Koch Lexikon Verdoppelung Sextakkord

Heinrich Christoph Koch: Musikalisches Lexikon (1802)
VERDOPPELUNG
So erklingen z. B. , wenn das große C auf einem Instrumente angegeben wird,
indemselben zugleich folgende Töne:
und hieraus lassen sich die Regeln der Verdoppelung sehr leicht ableiten.
Weil in dieser natürlichen Zusammenstimmung der Töne des Dreiklanges der Ton
c dreimal, die Quinte g zweimal, die Terz e aber nur einmal vorhanden ist, so
kann man daraus folgern, daß bei jedem vollkommenen Dreiklange die Oktave des
Grundtones das erste und schicklichste Intervall sei, welches zur Verdoppelung
eines Tones desselben angewendet werden kann. Weil aber auch in der
angezeigten mitklingenden Zusammenstimmung der Töne die Quinte doppelt
vorhanden ist, so kann auch diese, wenn der Verdoppelung des Grundtones
Hindernisse sich in den Weg legen, sehr schicklich verdoppelt werden. Die Terz
hingegen ist unter diesen fünf mitklingenden Tönen nur einmal vorhanden; die
Sympathie der Töne zeigt uns daher deutlich, daß die Terz des Dreiklanges das
unschicklichste Intervall zur Verdoppelung sei. Die Erfahrung stimmt mit diesen
aus dem Mitklingen der Töne hergeleiteten Regeln der Verdoppelung vollkommen
überein, denn man findet, daß in einem Dreiklange bei der Verdoppelung des
Grundtones sowohl als bei der Verdoppelung der Quinte, die nur einmal
vorhandene Terz (besonders die große) immer genugsam durchsticht, so daß sich
der Dreiklang in seiner ganzen Vollkommenheit behauptet. Daher verdoppelt man
nie in einer Hauptstimme ohne besondere Ursachen (zumal in der guten Zeit des
Taktes) die große Terz eines Dreiklanges, weil sie durch diese Verdoppelung zu
scharf hervorsticht, und verursacht, daß man den Grundton und die Quinte in
der ganzen Zusammenstimmung zu matt höret. Mit der Verdoppelung der Terz
eines weichen Dreiklanges, die als kleine Terz weniger Schärfe äußert, als die
große, nimmt man es nicht so genau, besonders wenn sie als Grundton des
Sextenakkordes im Basse steht.
Weil nun der Sextenakkord nichts anderes ist, als eine Verwechselung der Töne
des Dreiklanges, bei welcher die Terz des Dreiklanges in die Grundstimme zu
stehen kömmt, und wobei die Sexte den Grundton, die Terz aber die Quinte des
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Dreiklanges vorstellt, so folget hieraus, daß die Sexte das erste und
schicklichste Intervall dieses Akkordes zur Verdoppelung sei, daß aber auch die
Terz desselben, so wie im Dreiklange die Quinte, gar füglich verdoppelt werden
könne. Mit dem Grundtone des Sextenakkordes hat es eben die Beschaffenheit,
wie mit der Terz des Dreiklanges, das heißt, er wird, besonders wenn er aus der
großen Terz eines harten Dreiklanges entsprungen ist, ohne besondere Ursache
im Satze* nicht verdoppelt. Diese Ursachen, wodurch der Tonsetzer bewogen
wird, daher eine Ausnahme zu machen, können sehr verschieden sein; es kann
wegen der bessern Melodie einer Mittelstimme, wegen einer vorhandenen
Nachahmung u. d. gl. geschehen.
*
Bei der Ausführung einer Generalbaßstimme macht es die Eingeschränktheit der
Spannung der rechten Hand nötig, daß der Grundton des Sextenakkordes
öfterer als im Satze verdoppelt werden muß, doch vermeidet man diese
Verdoppelung, wenn der Grundton des Sextenakkordes der unterhalbe Ton der
Tonart ist, der als Leitton gern in allen Stimmen in die Tonica tritt. Noch
unschicklicher wird aus eben dieser Ursache die Verdoppelung des Grundtones
eines Sextenakkordes, wenn er ein zufälliges Versetzungszeichen vor sich hat.
SEXTENAKKORD
Weil der Sextenakkord nur dreistimmig ist, muß in dem vierstimmigen Satze ein
Ton desselben verdoppelt werden; dieser Ton ist gewöhnlich die Sexte oder
Terz; die Verdoppelung des Grundtones, von welcher hernach das Nothwendigste
erinnert werden soll, ist verschiedenen Einschränkungen unterworfen. Bey dieser
Verdoppelung ist es aber nichts weniger als gleichgültig, ob man hierzu die Sexte
oder die Terz wählet, sondern diese Wahl hängt 1) von der einmal vorhandenen
Lage der Stimmen, 2) von der Vermeidung fehlerhafter Fortschreitungen, und 3)
von dem guten Fortgange der Melodie ab...........
Der Grundton des Sextenakkordes ist, einige Ausnahmen abgerechnet, ebenfalls
der Verdoppelung fähig, und oft ist der Satz sogar so beschaffen, daß er ohne
die wechselsweise Verdoppelung desselben nicht vierstimmig ausgeübt werden
kann; dieses ist besonders der Fall bey der stufenweisen Folge mehrerer
Sextenakkorde, in welcher bey der Verdoppelung notwendig der Grundton mit
der Sexte abwechseln muß, z. B.
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Nur in dem Falle darf der grundton eines Sextenakkordes nicht verdoppelt
werden, wenn er ein Leitton, oder ein solcher ton ist, der eine Stufe auf- oder
abwärts treten muß: wollte man einen solchen Ton verdoppeln, so müßten
entweder fehlerhafte Oktaven entstehen, oder der verdoppelte ton müßte
seiner Natur zuwider fortschreiten, daher vermeidet man die verdoppelung
dieses Grundtones
1) bey dem Sextenakkorde auf dem unterhalben Tone der Tonart;
2) wenn dieser Grundton ein versetzungszeichen hat,
3) wenn man von dem Sextenakkorde, um einen halben Ton in den Dreiklang
steigt.
Auch in dem folgenden Satze bey Fig. 1 darf der Grundton des sextenakkordes
nicht verdoppelt werden, weil dadurch Oktaven wie bei Fig. 2, oder Quinten, wie
bey Fig. 3, zum Vorscheine kommen würden;
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In allen übrigen Fällen kann der Grundton eines Sextenakkordes eben sowohl als
die Terz und Sexte verdoppelt werden.
Doch verdoppelt man bey keinem solchen Akkorde ohne Noth die Oktave in der
Oberstimme, weil diese Verdoppelung in den äußersten Stimmen auch bey voller
Harmonie leer klingt.
Durch die Umkehrung des verminderten Dreyklanges kömmt ein Sextenakkord
zum vorscheine, der aus der kleinen Terz und großen Sexte bestehet, in welchem
diese kleine Terz gegen die große Sexte, nach Beschaffenheit der Lage der
Oberstimmen, eine übermäßige Quarte, oder eine verminderte Quinte ausmacht;
z. B. d f h..........
In diesem Akkorde darf in dem vierstimmigen Satze weder die Terz, noch die
Sexte verdoppelt werden, weil jene die Dissonanz, diese aber der unterhalbe
Ton ist, der in seinen Hauptton tritt; daher muß, wenn dieser Akkord vierstimmig
gebraucht werden soll, der Grundton verdoppelt werden.