Methoden der Unternehmensbewertung

Methoden der Unternehmensbewertung
Im Rahmen einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IFM), Bonn1 wurden unter
anderem auch die häufigsten Gründe für das Scheitern einer Nachfolgeregelung erhoben.
Die abweichenden Kaufpreisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer gelten dabei als
ein ganz entscheidender Gesichtspunkt, zumal die Forderungen des bisherigen Unternehmers vielfach weit über dem später tatsächlich realisierten Kaufpreis liegen. Hintergrund dafür ist nicht selten die Wahl einer ungeeigneten Bewertungsmethode. Wir möchten daher
nachfolgend in groben Zügen unterschiedliche Möglichkeiten zur Ermittlung eines Unternehmenswertes skizzieren, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Bei diesem
Thema sollte man stets folgende Gesichtspunkte im Auge behalten:
•
Es gibt keinen objektiv richtigen Unternehmenswert!
•
Mit Hilfe der gewählten Methoden wird versucht, eine möglichst fundierte Grundlage für
die Kaufpreisverhandlungen zu erhalten. Der später tatsächlich erzielte Preis wird aber
letztlich auch bestimmt durch die Motive der beteiligten Personen, deren Nutzenerwartungen sowie die Machtverhältnisse der Verhandlungspartner.
•
Es ist fast immer notwendig, “objektive” Dritte, z. B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder
Vertreter der Handwerkskammer/Industrie- und Handelskammer beratend hinzuzuziehen.
Welche Bewertungsverfahren lassen sich unterscheiden?
Bewertungsverfahren (Auswahl)
Marktwertorientierte ...
Substanzwertorientierte ...
Multiplikatorverfahren
Multiplikatorverfahren
Traditioneller
TraditionellerSubstanzwert
Marktwertermittlung
anhand
anhandvergleichbarer
Unternehmen
Liquidationswertverfahren
Liquidationswertverfahren
Ertragswertorientierte...
Ertragswertverfahren
Ertragswertverfahren
Abb.1: Systematik von Bewertungsverfahren
1
„Neue Entwicklungen auf dem Markt für die Übertragung mittelständischer Unternehmen“ von Evelyn Schröer
und Werner Freund, IFM-Materialien Nr. 136 (1999).
1. Marktwertorientierte Bewertungsverfahren
Marktwertorientierte Bewertungsverfahren werden häufig auch als „Praktikerverfahren“ bezeichnet, und zwar weil sie relativ leicht handhabbar sind. Man unterscheidet im Allgemeinen
zwischen dem „Multiplikatorverfahren“ und der „Marktwertermittlung anhand vergleichbarer
Unternehmen“. Da letzteres z. Zt. nur auf die US-amerikanischen Verhältnisse sinnvoll anwendbar ist, soll hier lediglich das Multiplikatorverfahren näher beleuchtet werden.
Beim Multiplikatorverfahren wird eine bestimmte Größe mit einem Faktor multipliziert. Die in
diesem Zusammenhang mittlerweile gebräuchlichste Größe ist der bereinigte Durchschnittsgewinn (vor Steuern und Zinsaufwand) der letzten drei bis fünf Jahre, wobei die letzten Jahre
vor der Bewertung ein größeres Gewicht erhalten. Die Höhe des erwähnten Faktors ist abhängig vom Zinsniveau am Kapitalmarkt und dem unternehmerischen Risiko, das je nach
Branche variiert. Beispiel: Würde man ein Bauunternehmen in Boom-Zeiten z. B. mit dem 8fachen bereinigten Durchschnittsgewinn bewerten, sinkt der Faktor in einer Bau-Rezession
vielleicht auf die Größe 5. Bei einem angenommenen Gewinn von EUR 100.000,-- und einem Faktor 8 würde sich ein Unternehmenswert von EUR 800.000,-- errechnen. Das entspricht einer Rendite auf das eingesetzte Kapital von 12,50% p.a. vor Steuern. Nimmt man in
diesem Beispiel einen Kapitalmarktzins von 6% p.a. an, so beliefe sich der im Renditeprozentsatz enthaltene Risikozuschlag auf 6,50% p.a.
Obwohl dieser Methode aufgrund relativ leichter Handhabbarkeit ein gewisser Charme nicht
abgesprochen werden kann, ist sie für eine endgültige Entscheidungsfindung eher ungeeignet, und zwar insbesondere aus folgenden drei Gründen:
•
Zu starke Vereinfachung.
•
Gewinne der Vergangenheit werden ungeprüft auf die Zukunft fortgeschrieben.
•
Gewinngestaltungsmöglichkeiten im Rahmen bilanzpolitischer Maßnahmen mit dem Ziel,
zuletzt erzielte Gewinne aufgrund der stärkeren Gewichtung möglichst hoch auszuweisen.
Marktwertorientierte Bewertungsverfahren sollten daher nur für eine erste grobe Schätzung
des Unternehmenswertes herangezogen werden.
2. Substanzwertorientierte Bewertungsverfahren
a) Traditioneller Substanzwert
Unter dem traditionellen Substanzwert versteht man den Betrag, der erforderlich ist, um das
Unternehmen auf der „grünen Wiese“ wieder zu errichten. Dem Alter bestehender (betriebsnotwendiger und einzeln bewertbarer) Vermögensgegenstände wird durch Abschreibungen
auf die Anschaffungskosten Rechnung getragen. Von dem so ermittelten Wert werden die
betriebsnotwendigen Schulden abgezogen.
Durch die Bewertung des Unternehmens unter Substanzwertgesichtspunkten lässt sich das
Prognoseproblem umgehen. Dies erleichtert zwar den Bewertungsvorgang als solchen, führt
aber zu einem verfälschten Ergebnis. Warum? Zum einen hängt der Wert eines Unternehmens nicht von den Erfolgen der Vergangenheit, sondern von den Perspektiven für die Zukunft ab. So können hohe Immobilienwerte im bilanzierten Grundvermögen durchaus einhergehen mit betrieblichen Verlusten in den kommenden Jahren. Zum anderen bleiben Aspekte
wie Qualität des Personals, Stand der Technologie, Kundenstamm, Management, Marketing
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etc. unberücksichtigt. Erst durch Einbeziehung dieser zusätzlichen Faktoren wird das Unternehmen als Ganzes erfasst.
b) Liquidationswertverfahren
Während man beim traditionellen Substanzwert immer von einem Fortbestand des Unternehmens ausgeht, wird beim Liquidationsverfahren quasi die Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit unterstellt. Im Gegensatz zum Substanzwertverfahren werden die Vermögensgegenstände daher mit den (voraussichtlichen) Veräußerungspreisen bewertet. Der
nach Abzug von Verbindlichkeiten verbleibende Wert muss zudem noch durch die Kosten
der Liquidation (u.a. Sozialplanverpflichtungen oder Steuerzahlungen in Zusammenhang mit
der Auflösung stiller Reserven) gemindert werden. Letztlich ist der Liquidationswert Ausdruck
der absoluten Wertuntergrenze des zu bewertenden Unternehmens und hat eher in Sanierungsfällen Bedeutung.
3. Ertragswertorientierte Bewertungsverfahren - Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist das mittlerweile anerkannteste und gebräuchlichste Verfahren
zur Bewertung von Unternehmen. Es erfordert ganz besonders und in aller Regel die fachliche Begleitung von erfahrenen Steuerberatern / Wirtschaftsprüfern. Hier können die Grundzüge nur im Überblick dargestellt werden. Das Verfahren basiert auf folgender Fragestellung:
Welches Kapital soll heute eingesetzt werden, um aus den in den kommenden Jahren zu
erwirtschaftenden Ertragsüberschüssen dauerhaft eine angemessene Rendite (Kapitalmarktzins plus Zuschlag für das unternehmerische Risiko) zu erzielen? Der erwartete Überschuss des ersten, zweiten, dritten u.s.w. Jahres wird einzeln prognostiziert und mit dem
zugrunde gelegten Renditesatz auf den heutigen Bewertungsstichtag abgezinst (Barwertermittlung). Üblicherweise werden die geplanten Ertragsüberschüsse (sog. Free Cash Flows)
nach folgendem vereinfachten Konzept ermittelt:
Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern
Unternehmenssteuern
Aufwendungen/Erträge aus Anlageabgängen
Abschreibungen/Zuschreibungen
Veränderungen langfristiger Rückstellungen
Veränderungen des Umlaufvermögens (ohne
liquide Mittel und kurzfristige Bankverbindlichkeiten)
__________________________________________________
+/+/+/+/-
=
Ertragsüberschuss des Unternehmens
Abb.2: Schema zur Ermittlung der potenziellen Free Cash Flows
In die Prognose der künftigen Überschüsse fließen alle individuellen Gesichtspunkte ein, die
die Zukunft des Unternehmens beeinflussen. Das sind z. B. Branchenentwicklungen, Produktinnovationen, die sich in den kommenden Jahren in höheren Umsätzen niederschlagen
sollen, nachzuholende Maschineninvestitionen, Auswirkungen eingeleiteter Rationalisierungsmaßnahmen und vieles mehr.
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Der Verkäufer hat bei diesen Prognosen natürlich aufgrund seiner internen Unternehmenskenntnisse einen Informationsvorsprung gegenüber dem Käufer.
Der Erfolg kleinerer und mittlerer Unternehmen wird vielfach ganz maßgeblich durch die Unternehmerpersönlichkeit geprägt. Dies wiederum schlägt sich in den Erfolgsdaten nieder.
Ausschlaggebend dabei sind die unternehmerischen Fähigkeiten, wie z. B. gute Fach- und
Branchenkenntnisse, kaufmännische Kenntnisse, Kreativität und verantwortlicher Umgang
mit Risiken. Gleichzeitig muss der Bewerter eines Unternehmens herausfinden, welche Anteile ausschließlich auf die Person des Altunternehmers zurückzuführen sind und inwieweit
der Käufer diese „Lücke“ zu schließen vermag. Betrüge dieser Einfluss des „Altunternehmers“ im Extremfall 100 %, wäre das Unternehmen nicht überlebensfähig.
Schlussbetrachtung
„Da werden große Unternehmen im Handumdrehen gekauft und verkauft, als handelte es
sich um Gebrauchtwagen.“ So beschrieb einmal Altbundeskanzler Helmut Schmidt die Entwicklungen in der Wirtschaft. Gebrauchtwagen werden in der Regel vor dem Kauf sehr sorgfältig geprüft. Bei Unternehmenstransaktionen ist dies häufig nicht der Fall. Eine sinnvolle
Bewertung stellt – wie die Ertragswertmethode – auf die (voraussichtliche) zukünftige unternehmerische Entwicklung ab. Dies wiederum setzt eine Unternehmensplanung voraus. Ein
Unternehmen, das es gewohnt ist, regelmäßig Planzahlen zu erstellen, ist auch für eine Unternehmensbewertung bestens gerüstet und wird das Bewertungsergebnis mit großer Überzeugungskraft vertreten können.
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