leseprobe

Hier
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und wir
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3 Köche. 3 Länder. 3 Rezepte.
PERFEKT,
SO WIE ES IST
F
ür den Anfang sieht das gar nicht
schlecht aus.“ Aus Nazans Mund ist
das ein großes Lob – sie ist streng,
wenn es um das richtige Füllen und
Aufrollen der Weinblätter geht. „Die
müssen fest gerollt werden, sonst fallen sie auseinander“, mahnt sie. Dipak
und Odile geben sich Mühe, aber gegen
Nazans Weinblatt-Einroll-Erfahrung aus
der Kindheit haben sie keine Chance. Immerhin lernen sie, die Füllung bloß nicht
auf die falsche Seite der Blätter zu legen! „Die Innen­seite ist rau, da klebt die
Mischung besser.“ Außerdem sieht die
glatte Außen­seite einfach schöner aus.
WIE WOLLEN WIR KOCHEN: INDISCH? TÜRKISCH? ODER FRANZÖSISCH? FÜR HIERLEBEN
KOMMEN DIESMAL ALLE DREI KÜCHENTRADITIONEN ALS KÖSTLICHES DREI-GÄNGE-MENÜ
AUF DEN TISCH – GEMEINSAM VORBEREITET, GEKOCHT UND MIT GENUSS VERSPEIST.
Nazan Sahan
Mit den gefüllten Weinblättern, die Nazan als Vorspeise
ausgewählt hat, verbindet die
44-Jährige ein heimeliges Gefühl. „Meine Mutter hat die Dolmas früher oft gemacht. Meine fünf Geschwister und ich
saßen dann mit am Tisch, und wir haben
alle beim Einrollen geholfen“, berichtet
die in Bonn geborene und seit vielen Jahren in Hamburg lebende Türkin. Heute
nimmt sie die Fleißarbeit nur noch selten
auf sich – und fand, dass dieses Rezept
gerade deshalb genau das Richtige für
die Hierleben-Kochrunde sei. Statt klassisch mit Hack werden die Dolmas diesmal mit einer würzigen, vegetarischen
Reismischung gefüllt.
Dalip Singh
Man sieht gleich, dass hier
ein Profi am Werk ist: Dipak,
so der Spitzname des Inders,
arbeitet als Koch im Theater Neue Flora
in Hamburg und sorgt zusammen mit
seinem Team für das leibliche Wohl der
200 Mitarbeiter. Viele Stationen in Europa und dementsprechend viele kulinarische Traditionen hat der 40-Jährige
schon kennengelernt, bevor er in der
Hansestadt heimisch wurde. Er ist für
den Hauptgang zuständig und hat sich
für Chicken Madras entschieden. Die
beiden Damen, Fotograf und Autorin
sind begeistert von Dipaks fantastischer Soße und den köstlichen indischen
­Aromen.
Odile Hain
„Eigentlich mache ich gar
nicht so oft Nachtische“,
sagt Odile, deren Mutter aus
Frankreich stammt. Aber ihre Cœurs au
chocolat sind in ihrem Freundeskreis
längst legendär – und am Ende des
Abends wissen auch Nazan und Dipak,
warum! Außerdem: „Das Rezept ist total
unkompliziert. Man kann zum Beispiel
einfach die Zutaten mitnehmen, wenn
man eingeladen ist, und im Nu das Dessert beisteuern.“ Eigentlich untypisch
für die manchmal etwas umständliche
französische Küche, findet Odile. Die
44-Jährige bevorzugt dann eher die
nicht so komplizierten Klassiker ihrer
Heimat wie zum Beispiel Coq au vin.
Schnell sind die drei Kandidaten der
Hierleben-Kochrunde am Fachsimpeln;
da geht es zum Beispiel um das Mörsern
von Kreuzkümmel – „der muss richtig
fein sein“ – oder um Gewürze wie Isot
oder Pulbiber, die Nazan aus der Türkei
mitbringt. Nebenbei wird gerollt und gerollt … „Dipak, dauert dein Gericht auch
so lange?“, fragt Odile vorsichtig. Dipak
lächelt erstmal nur. Er hilft Nazan noch,
den Topf mit den nicht ganz so schönen
Weinblättern auszulegen, dann schichten
sie die Dolmas hinein. Ab auf den Herd.
„Der Teller als Deckel obendrauf ist Tradition“, sagt Nazan.
Jetzt geht’s an den Hauptgang: Während
sich die Damen noch fragen, was Dipak
mit den Unmengen an Zwiebeln vorhat,
hat der Inder sie schon geschält, gewürfelt und mit reichlich Öl angeröstet. Es
duftet wunderbar, als nach und nach
Garam Masala, Ingwer, Curry, Kreuzkümmel, Chili, Paprika und Tomaten dazukommen. Dann wird gestaunt: Dipak
püriert die würzige Zwiebel­
mischung,
dazu kommt Kokosmilch – fertig ist
eine herrlich sämige und köstliche Soße.
Zeit für die Verkostung: Die Wein­­blätter
– optisch mal mehr, mal weniger gelungen – sind zusammen mit dem Jog­hurtFrischkäse-Dip ein super Auftakt. Vom
Chicken Madras nehmen alle noch einen
Nachschlag, man kann einfach nicht aufhören. Trotzdem passt noch ein Cœur au
chocolat hinterher, diesmal mit ein paar
„Statt Hähnchen kann man auch Gemüse nehmen, dann ist das ein veganes
Essen“, sagt Dipak, und die Runde sammelt Ideen: Zucchini, Wurzeln, Erbsen,
Brokkoli, Blumenkohl, vielleicht auch
Tofu …
Während der Basmatireis zum Chicken
Madras noch gart, legt Odile ihre Zutaten für den Nachtisch bereit: dunkle
Schokolade, Butter, Eier, Zucker, Mehl –
da zweifelt keiner mehr, dass hier etwas
ganz Verführerisches entstehen wird.
Die drei sind inzwischen ein routiniertes Team: Dipak trennt die Eier, Nazan
schmilzt die Schokolade, Odile kämpft
mit den Tücken der Küchenwaage …
„Sehr viel Butter, das ist das Geheimnis“,
sagt sie schmunzelnd. Nazans nicht ganz
ernstgemeinter Kommentar: „Bevor ich
wusste, was da alles an Kalorien drin ist,
gefiel mir das besser.“
frischen Himbeeren. Wieder sprudeln die
Vorschläge für Varianten: nächstes Mal
vielleicht mit Vanilleeis? Mit gehackten
Nüssen? Mit Zimt oder Minze? Aber
­eigentlich, so das Fazit, war es genau so
perfekt.