PDF 43 kB - Michael Leistenschneider

Beitrag für die Kongressdokumentation zur OMNICARD 2006
Statement zur Podiumsdiskussion
„Digitale Signatur: Ist die Regulierung gescheitert“
Behördliche Realität degradiert das Signaturgesetz zur Farce
Michael Leistenschneider, DATEV eG, Nürnberg
Welchen Sinn hat ein Signaturgesetz, das bei den meisten relevanten Anwendungen nicht
berücksichtigt wird? Im Jahr 2001 mit anerkennenswerten Intensionen beschlossen, eine
sichere Grundlage für den rechtsverbindlichen elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr
in Deutschland zu schaffen, findet das deutsche Signaturgesetz heute kaum
Anwendungsfelder. Eigentlich ist rechtswirksames Handeln auf elektronischem Weg danach
nur unter Einsatz der qualifizierten elektronischen Signatur möglich. Dennoch weichen
gerade öffentliche Institutionen häufig vom postulierten hohen Standard ab.
Gerade um diesen hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten, wurden aber den SignaturAnbietern, die gesetzeskonforme Produkte liefern wollten, enorme Auflagen gemacht. Mit
viel Aufwand schufen die deutschen TrustCenter-Betreiber unter dieser Prämisse die
Infrastruktur für eine sichere Authentisierung und Signatur, die unter ständiger
Beaufsichtigung durch die Bundesnetzagentur betrieben wird. Angesichts der
Vorgehensweise von Behörden und Institutionen stellt sich allerdings die Frage, ob dieser
vom Gesetzgeber verursachte Aufwand gerechtfertigt ist.
Behörden und Institutionen scheuen den Aufwand
Ein aktuelles Beispiel für eine Behörde, die sich bei einer Internet-Anwendung gegen den
sichereren und für den einfacheren Weg entschieden hat, ist die Finanzverwaltung. Für ihr
kürzlich gestartetes ElsterOnline-Portal schließt sie mit einer eigens verabschiedeten
Sicherheits-Policy explizit die Verwendung von qualifizierten elektronischen Signaturen aus.
Stattdessen wird eine neu konstruierte eigene Lösung in Betrieb genommen.
Leider ist diese Vorgehensweise kein Einzelfall. Entgegen der rechtlichen Anforderung
begnügen sich die Mehrzahl der in den vergangenen Jahren geschaffenen OnlineAnwendungen der öffentlichen Verwaltung mit weniger sicheren – und damit einhergehend
weniger aufwändigen – Authentifizierungsverfahren. So sind beispielsweise im Rahmen des
Projekts BundOnline inzwischen Hunderte von Anwendungen elektronisch abgebildet
worden, doch auf qualifizierten Zertifikaten basieren davon nur wenige Anwendungen.
Der Grund dafür: Den Behörden selbst ist die Verarbeitung qualifizierter Zertifikate zu
aufwändig. Bei näherer Betrachtung verwundert diese Einstellung keineswegs. Insbesondere
Behörden und öffentliche Institutionen sind strukturell nicht auf die Verarbeitung qualifizierter
elektronischer Signaturen vorbereitet. Sowohl ihre bestehenden IT-Budgets als auch die
vorherrschenden Arbeitsabläufe genügen nicht den entsprechenden Anforderungen. Daraus
folgt unweigerlich, dass die nötigen Anfangsinvestitionen von diesen Institutionen als zu hoch
betrachtet werden. Aufseiten der Anwendungs-Anbieter (insbesondere denen der
öffentlichen Hand) kann vor diesem Hintergrund also durchaus von einer Überregulierung
gesprochen werden. Hier ein Scheitern zu konstatieren, würde zu weit führen. Aber sicher
wäre weniger in diesem Fall mehr gewesen.
Diskrepanz zwischen Lippenbekenntnis und Realität
Im Zusammenhang mit der beschriebenen Situation steht auch zu befürchten, dass es bei
den in Aussicht gestellten Kartenprojekten des Bundes – JobCard, Gesundheitskarte,
elektronischer Personalausweis – zu einer Abkehr von der qualifizierten elektronischen
Signatur kommt. Diese berechtigten Bedenken haben auch die Hoffnung deutlich gedämpft,
dass daraus maßgebliche Impulse für den Durchbruch der elektronischen Signatur
resultieren werden.
Trotz der Publicity, die den Kartenprojekten seit Jahren immer wieder zuteil wird, hat sich
bislang nicht viel bewegt. Dabei eignet sich insbesondere die Einführung des JobCardVerfahrens als Hoffnungsträger, weil dies einen großen Schritt für die flächendeckende
Verbreitung der elektronischen Signatur bedeuten würde. Immerhin könnten dann auf einen
Schlag rund 35 Millionen Arbeitnehmer digitale Verwaltungs- oder Geschäftsvorgänge
qualifiziert elektronisch signieren. Doch die immer neuen Ankündigungen,
Konzeptänderungen und Terminverschiebungen der vergangenen Jahre haben nicht gerade
dazu beigetragen, in Bezug auf die Planungen Verlässlichkeit zu suggerieren. Daher ist der
Glaube an eine so genannte „Killer-Applikation“ für die qualifizierte elektronische Signatur
inzwischen stark geschwächt.
An moralischer Unterstützung durch die Bundesregierung, um die Verbreitung zu fördern, hat
es dabei nicht gemangelt. In den vergangenen Jahren sind verschiedene Initiativen und
Projekte wie das Signaturbündnis, Media@Komm und BundOnline 2005 zu genau diesem
Zweck ins Leben gerufen worden. Neben den bestehenden BundOnline-Projekten sollten
aber insbesondere die Länder Anreize schaffen, neue Anwendungsszenarien zu
ermöglichen. Wie sich gezeigt hat, ist die Förderung der elektronischen Abwicklung von
Verwaltungsakten allein durch den Bund nicht zu bewältigen. Nur wenn sie zunehmend als
föderale Aufgabe verstanden wird, ist mit einem schnellen Vorankommen zu rechnen.
Kosten, Nutzen und Rationalisierungseffekte
Ein weiterer unerschöpflicher Diskussionspunkt im Zusammenhang mit
Zertifizierungsdiensten ist die Verteilung von Kosten und Nutzen. Sicher ist insbesondere
aus Sicht der Signatur-Anbieter eine anreizkompatible Verteilung der Kosten
wünschenswert. Warum sollen sich z.B. die Anbieter von Anwendungen, die einen Vorteil
durch die Verwendung der Signatur verbuchen können, nicht auch an den Kosten beteiligen?
Schließlich können sie durch die elektronische Abwicklung von Verwaltungsakten ja auch
Einsparungen realisieren.
Problematisch ist dabei allerdings die notwendige Vorfinanzierung. Die anfallenden
Anfangsausgaben machen sich für den Anwendungsbetreiber erst dann bezahlt, wenn eine
kritische Masse an Anwendern das Angebot nutzt. Bei der Schaffung der Infrastruktur muss
eine Behörde in Vorkasse gehen, was sich in ihren Budgets schwer abbilden lässt.
Verbunden mit der unsicheren Prognose, ob sich in angemessener Zeit genügend Anwender
finden lassen, ist dieses Dilemma gewissermaßen eine Übertragung des Henne-Ei-
Problems, das von Beginn an die Verbreitung elektronischer Signaturen verzögert hat, auf
eine andere Ebene.
Dem Endanwender zusätzliche Kosten zuzumuten ist ebenso wenig opportun, da ein
objektiver Nutzen von Signaturanwendungen für den einfachen Bürger noch nicht
offensichtlich ist. Hier müssen im Gegenteil erst einmal besondere Anreize geschaffen
werden, um ihn zur Anschaffung einer Signaturkarte zu bewegen. Denn um die Schaffung
von Anwendungen auch für die breite Öffentlichkeit zu fördern, bedarf es zunächst der
Verbreitung von Signaturkarten.
Keine Krise ohne Ausweg
Auf dem Weg zur Lösung der Probleme ist natürlich die Optimierung und Verschlankung der
TrustCenter-Strukturen ein kontinuierlich zu betreibendes Feld. Auf Grund der geringen
Anwenderzahlen kann unter den gegebenen Umständen letztlich kein TrustCenter-Betreiber
kostendeckend, geschweige denn profitabel wirtschaften.
Da es für die einzelnen TrustCenter schwierig ist, Einsparungen zu erzielen und dennoch die
gesetzlichen Auflagen zu erfüllen, wird derzeit im Kreise der TrustCenter-Betreiber (im T7
e.V.) über Synergiepotenziale diskutiert. Ziel ist es, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die
allen TrustCentern zugute kommen und dabei die Interoperabilität der Lösungen
sicherstellen.
In Kombination mit einer Anpassung der gesetzlichen Anforderungen an die Notwenigkeiten
der volkswirtschaftlichen (eSignatur-) Workflows könnte sich hier ein tragfähiges und
praktikables Konzept entwickeln lassen, um die qualifizierte elektronische Signatur für die
Zukunft wirtschaftlich auf stabilere Füße zu stellen. Dazu müssen allerdings alle beteiligten
Stellen an einem Strang ziehen.