Klinische Pharmakologie der Anästhetika Narkosestadien einer

Klinische Pharmakologie der Anästhetika
Narkosestadien einer Äthernarkose
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Analgesiestadium
Exzitationsstadium
Toleranzstadium
Asphyxiestadium
Anästhesiologisches Gesamtkonzept einer Narkose
Eigenschaften eines idealen Narkosemittels
• Gute analgetische u. narkotische Wirkung
• Geringe Beeinflussung von Atmung und Kreislauf
• Reizlosigkeit an Haut und Schleimhaut
• Keine toxischen Metabolite
• Große therapeutische Breite
• Gute Steuerbarkeit (rasches An- und Abfluten)
• Leichte Handhabbarkeit
• Günstige physikalische Eigenschaften
• Umweltverträglichkeit nach Entweichen in die Atmosphäre
Nach der Applikationsart unterscheidet man:
•Injektionsanästhetika
die intravenös injiziert werden
•Inhalationsanästhetika
die mit der Atemluft aufgenommen werden
I. Injektionsanästhetika:
Einteilung nach Wirkspektren
A.
Hypnotika
-Barbiturate
-Etomidat
-Propofol
-Benzodiazepine
B.
Opioide
C.
Hypnoanalgetika
-Ketamin
D.
Psychopharmaka
-Benzodiazepine
Eigenschaften:
• Sofortiger Wirkungseintritt
• Geringe Steuerbarkeit (Umverteilungsphänomene)
1. Sog. "schnelle Induktionsmittel"
-Barbiturate ("anästhetische Barbiturate" wie Thiopental)
-Imidazole (Etomidat)
-Phenole (Propofol)
2. Sog. "langsame" i.v.- Induktionsmittel
-Benzodiazepine (Midazolam)
-Ketamin
-Opioide
A.
Hypnotika
-Barbiturate
-Etomidat
-Propofol
-Benzodiazepine
A.1
Barbiturate (Thiopental, Methohexital)
Vorteile:
•rascher Wirkungseintritt
• kurze Wirkdauer
Nachteile:
•stark alkalische Lösung
• wirken nicht analgetisch
• nur in Kombi. Mit Opioid
• Atemlähmung
• negativ inotrop
• reflektorische Tachykardie
• venöses Pooling, Blutdruck sinkt
• Bronchospasmen
• Histaminfreisetzung
Umverteilungsphänomene für lipophile intravenöse Anästhetika
1.
2.
3.
Das intravenös applizierte Narkotikum gelangt in das zentrale
Blutkompartiment (Kompartiment I).
Rasche Umverteilung in gut durchblutete Organe (Gehirn, Leber, Niere) =
Kompartiment II
Langsame Rückverteilung aus Kompartiment II in das Blut und Umverteilung
in Kompartiment III (Fett).
A.2
Etomidat
Vorteile:
• rascher Wirkungseintritt
• kurze Wirkdauer
• 15 x wirksamer als Thiopental
• größere therapeutische Breite
• „Herz“ kaum beeinflusst
• rel. geringe Beeinträchtigung der Atmung
Nachteile:
• wirkt nicht analgetisch
• Thrombophlebitiden beschrieben
• Hemmung der 11ß-Hydroxylase
• Erniedrigung des Cortisol- und Aldosteronspiegels
A.3
Propofol
Vorteile:
•rascher Wirkungseintritt
• kurze Wirkdauer
• gute Steuerbarkeit
• zur TIVA geeignet
Nachteile:
•wirkt nicht analgetisch
• negativ inotrop
• Blutdruck sinkt
• stark atemdepressiv
• nicht wasserlöslich
A.4
Midazolam
Vorteile:
• großes Erfahrungswissen
• muskelrelaxierend
• Midazolam ist wasserlöslich
• keine Injektionsschmerzen
• für Kurz- sowie Langzeitsedation geeignet
• amnestisches Potential
• kann spezifisch antagonisiert werden
• kann auch nichtinvasiv (rektal, oral, nasal) angewandt werden
Nachteile:
• für schnelle Induktion ungeeignet
• hohe interindividuelle Ansprechbarkeit
• trotz klinisch unauffällliger Aufwachphase sind psychomotorische Leistungen
eingeschränkt
B.
Opioide
Opioidwirkungen
zentral
• Analgesie
• Sedierung
• Übelkeit, Erbrechen
• Euphorie
• Atemdepression
• Miosis
• Hustenstillung
• Juckreiz
• Bradykardie
• RR-Senkung
peripher
• Analgesie
• spastische Obstipation
• Gallenflusshemmung
• Harnverhalt
• Histaminfreisetzung, Juckreiz
• Wehenhemmung
Verzögerung Plasmakonzentation - Wirkung
Physikochemische und pharmakokinetische Eigenschaften von Opioiden
Alfentanil
Fentanyl
Sufentanil
Remifentanil
6,5
8,4
8,0
7,1
Verteilungskoeffizient
~130
~815
~1750
~18
Proteinbindung
92 %
84 %
93 %
70 %
Anschlagzeit
1-1,5 min
4-5 min
2-3 min
1-1,5 min
Verteilungsvol.
0,5-1 l/kg
4 l/kg
2,9 l/kg
0,2-0,4 l/kg
Cl (ml/min/kg)
3-8
13
13
30-40
pKa-Wert
(Octanol /Wasser)
„Kontext-sensitive“ Halbwertszeit von Opioiden in Abhängigkeit von der
Infusionsdauer
C.
Hypnoanalgetika
Ketamin (S(+)-Ketamin)
Vorteile:
• gute analgetische Wirkung
• Atmung wenig beeinflusst
• kreislaufaktivierend
• NMDA-Antagonist
Nachteile:
• unangenehme Träume
• Halluzinationen
• kreislaufaktivierend
• intraokularer Druck gesteigert
• dissoziative Anästhesie
Vergleich einiger intravenöser Anästhetika
1. Schneller Wirkungseintritt
Ja: Thiopental, Methohexital, Propofol, Etomidat
Nein: Ketamin, Midazolam, Opioide
2. vorteilhafte Kinetik
Relativ gute Steuerbarkeit
Ja: Propofol, Etomidat, Remifentanil
Nur Propofol und Remifentainl können repetitiv und kontinuierlich
appliziert werden
Nein: Barbiturate, Midazolam
Barbiturate kumulieren (langsame Eliminationsphase)
3. analgetische Potenz
signifikant: Ketamin.
Nein: alle eigtl. schnellen i.v.-Induktionsmittel
in niedriger Dosierung sogar antianalgetisch (bzw. hyperalgetisch):
Thiopental
4. ruhige Induktion
keine Exzitation wie Husten, unwillkürliche Muskelbewegungen,
Laryngospasmus etc.
Ja: Thiopental, Propofol, Midazolam
Nein: Methohexital
5. ruhige Eduktion
keine Exzitation, angenehmes Erwachen ohne psychotomimetische
UAW
Propofol optimal
Ketamin: psychotomimetische Reaktionen
Barbiturate: ausgeprägter Hangover bei höherer Dosierung,
bei normaler Dosierung oft Müdigkeit, verlangsamte Reaktionszeit über
24 h
Midazolam: interindividuell hohe Inzidenz von (anhaltender) Amnesie
II. Inhalationsanästhetika:
zur Aufrechterhaltung einer Narkose geeignet
•Halothan
•Enfluran
•Isofluran
•Sevofluran
•Desfluran
•Lachgas
Physikochemische Eigenschaften von Inhalationsanästhetika
Blut/Gas
Öl/Gas
MAC(Vol.%)
Halothan
2,4
224
0,8
Enfluran
1,8
97
1,7
Isofluran
1,4
91
1,2
Sevofluran
0,7
47
1,7
Desfluran
0,4
19
6,0
Lachgas
0,5
1,4
105
Die An- und Abflutungsgeschwindigkeit hängen vor allem von den Gradienten
zwischen der Konzentration in der Atemluft und im Blut und somit von der Löslichkeit
des Narkosemittels im Blut ab.
Je kleiner der Blut/Gas-Verteilungskoeffizient ist, desto schneller tritt eine Narkose
ein und desto schneller klingt sie auch wieder ab.
Verhältnis von alveolärer zu inspiratorischer Konzentration eines Inhalationsanästhetikums
Lachgas
Vorteile:
•wenig toxisch
• gut steuerbar
• gut analgetisch
Nachteile:
•schwach narkotisch wirksam
• nicht muskelrelaxierend
• Beeinträchtigung der Erythrozytenund Leukozytenproduktion
• Diffusionshypoxie
Lokalanästhetika
Lokalanästhetika heben reversibel und örtlich begrenzt die Erregbarkeit der
schmerzvermittelnden sensiblen Endorgane und das Leitungsvermögen der
sensiblen Nervenfasern auf. Als Folge davon wird die Schmerzempfindung ohne
Beeinträchtigung des Bewusstseins vorübergehend ausgeschaltet.
Die Wirksamkeit der Lokalanästhetika nimmt mit einer Vergrößerung des
Faserdurchmessers ab.
•
•
Es werden zuerst die dünnen “schmerzleitenden” C- und Aδ-Fasern und die
präganglionären B-Fasern blockiert.
Erst bei höherer Dosierung wird auch die Übertragung von Berührung und
Druck (Aβ) und schließlich die Motorik (Aα) beeinträchtigt
Charakteristika von Nervenfasern
Grundstruktur von Lokalanästhetika
Schematischer Wirkungsmechanismus von Lokalanästhetika
Molekularer Wirkungsmechanismus von Lokalanästhetika
Anwendungsarten
Nach der Art der Applikation des Lokalanästhetikums unterscheidet man zwischen:
• Oberflächen-,
• Infiltrations- und
• Leitungsanästhesie sowie
• intravenöser Regionalanästhesie im Bereich der Extremitäten.
Vasokonstriktorische Zusätze
Lokalanästhetika werden häufig mit vasokonstriktorischen Substanzen kombiniert:
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•
Die Vasokonstriktion verzögert den Abtransport des Lokalanästhetikums,
erhöht damit die Wirkungsdauer
Sie führt zu einem schwach durchbluteten Operationsgebiet.
Nicht anwenden für stark durchblutete Körperregionen, z.B. den Kopf-, Hals-,
Urogenital- und Analbereich, wo Lokalanästhetikum und Vasokonstringens
rasch und gleichzeitig mit der Folge einer erhöhten Gesamttoxizität resorbiert
werden.
Auch bei Operationen an Akren (Fingern, Zehen, Nase, Kinn) darf kein
Vasokonstringens zugesetzt werden.
Vasokonstriktorisch wirkende Substanzen:
• a-Sympathomimetika (Adrenalin, Noradrenalin)
• Felypressin (Hormon des HHL)
NW:
Angstgefühl, Unruhe, Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg, Rhythmusstörungen
Felypressin bei gleichzeitiger Gabe von TCA
Abhängigkeit der Wirkung vom Gewebe-pH-Wert
•
Entzündetes Gewebe weist einen niedrigeren pH-Wert als normales Gewebe
auf.
•
Lokalanästhetika sind im entzündeten Gewebe (z.B. bei entzündlichen
Zahnschmerzen) weniger wirksam, weil das Gleichgewicht zwischen der
protonierten und nicht-protonierten Form nach der Seite des protonierten
Anteils verschoben ist.
Gefährliche Komplikationen
Betroffen sind vor allem Organe, in denen die Fortleitung der Erregung durch
Lokalanästhetika gehemmt werden kann. So kann es zu schweren, u. U.
lebensbedrohlichen Komplikationen infolge eines zu hohen Blutspiegels des
Lokalanästhetikums oder des als Vasokonstringens zugesetzten
Sympathomimetikums sowie zu allergischen Reaktionen kommen.
Zentralnervöse Vergiftungssymptome:
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•
Anfangsphase: Hemmung von Natriumkanälen in inhibitorischen Neuronen
(wodurch Erregungssymptome entstehen)
später: Lähmung großer Teile des ZNS
•
Unruhe, Rededrang, Erbrechen, Tremor, Angstzustände und Delirien, in
schweren Fällen klonische Krämpfe und Atemlähmung.
Herz:
•
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Hemmung der Erregungsbildung
Negativ inotrope, negativ dromotrope,
negativ bathmotrope Wirkungen
Bradykardie, evtl. atrioventrikulärer Block
Folge: Herzstillstand, anoxische Krämpfe
Allergische Reaktionen
•
•
vorwiegend bei Lokalanästhetika vom Estertyp.
z.B. urtikarielles Exanthem, Bronchospasmus, anaphylaktischer Schock
Behandlung:
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H1-Antihistaminika
Glucocorticoide
beim anaphylaktischen Schock zusätzlich Adrenalin (0,5–1 mg intravenös).
Lokalanästhetika vom Estertyp
Benzocain: Oberflächenanästhetikum (5–20%ig,). Langanhaltende Wirkung.
Procain:
Handelsüblich sind 0,5%ige Lösungen zur Infiltrations- und 1–2%ige
Lösungen zur Leitungsanästhesie.
Tetracain: etwa zehnmal stärker wirksam, aber auch zehnmal toxischer als
Procain.
Oberflächenanästhetikum.
Die Wirkung hält mehrere Stunden an.
Lokalanästhetika vom Säureamidtyp
Wegen ihrer verhältnismäßig langen Wirkdauer und ihrer bei Einhaltung der
Dosierungsvorschriften guten Verträglichkeit stellen die Lokalanästhetika vom
Säureamidtyp die derzeit wichtigste und am meisten verwendete
Lokalanästhetikagruppe dar.
z.B.
- Articain,+ Epinephrin (Ubistesin, Ultracain)
- Lidocain + Adrenalin (Xylocain)
- Prilocain + Felypressin (Xylonest)