Brief an die Presse vom 17.12.2015

wp.net zum Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz.
Fortsetzung der 2000 beschlossenen Marktregulierung
Die erste Phase der WP-Regulierung blieb – wegen
der nicht von allen Betroffenen erkannten Überregulierungen – nicht wirkungslos. Die Zahl der gesetzlichen Abschlussprüfer ist seit dem Start um
mindestens 20% und die Zahl der Prüfer von gelisteten Unternehmen um fast 60% gesunken. Ein
Jahrzehnt nach dem PS 140 (fachliche Grundlage
der Qualitätskontrolle 2000) dämmerte es auch dem
IDW, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein
müsste: „Entscheidend ist, dass die Verhältnismäßigkeit auch bei der Aufsicht über den Berufstand,
vor allem bei den Qualitätskontrollen, berücksichtigt
werden muss“, schrieb am 12.04.2012 Dr. Feld vom
IDW-Vorstand an die WPK.
1. EU-Reformziele aus 2011
Weniger Wirkung zeigte die Regulierung anscheinend bei den Big4, denn die Prüfermängel im Vorfeld der Finanzkrise rief die EU auf den Plan. Die
EU-Kommission verfolgte ursprünglich mit der zweiten Regulierungsrunde ab 2011 folgende Ziele:

Qualitätssteigerung der Abschlussprüfung
durch die EU-weite Einführung der ISA. Bei den
Prüfern von großen gelisteten Unternehmen
werden in einer eigenen Verordnung zusätzliche Prüfungsregeln geschaffen, zusätzlich waren auch noch Gemeinschaftsprüfungen vorgesehen,

Stärkung der Unabhängigkeit der Prüfer durch
Trennung von Beratung und Prüfung sowie
durch Rotation,

Unabhängigkeit der Prüferaufsicht von den Abschlussprüfern sollte gestärkt werden,

Erhöhung des Prüferangebots, um das Risiko
aus der Big4-Beherrschung des Prüfermarktes
zu senken. Dazu Umsetzung des Small Business Acts aus 2008 („Vorfahrt für KMU“) mit einer Richtlinie für alle Abschlussprüfer und eine
Verordnung. Damit sollten die unterschiedlichen Regulierungsanforderungen sichergestellt
werden.
Der Bundestag hat am 03.12.2015 das Reformpaket verabschiedet. Trotz der Zusagen aus der Politik
setzte die Regierungskoalition die modifizierte Prüferrichtlinie 2014 - auch entgegen der Zusagen im
Koalitionsvertrag - nicht 1:1 um. Der Beirat der Wirtschaftsprüferkammer sowie wp.net haben sich von
Anfang an für die konsequente 1:1-Umsetzung der
EU-Reformen eingesetzt.
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2. Die zweite Stufe der WP-Reform 2015 versagt auf ganzer Linie
2.1. Deutsche Qualitätskontrolle mit Inländerdiskriminierung versehen
Der von Professor
Dr. Hansrudi Lenz
vorgetragene Hinweis, dass der
Peer Review EUkonform auch als
Review
ausgestaltet
werden
könnte,
wurde
nicht aufgegriffen.
Ganz im Gegenteil:
Bei der Qualitätskontrolle (Peer Review) hat sich
der deutsche Gesetzgeber nicht für die Vorgaben
nach Artikel 29 der Richtlinie ausgesprochen. Der
Bundestag verschärft - ohne Notwendigkeit - die bestehende deutsche Qualitätskontrolle, die bereits in
der Vergangenheit überreguliert war. Im Einzelnen:
a. Entgegen der Richtlinie schafft das Gesetz der
Wirtschaftsprüferkammer (WPK) die Möglichkeit,
dass QSS der WP-Praxis mit Elementen aus dem
QSS der Prüfer von sog. gelisteten Unternehmen
(PIE-Prüfer) zu ergänzen. Die WPK arbeitet bereits daran.
b. Entgegen der Richtlinie wird bei der WP-Praxis
nicht nur deren Qualitätssicherungssystem geprüft. Auch einzelne Aufträge werden nochmals
einer Jahresabschlussprüfung unterzogen. Dieses Kontrollmaß sieht die Verordnung nur für die
PIE-Prüfer vor (sog. Inspektionen).
c. Entgegen der Richtlinie wird die Teilnahmebescheinigung nicht abgeschafft, sondern durch ein
bürokratisches und weiterhin sanktioniertes Registrierungsverfahren ersetzt.
d. Entgegen der Richtlinie muss der Prüfer für Qualitätskontrolle (PfQK) ein registrierter Abschlussprüfer sein. Dies erstaunt, denn die Inspektoren
für die PIE-Prüfer dürfen gar keine Abschlussprüfer mehr sein.
e. Entgegen der Richtlinie und der bestehenden
Gesetzeslage wird künftig der PfQK von der
Kommission für QK (KfQK) überwacht. Die Teilnahme der KfQK an der QK wird ergänzt durch
die Pflicht zur Vorlage der Arbeitspapiere des
PfQK an die KfQK.
f. Entgegen der Richtlinie und der bestehenden
Gesetzeslage soll die KfQK die Berichte des
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Fortsetzung der 2000 beschlossenen Marktregulierung
PfQK auswerten dürfen. Dies hat die KfQK bereits in der Vergangenheit ohne Gesetzesgrundlage gemacht.
g. Entgegen der Richtlinie muss der PfQK einen
umfangreichen Controlling-Bericht bei der WPK
einreichen. Die Richtlinie fordert nur einen kurzen
Bericht zur Beseitigung der aufgedeckten Mängel.
h. Entgegen der Richtlinie fehlen im Gesetz konkrete Umsetzungen der Zielvorgabe für die Umsetzung des von der Richtlinie geforderten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
2.2. Zusammensetzung der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS ) und Kommission für Qualitätskontrolle erfolgt bislang nicht EU-konform
Die gesetzliche Übernahme der ehemaligen Big4Wirtschaftsprüfer als APAS-Inspektoren ohne Feststellung deren Unabhängigkeit verstößt gegen die
Unabhängigkeit von den Abschlussprüfern und damit auch gegen die Verordnung.
Die Mitglieder der Kommission für Qualitätskontrolle
in der WPK sind Abschlussprüfer oder Mitarbeiter
von Berufsgesellschaften. Da für die Leitung der
KfQK nichts anders gelten kann, wie für die APASLeitung, liegt ein Verstoß gegen die EU-Vorgaben
vor. Damit erfolgte die Bestellung durch den Beirat
nicht in einem transparenten Verfahren.
2.3. Fachaufsichtsfreie APAS verstößt gegen
das Grundgesetz
Der Verzicht auf eine Fachaufsicht über die APAS
und damit auf ein umfassendes politisches Weisungsrecht mit der Folge einer zugleich geminderten Steuerung durch die Ministerialverwaltung verstößt gegen das Demokratieprinzip nach Art. 20
GG. Die Verordnung verlangt nur die Unabhängigkeit der Aufsicht vom Berufsstand und Berufsgesellschaften. Die Fachaufsicht stellt deswegen die
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Letztverantwortung nicht in Frage. Auch die im Gesetzgebungsverfahren noch geschaffenen Beschlusskammern in der APAS dürfen das ministerielle Weisungsrecht nicht einschränken.
2.4.
Misslungene Sanktionierung großer
Berufsgesellschaften
Die Sanktionierung der Berufsgesellschaften koppelt die WPO an eine Berufspflichtverletzung einer
Leitungsperson. Große Gesellschaften können den
Sanktionierungsanlass unterlaufen wenn das Leitungspersonal sich auf überwachende Tätigkeiten
beschränkt. Wenn das Leitungspersonal keine Berufspflichtverletzungen begeht, bleibt auch die Berufsgesellschaft unbehelligt.
2.5. Schädlicher Eingriff in die Selbstverwaltung
Die Wirtschaftsprüferkammer wird durch den Vorstand vertreten. Ohne Sitz im Vorstand bleiben die
Stimmen der betroffenen Mitglieder der Beiratsliste
wirkungslos. Mit der Einführung der Verhältniswahl
2013 war auch die Spiegelbildlichkeit vorgesehen.
Die nach der Wahl 2014 nicht angewandte Satzungsvorgabe wird aktuell vom Verwaltungsgericht
überprüft. Statt die Spiegelbildlichkeit bei den Vorstandswahlen einzuführen, um damit die Einheitlichkeit des Berufsstandes zu gewährleisten, fördert
das Nachrücken in den Beirat die Spaltung des Berufsstands. Wegen der rechtlosen Stellung der nicht
im Vorstand vertretenen Beiratslisten,
kann der Vorstand zur Einhaltung von Beiratsbeschlüssen nicht gezwungen werden. Darin sehen wir einen Verstoß gegen
§ 57 Abs. 1 WPO: Die Wirtschaftsprüferkammer hat die Belange des gesamten
Berufsstands zu vertreten.
3.
Fatales Reformergebnis
Die ursprünglichen Reformziele der EUKommission sind in Deutschland weitgehend verfehlt worden. Vielmehr wohnt
dem APAReG die Eigenschaft inne, dass
sich viele Regulierungsmaßnahmen gegen den mittelständischen Berufsstand richten. Damit geht der mit der Phase 1 gestartete Exodus der
mittelständischen Abschlussprüfer weiter. Wir halten APAReG für mittelstandsfeindlich und damit für
kein solides Gesetz. Denn damit zementiert der Gesetzgeber die beherrschende Marktstellung der
Big4. Deswegen sagen nicht nur Vertreter der Big4:
Die Gewinner der WP-Reformen 2016 werden die
Big4-Gesellschaften sein.
Michael Gschrei, Geschäftsführender Vorstand
wp.net, München, Dez. 2015