Resümee der Kick-off-Unternehmerkonferenz zur Eröffnung des Thüringer Kompetenzzentrums Wirtschaft 4.0 Digitalisierung und Big Data mit Blick auf Wirtschaft 4.0: Wie Unternehmen die Zukunft im Netz sichern können „Die Welt wird digital. Fernwartung und Vernetzung, Zusammenspiel von Informations- und Kommunikationstechnik mit Sensorik läutet die 4. Industrielle Revolution ein. Autonom fungierende Produkte zeigen Entwicklungen auf, die zur vernetzten Produktion führen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Thüringer Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Wolfgang Tiefensee, die Unternehmerkonferenz „Digitalisierung und Big Data mit Blick auf Wirtschaft 4.0“ aus Anlass des Starts des Thüringer Kompetenzzentrums Wirtschaft 4.0 in der IHK Erfurt. Allein die zusätzliche Wertschöpfung durch die Digitalisierung wird der deutschen Wirtschaft bis zum Jahr 2025 einen Produktivitätsschub von zwölf Prozent bringen, so der Minister. Allerdings sparte Minister Tiefensee auch nicht mit Kritik am schleppenden BreitbandNetzausbau. Er fordert die Bundesregierung auf, bis 2019 flächendeckend ein Breitbandnetz mit 30 Mbit/s fertig zu stellen. Hierbei sei eine Förderung von 45 Prozent von Bund und Land zu wenig. Der Minister fordert auch von der EU-Kommission ein weit höheres finanzielles Engagement. Digitale Gesellschaft bedeutet nach Tiefensee jedoch mehr als Wirtschaft 4.0: Mehr EGovernment. Mit der elektronischen Steuererklärung Elster sei es nicht getan. Die Sorge, dass die Verwaltung bei Bund, Ländern und Gemeinden nicht Schritt mit der Vernetzung der Wirtschaft halte, sei groß. Noch immer fehlen in Bund und Ländern z. B. ein Haushalt für alle Bereiche angesichts einer Digitalisierung aller Bereiche wie bei Smart Grid, Smart Metering, E-Health, Smart Cities und Smart Factory. Zuvor hatte bereits Professor Gerald Grusser, Hauptgeschäftsführer der IHK Erfurt, den kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen dringend geraten, der internetbasierten Wirtschaft sehr viel mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Es fehle in Thüringen, so Grusser, jedoch an Fachleuten, die für die Implementierung in den KMU sorgen könnten. Im Gegensatz zu den USA stehe hierzulande die Förderung der Erhaltung und Weiterentwicklung der klassischen Branchen wie Automobilproduktion und Maschinenbau im Fokus. Die größten Umbrüche seien aber in den Bereichen Cloud-Computing, ITDienstleistungen wie Datenspeicherung oder Plattformen über das Internet und Verarbeitung großer Datenmengen zu erwarten. Kooperative Wertschöpfung sei daher das Gebot der Stunde, aber auch Aus- und Weiterbildung in der Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und Modellen, wie es ab sofort das neu gegründete Thüringer Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0 in Nachbarschaft der IHK in Angriff nehmen wird. Dessen Leiter, Mauricio Matthesius, nutzte bei seiner Vorstellung die Gelegenheit, um die anwesenden Führungskräfte der Wirtschaft über die geplanten Maßnahmen in der Vermittlung dieser Kompetenzen zu informieren, wie 1 Sensibilisierung von Führungskräften und leitenden Mitarbeitern über die Chancen der Digitalisierung im Unternehmen von der Software-Codierung bis zur Produktvernetzung in Echtzeit. Einbeziehung der Kunden in die IT-basierten Prozesse in einer digitalen Wirtschaft, damit das Produkt auch digital bestellt werden kann. Nutzung von Datenmengen und Informationen u. a. zum Zweck der Weitergabe an Kunden als Nutzer z. B. in Form der Erschließung neuer Quellen der Wertschöpfung Vernetzung möglichst zahlreicher KMU in Thüringen in einer Vielzahl von Branchen, um durch besseren Wissenstransfer auf dem Software- und Datenmanagementgebiet zu mehr Effizienz und Aufträgen zu gelangen und so den Weg für weitere intelligente Dienste zu ebnen (neue Plattformökonomie) Mit einer immer höheren Digitalisierung rüsten sich Unternehmen aller Branchen für die Zukunft. Durch die Umstellungsprozesse im Rahmen von Wirtschaft 4.0 könne auch die Massenproduktion hin zu einer automatisierten Herstellung individueller Güter umgestaltet werden. Die Thüringer KMU könnten sich dadurch neu spezialisieren, meinte Matthesius. Mittelständler sollte sich daher rechtzeitig überlegen, wie sie auf diese Entwicklung reagieren oder sie sogar aktiv mitgestalten wollen. Angesichts der Zunahme der Datenübermittlung im „Internet der Dinge“ hat leider auch die Cyber-Kriminalität exorbitant zugenommen. Peter Häufel von IBM-Security, Mannheim, widmete sich in seinen Ausführungen dieser wachsenden Gefahr für die Unternehmen mit zahlreichen Ratschlägen aus der Praxis für die Praxis. Er versuchte den Führungskräften die Augen zu öffnen, was im Netz außerhalb und innerhalb des Unternehmens alles passiert und forderte von jedem Unternehmer vor dem Datenmanagement die „Immunisierung“ des Unternehmens. Die vermeintlichen Schutzmechanismen, wie Firewalls und Antivirenprogramme seien heutzutage nicht mehr ausreichend. Oft sei der Cyberangriff bereits vor Monaten erfolgt und das Management und die Mitarbeiter seien ahnungslos, so Häufel. Daher sei der Aufbau eines Immunsystems zum Erkennen von gezielten Angriffen, wie Erzwingung und Befolgung großer Sicherheit im Unternehmen unerlässlich. Auch Dirk Röhrborn, Mitglied des Präsidiums des BITKOM, monierte die mangelnde Präventionsbereitschaft von Unternehmen. Zum Beispiel könnten große Datenpakete über das Internet und über miteinander vernetzte Systeme an die Server geschickt werden, damit die betriebliche Infrastruktur wegen Überlastung kollabiert (Denial of Service = DoS). So seien bereits Fließbänder von Autokonzernen oder Online-Banking-Systeme sowie Mobilfunkbetreiber, wie A1 der Telekom Austria, lahmgelegt worden. Röhrborn appellierte an die Betriebe, eine Sicherheitskultur mit Sicherheitsüberprüfungen samt Mitarbeiterschulungen zu etablieren. In den anschließenden Impulsstatements samt Podiumsdiskussion wurde von sechs Vertretern aus Software, Automobilproduktion, Daten- und Cloudmanagement sowie aus der Versicherungswirtschaft die Netzsicherheit in Gegenwart und Zukunft als elementar herausgestellt. Dies war für die Teilnehmer vor dem Hintergrund der überzeugenden Argumente der Referenten über die rasante Entwicklung des „Internet der Dinge“ gut nachvollziehbar: 2 2020 werden 18 Mrd. User – gegenüber 2014 mit 3 Mrd. Usern – im Internet weltweit unterwegs sein, vor allem auf cyberphysischen Systemen der 4. Industriellen Revolution (z. B. AppStore mit 1 Mio. Apps). Durch den mengenmäßig sich steigernden Datenanfall in den Unternehmen verdoppelt sich in naher Zukunft die Rechnerleistung alle 18 Monate (Metcalfe). Über Smart Factory erhöht sich die Instandhaltungsoptimierung per Cloud. Über die heutigen Cloud-Architekturen wird die Vernetzung aller Objekte miteinander ermöglicht. In der Smart Mobility werden Car-Sharing-Dienste und Car-to-Car-Communication zunehmen und die Mobilität der Menschen verändern. Dies hat Konsequenzen für Mutterkonzerne und Zulieferer. Das bevorstehende autonome Fahren und freifahrende Transportsysteme (connected drive) werden das „Internet der Dienste“ weiter in den Fokus rücken. Im Rahmen der Podiumsdiskussion wirkten mit: Andreas Bildstein, Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart, Oliver Dobner, Geschäftsführer Marsh Deutschland, Dr.-Ing. Martin Steinebach, Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnik, Darmstadt, Alexander Angebrandt, Vice President, Order to Delivery BMW AG, Rüdiger Kirsch, Head of Department Claims Fidelity, Euler Hermes Deutschland SA, Hamburg, Alexander Geschonneck, KMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG, Berlin unter Moderation von Dr. Thomas Lapp, Vorstandsvorsitzender Nationale Initiative für Informations- und Internetsicherheit (NIFIS). Das Schlusswort zum Thema „Sicherung der Speicherung und Übertragung von Daten durch bessere Chiptechniken für Unternehmen und Verbraucher“ hielt Jacques Kruse Brandao, Partner Secure Digital Identity, NXP Semiconductors Germany, Hamburg. Fazit der Unternehmerkonferenz Der Umgang mit der Digitalisierung bildet die Grundlage für den Wohlstand künftiger Generationen, für gesellschaftliche Teilhabe, wirtschaftliche und staatliche Handlungsfähigkeit. Aber ohne ständige Qualifizierung der Mitarbeiter und des Managements, ohne mehr Technik- und Informatikbildung im Bildungssystem sowie ohne hohe Mobilität der Belegschaften wird die digitale Herausforderung nicht zu meistern sein. Veranstaltungsdaten im Überblick Thema: Digitalisierung und Big Data mit Blick auf Wirtschaft 4.0 – Wie Unternehmen die Zukunft im Netz sichern können Datum: Montag, 15. Februar 2016, 10 – 16 Uhr Ort: IHK Erfurt, Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt 3
© Copyright 2024 ExpyDoc