiatischen Bohnenkäse. Begonnen hat alles in einem Hinterhof in Mitte, heute beschäftigt das Paar 15 Mitarbeiter in Hohenschönhausen und beliefert ganz Norddeutschland. Jeden Tag etwas Neues ausprobieren „Anfangs haben wir nur für den Hausgebrauch produziert“, erzählt Markus Treiber. Seine Partnerin kommt aus der Gastronomie. „Aber bald sind wir an Grenzen gestoßen“, so Markus Treiber. Tofu bestehe zwar nur aus Sojabohnen, Wasser und einem Gerinnungsmittel. „Trotzdem ist es nicht einfach, die richtige Konsistenz hinzubekommen.“ Lehrmeister aus Asien kamen nach Berlin, um 18 — 30 Jahre Hohenschönhausen Melkmaschine Die Mühle püriert die Bohnen zu Sojamilch, der Tofu-Grundlage. Die Okara genannten Bohnenreste sind Tierfutter Zu sehen, wie aus dieser kleinen gelben Bohne am Ende des Tages ein schönes, schmackhaftes Produkt wird – das macht wirklich Freude“ Markus Treiber, Tofu-Spezialist Gemeinsame Leidenschaft Seit 1993 machen Xiao Chen und Markus Treiber ihren Tofu selbst. Zu Hause fusionieren sie österreichische und chinesische Kochkunst die Tofu-Lehrlinge zu unterstützen. Xiao Chen ist regelmäßig zur Weiterbildung in China und Taiwan. „Wir probieren laufend neue Dinge aus“, sagt sie. Für die Tofu-Herstellung brauche es – wie beim Kochen – Neugier und Liebe. „Wenn die Arbeit Spaß macht, wird der Tofu gut!“ Die Kunden wissen diese Arbeitsfreude zu schätzen. Seit über 20 Jahren wächst der österreichisch-chinesische Familien betrieb – auch wegen des Tofu-Booms. Immer mehr Deutsche achten verstärkt auf ihre Ernährung. Tofu ist eine nahrhafte Alternative: Es enthält viel Protein und acht essenzielle Aminosäuren, die der Mensch sonst nur über Fleisch aufnehmen kann. Markus Treiber steuert gern Ideen zu dieser alternativen Ernährung bei. „Wir haben einen schönen Beruf“, sagt der gebürtige Wiener. „Wir können jeden Tag etwas Neues ausprobieren und entdecken.“ 30 Jahre Hohenschönhausen — 19 Menschen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Menschen Klaviere, Pferde, Lagerfeuer „Die Anna-SeghersBibliothek ist mehr als eine Bücherei: Die Leute hören hier Lesungen und Konzerte. Experten informieren über Gesundheit, Recht und Verbraucherschutz.“ Evelin Müller, Amt für Weiterbildung und Kultur Lichtenberg Was verbinden Sie mit Hohenschönhausen? Hier erzählen zehn engagierte Menschen von besonderen Orten und Herausforderungen in ihrem Heimatkiez „In meiner Kochschule lernen Schulkinder aus Lichtenberg alles über gesunde Ernährung für wenig Geld – ob mit oder ohne Fleisch.“ „Hohenschönhausen ist mir sehr vertraut: Unweit vom Oranke see liegt mein Büro. Bei einen Gang um die Seen kann ich prima die Vogelwelt beobachten und dabei abchillen.“ Jörg Lacher, „Der Thüringer aus Apolda“, www.catering-kochschule-berlin.de Dirk Michaelis, Sänger und Komponist In unserem Stadtteilzentrum in der Ribnitzer Straße treffen sich so viele Menschen – das hat Dorfcharakter.“ Evelyn Ulrich, Verein für ambulante Versorgung Hohenschönhausen, www.vav-hhausen.de 20 — 30 Jahre Hohenschönhausen „Im Umweltbüro kann sich jeder über Naturschutz und Artenvielfalt informieren, zum Beispiel auf einer unserer geführten Touren – zu Fuß, auf dem Rad oder Pferdefuhrwerk!“ Doreen Hantuschke, Umweltbüro Lichtenberg, www.umweltbuero-lichtenberg.de „Auf unserem Abenteuerspielplatz können Kinder vieles machen, was in der Stadt sonst selten geht: Holzhütten bauen, Lagerfeuer machen und Tiere im Streichelzoo pflegen. Jedes Jahr kommen 10.000 Kinder aus ganz Berlin.“ Norbert Romund, „Fort Robinson“, www.kietz-im-netz.de/ asp.html In unseren Ateliers können junge Menschen Kunstwerke jedweder Art kennenlernen. Und in der Kunst-Kita wachsen die Kleinen in die Jugendkunstschule hinein.“ Saskia Wenzel, Jugendkunstschule Lichtenberg, www.juks-lichtenberg.de Hier in Hohenschön hausen habe ich als Achtjährige mit dem Trommeln angefangen. Heute leite ich das Jugendorchester und zwei weitere Ensembles.“ Simone Münzner, Schlagzeugerin Schostakowitsch-Musikschule, www.musikschulelichtenberg.de „Neben dem größten Olympiastützpunkt Deutschlands bietet der SC Berlin jede Woche über 120 Sportkurse an, vom Tischtennis über Schwimmen bis zu Reha- und Gesundheitssport.“ Karla Mädler, Geschäftsführerin SC Berlin im Sportforum, www.sc-berlin.de „Die Hochhäuser hier sind für uns eine besondere Herausforderung. Aber wir bugsieren ein Klavier auch sicher durch ein enges Treppenhaus.“ David Schulz, Klavier-Transporteur, www.pianoteamberlin.de 30 Jahre Hohenschönhausen — 21 Draußen Hohenschönhausen Solarium vor der Haustür Die grünen Innenhöfe sind ein großes Plus von Hohenschönhausen. Die Bäume sorgen für gute Luft, und die Anwohner genießen ein Sonnenbad Hohenschönhausen Menschen Mitten im Park Vor allem im Sommer lohnt ein Spaziergang durch Hohenschönhausen. Es gibt farbenfrohe Fassaden und viel Natur, eine märkische Miniaturlandschaft mitten in Berlin K aum zu glauben: Hier sollen 100.000 Stadtmenschen leben? Wer in der Zechliner Straße aus dem Auto steigt, hört statt Stimmengewirr beruhigendes Blätterrauschen. Der Wind fährt durch mächtige Baumwipfel, aus dichtem Gebüsch zwitschern die Spatzen. Keine 250 Meter sind es bis zur Landsberger Allee, einer der wichtigsten Verkehrs adern Berlins – und doch liegt Hohenschönhausen im Grünen. Der dicht besiedelte Stadtteil gleicht an vielen Stellen einer märkischen Naturlandschaft im Kleinen: Es gibt Wäldchen und Wiesen, Gebüsche und Abhänge, Alleen und Obsthaine, kleine Hügel und klare Seen. Die Natur war längst da, als die Häuser kamen – zum Beispiel die Teiche Berl, Barther Pfuhl und Krummer Pfuhl. Behutsam haben die Stadtplaner sie in die wachsende Großsiedlung eingebettet. Viele Oasen wurden in den letzten Jahrzehnten geschaffen – oft geplant und organisiert von Oliver Pohlann. 22 — 30 Jahre Hohenschönhausen 30 Jahre Hohenschönhausen — 23 Draußen Hohenschönhausen Hohenschönhausen Draußen Kinderreich In vielen Innenhöfen entstanden fantasievoll gestaltete Spielplätze Farbe als Programm Einige Innenhöfe wurden konsequent nach Farben gestaltet. Hier der „Weiße Hof“ Er fing gleich nach der Wende vor 25 Jahren als Landschaftsarchitekt bei der HOWOGE an. Zuvor war die Siedlung über weite Strecken kahl gewesen. Zunächst sollten die Menschen ihre Wohnungen bekommen, dann erst kamen die Pflanzen an die Reihe. „Es ging darum, aus bisher ziemlich einförmigen Flächen unverwechselbare Orte zu machen“, erklärt Oliver Pohlann die Herausforderung der 90er-Jahre. Die HOWOGE hat dort, wo ihr größere Flächen rund um die Häuser und die Höfe zwischen ihnen gehören, mitten in der Stadt Landschaften gestaltet. Die Zechliner Straße ist ein gutes Beispiel dafür. Die modernisierten Fassaden leuchten in hellen Farben, nur die obersten Geschosse sind in Rot oder dezentem Grau abgesetzt. Manche Balkone sind verglast. Die früher endlos scheinende Fassade ist jetzt feiner gegliedert. Der Farbwechsel in den obersten Geschossen setzt einen optischen Schlusspunkt: Das Haus bekommt ein klassisches „Dach“ aufgesetzt. Spielplätze und viele Bänke Die Weiterentwicklung von Hohenschönhausen war ein Projekt für Jahrzehnte – es ist genau genommen nie abgeschlossen. Hof für Hof, Streifen für Streifen neben den Häusern drückten Oliver Pohlann und seine Kollegen dem Wohnumfeld einen grünen Stempel auf. Oft zogen sie renommierte Landschaftsarchitektur-Büros zurate. So entstand an der Zechliner Straße ein vielfach geglie- 24 — 30 Jahre Hohenschönhausen Hier ist ein ganzer Grünzug entstanden. Man bewegt sich jetzt durch das Wohngebiet wie durch einen Park“ Oilver Pohlann, HOWOGE-Landschaftsarchitekt derter Grünraum mit Baum- und Buschgruppen, dazu kamen eine geschwungene Fußweg-Allee, Wiesenflächen und ein Pavillon. Im lang gestreckten Block zwischen Biesenbrower und Wartiner Straße im Welsekiez entwarf ein Landschaftsarchitekt eine von Rasen geprägte Landschaft mit Wegen, die von kleinen Hecken und Baumreihen begleitet werden. An Gefälle-Stellen gibt es barrierefreie Rampen für Spaziergänger, die nicht so gut zu Fuß sind. Der Bildhauer Achim Kühn, im Stadtteil populär durch seinen Mühlradbrunnen, schuf hier die vogelähnliche Stahlplastik „Schwingen“. Ein paar Meter weiter fand man eine ganz andere Lösung: Im Hof zwischen Biesenbrower und Welsestraße flankieren breite Rasenstreifen die Häuser. In der Mitte der Höfe befinden sich lang gestreckte Rechtecke mit geraden Reihen und kleinen Bankenviertel Mitten in der Stadt sind die Parkbänke ein Ruhepol für viele Bewohner Neu-Hohenschönhausen in Zahlen 5,5 Hainen junger Bäume, Spielplätze, Skulpturen und Bänke. Die Grundfarben unterscheiden sich – ein Teil ist der „Weiße Hof“, ein anderer der „Schwarze Hof“, der mit seinen mächtigen Kiefern, dunklen Gehölzen und anthrazitfarbenen Bodenplatten keineswegs düster wirkt. Auch das sind Mittel, um die Orte individuell zu machen. Nach mehr als 20 Jahren war das meiste getan, und Oliver Pohlann zog Zwischenbilanz: mehr als 68 Millionen Euro hatte die HOWOGE bis dahin in die Außenanlagen rund um die Häuser investiert – auf Flächen, fast so groß wie 300 Fußballfelder. 360 Wohn- und Innenhöfe waren neu gestaltet, 150 Spiel- und Bolzplätze, Markplätze, Garagenanlagen, Vorgärten und nicht zuletzt 380 Müllstandorte. Diese sind jetzt oft hinter schützenden Zäunen und deckendem Grün verborgen. Parallel zur Landsberger Allee erfreut das längst nicht nur die Mieter, die frisches Grün direkt vor der Tür genießen können, sondern auch Stadtspaziergänger aus anderen Vierteln. „Hier ist ein ganzer Grünzug entstanden“, sagt Oliver Pohlann stolz. „Man bewegt sich durch das Wohngebiet wie durch einen Park.“ Jahre hat es nach dem Spatenstich nur gedauert, bis das gesamte Wohngebiet fertiggestellt wurde. 22.500 Wohnungen stellt die HOWOGE in Hohenschönhausen zur Verfügung, in denen rund 40.000 Menschen ein Zuhause finden. 360 Wohn- und Innenhöfe wurden von der HOWOGE seit 1985 neu gestaltet. Über 68 Millionen Euro hat die HOWOGE seit Anfang der 90er-Jahre in die Außenanlagen investiert. 30 Jahre Hohenschönhausen — 25 Rückblick Hohenschönhausen Hohenschönhausen Rückblick In 30 Jahren ist viel passiert Das neue Hohenschönhausen wird 30 Jahre alt. Wir zeigen, was bisher passierte – und wie die Zukunft aussehen könnte 1985–1995 Hohenschönhausen wächst, Steffi Graf siegt, die Mauer fällt, und alle tanzen Mambo. 1987 1985 Am 1. September wird Hohenschönhausen ein eigenständiger Stadtbezirk. 1986 erhält Sängerin Inka Bause zum zweiten Mal den Nachwuchspreis der Zeitschrift „Neues Leben“. Schon zwei Jahre später moderiert sie erstmals die „Talentebude“. 26 — 30 Jahre Hohenschönhausen 1990 „Dirty Dancing“ löst eine Mambo-Welle aus. In der DDR läuft der Film 1989 an und wird zum Kinohit des Jahres. 1989 1988 Steffi Graf gelingt als erster Tennisspielerin der „Golden Slam“: sie gewinnt nicht nur alle vier wichtigen Turniere, sondern auch Olympia-Gold in Soul. feiern die Menschen am 9. November auf der Berliner Mauer. Nach monatelangen Protesten und einer Ausreisewelle werden die Grenzen endlich geöffnet und der Eiserne Vorhang fällt. 1993 Im Oktober erhält der sowjetische Staats präsident Michail Gorbatschow den Friedensnobelpreis „für seine führende Rolle im Friedensprozess“. Ein gutes Jahr später tritt er zurück. ist das Jahr von Franziska van Almsick: drei Weltrekorde in Folge, „Welt sportlerin“ des Jahres. Ihre Schwimmkarriere begann beim SC Berlin. 1991 Am 30. April rollt in Zwickau der letzte Trabant vom Band. Insgesamt wurden gut drei Millionen Trabis gefertigt. 30 Jahre Hohenschönhausen — 27 Rückblick Hohenschönhausen Hohenschönhausen Rückblick 2005–2015 1995–2005 Ein Papst tritt zurück und Deutschland wird Weltmeister. Von Schafen aus dem Labor, einem Heim für Haustiere und einer neuen Währung für Deutschland. 2007 Im Juli erscheint der letzte Harry-PotterBand. Die Fans kampieren vor den Buchhandlungen, um ein Buch zu ergattern. 2005 Mit der Wahl Angela Merkels regiert in Deutschland erstmals eine Frau. 1996 2010 Lena Meyer-Landrut gewinnt den Eurovision Song Contest. Ihr Nummer-einsHit „Satellite“ wird in Hohenschönhausen abgemischt. Eine Version von „Der Schrei“ des Malers Edvard Munch wird in New York für knapp 120 Millionen US-Dollar versteigert – der höchste Preis, der bis dahin für ein Gemälde bezahlt wurde. 2001 Das Schaf Dolly ist das erste geklonte Säugetier der Welt. Dolly wird fast sieben Jahre alt. Hohenschönhausen und Lichtenberg verschmelzen zum neuen Bezirk Lichtenberg. 1999 Seit 1. Januar ist der Euro offizielles Buchgeld in Deutschland und elf weiteren Ländern. Münzen und Scheine kommen erst 2002. 28 — 30 Jahre Hohenschönhausen 2012 2013 Benedikt XVI. verkündet seinen Amtsverzicht zum 28. Februar – der erste Papst-Rücktritt seit 1294. 2002 eröffnet das Tierheim Berlin in Falkenberg. Es zählt zu den größten Tierheimen Europas. 2014 wird Deutschland in Brasilien zum 4. Mal Fußballweltmeister. Knapp 400.000 begeisterte Fans empfangen die Mannschaft am 15. Juli in Berlin. 30 Jahre Hohenschönhausen — 29 Nachhaltig Das junge Hohenschönhausen ist fit für die Zukunft – dank einer soliden Infrastruktur und viel Platz für die wachsende Stadtbevölkerung. Ein Blick ins Jahr 2045 W ie hat sich die Zingster Straße verändert! Viel los war hier schon immer. Aber früher eilten die Leute in Autos aneinander vorbei. An diesem Sommertag im Jahr 2045 schlendern sie zwischen Läden und Cafés entlang. Fußgänger, Straßenbahn, Rad- und Autofahrer nutzen den Boulevard gemeinsam. So stellen sich Stadtplaner die Zukunft Hohenschönhausens vor. Sie schätzen die variable Bauweise der Plattenbauten: Über eine Etage zieht sich eine lange Terrasse, von der Mieter einer Senioren-WG die Aussicht genießen. Hohe Fenster lassen erkennen, wo zwei Stockwerke zu einer Maisonette-Wohnung verbunden wurden. Fensterlose Wände sind komplett mit Solarkollektoren belegt. Das gewonnene Warmwasser wird im Erdreich gespeichert. In den Innenhöfen finden sich kleinere Häuser mit Läden, Bibliotheken und Gemeinschaftsräumen. Damit greifen die Stadtplaner die Visionen der 70er-Jahre auf. Damals entstand Hohenschönhausen als sozial gemischtes Quartier, in dem die Menschen wohnen, arbeiten, einkaufen und ihre Freizeit verbringen können. Mit gezielten Umbaumaßnahmen verwandelt sich die autogerechte Großwohnsiedlung des Industriezeitalters in ein lebhaftes und nachhaltig bewirtschaftetes Quartier der Zukunft. Skizze: Ini Neumann Lichtenberg Open ART: Namhafte Künstler nutzen die Giebelseiten der Plattenbauten für Fassadengemälde, hier in der Warnitzer Straße
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