Bestandteile der Unternehmensbewertung

Bestandteile der
Unternehmensbewertung
Ansätze zur Ermittlung von unternehmensspezifischen
Potentialen und Werttreibern
von Manuel Rüschke, Portus Corporate Finance GmbH
Die Unternehmensbewertung liefert dem Initiator der Bewertung eine wichtige
Entscheidungsgrundlage für den individuellen Bewertungszweck. So werden
Unternehmensbewertungen vom Management zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens eingesetzt und von Investoren als Grundlage ihrer
­Investmententscheidung. Um die Unternehmensbewertung als Entscheidungsgrundlage nutzbar zu machen, ist ein grundlegendes Verständnis ihrer Bestandteile
notwendig.
Ziele der Unternehmensbewertung
Das Bewertungsobjekt, dessen Wert im Rahmen der Bewertung ermittelt werden
soll, kann ein Unternehmen, eine Unternehmenssparte, ein Unternehmensbereich
aber auch ein Produkt oder ein Markt sein. Der ermittelte Wert kann für jeden
Bewertungsinitiator eine unterschiedliche Bedeutung haben. Der Kaufinteressent
ermittelt mit Hilfe der Unternehmensbewertung seine Preisobergrenze und der
Verkäufer ermittelt seine Preisuntergrenze für das Bewertungsobjekt.
In Theorie und Praxis wird oft gefordert, dass die Unternehmensbewertung
einen für alle beteiligten Parteien allgemeingültigen Unternehmenswert (objektiver
Unternehmenswert) ermittelt. Die einzelnen Parteien einer Unternehmensbewertung, wie Käufer und Verkäufer, haben unterschiedliche Standpunkte, die den
Unternehmenswert beeinflussen. Diese können beispielsweise darin begründet
sein, dass der Käufer über bessere Absatzmöglichkeiten verfügt als der Verkäufer.
Der Käufer wird dem Unternehmen in diesem Fall einen höheren Wert beimessen,
als der Verkäufer. Da eine Diskrepanz zwischen den beiden Positionen regelmäßig
der Fall ist, ist die Ermittlung eines objektiven Wertes nur in den seltensten Fällen
möglich.
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Anlässe der Unternehmensbewertung
Die Anlässe für eine Unternehmensbewertung können unterschiedlicher Natur
sein. Der mit Abstand häufigste Anlass ist der Kauf beziehungsweise Verkauf von
Unternehmen oder Unternehmensteilen. Unternehmenskäufe werden vor allem
zum Ausbau des Produkt- oder Dienstleistungsportfolios oder zur Erschließung
neuer Märkte anvisiert. Unternehmensverkäufe werden angestrebt, wenn Unternehmensteile nicht mehr zur Unternehmensstrategie passen. Mit Hilfe der Unternehmensbewertung ermitteln Investoren mögliche Werttreiber und Wachstumspotentiale von Zielunternehmen. Beteiligungsgesellschaften investieren vor allem in
wachstumsstarke und zukunftsträchtige Unternehmen oder in Unternehmen, die
ihr Potential nicht voll ausschöpfen. Der Unternehmenswert ist deshalb stark von
den Zukunftserwartungen geprägt und beruht auf zahlreichen Annahmen. Auch
die Verteilung der Geschäftsanteile im Rahmen einer Beteiligung erfolgt unter Zuhilfenahme der Unternehmensbewertung. Somit hat die Unternehmensbewertung
im Bereich der Unternehmensbeteiligung mehrere Funktionen.
Unternehmen, die einen Börsengang (IPO) anstreben, werben durch die Ausgabe
von Unternehmensanteilen Finanzmittel auf dem organisierten Kapitalmarkt ein.
Zur Abschätzung des Börsenwertes des Unternehmens wird eine Unternehmensbewertung im Vorfeld des IPOs durchgeführt. Die Unternehmensbewertung soll den
potentiellen Anlegern den Emissionspreis plausibilisieren und ist auf die Ermittlung
der Wertschöpfung ausgerichtet, die mit dem Kapital erzielt werden soll.
Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einem Unternehmen wird
der Unternehmenswert zur Ermittlung der Höhe der Barabfindung herangezogen.
Der Ausschluss von Minderheitsaktionären, auch Squeeze-out genannt, gewährt
den Minderheitsaktionären eine angemessene Entschädigung für den Verlust ihrer
Unternehmensanteile. Sollte im Aktionärskreis keine Einigung über den angemessenen Abfindungsbetrag erzielt werden, wird der Entschädigungsbetrag durch die
Unternehmensbewertung ermittelt.
Für gewöhnlich wird der Käufer bei einem Unternehmenskauf bestrebt sein,
das erworbene Unternehmen als „Goodwill“ zu bilanzieren. Dabei ergibt sich der
zu bilanzierende Wert aus der Unternehmensbewertung.
Zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Gläubigers legen Banken aufgrund der Basel II-Vorschriften großen Wert auf die Höhe und die Entwicklung
des Unternehmenswertes.
Weitere Anlässe für eine Unternehmensbewertung sind Erbauseinandersetzungen, Abfindungsfälle im Familienrecht oder die Einbringung eines Unternehmens als
Sachguteinlage in ein anderes Unternehmen. Der Unternehmenswert dient bei den
genannten Anlässen meist als Argumentations- und Orientierungsgrundlage.
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Verfahren zur Wertermittlung
Jede Unternehmensbewertung ist einzigartig. Weder in der Praxis noch in der
Theorie konnte sich in den vergangenen Jahrzehnten ein allgemeingültiges Unternehmensbewertungsverfahren durchsetzen, da der Zweck einer Unternehmensbewertung selten der Gleiche ist.
Das Substanzwertverfahren ermittelt den Wert, der nötig ist, um das Unternehmen in seiner derzeitigen Form neu zu errichten. Der Substanzwert entspricht
den Wiederbeschaffungswerten der Vermögensgegenstände. In der Praxis wird
das Substanzwertverfahren nur selten eingesetzt, da die Substanz eines Unternehmens hinsichtlich dessen Potential und der Ertragskraft selten relevant ist.
Die Vernachlässigung von in der Zukunft liegenden Ereignissen, Entwicklungen
und Erwartungen ist ein weiterer Nachteil des Substanzwertverfahrens. In der
Praxis findet das Substanzwertverfahren daher nur Einsatz bei Unternehmen wie
Immobiliengesellschaften, die ihre Erträge aus der Substanz des Unternehmens
erzielen.
Das Ertragswertverfahren, das in den 60er und 70er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts entwickelt wurde, ist vor allem in Deutschland weitverbreitet. Der
Unternehmenswert wird durch die Abzinsung der zukünftigen Erträge mit den
Renditeerwartungen der Kapitalgeber ermittelt. Somit betrachtet das Ertragswertverfahren nicht die Substanz des Unternehmens, sondern den Erfolg, der sich aus
der Unternehmenssubstanz erzielen lässt. Die der Bewertung zugrundegelegten
Erträge sind nicht die betrieblichen Erträge im eigentlichen Sinne, sondern die
Überschüsse beziehungsweise die Cashflows des Unternehmens. Mit zunehmendem
Zeithorizont steigt die Komplexität der Planung. Deshalb werden die Überschüsse/
Cashflows nur für einen Zeitraum von fünf bis acht Jahren detailliert geplant. Für
den Zeitraum, der den Planungshorizont übersteigt, werden konstante Überschüsse/
Cashflows und Wachstumsraten unterstellt. Mit Hilfe der Formel der ewigen Rente
werden die Überschüsse/Cashflows, die den Planungshorizont übersteigen, unter
Berücksichtigung der Wachstumsraten abgezinst. Der sich daraus ergebende Wert
stellt den Restwert der Unternehmung dar. Im Ertragswertverfahren lassen sich
Synergieeffekte, die aus Unternehmenszusammenschlüssen resultieren können,
berücksichtigen, da das Verfahren auf die Zukunft des Unternehmens abzielt.
Nachteile des Ertragswertverfahrens sind der hohe Aufwand, der aus der Planung
der Zukunft resultiert, und die damit einhergehende Unsicherheit.
Die derzeit verbreitetste Methode ist das Discounted Cashflow-Verfahren, das
in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Das Discounted Cashflow-Verfahren bietet
zwei Ansätze zur Ermittlung des Unternehmenswertes. Der Netto-Ansatz gleicht
dem bereits beschriebenen Ertragswertverfahren. Beim Brutto-Ansatz werden die
erwarteten Cashflows mit dem gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatz
abgezinst. Der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz ergibt sich aus der
Addition der Renditeerwartung der Eigenkapitalgeber gewichtet mit dem Anteil
des Eigenkapitals am Gesamtkapital und der Renditeerwartung der Fremdkapi46 | Biotechnologie '10/'11
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talgeber gewichtet mit dem Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital. Nachteil
des gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatzes ist die Annahme, dass
die Kapitalstruktur eines Unternehmens fix ist. Die Inflexibilität des Verfahrens
bezüglich der Kapitalstruktur ist vor allem bei der Ermittlung des Restwerts der
Unternehmung problematisch. Der Adjusted Present Value schafft der Problematik Abhilfe indem zunächst ein Unternehmenswert ermittelt wird, der von einer
fiktiven Eigenfinanzierung des Unternehmens ausgeht, zu dem der Wert der unternehmenssteuerlichen Vorteile einer anteiligen Fremdfinanzierung addiert wird.
Der Vorteil des Discounted Cashflow-Verfahrens liegt in seiner großen Flexibilität
hinsichtlich der Planung der Unternehmensentwicklung und der Ausrichtung auf
die erwirtschafteten Cashflows eines Unternehmens. Nachteil ist dagegen die hohe
Planungskomplexität sowie die mit der Planung einhergehende Unsicherheit.
Die Anwendung des Ertragswertverfahrens und des Discounted CashflowVerfahrens bedürfen nicht nur der Planung der zukünftigen Überschüsse/Cashflows, sondern auch der Ermittlung der Renditeerwartungen der Kapitalgeber. Die
Fremdkapitalrenditen sind üblicherweise vertraglich fixiert und müssen deshalb
nicht ermittelt werden. Die Renditeerwartung der Eigenkapitalgeber wird ausgehend von einem risikolosen Zins durch Addition von Risikoprämien, die dem
Eigenkapitalgeber für die Übernahme von Risiken entschädigen und die nicht im
Cashflow bzw. Überschuss des Unternehmens abgebildet sind, hergeleitet.
Die bisher aufgezeigten Verfahren betrachten nur das zu bewertende Unternehmen, vernachlässigen aber aktuelle Entwicklungen am M&A- und Finanzierungsmarkt und haben nur hinsichtlich der Renditeerwartungen einen Kapitalmarktbezug. Mitte der 1990er Jahre entstanden die sogenannten Vergleichsverfahren,
die den Unternehmenswert durch die Betrachtung eines Vergleichsunternehmens
herleiten. Ein Ansatz des Vergleichsverfahrens ist das Multiple-Verfahren, das
den Unternehmenswert anhand eines Multiplikators ermittelt. Der Multiplikator
gibt das Verhältnis einer Kennzahl, wie Umsatz oder EbIT, eines Unternehmens
zu seiner Marktkapitalisierung, dem Wert des Unternehmens mit dem es an der
Börse gehandelt wird, wieder. Zur Ermittlung des Unternehmenswertes wird
der ermittelte Multiplikator mit der entsprechenden Kennzahl des zu bewertenden Unternehmens multipliziert. Der Nachteil dieses Ansatzes besteht in der
Notwendigkeit des Auffindens eines Unternehmens, das dem zu bewertenden
Unternehmen entspricht. In der Praxis werden deshalb Branchen-Multiplikatoren
verwendet, die anhand mehrerer Unternehmen aus derselben Branche ermittelt
werden. Verschiedene Finanzzeitschriften veröffentlichen regelmäßig aktuelle
Multiplikatoren für die wichtigsten Branchen. Die Herleitung des Unternehmenswertes auf Basis realisierter Unternehmenstransaktionen ist ein weiterer Ansatz
der Vergleichsverfahren. Dabei werden zur Ermittlung des Unternehmenswertes
die erzielten Transaktionsvolumina bei Käufen und Verkäufen von Unternehmen,
die dem Bewertungsobjekt ähneln, herangezogen. In der Praxis kommen die Vergleichsverfahren aufgrund ihrer Einfachheit und Objektivität häufig zum Einsatz.
Weiterer Vorteil der Vergleichsverfahren ist ihr hoher Kapitalmarktbezug, da die
Wertermittlung auf Basis der aktuellen Transaktionsvolumina bzw. MarktkapitalUNTERNEHMENSBEWERTUNG
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sierungen der Vergleichsunternehmen erfolgt. Der Nachteil der Vergleichsverfahren
ist, dass diese individuelle Unternehmenspotentiale abstrahieren.
Die bisher vorgestellten Bewertungsverfahren führen oft zu einer Unterbewertung der Unternehmen, da die Flexibilität der Unternehmensführung,
wie die Aufgabe oder den Ausbau einer Produktlinie, vernachlässigt wird. Das
Realoptionswertverfahren berücksichtigt die Entscheidungsflexibilität der Unternehmensführung in Form von Optionen. Dabei stellt eine Option beispielswiese
die Möglichkeit zum Ausbau einer Produktionslinie dar. Zur Ermittlung des
Unternehmenswertes wird zunächst der Discounted Cashflow der jeweiligen
Option ermittelt. Anschließend werden die Optionen mit ihrer jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtet. Die Summe der gewichteten Optionen spiegelt den
Unternehmenswert wieder. Die Möglichkeit im Realoptionswertverfahren mehrere
Optionen, die wiederum aufeinander aufbauen oder voneinander abhängig sein
können, abzubilden, ermöglicht eine hohe Flexibilität und ein realitätsnahe Darstellung des Unternehmenswertes. Der Nachteil des Realoptionswertverfahrens
liegt in der Ermittlung der Optionswerte und in deren Gewichtung, da diese auf
subjektiven Annahmen beruhen.
Faktoren der Unternehmensbewertung
Einer der wichtigsten Faktoren des Unternehmenswertes stellt der Zeitpunkt der
Bewertung dar. Benötigt das Unternehmen schnell neues Kapital so muss es meist
aufgrund der schwächeren Verhandlungsposition eine nachteilige Unternehmensbewertung hinnehmen. Auch beim Verkauf eines Unternehmens ist der Zeitdruck
ein wichtiger Faktor für die Höhe des Unternehmenswerts. Muss der Verkauf des
Unternehmens zügig erfolgen, führt dies zu einer niedrigen Unternehmensbewertung, da wertsteigernde Maßnahmen nicht umgesetzt werden können und nicht
genügend Zeit vorhanden ist, um mehrere Interessenten zu identifizieren.
Das Management und das Personal im Allgemeinen können den Unternehmenswert ebenfalls stark beeinflussen. Neben der Qualifikation und der Erfahrung
des Managements ist vor allem entscheidend, ob diese dem Unternehmen auch
nach einem Verkauf zur Verfügung stehen.
Ein gut ausgeprägtes Rechnungswesen sowie flache Hierarchien und ein der
Unternehmensgröße angemessenes Reportingsystem können zu einer Wertsteigerung führen. Die Unternehmenskultur des Verkäufers kann den Unternehmenswert
ebenfalls positiv beeinflussen, sofern diese identisch mit der des Käufers ist. Die
Abhängigkeit von wenigen Kunden sowie lange Entscheidungswege können zu
einem niedrigen Unternehmenswert führen. Im Allgemeinen lässt sich feststellen,
dass ein hoher Unternehmenswert dann erzielbar ist, wenn sich Verkäufer- und
Käuferstruktur ähneln, da dem Erwerber aufwendige Strukturierungsmaßnahmen
erspart bleiben. Aber auch das allgemeine Finanzierungsumfeld beeinflusst den
erzielbaren Wert eines Unternehmens erheblich. Ist das Finanzierungsverhalten
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der Investoren regressiv, wie nach dem Scheitern der New Economy oder während
der ­Subprime-Krise, müssen meist erhebliche Abschläge bei der Unternehmensbewertung hingenommen werden. Steht dem Kapitalmarkt hingegen genügend
Kapital zur Verfügung, so kann dies zu einer höheren Unternehmensbewertung
führen, weil dann die Risikoabschläge tendenziell sinken.
Die bisher aufgezeigten Faktoren gehören zu den sogenannten weichen Faktoren,
da diese nur schwierig zu quantifizieren sind und deshalb über Auf- und Abschläge
vom Unternehmenswert bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden.
Zu den harten Faktoren einer Unternehmensbewertung gehören die Unternehmenssubstanz, die Finanzzahlen der Vergangenheit, die Wettbewerbssituation,
die Marktaussichten sowie die Finanzplanung für die kommenden Jahre. Die
harten Faktoren werden bei der Ermittlung der Überschüsse/Cashflows oder
bei der Ermittlung der Unternehmenssubstanz direkt im Bewertungsverfahren
berücksichtigt.
Ablauf einer Unternehmensbewertung
Der Ablauf einer Unternehmensbewertung teilt sich in fünf Phasen auf. In der ersten Phase wird analysiert, welche Ziele mit der Unternehmensbewertung verfolgt
werden. Ziele der Bewertung können beispielsweise der Verkauf oder der Kauf
eines Unternehmens oder eine Kapitalerhöhung sein. Des Weiteren wird in der
ersten Phase das Bewertungsverfahren festgelegt. Dazu wird überprüft, welches
Verfahren für das Ziel der Unternehmensbewertung und für das Bewertungsobjekt
am geeignetsten ist.
In der zweiten Phase erfolgt die Analyse des Marktumfelds sowie des Wettbewerbs. Außerdem wird eine Chancen-Risiken-Analyse durchgeführt. Die Analyse
der Unternehmensvergangenheit sowie der Werttreiber der Unternehmung erfolgt in
der dritten Phase. Auf Basis der Informationen, die in der zweiten und dritten Phase
ermittelt wurden, wird die zukünftige Unternehmensentwicklung prognostiziert.
In der letzten Phase wird durch Anwendung des vorab festgelegten Bewertungsverfahrens der Unternehmenswert ermittelt. Zur Plausibilisierung des ermittelten
Unternehmenswertes kann ein weiteres Verfahren eingesetzt werden.
Herausforderung der Unternehmensbewertung
Die Datengrundlagen und Annahmen, die jeder Unternehmensbewertung zugrunde liegen, stellen hinsichtlich deren Ermittlung und Verwendung eine große
Herausforderung dar. Bei den Substanzwertverfahren besteht die Herausforderung
darin, alle betriebsrelevanten Vermögensgegenstände mit den jeweiligen Wiederbeschaffungswerten zu bewerten. Bei selbstgeschaffenen Vermögensgegenständen
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oder vom Unternehmen individuell angepassten Vermögensgegenständen kann
die Wertermittlung zu erheblichen Schwierigkeiten führen.
Die Ermittlung der zukünftigen Überschüsse und Cashflows beim Ertragswertverfahren bzw. Discounted Cashflow-Verfahren beruhen auf zahlreichen
Annahmen, deren Eintritt mit Risiken verbunden ist. Eine genaue Prüfung dieser
Annahmen sowie die Anwendung einer Sensitivitätsanalyse hinsichtlich der getroffenen Annahmen und deren Wirkung auf den Unternehmenswert sollte bei jeder
Unternehmensbewertung zur Stützung der Ergebnisse angewandt werden.
Die verschiedenen Unternehmensbewertungsverfahren haben Vor- und Nachteile. Die genaue Analyse der Vor- und Nachteile hinsichtlich des Bewertungszwecks
und -objekts ist für eine aussagekräftige Bewertung unabdingbar.
Unternehmensbewertung in der Biotechnologie-Branche
Unternehmen der Biotechnologie-Branche erzielen Erträge auf Basis ihres Knowhows, das sich in Patenten und Lizenzen, die zu Herstellungs- oder Anschaffungskosten bilanziert werden, widerspiegelt. Die Patente und Lizenzen haben meist einen
erheblich höheren Wert für das Unternehmen, als der bilanzierte Wert wiedergibt.
Zur Ermittlung des Wertes der Patente und Lizenzen wird das Ertragswert- oder
das Discounted Cashflow-Verfahren eingesetzt. Die Bewertung der übrigen Vermögensgegenstände mit Hilfe des Substanzwertverfahrens ist meist unzweckmäßig,
da diese ohne die Patente und Lizenzen kein Wertschöpfungspotential für das
Unternehmen haben, weshalb das Unternehmen im allgemeinen mit dem Ertragswert- oder dem Discounted Cashflow-Verfahren bewertet werden sollte.
Unternehmen der roten Biotechnologie entwickeln indikationsspezifische Wirkstoffe. Im frühen Entwicklungsstadium eines Wirkstoffes lässt sich die Zielindikation
nur grob abschätzen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen Wirkstoff in
mehreren Indikationen einzusetzen. Tendenziell sind die Vermögensgegenstände
eines Unternehmens aus der roten Biotechnologie, abgesehen von Patenten und
Lizenzen, sehr gering. Zur Ermittlung des Unternehmenswertes wird meist das
Realoptionswertverfahren eingesetzt, da sich in diesem die Entscheidungsmöglichkeiten des Managements hinsichtlich der Weiterentwicklung von Wirkstoffkandidaten und Zielindikationen sowie die auftretenden Entwicklungsrisiken
abbilden lassen.
Die Finanzierung der Entwicklungsprogramme junger Unternehmen aus der
Biotechnologie-Branche erfolgt meist in mehreren Finanzierungsrunden. Zur
Aufrechterhaltung der Attraktivität des Unternehmens für Investoren sollte das
Management den Unternehmenswert regelmäßig hinsichtlich seiner Entwicklung
und den zugrundeliegenden Faktoren überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen
einleiten, die zu einer Steigerung des Unternehmenswertes beitragen.
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Fazit
Die Unternehmensbewertung ist für die Unternehmensentwicklung hinsichtlich
Differenzierungs- und Finanzierungsstrategien von zentraler Bedeutung. So
unterstützt die Unternehmensbewertung das Management bei der Identifikation
von Wertreibern und Wachstumspotentialen. Gegenüber Investoren bietet die
Unternehmensbewertung Argumente zur Beschreibung der Wertsteigerung und
zur Renditeentwicklung des Unternehmens.
Unter Zuhilfenahme von Sensitivitätsanalysen können die Faktoren, die den
Unternehmenswert beeinflussen, priorisiert werden. Das Management kann somit die Unternehmensbewertung zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung
einsetzen, indem es die wertmindernden Faktoren identifiziert und managt. Externe Faktoren, wie die Entwicklung des Finanzierungsumfeldes, sollten bei der
Ermittlung des Unternehmenswertes immer berücksichtigt werden.
Eine umfangreiche und sorgfältig zusammengetragene Datengrundlage, eine
plausible und gewissenhafte Planung sowie der Einbezug von externem Know-how
im Rahmen der Unternehmensbewertung sind zur Ermittlung eines aussagekräftigen und verwendbaren Unternehmenswertes nur zu empfehlen.
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