Unternehmensbewertung - IHK Hannover

Unternehmensbewertung
Ein Merkblatt der Industrie- und Handelskammer Hannover
1. Allgemeines
Ein zentraler Aspekt beim Unternehmenskauf bzw. -verkauf ist die Frage, wie viel das
Unternehmen wert ist. Den absolut richtigen und objektiven Unternehmenswert gibt es
nicht. In der Regel ist der Kaufpreis das Ergebnis längerer, häufig zäher Verhandlungen
zwischen Verkäufer und Käufer. Der abgebende Unternehmer überschätzt häufig den
Wert seines Unternehmens. Das ist verständlich, da er in das Unternehmen viele Jahre
Mühe und Arbeit eingebracht hat. Der Übernehmer hingegen möchte einen möglichst
geringen Kaufpreis zahlen, um nicht in Finanzierungsschwierigkeiten zu geraten und
womöglich die Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens zu gefährden.
In die Verkaufsverhandlungen fließen neben den objektiven Kriterien auch die subjektiven Wertvorstellungen der Vertragsparteien mit ein. Bei der Kaufpreisermittlung spielen
somit nicht nur der Unternehmenswert bzw. die betrieblichen Faktoren eine wichtige
Rolle, sondern auch außerbetriebliche Faktoren, wie das Alter des Veräußerers und des
Erwerbers, die finanzielle Lage des Veräußerers und des Erwerbers, die Risikobereitschaft des Erwerbers und alternative Angebote. Bei der Kaufpreisermittlung sollte ebenfalls berücksichtigt werden, ob das Unternehmen an ein Familienmitglied, einen Mitarbeiter, einen externen Übernehmer oder an einen Investor verkauft wird. Der Wert eines
Unternehmens kann aufgrund dieser unterschiedlichen Sichtweisen durchaus variieren.
Der Begriff „Wert“ ist daher recht vieldeutig.
2. Bewertungsverfahren
Für die Unternehmensbewertung gibt es kein allgemein gültiges Verfahren. Vielmehr
finden unterschiedliche Methoden Anwendung und nicht jede Bewertungsmethode liefert für ein und dasselbe Unternehmen sinnvolle Ergebnisse. Im Folgenden werden die in
der Praxis wichtigsten Verfahren zur Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen
in ihren Grundzügen vorgestellt. Das sind die Substanzwertmethode, das Ertragswertverfahren sowie die Multiplikatorenmethode. Die hier vorgestellten Bewertungsverfahren
müssen im Einzelfall modifiziert werden, um die Besonderheiten des zu bewertenden
Unternehmens zu berücksichtigen.
2.1. Substanzwertverfahren
Unter Substanzwertverfahren versteht man eine Methode zur Ermittlung des Wertes
eines Unternehmens anhand dessen Substanz. Dazu wird das Vermögen eines Unternehmens zu dessen Marktwert, Wiederbeschaffungswert oder Liquidationswert bewertet. Von dem so ermittelten Wert werden die Schulden des Unternehmens abgezogen.
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2.1.1. Wiederbeschaffungswert
Der traditionelle Substanzwert bezeichnet den Betrag, den ein Käufer für die Errichtung
einer „Kopie“ des Unternehmens aufwenden müsste. Der Wiederbeschaffungswert bzw.
Reproduktionswert markiert dabei die Wertobergrenze für den potenziellen Käufer.
Im ersten Schritt wird zunächst das betriebsnotwendige Vermögen (z.B. Warenbestand,
Fuhrpark, Maschinen) auf Basis der Inventarliste einzeln bewertet. Dazu werden die
einzelnen Gegenstände nach ihrem Wiederbeschaffungskosten beurteilt. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen ist mit dem sogenannten Liquidationswert (siehe unten) zu bewerten. Von dem so ermittelten Wert sind die zu übernehmenden Schulden abzuziehen.
Ergebnis ist der sogenannte Teilreproduktionswert.
Die Inventarliste enthält weder die immateriellen Wirtschaftsgüter (z.B. selbstgeschaffene Patente und Software) noch den Firmenwert (z.B. Kundenstamm, Lieferbeziehungen,
Standort, Know How der Mitarbeiter). In einem zweiten Schritt ist daher zu überlegen,
welche Aufwendungen erforderlich sind, um die entsprechenden immateriellen Wirtschaftsgüter und den Firmenwert zu rekonstruieren. Hierbei ist man auf Schätzungen
angewiesen. Werden zum bereits ermittelten Teilreproduktionswert die immateriellen
Werte hinzugerechnet, ergibt sich der Vollreproduktionswert.
Beispiel: Einzelunternehmer Müller (65 Jahre) führt ein kleines Einzelhandelsgeschäft,
welches er altersbedingt an Herrn Schulz veräußern will. Das Ergebnis der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit vor Steuern betrug in den letzten Jahren ca. € 25.000. Im Angestelltenverhältnis würde Herr Müller ca. € 30.000 pro Jahr verdienen.
Wirtschaftsgüter und
Schulden, die übernommen werden
Ladeneinrichtung
Kleintransporter
Waren
Forderungen
übernommene Schulden
Buchvermögen
Teilreproduktionswert
Zerschlagungswert
ursprüngliche
Anschaffungskosten
in €
10.000
20.000
17.000
-
aktueller
Buchwert
in €
3.000
9.000
15.000
2.500
-16.000
13.500
Wiederbeschaferzielbare
fungskosten Einzelveräußerungspreise
in €
in €
4.500
2.500
12.000
10.000
17.000
15.000
2.500
2.500
-16.000
-16.000
20.000
14.000
Ergebnis: Das Ladengeschäft ist wenig profitabel, da Herr Müller im Angestelltenverhältnis mehr verdienen würde. Da auch künftig nicht mit hohen Gewinnsteigerungen zu
rechnen ist, kommen Herr Müller und Herr Schulz zum Ergebnis, dass ein Kundenstamm
zwar vorhanden ist, aufgrund der geringen Profitabilität des Ladengeschäftes diesem
jedoch kein wirtschaftlicher Wert zugerechnet werden kann. Da somit weder Firmenwert noch immaterielle Wirtschaftsgüter vorhanden sind, ergibt sich der Unternehmenswert allein aus den materiellen Wirtschaftsgütern. Wertuntergrenze für Herrn Müller ist der Zerschlagungswert (€ 14.000), Wertobergrenze für Herrn Schulz ist der Reproduktionswert in Höhe von € 20.000. Herr Müller und Herr Schulz einigen sich in der
Mitte, bei € 17.000, da so beide Vertragsparteien in gleicher Höhe profitieren.
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2.1.2. Liquidationswert
Bei dieser Variante der Substanzwertmethode werden die Vermögensgegenstände laut
Inventarliste nicht mit den Wiederbeschaffungskosten sondern mit den am Markt erzielbaren - teilweise deutlich niedrigeren – Verkaufspreisen bewertet. Es geht im Ergebnis
darum zu ermitteln, welcher Wert bei der Zerschlagung des Unternehmens zu erzielen
wäre. Der Liquidationswert markiert damit die Wertuntergrenze des Unternehmens.
2.1.3. Beurteilung der Substanzwertmethode
Der Vorteil der Substanzwertmethode liegt in der einfachen Anwendung, weil keine
Zukunftsprognosen erforderlich sind. Problematisch ist die Bewertung von immateriellen
Vermögensgegenständen, wie ein langjährig eingeführter Markenname und ein Kundenstamm. Diese lassen sich kurzfristig nur schwer reproduzieren. Noch gravierender ist der
Mangel, dass eine Einzel- und keine Gesamtbewertung erfolgt. Entscheidend für den
Wert eines Unternehmens ist aber gerade das Zusammenspiel der einzelnen Wirtschaftsgüter. Und ob dieses Zusammenspiel gut oder schlecht ist, drückt sich letztlich
in den künftigen Gewinnen des Unternehmens aus. Die maßgebende Größe für den Unternehmenswert – nämlich die Profitabilität eines Unternehmens (=Teil des Firmenwertes) – findet bei der Substanzwertmethode jedoch gerade keine Berücksichtigung, da
hier auf Zukunftsprognosen verzichtet wird. Darüber hinaus ist die Reproduktion eines
unprofitablen Unternehmens oder von Überkapazitäten keine sinnvolle Alternative.
Aufgrund dieser gravierenden Mängel hat die Substanzwertmethode grundsätzlich nur
eine Hilfsfunktion. Die Bewertungsmethode ist dennoch bei solchen Unternehmen geeignet, bei denen ein hohes Anlagevermögen vorhanden ist und immaterielle Wirtschaftsgüter und Firmenwerte nur im geringen Umfang vorhanden sind. Auch für kleinere Unternehmen, deren Ertragskraft im Branchendurchschnitt eher gering und von der
Unternehmerpersönlichkeit geprägt ist, hat die Substanzwertmethode ihre Berechtigung.
2.2. Ertragswertmethode
Dem Ertragswertverfahren liegt die Annahme zugrunde, dass ein Käufer nur in ein Unternehmen investiert, dessen Rendite größer ist als die zu erwartenden Erträge einer
bekannten Alternativanlage, nämlich der Anlage am Aktienmarkt. Die Ertragskraft eines
Unternehmens entscheidet somit über den Kaufanreiz und den Kaufpreis. Der Käufer
muss die Gewissheit haben, dass der vom Unternehmen erwirtschaftete nachhaltige
Gewinn eine angemessene Verzinsung darstellt und das die Erträge zur Deckung aller
Zins- und Tilgungszahlungen sowie zur Finanzierung neuer Investitionen ausreichen.
Vereinfacht ausgedrückt ist die Ertragswertmethode das „umgekehrte“ einer Geldanlage: Die Anlage von € 10.000 bei einer Bank mit einem Zins von 5 % führt zu unendlich
fließenden Zinserträgen von € 500 p.a. (€ 10.000 x 5 % = € 500). Bei der Ertragswertmethode werden die zu erwartenden Erträge und der zu dem Risiko der Erträge
passende Zins gesucht, um daraus den Ertragswert (also den Unternehmenswert) abzuleiten. Bei (unendlich) erwarteten Erträge von € 500 und einem Zins von 5 % ergibt sich
ein Unternehmenswert von € 10.000 (€ 500 / 5 % = € 10.000). Kern der Methode ist
somit die Prognose der Erträge und die Ermittlung des dem individuellen Risiko angepassten Zinssatzes.
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2.2.1. Überschlägige Ertragswertberechnung bei kleinen Unternehmen
Bei kleinen Unternehmen ist der Betrieb für den Unternehmer oft die einzige Finanzanlage, nicht selten mit einer hohen Fremdkapitalquote, da viele Kreditfinanzierungen in Anspruch genommen werden. Zusätzlich muss beachtet werden, dass Inhaber von kleinen
Unternehmen nicht nur Gewinnziele verfolgen, sondern auch nicht-monetäre Ziele. Erschwerend für die Bewertung kommt hinzu, dass eine Unternehmensplanung meist nur
im Kopf des Eigentümers existiert, die aufbereiteten Unterlagen aus dem Rechnungswesen erhebliche Mängel aufweisen können, die Jahresabschlüsse gegebenenfalls nicht
plausibel sind oder die Kostenrechnung und das Controlling, sofern sie denn existieren,
weniger aussagekräftig sind als in Großunternehmen. Da basierend auf mangelhaften
Unterlagen umfassende Prognoseberechnungen nicht möglich sind und zudem aufgrund
der relativ geringen Kaufpreishöhe die Berechnungen einfach gehalten werden sollen,
begnügt man sich in der Praxis mit überschlägigen Ertragswertberechnungen. Dabei gibt
es eine Vielfalt an Ausprägungen, von rein vergangenheitsorientierten bis hin zu rein
zukunftsorientierten Betrachtungen. Eine mögliche Vorgehensweise ist folgende:
1. Schritt: Als Grundlage werden die Gewinne der letzten zwei Jahre, des laufenden
Geschäftsjahres sowie die Planzahlen der nächsten drei Jahre herangezogen. Hierbei
sollten die Gewinne vor Steuern und Zinsen sowie sonstigen Finanzierungsaufwendungen oder -erträgen (Ergebnis vor Zinsen und Ertragssteuern - EBIT) gewählt werden, um
die Gewinne um Positionen zu bereinigen, die nicht durch die eigentliche betriebliche
Tätigkeit entstanden sind.
Bei Einzelunternehmen und ggf. bei Personengesellschaften muss vom Gewinn ein sogenannter kalkulatorischer Unternehmerlohn abgezogen werden. Der kalkulatorische
Unternehmerlohn ist der Gegenwert für die Arbeitsleistung des Inhabers. Die Höhe bestimmt sich nach der Höhe der Bezüge eines angestellten Geschäftsführers eines hinsichtlich Größe und Profitabilität vergleichbaren Unternehmens. Bei Kapitalgesellschaften, bspw. einer GmbH, mindert das Gehalt des Gesellschaftergeschäftsführers bereits
als Personalaufwand den Gewinn. Sofern die Höhe des Geschäftsführergehaltes angemessen ist, sind bei der GmbH daher keine kalkulatorischen Kosten anzusetzen. Was
zum Unternehmerlohn gesagt wurde, gilt entsprechend auch für kalkulatorische Mieten,
wenn das Unternehmen bisher in eigenen Räumlichkeiten betrieben wurde und diese
Räumlichkeiten nicht mit veräußert werden.
Des Weiteren ist der Gewinn um einmalige Aufwands- und Ertragsposten zu korrigieren,
wie beispielsweise Sonderabschreibungen oder Versicherungsentschädigungen, also
Positionen, die nicht dem unmittelbaren Geschäft zuzurechnen sind.
2. Schritt: Die bereinigten jährlichen Gewinne werden addiert und anschließend durch
die Anzahl der betrachteten Perioden geteilt, um den durchschnittlichen Gewinn zu erhalten.
3. Schritt: Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes: Der Kapitalisierungszinssatz legt
jene Verzinsung fest, die der Kapitalgeber unter Beachtung alternativer Kapitalanlagen
mit vergleichbarem Risiko vom Bewertungsobjekt erwartet. Diese Zinsen stellen die
Mindestverzinsung dar, die das Unternehmen erwirtschaften muss. Dabei ist die Höhe
des Kapitalisierungszinssatzes von großer Bedeutung. Dieser besteht in der Regel zumeist aus zwei Komponenten, einem Basiszinssatz, der die Verzinsung einer alternativen
Kapitalanlage z. B. in sicheren Staatsanleihen darstellt, und einem Risikoaufschlag für
das externe und das interne unternehmerische Risiko.
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Zur Ermittlung des externen unternehmerischen Risikozuschlags, von dem alle Unternehmen betroffen sind (daher auch allgemeines Marktrisiko), wird die langfristige Wertentwicklung (30 Jahre) von risikobehafteten Aktien im Vergleich zu risikoarmen Bundesanleihen betrachtet. Im Ergebnis schneiden Aktien im Durchschnitt ca. 5,5 Prozentpunkte besser ab als Bundesanleihen. Wird hingegen unterstellt, dass in der Zukunft die
Kursschwankungen am Aktienmarkt geringer sind als in der Vergangenheit, wäre die
Marktrisikoprämie geringer (z.B. 4,5 Prozentpunkte).
Die Ermittlung des internen unternehmerischen Risikos gestaltet sich insbesondere bei
kleinen Unternehmen schwierig. Da diese Unternehmer einen großen Teil ihres Vermögens in das Unternehmen investieren bzw. investiert haben, scheidet die Anwendung
standardisierter, kapitalmarktbezogener Risikoprämien aus. Anders als beispielsweise
Finanzinvestoren, die die finanziellen Mittel haben, um ihre Vermögensanlagen zu streuen, ist für diese Käufer-/Verkäufergruppe das rein unternehmensspezifische Risiko (z.B.
Insolvenzrisiko = unsystematisches Risiko) um ein vielfaches höher. Die Inhaberabhängigkeit und betriebsspezifische Risikofaktoren, die auch nach dem Verkauf eine Zeit lang
nachwirken, verlangen daher eine individuelle Bewertung. Je niedriger das Risiko anzusetzen ist, desto niedriger fällt der Zuschlag aus. Üblicherweise liegen die Risikozuschläge für das interne unternehmerische Risiko zwischen 5 und 15 Prozentpunkten.
4. Schritt: Der Unternehmenswert errechnet sich nun, indem der nachhaltige Ertrag
durch den Kapitalisierungszinssatz geteilt wird.
5. Schritt: Verkaufsverhandlung: Der Käufer hat analog zur dargestellten Vorgehensweise des Verkäufers seinen subjektiven Ertragswert zu ermitteln, wobei der Minimalpreis
des Verkäufers durch den Liquidationswert markiert wird. Da der Käufer beispielsweise
die künftigen Risiken und Chancen anders einschätzt als der Verkäufer, weicht der subjektive Ertragswert des Verkäufers in der Regel von dem des Käufers ab. In der Verkaufsverhandlung versuchen nun Käufer und Verkäufer ihren subjektiven Ertragswert so
weit wie nur möglich zu erreichen.
Beispiel: Floristin Schneider (63) hat zur Vorbereitung ihrer Unternehmensbewertung die
nachstehenden Zahlen ermittelt. Aufgrund eines festen Kundenstamms und bereits geschlossener Verträge kalkuliert sie auch in den nächsten Jahren mit ähnlich hohen Gewinnen.
1. Schritt: Bereinigung der Gewinne:
Jahr
2013
€
2014
€
2015
€
2016
€
2017
€
2018
€
Gewinne vor Steuern und Zinsen (EBIT) 44.000 48.500 44.000 40.400 40.000 40.000
./. außerordentliche Erträge (z.B. Verkauf
eines ausgedienten Lieferwagens und
anderer Wirtschaftsgüter)
-7.000
-2.200
-3.000
+ außerordentliche Aufwendungen (z.B.
Reparaturen aufgrund eines Wasserschadens, Sonderabschreibungen)
500
1.000
500
./. Kalkulatorischer Unternehmerlohn
-27.000 -27.000 -27.000 -27.000 -27.000 -27.000
= Korrigierte Gewinne
10.500
21.500
15.800
10.900
13.000
13.000
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2. Schritt: Ermittlung des durchschnittlichen Gewinns:
(€ 10.500 + € 21.500 + € 15.800 + € 10.900 + € 13.000 + € 13.000) / 6 = € 14.117
3. Schritt: Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes:
Frau Schneider bewertet zusammen mit ihrem Berater die Marktrisikoprämie mit 5,5 %
und das unternehmensspezifische Risiko mit 8 %. Die Ermittlung des Zinssatzes für
langfristige Bundesanleihen ergab 0,7 %. Somit beträgt der Kapitalisierungszinssatz
14,2 % (= 0,7 % + 5,5 % + 8 %).
4. Schritt: Ermittlung des Ertragswerts: € 14.117 / 0,142 = € 99.413.
5. Schritt: Verkaufsverhandlung.
2.2.2. Beurteilung der Methode
Die klassische Ertragswertmethode ist die theoretisch korrekte und bei Rechtstreitigkeiten weit überwiegend einzig anerkannte Methode. Die Komplexität und das Prognoseproblem wirken abschreckend, daher ist sie in der Praxis für kleine und mittelgroße
Unternehmen nicht besonders beliebt. Zumindest das Komplexitätsproblem ist EDVtechnisch lösbar. Auch überschlägige Ertragswertberechnungen vermeiden diese Problematik. Die Unsicherheit über die Höhe der künftig zu erzielenden Erträge und über den
richtigen Kapitalisierungszinssatz bleibt jedoch in beiden Fällen bestehen.
2.3. Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Für steuerliche Zwecke, insbesondere für die Erbschaftsteuer, existiert das sogenannte
„vereinfachte Ertragswertverfahren“ (§§ 199 ff. Bewertungsgesetz). Hier werden die
Ermittlung des nachhaltigen Ertrags sowie des Kapitalisierungszinses normiert: Die Erträge ergeben sich aus dem bereinigten Durchschnitt der letzten drei Jahre. Der Zinssatz
wird jährlich vom Bundesfinanzministerium festgelegt. Details siehe IHK-Merkblatt zum
vereinfachten Ertragswertverfahren.
2.4. Discounted-Cash-Flow-Methode
Das Bewertungsprinzip der Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode) ist grundsätzlich gleich zum Ertragswertverfahren. Eine Überschussgröße wird auf den Gegenwartswert diskontiert. Im Unterschied zum Ertragswertverfahren wird bei der DCFMethode der zukünftige Cash-Flow als Basis herangezogen.
Der Cash-Flow zeigt an, welcher eigenerwirtschaftete Betrag im Unternehmen für Investitionen, Kredittilgungen, Steuern, Ausgleich von drohenden Engpässen usw. zur Verfügung steht. Einfach ausgedrückt ist der Cash-Flow die Differenz zwischen den unternehmensbezogenen Einnahmen und den unternehmensbezogenen Ausgaben innerhalb
einer bestimmten Periode. Somit sagt der Cash-Flow mehr über die Finanzkraft eines
Unternehmens aus als der Gewinn. Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Produkt
oder eine Leistung verkauft, wird dieser Verkauf als Gewinn im Unternehmen verbucht.
Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass der Kunde auch bezahlt. Der Cash-Flow spiegelt also den Kapitalfluss eines Unternehmens wieder.
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Bei der DCF-Methode wird der ermittelte Cash-Flow für drei Planjahre hochgerechnet
und auf den heutigen Kapitalwert abgezinst:
Unternehmenswert = hochgerechneter Cash-Flow x 100
Kapitalisierungszins
Die DCF-Methode ist ein rein zukunftsorientiertes Verfahren und wird vor allem bei größeren Unternehmen angewandt, die eine detaillierte Planungsrechnung betreiben. Für die
Bewertung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen kommt die Methode eher selten
zum Einsatz, da umfassende Prognoseberechnungen hier die Ausnahme sind.
2.5. Multiplikatorenmethode
In der Praxis gibt es unterschiedliche Varianten der Multiplikatorenmethode. Eine Variante stellt auf den Umsatz ab. Ein anderer Multiplikator bezieht sich, wie das Ertragswertverfahren, auf das operative Betriebsergebnis (Gewinn vor Zinsen und Ertragssteuern EBIT). Kalkulatorische Kosten (insbesondere der kalkulatorische Unternehmerlohn) sind
ebenso zu berücksichtigen.
Bei beiden Varianten wird der Durchschnitt des Umsatzes bzw. des Gewinns aus insgesamt sechs Geschäftsjahren gebildet: Aus den letzten beiden Geschäftsjahren und aus
dem prognostizierten Wert des aktuellen Geschäftsjahres sowie der folgenden drei Jahre. Das Ergebnis, der sogenannte nachhaltige Umsatz bzw. der nachhaltige Gewinn,
wird dann mit einem Faktor der entsprechenden Branche multipliziert.
Multiplikatoren, die auf Markteinschätzungen von Bewertungsexperten basieren, veröffentlicht beispielsweise das „FINANCE“ Magazin vier Mal jährlich, jeweils zum Ende
eines Quartals (FINANCE-Multiples). Dabei werden Bandbreiten für die EBIT- und Umsatz-Multiples von insgesamt 16 Branchen abgefragt und gemittelt.
Beispiel (in Anlehnung an das Rechenbeispiel unter www.finance-magazin.de):
Die Müller GmbH ist in der Elektronikbranche tätig und hat einen Jahresumsatz von T€
861,8 und einen EBIT von T€ 74,7.
Die Bandbreite für ein Unternehmen der Elektronikbranche mit einem Jahresumsatz unter 50 Mio. Euro (Small Cap) liegt im Juli/August 2015 hinsichtlich des Gewinnmultiplikators (EBIT) zwischen 6,8 und 9,1 und hinsichtlich des Umsatzmultiplikators zwischen
0,61 und 0,96. Anhaltspunkte zur Positionierung eines Unternehmens innerhalb der
Bandbreite geben die „bewertungsrelevanten Fragen“. Diese wurden tendenziell positiv
beantwortet. Gewinnmultiplikator und der Umsatzmultiplikator liegen daher jeweils am
oberen Ende der Bandbreite (9,1 bzw. 0,96).
Ermittlung des Unternehmenswertes anhand Gewinnmultiplikator:
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)
x Gewinnmultiplikator (für die Branche Elektronik)
= Unternehmenswert ohne Übernahme der Nettofinanzverschuldung
- Nettofinanzverschuldung*
= Unternehmenswert mit Übernahme der Nettofinanzverschuldung
in T€
74,7
9,1
679,8
-190,0
489,8
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Ermittlung des Unternehmenswertes anhand Umsatzmultiplikator:
Umsatzerlöse
x Umsatzmultiplikator (für die Branche Elektronik)
= Unternehmenswert ohne Übernahme der Nettofinanzverschuldung
- Nettofinanzverschuldung*
= Unternehmenswert mit Übernahme der Nettofinanzverschuldung
861,8
0,96
827,3
-190,0
637,3
Der Ergebnisunterschied zwischen dem Unternehmenswert anhand des Gewinn- und
dem anhand des Umsatzmultiplikators deutet darauf hin, dass die Profitabilität des Unternehmens unter dem Branchendurchschnitt liegt.
*Die Nettofinanzverschuldung errechnet sich aus der Summe der zinstragenden Verbindlichkeiten
abzüglich der überschüssigen Barreserven. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen werden nicht eingerechnet, da sie zum laufenden Geschäftsbetrieb gehören und in der Regel nicht
zinstragend sind. Die überschüssigen Barreserven bestehen aus Bargeld, Sichteinlagen und kurzfristigen Geldanlagen, die nicht aus reinen Liquiditätsgesichtspunkten zur Aufrechterhaltung der
Geschäftstätigkeit erforderlich sind. Stichtag ist immer der Tag der Unternehmensbewertung
(Quelle: FINANCE Magazin).
Vorteilhaft an dieser Methode ist, dass sie einfach zu handhaben ist, da die Komplexität
der Unternehmensbewertung stark reduziert wird. Deutlich relevanter als der Umsatzmultiplikator ist bei dieser Methode der Gewinnmultiplikator. Denn Vorteile erhält der
Käufer letztlich durch Gewinne und nicht durch Umsätze. Problematisch an dieser Methode ist vor allem die Annahme, dass das Gesamtrisiko bzw. die Zukunftsaussichten
primär von der Branchenzugehörigkeit des jeweiligen Unternehmens abhängen. Insbesondere bei kleineren Unternehmen können andere Aspekte, wie beispielsweise der
Standort oder die Inhaberabhängigkeit, für den Zukunftserfolg wesentlich wichtiger sein.
Auch wenn die Multiplikatorenmethode nicht allein angewendet werden sollte, ist sie
beispielsweise für die Überprüfung der Ergebnisse der Ertragswertmethode auf Plausibilität gut geeignet. Nach Ermittlung eines Ertragswertes kann der nach der Multiplikatorenmethode (insbesondere Gewinnmultiplikator) ermittelte Unternehmenswert ggf. als
zusätzliches Argument zur Unterstützung der eigenen Position im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen eingebracht werden.
3. Zusammenfassung
Im Internetangebot der IHK Hannover in der Rubrik „Nachfolge & Steuern“ ist ein
Berechnungstool abrufbar, in der alle wesentlichen, hier dargestellten Verfahren enthalten sind. Die Eingabefelder sind grün hinterlegt, so dass eigene Unternehmenszahlen
und Annahmen eintragen werden können. Mit dem Berechnungstool kann überschlägig
überprüft werden, ob beispielsweise die Größenordnung eines Kaufpreises realistisch ist
oder nicht. Auch erhält man durch das Berechnungstool einen Eindruck davon, wie stark
die Ergebnisse der einzelnen Bewertungsmethoden voneinander abweichen und wie
groß die Sensitivität des Unternehmenswertes von den getroffenen Annahmen ist.
Hilfestellung bei der Ermittlung des Unternehmenswertes bieten spezialisierte Steuerberater, Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer. Kontakte zu entsprechenden Fach-
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leuten sind beispielweise über die Beraterbörse der KfW Bankengruppe(www.kfwberaterboerse.de), die Bundessteuerberaterkammer, die Wirtschaftsprüferkammer
(www.wpk.de) oder den Bundesverband Deutscher Unternehmensberater
(www.bdu.de) zu finden. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Unternehmensbewertung sind im Sachverständigenverzeichnis der IHK gelistet
(https://svv.ihk.de).
Wichtig bei der Auswahl externer Berater ist sowohl die Erfahrung in Bewertungen, als
auch die Kenntnis über die Marktsituation von Unternehmen aus der Branche. Die Beratungskosten können unter bestimmten Voraussetzungen durch die Beratungsförderung
des Bundes bezuschusst werden, wenn sie Teil einer umfassenderen Betriebsberatung
sind. Informationen hierzu sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
erhältlich.
Hinweis
Dieses Merkblatt soll – als Service der Industrie- und Handelskammer Hannover – nur
erste Hinweise geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit
größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung auf die inhaltliche Richtigkeit
nicht übernommen werden.
Stand: August 2015
Ansprechpartner:
Für Mitgliedsunternehmen der IHK Hannover stehen folgende Ansprechpartner für weitere Fragen gern zur Verfügung. Unternehmen aus anderen IHK-Bezirken bitten wir, bei
ihrer jeweiligen IHK nachzufragen.
Katrin Rolof
Tel. (0511) 3107-228
Fax (0511) 3107-435
[email protected]
Thorsten Kropp
Tel. (0511) 3107-230
Fax (0511) 3107-435
[email protected]
Industrie- und Handelskammer Hannover
Schiffgraben 49
30175 Hannover
www.hannover.ihk.de
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