Kritischer AtlAs - Kritische Karten

Call for Papers,
Maps & Ideas
Kritischer
Atlas
„Die Vorstellung, es könnte eine „offizielle“, das heißt allseits akzep-
tierte Aufteilung der Welt geben, ist eine Illusion, die zu zerstören die
Aufgabe der Kartografen ist“. (Philippe Rekacewicz)
Wir sind ein Kollektiv kritischer Kartograph*innen und möchten 2016 einen „Kritischen Atlas“
herausgeben. Aus diesem Grund laden wir Kartograph*innen, Gelegenheitskartograph*innen,
Künstler*innen, Aktivist*innen, Geograph*innen und alle, die sich mit kritischen Karten beschäftigen dazu ein uns ihre Karten, Texte, Fotos und Ideen zukommen zu lassen. Neben kritischen Printund Online-Karten sollen Berichte von Kartierungsprozessen und Ausstellungen sowie Interviews
und Texte übers Kartieren Teil des Atlas sein. Wir freuen uns über Beiträge aus aller Welt.
Warum ein kritischer Atlas?
Ob als verstaubte Wandkarte in der Schule, als Citytour Guide, als thematische Karte in der Zeitung
oder als digitaler Kartenausschnitt auf dem Smartphone, Karten begegnen uns ständig und in unterschiedlichsten Kontexten. Wir verwenden Karten, um uns an unbekannten Orten zu orientieren,
wir benutzen sie um uns geographische Inhalte visuell zu erschließen oder wir finden Karten als
Argumente in politischen Auseinandersetzungen. Dabei sind sie keineswegs bloß neutrale Werkzeuge zur Darstellung räumlicher Informationen. Sie festigen soziale Ordnungen, Vorstellungen und
Machtverhältnisse und prägen letztlich sowohl unser Bild von Räumen wie auch unser Verhalten
im Raum.
Seit den 1980er Jahren gehen verschiedenste Akteur*innen verstärkt in einer Doppelbewegung
aus theoretischer Kritik und kritischer Praxis in eine Konfrontation mit der klassischen westlichen
Kartographie. Die Auseinandersetzung mit Karten beschränkt sich dabei nicht auf eine Dekonstruktion oder Ideologiekritik von Karten. Vielmehr bedienen sich kritische Kartograph*innen selbst der
Wirkmächtigkeit von Karten, beteiligen sich an deren Herstellung und versuchen diese konstruktiv
einzusetzen.
Vereinfachend kann hier zwischen drei miteinander verbundenen Stoßrichtungen unterschieden
werden: Erstens gibt es eine große Anzahl partizipativer und kollektiver Kartierungsprojekte, die
den Prozess der Kartenherstellung öffnen, um damit auch (sich als) „kartographischen Lai*innen“
die Möglichkeit zu geben, eine eigene Stimme bzw. eine Karte zu erlangen. Ein zweites Feld stellen
Countermappings dar. Sie wenden sich gegen die oft staatlich oder kommerziell geprägten hegemonialen Raum- und Gesellschaftsbilder und versuchen diesen eine Sicht „von unten“ entgegenzusetzen. Hierzu zählen Kartierungen sozialer Missstände, Widerstände und Visionen, die im
offiziellen Diskurs keinen Platz bekommen oder „Gegenkarten“ in raumplanerischen Debatten. Eine
dritte Form angewandter kritischer Kartographien bildet eine künstlerische Auseinandersetzung
mit Karten und deren etablierten formalisierten Konventionen und Rationalitäten.
Dies sind für uns jede Menge Anlässe, uns mit diesen Praktiken in Form eines Publikationsprojekts
intensiver auseinanderzusetzen. Der Charakter dieser Publikation soll zwischen einem gemeinsam
erarbeiteten Handbuch zum kritischen Kartieren und einer kritischen Diskussion von Projekten
kritischen Kartierens liegen. Ziel ist ein Buch, das sich als unkonventioneller Atlas kritisch im kartographischen Diskurs positioniert und dabei sowohl zum Selbermachen anregt und die Stärken
bestimmter kartographischer Zugänge herausstellt, als auch mit bestehenden Projekten in eine
kritische Auseinandersetzung geht. Es soll eine Sammlung kritischer Kartierungsprojekte und praktischer Erfahrungen sein.
Wir erhoffen uns Beiträge und Auseinandersetzungen zu den drei genannten Dimensionen der
kritischen Kartographie, möchten den Schwerpunkt aber auf Countermapping sowie kollektive
und partizipative Kartierungen legen. Uns interessieren insbesondere Erfahrungen mit Praktiken
kritischen Kartierens und deren Reflexion, mit partizipativen Verfahren, mit Karten als einem Instrument der Entwicklung und Artikulation politischer Forderungen und mit Karten als Gegenerzählungen zu dominanten Lebensrealitäten.
Wir bitten um Einsendungen und Interessensbekundungen in Form von Abstracts bis zum
20.09.2015, an die Adresse [email protected]. Die printfertigen Beiträge werden im
Atlas als Karten in der Größe DIN A3 abgedruckt und einen rückseitigen Text zur Karte im Umfang
von zwei DIN A4-Seiten beinhalten.
Voll gespannter Vorfreude,
das Herausgeber*innenkollektiv (Boris Michel, Christian Bittner, Dirk Neumann, Silke Greth,
Severin Halder, Matze Jung, kollektiv orangotango)
PS: Für uns ist es selbstverständlich, dass die Initiative und das Buchprojekt keinen kommerziellen
Zwecken dient.
www.kritische-karten.net