Große Kreisstadt Backnang

Große Kreisstadt Backnang
CIB – Christliche Initiative Backnang –
Anmerkungen zum Haushaltsplanentwurf 2016
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Investoren in das Unternehmen
Stadt Backnang, sehr geehrte Angehörige der Stadtverwaltung einschließlich
des Herrn Oberbürgermeister und wen es sonst noch interessieren könnte,
für 2016 haben die Kirchen das Jahr der Dankbarkeit ausgerufen, und damit
können wir gleich mal anfangen bei diesem Haushaltsplan. Wir danken denen, die
ihn so ordentlich aufgestellt haben, wir danken denen, die die Steuern und Gebühren, die ein so umfangreiches Werk möglich machen, bezahlen werden, wir
danken denen, die aus diesen mit allen Nebenhaushalten weit über 100 Millionen
Euro etwas Gutes aus Stein oder noch besser aus Fleisch und Blut machen. Und
wenn wir wollen, können wir auch Gott danken zum Beispiel dafür, dass er uns bis
hierher Leben, Frieden und geordnete öffentliche Verhältnisse erhalten hat.
Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Dieses Wort aus dem 1. Thessalonicherbrief war die Herrnhuter
Losung für letzten Samstag, als dieses Papier (vorzeigen) hauptsächlich entstanden ist.
Bevor ich zu unseren beiden Hauptthemen Kinder und Flüchtlinge komme, noch
drei Bemerkungen zu den bekannten Entwicklungsstadien städtischer Projekte,
kurze Wiederholung der Stadien, weil diese nach meiner Erfahrung in den drei
Jahren seit ihrer Entdeckung nichts an Aktualität eingebüßt haben::
Stadium 1: Antrag. Es geschieht nichts.
Stadium 2: Neuer Antrag. Antwort: Das Problem ist nicht vorhanden.
Stadium 3: Neuer Antrag. Antwort: Es ist unmöglich oder verboten oder beides,
in dieser Sache etwas zu unternehmen.
Stadium 4: Neuer Antrag. Antwort: Es ist zu teuer. Dabei werden Kosten berechnet, die das 2- bis 10fache der Kosten des Stadiums 6 sind.
Stadium 5: Ruhe. Wehe, in diesem Stadium unternimmt jemand etwas, dann wird
automatisch Stadium 2 oder 3 erreicht.
Stadium 6: Die Verwaltung bringt einen innovativen, kurzfristig verwirklich- und
finanzierbaren Vorschlag, der in etwa dem Antrag von Stadium 1 entspricht und
dann beschlossen wird.
Bemerkung 1: wie schön, dass die Karl-Euerle-Halle vorbehaltlich des Zuschusses
aus Berlin von Stadium 5 in Stadium 6 gekommen ist. Danke.
Bemerkung 2: In manchen Dingen ist ein neues Stadium 3a hinzugekommen, zum
Beispiel beim Kreisverkehr am Hochhaus: Nachdem längst allen Beteiligten klar
war, dass ein provisorischer preiswerter Kreisel nur mit einem ovalen Kreis geht,
lässt die Verwaltung extra einen Vorschlag mit einem runden Kreis ausarbeiten,
der tatsächlich nicht geht, um zu beweisen, dass das ganze Projekt nicht geht.
Stadium 3a lautet also: Wir erzeugen extra Beweise, dass es nicht geht.
Bemerkung 3: Ein glaubwürdiges Parkleitsystem befindet sich in Stadium 3: Es
geht nicht. Kann das im Zeitalter moderner Elektronik wirklich sein? Ein flüssigerer Verkehr an der Adenauer-Kreuzung befindet sich im Stadium 4: Zu teuer.
Könnten wir es nicht einmal mit den vorliegenden Vorschlägen, die fast nichts
kosten, versuchen?
Zum Thema Stadien des Fortschritts ist mir noch etwas Weiteres eingefallen:
Wie wär’s, wenn wir es bei ausgewählten Projekten einmal mit einer anderen Rollenverteilung zwischen Verwaltung und Gemeinderat probieren? Bisher ist es so:
Wir Gemeinderäte haben Ideen und der Oberbürgermeister und die, denen er
weisungsbefugt ist, bremsen. Jetzt gibt es ja aber auch in der Stadtverwaltung
sehr gescheite und kreative Köpfinnen und Köpfe, denen bei manchen Sachen ,
mit denen sie jeden Tag zu tun haben durchaus etwas mehr zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger einfallen könnte als uns Gemeinderäten im Durchschnittsalter von 58,1 Jahren. Wenn wir das wüssten, könnten wir uns ja mal andersherum
darum kümmern, ob und wie man das verwirklichen könnte und wo das Geld herkommt. Nur müssten dazu die städtischen Angestellten auch direkt mit uns über
dienstliche Angelegenheiten sprechen dürfen, was ja zurzeit verboten ist.
Jetzt schnurstracks zu den Kindern. Warum schon wieder? Ich hatte ja versprochen, erst wieder zu kommen, wenn es wesentliche Änderungen bei den
Grundlagen der Kleinkindbetreuung gibt. Und die gibt es leider: Das Bundesbetreuungsgeld ist aus rein formalen Gründen der Zuständigkeit vom Verfassungsgericht abgeschafft worden. Und da hat mir unser Herr Landtagspräsident
Wilfried Klenk eine Riesenfreude und Arbeitserleichterung gebracht: Ich
brauchte seine Worte nur vor zwei Wochen aus der Backnanger Zeitung auszuschneiden (vorzeigen) und kann ihn jetzt zitieren:
Das Elterngeld, das nach der Geburt eines Kindes den notwendigen Schonraum
für einen guten Start in das gemeinsame Leben mit dem neuen Familienmitglied
gab, wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gekippt. Die
jetzt frei gewordenen Finanzmittel fließen in die Länder.
Im Jahr 2016 können damit 339 Millionen Euro, 2017 774 Millionen Euro und
2018 noch einmal 870 Millionen Euro zusätzlich an Bundesmitteln für Kinderbetreuung bereitgestellt werden. Dabei ist nicht vorgegeben, Dass die Mittel für
staatlich geförderte Kinderbetreuungseinrichtungen verwendet werden müssen.
Bundesweit hatten vom Betreuungsgeld des Bundes mehr als 100.000 Familien
profitiert. Auch in Baden-Württemberg war aktuellen Statistiken zufolge der
Bezug des Betreuungsgeldes hoch.
Aktuell nehmen weitaus mehr Eltern mit Kindern das Betreuungsgeld in Anspruch
als ihre Kinder in der Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Besonders hoch ist
der Anteil in ländlichen Gebieten. Im heimischen Rems-Murr-Kreis liegt der Anteil der Betreuungsgeldempfänger mit 61,3 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt von 56,1 Prozent. Diese Zahlen sind für mich Ausdruck der Kinder- und
Familienfreundlichkeit des Betreuungsgeldes. Zitat Ende.
Hoffentlich gelten diese Aussagen auch noch, falls sich im März etwas ändert in
Stuttgart. Aber sogar wenn nicht oder wenn es noch länger dauert, könnten wir
schon jetzt etwas für die Kleinkinder, deren Eltern kein Betreuungsgeld mehr
bekommen, tun. Denn erstens hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass Kinderbetreuung die Sache von Ländern und Kommunen ist und damit könnten wir
jederzeit etwas von den übriggebliebenen Millionen beantragen, und zweitens
haben wir ja selbst jedes Jahr einiges übrig, weil die Eltern sich anders entscheiden, als die Hochrechnungen erwarten lassen. So waren im Jahr 2013
6.232.000 Euro im Verwaltungshaushalt für Kindertagesstätten angesetzt und
4.694.000 wurden verbraucht, 2014 waren es 6.770.00, von denen 6.158.000
ausgegeben wurden, 2015 sind es 7.885.000, von denen voraussichtlich etwa eine
Million übrigbleibt und im vorliegenden Haushalt sind durch den um über eine
Million gestiegenen Landeszuschuss 7.519.000 angesetzt. Sie sehen, in jedem
Jahr ist genug übriggeblieben, dass wir leicht auch für die große Mehrheit der
Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen wollen etwas tun können hätten, wenn wir
nur gewollt hätten.
Im Juli eines jeden Jahres ist die Belegung der Kindertagesstätten immer am
höchsten und in diesem Jahr wurden im Juli 173 von 1027 Backnangern von unter
3 Jahren institutionell betreut, das sind 16,8%. Für diese Kinder geben wir Millionen aus und für die übrigen 83,2% der Kinder nichts. Ist das gerecht?
Ich könnte mir sogar vorstellen, dass diese 16,8% noch etwas weniger wären,
wenn nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse manche Frauen zur Berufstätigkeit
zwingen würden. Ist das so gewollt? Ist das Wahlfreiheit?
Wir alle freuen uns und sind dankbar, dass im letzten Jahr mehr Backnanger geboren wurden als 2013. Die Institutionsbefürworter führen das auf das verbesserte Tagesstättenangebot zurück. Aber könnte es nicht auch sein, das es am
Bundesbetreuungsgeld gelegen hat? Der Entschluss zum Kind hat bis zur Verwirklichung ja immer etwas Verzögerung, 9 Monate mindestens plus die Zeit, die
es manchmal braucht, bis es klappt. Wenn das Betreuungsgeld manchen den Entschluss zum Kind erleichtert hat, wird jetzt voraussichtlich mit ebensolcher
Verzögerung die Kinderzahl wieder runtergehen. Ich könnte mir sogar vorstellen,
dass sich manche Paare ganz schön hereingelegt fühlen, wenn die Frau zu einer
Zeit schwanger wurde, als es noch Betreuungsgeld gab und der Geburtstag dann
nach dem Stichtag war.
Dann möchte ich einfach auch noch einmal auf das hohe Risiko hinweisen, das wir
eingehen, wenn wir der Berufstätigkeit der Frauen Priorität einräumen gegenüber der Bindung an ihr Kind in den ersten drei Jahren. Ich hatte Ihnen ja im
laufenden Jahr wieder einige Studien aus dem In- und Ausland vorgestellt, die
das belegen. Natürlich gibt es Leute, die 96 Jahre alt werden und dabei 60 Zigaretten am Tag rauchen. Das wird aber kaum jemanden von uns dazu bewegen,
Rauchen als Maßnahme zum Altwerden zu empfehlen.
Ja, und dann die Flüchtlinge. Schreckliche Welt und böse Menschen, dass das so
ein Thema werden musste. Letztes Jahr noch 5 Zeilen, heute mehr als eine ganze Seite. Zuerst gibt es auch hier viel Grund zur Dankbarkeit. Niemand hier im
Saal muss fliehen und die allermeisten wollen es nicht einmal. Unsere Backnanger
Flüchtlinge benehmen sich für ihre Lage erstaunlich gut und wir haben es bis
hierher geschafft, dass alles einigermaßen friedlich zugegangen ist. Und es ist
geradezu überwältigend, wie viele Backnanger sich hier einsetzen und mit welchem Engagement sie das tun. Und wir, die Stadt, haben sogar mit Landesmitteln
die Stelle einer Flüchtlingsbeauftragten geschaffen, die diesen Ehrenamtlichen
zur Seite stehen und sie vor Schaden bewahren soll.
Erstaunlich bei diesem Thema ist, dass sobald jemand den Mund aufmacht, immer gleich auf die große Politik verwiesen wird, als ob wir selbst an der örtlichen
Front gar nichts tun könnten. In anderen Bereichen ist das völlig anders. Da wird
ständig darauf hingewiesen, dass wir bei unserem kommunalen Leisten bleiben
sollen und uns auf die Sachen konzentrieren, auf die wir auch Einfluss haben,
Ausflüge in höhere Ebenen der Politik seien Wahlkampf. Jetzt ist es ja tatsächlich so, dass die meisten von uns hier im Saal in Stuttgart, Berlin oder Brüssel
nicht viel zu sagen haben, wir könnten höchstens die Leute, die diese total
schwierigen Entscheidungen vor sich haben, moralisch unterstützen und bei Bedarf für sie beten. Und dann voller Tatkraft unsere örtlichen Möglichkeiten nutzen. Was können wir denn von der Stadt aus machen, um die Flüchtlingskrise zu
bewältigen?
Als erstes könnten wir etwas nicht tun, nämlich durch städtische Maßnahmen
Projekte zur Unterbringung von Flüchtlingen unnötig zu verzögern, zu verteuern
oder in ihrer Qualität zu verschlechtern.
Dann könnten wir zumindest auf diesem Gebiet das Kriegsbeil mit dem Landkreis,
der ja für die Unterbringung zuständig ist, begraben und ihn nach Kräften bei
der Erfüllung seiner hochkomplizierten Aufgabe unterstützen. Wenn wir das täten, könnten wir sicher auch in absehbarer Zeit die Halle wieder frei bekommen
und damit die Akzeptanz der Flüchtlinge bei den Leuten verbessern. Konkret
könnten wir auch in den Unterkünften, in denen wir irgendetwas zu sagen haben,
das WLAN zumindest nicht verhindern. Das würde den Leuten sehr das Leben
erleichtern.
Weiter könnten wir dafür sorgen, dass der oder die neue Flüchtlingsbeauftragte
schnell ihren Dienst aufnehmen kann und ihm oder ihr alle nötigen Ressourcen
und Verbindungen zur Verfügung stellen, damit bei seiner oder ihrer Arbeit etwas Effektives herauskommt.
Einen Leserbrief bei der Zeitung abgeben könnte man auch mal, wenn es dort in
der Leserbriefspalte allzu schlimm wird.
Und dann könnten wir den Leuten, die vor den Flüchtlingen Angst haben oder sie
aus anderen Gründen ablehnen, Gelegenheit verschaffen, einmal einen von ihnen
etwas kennenzulernen. Vielleicht entstehen durch den direkten Kontakt andere
Gefühle, Gedanken und Taten. Und ganz neue Erfahrungen, dass Teilen manchmal
mehr Freude machen kann als haben. Das bezieht sich nicht nur auf Geld und
Gut, sondern auch auf Energie, Zeit usw.
Schließlich aber, und das scheint mir das Wichtigste zu sein, könnten wir mit der
gesamten Autorität der Stadt und besonders der obersten Verwaltungsspitze
die Leute ehren, die sich für die Flüchtlinge einsetzen. Sie sollen wissen, dass sie
hier keineswegs ihr Vaterland verraten oder ihrer deutschen Identität schaden,
sondern dass sie den zurzeit wahrscheinlich wichtigsten und effektivsten Dienst
tun, den sie für unsere Stadt und unsere Gesellschaft leisten können. Herzlichen
Dank für alles, was da schon Positives geschehen ist (zu EBM schauen).
Gott segne unsere Stadt Backnang mit all ihren Bürgern und sonstigen Einwohnern.
Ich danke Ihnen allen. Auf ein Jahr 2016 der Dankbarkeit.