Forschungsschwerpunkte – Professor Christoph Möllers Disziplinäre Verortung Meine Forschungen bewegen sich auf dem Gebiet des deutschen, europäischen und vergleichenden Verfassungsrechts, der Verfassungs- und Rechtstheorie sowie auch auf dem Feld der Theorie sozialer Normen. Forschungsschwerpunkte 1. Begriffe im öffentlichen Recht: Staatsbegriff und konstruktiver Verfassungsvergleich Der Staatsbegriff hat für das Selbstverständnis des öffentlichen Rechts seit dem 19. Jahrhundert eine zentrale, doch schwer zu rechtfertigende Bedeutung. Braucht eine demokratisch-rechtsstaatliche Verfassung einen Rechtsbegriff des Staates oder ist dieser nur ein monarchischer Rest, der dazu dient, politisch inspirierte Zirkelschlüsse als juristische Argumente zu tarnen? Die Beantwortung dieser Frage erfordert die komplexe Aufarbeitung eines schwer durchsichtigen argumentativen Netzes von Diskursgeschichte, Dogmatik und Rechtsprechung (Staat als Argument, München 20001, Tübingen 20102; Der vermisste Leviathan, Berlin 20102). Sie ist nicht nur für die Systematik des Verfassungsrechts von Bedeutung, sondern auch praktisch folgenreich: Wenn sich in der Flüchtlingskrise Bayern auf seine „Staatlichkeit“ beruft, um eigene Grenzkontrollen durchführen zu wollen, die Souveränität der Bundesrepublik gegen die EU juristisch ins Feld geführt wird oder aus dem staatlichen Gewaltmonopol Eingriffsmaßnahmen gegen Bürger gerechtfertigt werden, werden solche Argumente aktiviert. 2. Politischer Konstitutionalismus und Gewaltenteilung In Deutschland wird unter Verfassung heute – anders noch als in anderen Traditionen – oft nur eine besondere Form von Rechtsgesetz verstanden. Das ist nicht nur verkürzt, sondern führt auch dazu, dass für institutionelle Probleme jenseits des positiven Rechts keine juristische Theoriesprache zur Verfügung steht. Betrachtet man Verfassungen dagegen als Institutionen, die Politik verrechtlichen und Recht politisieren, lässt sich mehr für die Verfassungstheorie gewinnen. Dazu sind Theoriebausteine zu konstruieren, die die normative Demokratietheorie rezipieren und in den Kontext einer Verfassungsordnung einpassen. Solche habe ich mit Blick auf das Prinzip der Gewaltengliederung theoretisch entwickelt und vergleichend auf die deutsche, amerikanische, europäische Rechtsordnung und das Recht internationaler Organisationen angewendet (Gewaltengliederung, Tübingen 2005; Die drei Gewalten, Weilerswist 2008; The Three Branches, Oxford 2011). Ähnliche Methoden kamen in Untersuchungen zur Legitimation der verfassungsrechtlichen Kontrolle (Das entgrenzte Gericht, Berlin 2013, mit M. Jestaedt/O. Lepsius/C. Schönberger) und zur Frage der Verfassungsfähigkeit der Europäischen Union zur Anwendung (Möllers, in: Bogdandy/Bast (eds.), Principles of European Constitutional Law. London, 22010, 169–205). 3. Theorie sozialer Normen Was sind soziale Normen? Antworten auf diese Frage schwanken in der Regel zwischen einer Moralisierung des Normbegriffs (Normen sind rechtfertigende Gründe) und seiner Reduktion auf gesellschaftliche Effekte (Normen verwirklichen Präferenzen). Beide Wege führen nicht weiter, will man bestimmen, was rechtliche, religiöse und ästhetische Normen miteinander verbindet, und dazu einen empirisch handhabbaren Begriff sozialer Normen entwerfen. Dieser muss von Fragen der Rechtfertigung ebenso entlastet werden wie vom Kriterium der erfolgreichen Etablierung einer normativen Ordnung (Die Möglichkeit der Normen, Berlin 2015). Die Formulierung eines solchen selbstständigen Begriffs sozialer Normen er- Forschungsschwerpunkte – Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2016 Professor Christoph Möllers Februar 2016 DFG Seite 2 von 2 möglicht es, die Erwartungen an die Funktion sozialer Normen genauer zu bestimmen und auch die sozialwissenschaftliche Erforschung normativer Praktiken genauer zu kalibrieren. 4. Weitere Interessen – Sachbücher Weitere Schwerpunkte meiner Forschung liegen auf den Feldern der Internationalisierung des Verwaltungsrechts, der Methodenlehre und des Medienrechts. In Verfassungsrecht und Verfassungstheorie habe ich mich um eine breitere Vermittlung von Erkenntnissen auch für ein nicht fachlich geschultes Publikum bemüht (Demokratie – Zumutungen und Versprechen, Berlin 20123; Das Grundgesetz – Geschichte und Inhalt, München 2009). Perspektiven Zwei Themen sollen in den Vordergrund weiterer Forschung kommen: In einem konstruktiven Verfassungsvergleich sind nicht nur Unterschiede zwischen verschiedenen demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsordnungen aufzuarbeiten, sondern theoriegeleitet gemeinsame Begrifflichkeiten zu entwickeln. Theorien des Rechts operieren mit universellen Begrifflichkeiten, sind aber in der Sache zumeist von einer bestimmten Rechtsordnung abhängig. Das Programm einer vergleichenden Rechtstheorie soll solche Abhängigkeiten aufbereiten, analysieren und die Frage neu stellen, inwieweit es unter Bedingungen moderner Vielfalt möglich und ergiebig ist, weiter an einer Theorie „des Rechts“ zu arbeiten. Forschungsschwerpunkte – Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis2016 Professor Christoph Möllers Februar 2016 DFG
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