Leitbild zur Medienkompetenzförderung der SLM

Leitbild
zur Medienkompetenzförderung der SLM
1. Anliegen und Ausgangslage
Die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien
(SLM) fördert mit vielfältigen Initiativen, Projekten und Weiterbildungsangeboten
die
nachhaltige
Entwicklung
einer
kritischen
und
selbstbestimmten Medienaneignung von sächsischen Kindern, Jugendlichen,
Erwachsenen und Multiplikatoren.
Die SLM bildet dabei drei Schwerpunkte: Die Realisierung oder
maßgebliche Gestaltung von medienpraktischen Aktivitäten wie des SLMMedienmobils oder der SAEK, die Unterstützung von landes- und
bundesweiten Wettbewerben und Initiativen zur Anregung und Erweiterung
vergleichbarer Aktivitäten sowie die Förderung von innovativen und
nachhaltigen Medienkompetenzprojekten durch sächsische Vereine und
Einrichtungen.
Für die Förderung von Medienkompetenzprojekten werden jährlich
Fördermittel von zuletzt gut 80.000 € zur Verfügung gestellt. Diese sollen
im Wesentlichen für umfängliche und zumeist themenbezogene Projekte
und ergänzend für kurzfristige kreative Projektansätze verwendet werden.
Das vorliegende "Leitbild zur Medienkompetenzförderung der SLM" soll
allen interessierten Einrichtungen und potentiellen Antragstellern in Sachsen
verdeutlichen,
was
die
SLM
mit
der
Förderung
solcher
Medienkompetenzprojekte wie auch mit der Unterstützung des Wettbewerbs
"Medienpädagogischer Preis" zu erreichen versucht und worauf sie bei der
Planung und Umsetzung solcher Projekte Wert legt.
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2. Theoretische Bezugspunkte
Medienaneignung, Medienkompetenz, und Aktive bzw. reflexivpraktische Medienarbeit bilden die zentralen Begrifflichkeiten im
Selbstverständnis der Medienkompetenzförderung der SLM.
Medienaneignung ist der komplexe, lebenslange "Prozess der Nutzung,
Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Medien aus Sicht der
Subjekte unter Einbezug ihrer – auch medialen Lebenskontexte" 1. Der
Begriff der Medienaneignung betont dabei vor allem die Bedeutung des
Kontextes für das Medienhandeln. Menschen handeln - ob mit oder ohne
Medien - nicht losgelöst; ihr Handeln ist stets in die individuellen
Lebenskontexte eingebunden. Medienaneignung vollzieht sich immer auf
Grundlage der sozialen und medialen Erfahrungswelt des Individuums und
seiner Lebenssituation.
Die Förderung von Medienkompetenz ist das übergeordnete Ziel
handlungsorientierter
medienpädagogischer
Bemühungen.
Medien-
kompetenz ist dabei keine Fertigkeit, die einseitig vermittelt werden kann,
sondern eine kritisch-reflexive Fähigkeit, die Menschen durch handelndes
Lernen in aktiver Auseinandersetzung mit der - auch medialen - Umwelt
erwerben. Medienkompetenz ist demzufolge keine Kompetenz, die man
"messen" kann, sie ist je nach Bedürfnissen und Voraussetzungen
individuell unterschiedlich. Medienkompetenzerwerb ist ein lebenslanger
Prozess und kein Status, den man erlangen kann. Medienkompetenz ist "die
Fähigkeit auf der Basis strukturierten zusammenschauenden Wissens und
einer ethisch fundierten Bewertung der medialen Erscheinungsformen und
Inhalte, sich Medien anzueignen, mit ihnen kritisch, genussvoll und reflexiv
umzugehen
1
und
sie
nach
eigenen
inhaltlichen
und
ästhetischen
Schorb, Bernd; Theunert, Helga (2000): Kontextuelles Verstehen der Medienaneignung.
In: Paus-Hasebrink, Ingrid; Schorb, Bernd (Hg.): Qualitative Kinder- und
Jugendmedienforschung. Theorie und Methoden: ein Arbeitsbuch. München: kopaed,
S. 33–57.
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Vorstellungen, in sozialer Verantwortung sowie in kreativem und
kollektivem Handeln zu gestalten." 2
Medienkompetenz lässt
sich in den Dimensionen Medienwissen,
Medienbewertung und Medienhandeln präzisieren.
3
Die Dimensionen können in der medienpädagogischen Praxis nicht isoliert
voneinander betrachtet werden, sondern müssen sich gegenseitig bedingen
und miteinander im pädagogischen Prozess verflochten werden.
Aktive bzw. reflexiv-praktische Medienarbeit bedeutet die "Be- und
Erarbeitung von Gegenstandsbereichen sozialer Realität mit Hilfe von
Medien wie Druck, Foto, Ton, Video, Computer, Multimedia und Internet.
Die Medien werden von ihren Nutzern ‚in Dienst genommen‘, d.h.
selbsttätig gehandhabt und als Mittel der Kommunikation gebraucht."4
Aktive Medienarbeit legt nahe, dass es dabei um ein zielgerichtetes, aktives
Handeln geht. Dieses Handeln zielt auf die Erstellung eines medialen
Produkts.
2
Schorb, Bernd (2005): Medienkompetenz. In: Hüther, Jürgen; Schorb, Bernd (Hg.):
Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 262.
3
Abb. vgl. Schorb, B. (2008). Handlungsorientierte Medienpädagogik. In: Sander et al.
(Hg.): Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS, S. 79.
4
Schell, Fred: Aktive Medienarbeit (2005). In: Hüther, Jürgen; Schorb, Bernd (Hg.):
Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 9.
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Aktive Medienarbeit orientiert sich an den Lernprinzipien:
•
Handelndes Lernen:
Selbermachen und kreatives Gestalten stehen im Mittelpunkt, weniger
Zuhören und "Pauken": Indem sie sich einen Gegenstandsbereich tätig
aneignen, erwerben die Teilnehmer theoretisches und praktisches
Wissen.
•
Lernen im sozialen Miteinander:
Gruppenprojekte fördern die Interaktion mit anderen und dadurch die
sozialen Fähigkeiten der Teilnehmer. Sie lernen, sich in eine Gruppe zu
integrieren, Aufgaben zu verteilen und zu übernehmen, in einer
Diskussion zu argumentieren, zu kritisieren und mit Kritik umzugehen.
Als Teil einer Gruppe müssen sie für das eigene Medienprodukt
einstehen.
3. Eckpunkte für ein förderfähiges und prämierungswürdiges
Medienkompetenzprojekt
Die SLM unterstützt vorrangig Medienkompetenzprojekte im Verständnis
reflexiv-praktischer
Medienarbeit.
Reine
Schulungs-
oder
Wissensvermittlungsangebote werden in der Regel nicht gefördert. Bei der
Konzeption und Antragstellung helfen die folgenden Prämissen:
1. Reflexiv-praktische Medienarbeit setzt an den Bedingungen und
Voraussetzungen der Teilnehmer an.
Die pädagogischen Subjekte haben prinzipiell gesellschaftliche Handlungsund Gestaltungskompetenz. Ihre gesellschaftlich bedingten, spezifischen
Problemlagen,
die
unterschiedlichen
Formen
subjektiver
Lebens-
bewältigung und des alltagspraktische Handeln der Teilnehmer müssen
berücksichtigt werden. Der Ausgangspunkt von Prozessen reflexivpraktischer
Medienarbeit
sind
die
Interessen,
Problemlagen
und
Erfahrungen der Teilnehmer. Diese bestimmen das Thema. Die Umsetzung
des Themas orientiert sich an den alltagspraktischen Verarbeitungs- und
Handlungsorientierungen der Teilnehmer.
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2. Reflexiv-praktische Medienarbeit orientiert sich an Selbsttätigkeit und
Eigenverantwortung der Teilnehmer.
Die Erstellung
eines Medienproduktes ist
ein Prozess,
den die
pädagogischen Subjekte vorrangig selbst in der Hand haben sollen. Die
Teilnehmer sollen Organisation und Verlauf möglichst selbstverantwortlich
bestimmen. Pädagogen sind Unterstützer und Ratgeber.
3. Reflexiv-praktische Medienarbeit fördert die Fähigkeit zur inhaltlichen
Nutzung der Medien als Mittel und Mittler von Kommunikation.
Aktive Medienarbeit darf nicht auf die Vermittlung technischer und
gestalterischer Fertigkeiten beschränkt bleiben. Entscheidend ist, das
Bewusstsein bei den Teilnehmern zu schärfen. Medien sind Mittel, mit
denen eigene Sichtweisen und Positionen zum Ausdruck gebracht und
anderen mitgeteilt werden können. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit
einem Themenbereich und die bei den Teilnehmern in Gang gesetzten Lernund Erfahrungsprozesse sind wesentlicher als ein technisch perfekt
umgesetztes und gestaltetes Produkt.
4. Häufig gestellte Fragen im Rahmen der Antragstellung
F: Was ist das Ziel eines reflexiv-praktischen Medienkompetenzprojektes?
A: Die Erweiterung der Handlungsfähigkeit.
Für die aktiv produzierenden Subjekte innerhalb des medienpädagogischen
Prozesses werden über die Rezeption hinaus Handlungsmöglichkeiten
erfahrbar. Dies betrifft sowohl die reflexive Auseinandersetzung mit
Medienprodukten, z.B. Spielfilmen, als auch die Eigenproduktion z.B. von
Podcasts und anderen Medien.
F: Welche Anknüpfungspunkte hat ein reflexiv-praktisches Medienkompetenzprojekt?
A: Eigenes Erleben und eigene Problemsichten in Bild, Wort und Schrift
umsetzen.
Mit reflexiv-praktischer Medienarbeit werden von den Teilnehmern
Alltagserfahrungen
aufgearbeitet,
eigene
Positionen
und
Interessen
ausgedrückt und anderen vermittelt. Den Medienproduzenten steht dabei
eine breite Palette von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, so dass
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beispielsweise Kinder, die mit der Schriftbeherrschung Schwierigkeiten
haben, sich des gesprochenen Wortes und vor allem des (bewegten) Bildes
zur Mitteilung bedienen können.
F: Was kennzeichnet einen förderfähigen medienpädagogischen Prozess
im Rahmen eines Medienkompetenzprojektes?
A: Erfahren und Erlernen bewusster Kommunikation.
Die mediale Eigenproduktion setzt die Auseinandersetzung mit den
Koproduzenten voraus. Es ist für die Mitglieder einer Mediengruppe
notwendig, den Inhalt ebenso wie den Entstehungsprozess des gemeinsamen
Medienproduktes festzulegen. Die Teilnehmer lernen so, den Regeln eines
Gruppendiskurses zu folgen, verständlich, themenbezogen und adressatenorientiert zu argumentieren, anderen zuzuhören, Gegenargumente zu
reflektieren usw.
F: Was bedeutet "kritisch-reflexiv"?
A: Die Befähigung, die eigenen Interessen selbstkritisch zu erkennen und
kreativ umzusetzen.
Die kritische Reflexion wird gerade bei Eigenproduktionen gefördert. Die
Erstellung eines Medienprodukts erfordert eine selbstreflexive Analyse, um
herauszufinden, welche Mitteilung wann und warum wichtig ist. Die
kreative Umsetzung ist die Voraussetzung der Akzeptanz der Mitteilung
durch die Adressaten.
F: Warum ist Öffentlichkeit für ein medienpädagogisches Projekt
besonders wichtig?
A: Erwerb von Verhaltenssicherheit in unterschiedlichen sozialen
Situationen.
Der Produktionsprozess eines selbst erstellten Mediums fördert ebenso wie
dessen Präsentation bei den Teilnehmern Sozialverhalten und die Fähigkeit,
sich in Kommunikation und Interaktion auf unterschiedliche Menschen
einzustellen. Der notwendige Umgang mit anderen und unterschiedlichen
Menschen - wie Mitproduzenten, Behörden, die beispielsweise eine Dreherlaubnis erteilen, Passanten, die bei der Produktion zuschauen, Zuhörer und seher des fertigen Beitrages etc. - bildet einen unerlässlichen Teil reflexivpraktischer Medienarbeit.