Leitung und Aufsicht von gemeinnützigen Einrichtungen (gGmbH

Leitung und Aufsicht von gemeinnützigen Einrichtungen (gGmbH)
Aktuelle Entwicklung und Haftungsrisiken
Rechtsanwalt Franz – Josef Rochel
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Familienrecht
(Wirtschafts- ) Mediator
www.kanzlei-bbr.de
[email protected]
(07.09.2015)
Ausgangsfrage:
Welchen Risiken unterliegt die Tätigkeit des Geschäftsleiters und des Aufsichtsrates. Wie
kann er sich vor Haftung schützen?
1. Einführung
Die Haftung der Geschäftsleiter aber auch des Aufsichtsrates orientiert sich an den Pflichten. Dabei sind zwei zentrale Pflichten zu unterscheiden. Aus dieser Pflichtverletzung folgt
die Haftung des Leitungsorgans.
1.1.
Geschäftsleiter
Die Organhaftung ( des Vorstandes, Aufsichtsrates, aber auch Geschäftsführers oder
Geschäftsleiters ) ist Verschuldenshaftung nach den Grundsätzen der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Grundlage ist § 93 AktG. Diese Vorschrift regelt den Haftungsmaßstab aber auch die Beweislast. Danach hat der Geschäftsleiter im Einzelnen darzulegen, dass er die im Interesse der Gesellschaft gebotene Sorgfalt beachtet oder ihn bezüglich der Pflichtverletzung kein Verschulden trifft. Es besteht
Einigkeit in der Rechtsprechung, dass die Regeln des § 93 AktG auf die gGmbH anwendbar sind. Dieser Beurteilungsspielraum wird durch rechtliche und gesellschaftsvertragliche
Vorgaben, wie auch durch die Gesellschafterentscheidungen begrenzt.
Business judgement rule - § 93 I 2 AktG: Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn
das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Unternehmerische Entscheidungen setzen eine gewisse Risikobereitschaft voraus. Deshalb ist die Dokumentation unternehmerischer Entscheidungen letztendlich eine Grundlage für die Überprüfung solcher Entscheidungsprozesse und damit für Haftungsfragen.
1.1.1. Treuepflicht
Hierunter versteht man die Pflicht zur haftungsrechtlichen Absicherung der in der treuhänderischen Funktion des Geschäftsführers begründeten Handlungs- und Unterlassungspflichten im Interesse der Gesellschaft. Weiter fällt unter diese Pflicht auch die gegenüber den Gläubigern bestehende Sicherungspflicht im Rahmen der Kapitalsicherung
(der Haftungsmasse der Gesellschaft). Die einzelne Ausgestaltung dieser Pflicht ist weit
gefasst.
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1.1.2. Leistungspflicht
Die Leistungspflicht bezieht sich auf den Tatbestand der ordnungsgemäßen Unternehmensführung bei der internen Vorbereitung und externen Durchführung von unternehmerischen Entscheidungen. Hierunter versteht man sowohl die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit als auch die Rechtmäßigkeit unternehmerischen Handelns. Vorgaben sind gesetzliche Bestimmungen, Regelungen des Anstellungsvertrages und Weisungen der Gesellschafterversammlung.
1.1.3 Risikobegrenzendes Management
Die Geschäftsführung kann die Haftung begrenzen, indem sie ein System der Risikobegrenzung schafft durch Einrichtung eines Chancen- und Risikomanagementsystems, sowie eines Compliance-Systems.
1.2.
Aufsichtsrat
Auch der Aufsichtsrat unterliegt besonderen Pflichten. Grundlage ist der Gesellschaftsvertrag, der die Einzelheiten regelt. Das Organ des Aufsichtsrates ist dem Aktienrecht angelehnt. In den Verträgen wird die Verweisung von § 52 GmbHG auf das AktG häufig ausgeschlossen und damit die strenge Haftung des Aufsichtsrates abgemildert. Der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung begrenzen die Haftung insbesondere bei ehrenamtlichen
Aufsichtsratsmitgliedern.
Der Aufsichtsrat kann sich ebenso wie die Geschäftsführung selbst schützen, indem sie
eine risikobegrenzende Betriebsorganisation (Compliance) schaffen und daran und damit
arbeiten.
1.3 Zusammenfassung
Diese Pflichtenstellung bildet die Grundlage der Haftung und damit auch den Maßstab der
sog. Grundsätze der Compliance.
„Non – Compliance“ ist danach die Nichtschaffung einer deliquenzvermeidenden
Unternehmensstruktur und das Nichtergreifen sämtlicher Maßnahmen im Unternehmen, die zur präventiven Vermeidung von Regelverstößen geeignet, erforderlich
und zumutbar sind (so Piel, in ZWH 2014, 13).
Die nachfolgende Fragestellung gibt ein gutes Beispiel aus der aktuellen Presse im Jahr
2014:
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Darf ein Vorstand einer Aktiengesellschaft auf einen teuren Flug zurückgreifen, oder Business – Class fliegen, einen Fahrer einstellen, oder einen Oberklasse – PKW fahren,
diesen ggfls. auch privat nutzen, um effektiv und schnell zu arbeiten? Darf dies ein Geschäftsleiter einer gGmbH?
Dürfen Sie einem besonders verdienten Mitarbeiter eine höhere Abfindung zahlen?
2. Die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers
Der Maßstab für die Haftung und Verantwortung des Geschäftsleiters / Geschäftsführers
ist im Aktienrecht entwickelt worden und wird auf das Recht der gGmbH übertragen, sofern nicht konkrete Besonderheiten des Aktienrechtes betroffen sind, die nur auf die Aktiengesellschaft angewendet werden können.
Nachfolgende Haftungstatbestände geben einen Überblick:
2.1. Haftung gegenüber der Gesellschaft, §§ 43, 64 GmbHG
2.2. Haftung gegenüber den Gesellschaftern
2.3. Haftung gegenüber Gläubigern
2.3.1. Verletzung der Insolvenzantragspflicht, § 823 II BGB, § 15 a InsO
2.3.2. Haftung aus Verschulen bei Vertragsschluss
2.3.4. Haftung gem. § 823 I BGB (unerlaubte Handlung)
2.4 Haftung nach Steuerrecht
2.4.1 Allgemeine Grundlagen, §§ 34, 69 AO
2.4.2 Lohnsteuer
2.4.3 Umsatzsteuer
2.4.4 weitere Abzugssteuern
2.5. Haftung nach Sozialversicherungsrecht
2.5.1. Rentenversicherung
2.5.2. Krankenversicherung
2.5.3. Arbeitslosenversicherung
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3. Strafrechtliche Aspekte
Kann man aus den Grundsätzen des Compliance Managementsystems (CMS) eine generelle strafbewährte Pflicht zur Schaffung konkreter Maßnahmen herleiten?
Nein. Ein generelles Compliance Managementsystem (CMS) gibt es nicht, aus dem eine
strafrechtlich relevante Verantwortlichkeit herrührt (keine Strafe ohne Gesetz, § 1 StGB).
Es gibt aber eine Vielzahl von Vorschriften, deren Verletzung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann und zwar sowohl für die Leiter des Unternehmens, wie auch
für die Unternehmensangehörigen.
Noch gibt es kein Unternehmensstrafrecht. Das ist aber aktuell in der Diskussion. Eine
Verantwortung des Unternehmens findet sich in §§ 30, 130 OWiG. Danach kann eine
Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden, weil die Organe als verantwortlich
Handelnde Fehler gemacht haben. Strafrechtlich verantwortlich ist grundsätzlich nur der
Handelnde selbst.
3.1. Strafrechtliche Verantwortlichkeit – Zurechnung von Tun / Dulden / Unterlassen
Grundlage: §§ 13, 14 StGB; § 9, 30, 130 OWiG
Über § 30 OWiG kann auch gegen das Unternehmen eine Geldbuße verhängt werden.
Täter sind hier auch Prokuristen und Bevollmächtigte. In 2013 wurde die mögliche Festsetzung der Geldauflage um ein Vielfaches erhöht.
3.2 Täterkreise - Tathandlung
Tathandlung für die Verwirklichung einer Straftat kann ein Tun, Dulden oder Unterlassen
sein. Täter kann der Handelnde oder ein Organ des Unternehmens sein.
3.2.1 Der Mitarbeiter / Angestellte / Betriebszugehörige
Aber auch Mitarbeiter können strafrechtliche Tatbestände verwirklichen. Der Mitarbeiter
ist dabei für sein Tun selbst strafrechtlich unabhängig von dem Compliance Managementsystems (CMS) zur Verantwortung zu ziehen (z.B. Schmiergeldzahlung, § 334 StGB).
Keine Entlastung dadurch, dass die Unternehmensleitung entsprechende Vorgaben
macht. Möglich ist aber auch eine Zurechnung des Handelns des Mitarbeiters, welche
auch die Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters begründen kann (siehe nachfolgend Ziff.
3.2.2.).
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3.2.2 Gesellschaftsorgane
Unproblematisch ist die Zurechnung, wenn Organmitglieder selbst Straftaten begehen
(auch Beihilfe, Anstiftung, mittelbare Täterschaft – z.B. die Anweisung Schwarzgelder zu
zahlen).
Zurechnungsnorm des § 14 StGB: Handeln als vertretungsberechtigtes Organ. Hier werden Tathandlungen dem Organ aufgrund einer Pflichtenstellung zugerechnet (z.B. Ausländische Mitarbeiter werden im Pflegebereich beschäftigt, aber nicht ordnungsgemäß der
Sozialversicherung unterworfen, § 266 a StGB).
Frage: Gibt es eine strafrechtliche Verantwortung der Organmitglieder für Straftaten der
Mitarbeiter des Unternehmens?
Nach dem Grundsatz der Geschäftsherrenhaftung kann sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstandes ergeben, wenn er gegen eine betriebsbezogene Straftat
nicht einschreitet (Garantenpflicht). Den verantwortlichen Personen im Unternehmen obliegt eine Garantenstellung dahingehend, betriebsbezogene Straftaten zu verhindern. Ein
CMS entlastet den Unternehmensleiter in der Regel. Das Unterlassen eines CMS führt im
Gegenzug aber nicht automatisch zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Eine Strafbarkeit wegen Unterlassens setzt voraus, dass die Straftat konkret vorhersehbar ist. Hier
ist erheblicher Spielraum Argumentation und Auslegung.
Das Unterlassen einer CMS kann aber die zivilrechtliche Haftung nach den zu Ziff. 2 dargestellten Vorschriften begründen. Denn in diesem Fall ist das Unterlassen eine Pflichtverletzung und führt auf ich Falle der Fahrlässigkeit des Handelns zur Haftung des Organs.
Neben dieser strafrechtlichen Garantenpflicht regelt § 130 OWiG eine umfassende Aufsichtspflicht.
§ 130 OWiG
(1) Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die
Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern die den Inhaber treffen
und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig,
wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.
(2)….
Diese Vorschrift wird von vielen als Zentralnorm der Compliance Haftung herangezogen.
Aber auch die einzelnen o.g. Strafvorschriften sind Grundlage der Haftung im Rahmen der
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Compliance. Ansatzpunkt ist hier nicht die persönliche Vorwerfbarkeit (so im Strafrecht),
sondern die Gefährlichkeit einer unzureichenden Organisation. Auf die Kenntnis von
Straftaten kommt es damit hier nicht mehr an. Die Rechtsprechung hat diesbezüglich
konkrete Pflichten aufgestellt:
-
Pflicht zur sorgfältigen Auswahl der Mitarbeiter,
Prävention: Pflicht zur Organisation der Arbeitsabläufe um Fehlverhalten vorzubeugen,
Pflicht, Mitarbeiter über ihre Rechte, Aufgaben und Pflichten zu informieren,
Pflicht, Mitarbeiter zu kontrollieren und daran zu erinnern, dass ihr Verhalten beaufsichtigt wird,
Aufklärungspflicht bei Hinweisen unmittelbar eine Untersuchung anzustrengen,
Interventionspflicht, unverzüglich einzuschreiten, wenn Fehlverhalten bekannt
wird.
Ein wirksames Compliance Managementsystems (CMS) deckt genau diese Pflichten ab.
Die Delegation der Verantwortung z.B. innerhalb des Vorstandes auf ein Vorstandsmitglied ist möglich und entlastet die übrigen Vorstandsmitglieder. Dies aber nur, wenn die
Kontrolle und Aufsicht des dann Verantwortlichen Genüge getan wird.
Das gilt gleichermaßen für den Geschäftsführer. Unterlässt der Geschäftsführer notwendige Maßnahmen, steht er auch strafrechtlich in der Verantwortung und haftet zivilrechtlich für den Schaden.
3.3. Die zentralen Straftatbestände (nur Auszug)
- § 283 b) StGB
- § 283 c) StGB
- § 283 d) StGB
- § 246 StGB
- § 263 StGB
- § 264 StGB
- § 265 b) StGB
- § 266 StGB
- § 266 a StGB
- § 267 StGB
- § 331 Nr. 1 HGB
- § 331 Nr. 4 HGB
- §§ 332 ff. StGB
- § 130 OWIG
(Verletzung der Buchführungspflicht),
(Gläubigerbegünstigung),
(Schuldnerbegünstigung),
(Unterschlagung),
(Betrug),
(Subventionsbetrug),
(Kreditbetrug),
(Untreue),
Vorenthalten und Veruntreuen von Sozialversicherung
(Urkundenfälschung),
(unrichtige Wiedergabe und Verschleierung der Verhältnisse
der GmbH),
(Verletzung von Auskunfts- und Nachlasspflichten gegenüber
dem Abschlussprüfer),
(Vorteilsnahme/ Bestechung),
(Pflichtverletzung von Leitungsorganen),
3.4 Strafrechtliche Nebenfolgen
-
Durchsuchungsmaßnahmen,
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-
Verfall und Einziehung (z.B. von dem Gewinn, der aus der Straftat resultiert),
Vermögenssicherungsmaßnahmen / Arrest,
Geschäftsführersperre,
Eintragungen im Bundeszentralregister; Polizeiliches Führungszeugnis,
Verlust von Pensionen als Beamter?
3.5 Wie kommen Verstöße ans „Tageslicht“?
-
Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft / Steuerfahndung / Zoll
Rolle der Betriebsprüfung
Rolle der Mitarbeiter
Auswirkung von Presserecherchen
Infos von der Konkurrenz
Anonyme Anzeige,
…..
4. Auswirkung von Compliance auf die zivilrechtliche Haftung
Die Grundlagen der Haftung sind im Wesentlichen unter Ziff. 2 dargestellt. Das Unternehmen kann selbst auf eine Haftungsbegrenzung Einfluss nehmen.
Die Einrichtung eines Compliance Managementsystems (CMS) gehört zu den Pflichtaufgaben von Vorstand und Geschäftsführung, aber auch Aufsichtsrat. Das ist allgemein
anerkannt und wird von den Gerichten auch so in den Entscheidungen umgesetzt ( insb.
LG München I, Urt: vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 – ZWH 2014, 195 – Fall Siemens).
Die Einrichtung eines CMS soll gewährleisten, dass alle Regeln und Gesetze aber auch
interne Standards eingehalten werden. Das CMC soll und muss auch auf das branchenübliche Gefährdungspotential zugeschnitten sein.
Ein wirksames CMS schützt die Leitungsorgane vor der Inanspruchnahmen auf Schadensersatz und / oder der Abberufung als Leitungsorgan und führt zur Entlastung im
Rahmen von Haupt- und /oder Gesellschafterversammlung, aber auch in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Die Leitungsorgane haben in der Ausgestaltung der Compliance einen Gestaltungsspielraum. Maßgeblich sind:
-
Art und Größe des Unternehmens;
Umfang und Bedeutung der zu beachtenden Vorschriften;
Geographische Präsenz;
Frühere Missstände und Unregelmäßigkeiten.
Mit dem KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) hat
der Gesetzgeber eine Grundlage für eine angemessene Risikovorsorge geschaffen. Diese
Vorgaben gelten auch für die GmbH. Der Pflichtenkanon umfasst:
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-
eine funktionsfähige Unternehmensplanung,
insbesondere eine Finanz-, Investitions- und Personalplanung,
ein Controlling und eine interne Revision (Risikohandbuch).
Fehlt es an diesen grundlegenden Mechanismen, ist der Geschäftsführer der Gesellschaft
zum Schadensersatz verpflichtet, kann aus wichtigem Grund von seinem Amt abberufen
und gekündigt werden.
Der Verschuldensmaßstab ist objektiv. Verfügt der Geschäftsführer nicht über die notwendigen Kenntnisse, muss er sich diese beschaffen oder Berater hinzuziehen. Kommt er
dem nicht nach, haftet nicht nur er, sondern auch die Gesellschaft für von ihm angerichteten Schaden.
4.3 Konkrete Ausgestaltungen der CMS
Hier sei auf die umfassenden Richtlinien der Caritas verwiesen. Einige strukturelle Merkposten sollen aber herausgestellt werden, die unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des CMS gelten und Anregungen zum Nachdenken über besondere Regelungsbereiche geben sollen. Es empfiehlt sich, diese Punkte in einer Geschäftsordnung zu regeln
und zu vertiefen, auch wenn dadurch weitere „Vorschriften“ geschaffen werden.
4.3.1 Wichtige Regelungen für die Geschäftsordnung der Geschäftsleitung
-
Schaffung von Führungsgrundsätzen am Leitbild der Gesellschaft;
Kenntnis des Gesellschaftsvertrages; Funktion einer Geschäftsordnung;
Grundsätze transparent darstellen, insb. zur Wirtschaftlichkeit und zur Abwägung
von Entscheidungsprozessen;
Qualität der Geschäftsführung; Hinzuziehung externer Hilfe bei Entscheidungen;
ggfls. externer Berater;
Schaffung und Kontrolle des CMS; Einhaltung von Standards;
Dokumentation der Arbeits- und Entscheidungsprozesse; Zustimmung von Gremien; Abgrenzung von Kompetenzen;
D&O – Versicherung;
Behandlung von Eilfällen; Notfallentscheidungen; Handlungsanweisungen dazu?
……
4.3.2 Wichtige Regelungen für die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates
-
-
Wertorientierung am Leitbild des Zwecks der Gesellschaft;
Grundsätze der Arbeitsweise, transparent und klar (z.B. verbindliche Weisungen
und unverbindliche Anregungen trennen, Erwartungen klar formulieren, auf Abweisungen unmissverständlich und zeitnah reagieren);
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Aufsichtsratsmitgliedern, aber auch mit der
Gesellschaft und der Geschäftsleitung; Wege der Kommunikation regeln;
Kenntnis der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Aufgaben und Formulierungen;
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-
-
-
Welche Grundsätze gibt sich der Aufsichtsrat? Ziele definieren, konkrete Aufgaben
und langfristige Orientierung festschreiben;
Fachliche Kompetenz des Mitglieds des Aufsichtsrates? Gefälligkeitsmandat?
Welche Beziehungen unterhält das Aufsichtsratsmitglied zu anderen Organisationen? Interessenkollision?
Vor- und Nachbereitung der Sitzung; Protokoll;
Zusammenarbeit mit externen Gremien;
Interne Zusammenarbeit im Aufsichtsrat; Abgrenzung einzelner Aufgabenbereiche?
Fachliche Kompetenz und inhaltliche Qualität der Arbeit des Aufsichtsrates; Mitgestalten an strategischen Planungen; Mitgestaltung am Chancen- und Risikomanagementsystem; Zusammenarbeit mit Innenrevision und Berichterstattung; Art der
dokumentierten Kommunikation um Nachweise einzelner Maßnahmen zu erhalten;
Regelmäßige Eigenkontrolle;
…..
4.3.3 Wichtige Regelungen für die Selbstkontrolle alle 1 – 2 Jahre
Geschäftsführung und Aufsichtsrat sollten sich in regelmäßigen Abständen selbst prüfen.
Das kann durch einen externen Berater geschehen oder im Rahmen einer Selbstevaluation. Hier einige wichtige Punkte:
-
-
Ideelle Orientierung; Gemeinnützigkeit gegeben?
Strategische Orientierung / Planung; Ziele erreicht?
Kommunikation mit Gremien, Abteilungen hinsichtlich der Wertorientierung und
strategischen Ausrichtung; Vorgabengerechte Kommunikation;
Dokumentation von Entscheidungen und Arbeits- und Abstimmungsprozessen;
Trennung Aufsicht / Kontrolle und Geschäftsführung; Interessenkollision unter Berücksichtigung der Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Geschäftsleitung;
Weitsichtige Nachfolgeplanung in den Gremien (ideelle, wirtschaftliche und fachliche Kompetenz); Ziele erreicht?
Interne Kontrolle / Überprüfung von Entscheidungen und kritischen Regelungen;
Wirtschaftsprüfung durch branchenerfahrenen Wirtschaftsprüfer; Interessenkollision zu Beratungsmandat?; Neutrale Position oder Verflechtung in anderen Gremien, gar Konkurrenz?
Controlling und Transparenz und Kommunikation der gefundenen Ergebnisse
Kontrolle der Geschäftsführung; der (kooperativen) Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung;
…..
4.4 Aus der Rechtsprechung und Literatur
-
Haftung von Vorstandsmitgliedern wegen mangelhafter Compliance - Organisation, LG München I Urt.v. 10.12.2013, V HK O 1387/10 (ZWH 2014, 195): “… Im
Rahmen dieser Legalitätspflicht darf ein Vorstandsmitglied somit zum einen bereits
keine Gesetzesverstöße anordnen. Zum anderen muss ein Vorstandsmitglied aber
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auch dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt
wird, dass keine derartigen Gesetzesverletzungen statt finden. Diese Überwachungspflicht wird namentlich dadurch konkretisiert, dass ein Überwachungssystem installiert wird, das geeignet ist, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wovon auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften umfasst
sind. ……Einer derartigen Organisationspflicht genügt der Vorstand bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und
Risikokontrolle angelegte Compliance – Organisation einrichtet, …Entscheidend
für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens die zu beachtenden Vorschriften, die geographische Präsenz wie auch
Verdachtsfälle aus der Vergangenheit…“.
Untreue wegen Bestreitens einer Privatfeier aus Mitteln des Unternehmens und
unangemessener Gehaltserhöhung (BGH v. 12.12.2013, III StR 146/13),
Zustimmung der Hauptversammlung für die Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage gegen den AG Vorstand (BGH 8.7.2014, II ZR 174/13): Beschluß der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafter notwendig,
Zahlung einer strafrechtlichen Sanktion mit Zustimmung der Gesellschaft unter
Beachtung der arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Besonderheiten, Schott,
StraFo 2014, 315,
Auch zu Arbeitslohn BFH v. 14.11.2013 – VI R 36/12, ZWH 2014, 277: Die Zahlung von Sanktionen kann zulässig und nicht als Arbeitslohn einzustufen sein,
wenn ein ganz erhebliches Eigeninteresse des Arbeitgebers überwiegt. Das ist
dann der Fall, wenn die Entlohnung sich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung darstellt. Hier ging es um die Frage, ob Lenkzeitüberschreitungen und darauf basierende Bußgelder betriebsfunktional notwendig
sind und der betriebliche Zweck im Vordergrund stand, wohingegen das Interesse
des Arbeitnehmers vernachlässigt werden kann. Relevant war die Frage, ob es eine Anweisung zur Lenkzeitüberschreitung gab. Betriebsnotwendigkeit vom BFH
verneint, Übernahme der Sanktion daher wie Einkommen als Arbeitslohn zu versteuern.
Gesellschafter – Geschäftsführer, Wahrung einer Geschäftschance unter Verstoß
gegen die Treuepflicht, BGH vom 4.12.2012, II ZR 159/10; ZWH 2013, 284; Nicht
nur die Verletzung des Wettbewerbsverbotes, sondern auch der Treuepflicht kann
eine Strafbarkeit wegen Untreue begründen.
Einsatz von Mitarbeitern zu privaten Zwecken,
Misswirtschaft durch Verschwendung von Geldern, Verursachung unnötiger Kosten durch Einführung eines neuen Systems ohne ausreichende vorherige Analyse
(z.B. Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler),
Verjähren lassen von Forderungen aufgrund fehlender Organisation der Fristenkontrolle oder ungeprüfte Freigabe von Rechnungen.
5. Zusammenfassung / Ergebnis
Die Rechtsprechung aber auch die Gesellschafternehmen die Geschäftsleiter mehr und
mehr in die Pflicht. Was bisher undenkbar war, wird zunehmend Tagesgeschäft der
Staatsanwaltschaften und Gerichte. Da die Haftung oft nicht durch eine D&O Versiche11
rung abgesichert ist, ist der direkte Zugriff auf das Privatvermögen der Geschäftsleiter
eröffnet.
Nur am Rande sei erwähnt, dass derjenige, der einen risikobehafteten und haftungsträchtigen Geschäftsbereich ausführt gut beraten ist, wenn er sein Privatvermögen zulässig
absichert. Das aber ist ein anderes Thema.
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