Erzbischof Dr. Ludwig Schick „Das Geschenk der Schöpfung“ Wort an die Pfarrgemeinden des Erzbistums Bamberg zum Beginn der Fastenzeit 2016 Liebe Schwestern und Brüder! Die Fastenzeit lädt uns zu mehr Gebet und Besinnung ein, zum Verzicht auf überflüssiges Essen und Trinken, Kaufen und Verbrauchen sowie zu Werken der Nächstenliebe. Diese drei Säulen der österlichen Bußzeit sollen uns als Einzelne, aber auch als Menschheit ‚mehr Leben‘ geben. Sie können uns befreien von schlechten Abhängigkeiten, die Gemeinschaft mit Jesus Christus vertiefen und die Solidarität untereinander stärken. Diese drei Anliegen der Fastenzeit haben auch mit dem Gebetsanliegen von Papst Franziskus für den Februar 2016 zu tun. Es lautet: „Wir beten für das Geschenk der Schöpfung – um sie für die nächsten Generationen zu bewahren.“ Ich möchte Sie einladen, in den kommenden Tagen bis Ostern auch über die Schöpfung 2 nachzudenken und für ihre Erhaltung zu beten und zu wirken. Wie die Schöpfung bewahren? Die Schöpfung zu bewahren ist ein Anliegen von vielen Menschen. Es gibt verschiedene Auffassungen darüber, wie das verwirklicht werden kann. Einige sind der Meinung, dass die Schöpfung genügend Selbsterhaltungspotenziale habe und trotz aller menschlichen Eingriffe bestehen bleiben werde; wir bräuchten also nichts zu tun! Diese Auffassung ist nachweislich falsch. Andere sind überzeugt, dass allein die Politiker für die Umwelt verantwortlich seien: Sie müssten nur entsprechende Gesetze erlassen, damit der CO2-Ausstoß verringert und die Erderwärmung auf 1,5 Grad reduziert werde. Diese Forderung ist richtig; aber die Verantwortung für die Schöpfung allein der 3 Politik zu überlassen, genügt nicht. Wieder andere meinen, dass vor allem die Wissenschaft gefragt sei, die mit ihren Forschungen energiesparende und CO2-geminderte Flugzeuge, Autos, Heizwerke und anderes mehr erfinden könnte. Diese Meinung ist auch richtig und Forschungen im Umweltbereich sind unbedingt nötig. Aber all das wird nur greifen, wenn auch wir – das heißt alle Menschen – ihren Lebensstil ändern. Entschleunigung ist notwendig Zur Bewahrung der Schöpfung benötigen wir Entschleunigung, damit wir achtsamer leben. Wenn das Leben zu hektisch verläuft, erkennen wir nicht mehr, was richtig und falsch, gut und böse ist. Dann werden wir getrieben, tun und unterlassen, nehmen und verbrauchen, ohne dass wir noch merken, was die Zukunft sichert oder 4 sie zerstört. Die Fastenzeit kann uns helfen, zu entschleunigen. Nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken und für das Gebet! Unsere Welt ist geprägt von den Medien. Wir leben in einer digital-virtuellen Welt. Sie lässt uns die Nähe zur Natur verlieren und auch die Nähe zu den Mitmenschen. Um unsere Umwelt, die Natur und den Kosmos als wunderbare Schöpfung wahrzunehmen, braucht es den Umgang mit ihr. Ich möchte Sie deshalb zum „Medienfasten“ einladen. Nehmen Sie sich stattdessen Zeit zum Spazierengehen, zum bewussten Betrachten der Berge und Täler, der Flüsse und Seen. Das aufmerksame Wahrnehmen der Bäume, Pflanzen und Sträucher, die Beobachtung der Vögel und Tiere, des Wachsens und Gedeihens in der Natur schenken Achtsamkeit für die Schönheit und Vielfalt der Schöpfung. 5 Gutes menschliches Miteinander soll in der Fastenzeit neu eingeübt und gepflegt werden. Gespräche zu führen ist nicht einfach und wird durch die Allgegenwart der Medien immer noch schwieriger. Wir brauchen feste Zeiten – vereinbart und eingehalten – für das Gespräch in der Familie, mit dem Ehepartner und den Kindern, auch am Arbeitsplatz und in den Vereinen. Dabei darf es nicht nur um Sachthemen gehen, die abzuhandeln und zu beschließen sind. Die persönlichen Freuden und Hoffnungen, Ängste und Leiden sollen zur Sprache kommen. Dabei sollte kein Fernsehen stören und kein Handy unterbrechen dürfen. Wichtig ist auch Verbrauchsverhalten. unser Gebrauchs- und Wir gebrauchen und verbrauchen zu viel, gerade in unserer westlichen Welt. Das ist uns schon lange bewusst, aber der Verzicht auf unnötigen Konsum ist noch längst 6 nicht Wirklichkeit. Wie Jesus im heutigen Evangelium müssen wir dafür den Versuchungen nach „immer mehr“, „immer höher“ und „immer besser“ widerstehen. Es darf auch nicht sein, dass wir durch Ausbeutung anderer in fernen Ländern immer noch reicher werden. Jeder Einzelne ist für die weltweite Solidarität und das Gemeinwohl verantwortlich. Für die Umwelt ist es auch wichtig, dass wir uns von Produkten der eigenen Region und Heimat ernähren. Dadurch erhalten wir unsere Kulturlandschaft und tragen zugleich zum Erhalt der Landwirtschaft in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas bei. Ansonsten werden deren Böden für unseren Luxus ausgebeutet. Dann erzeugt unser Überfluss dort Mangel und Hunger. Wir verbrauchen auch zu viele Rohstoffe, vom Papier angefangen, über Öl und Gas bis zur 7 Kleidung, zu technischen Geräten und anderem mehr. Nicht, dass wir das nicht haben sollten – aber wir könnten sparsamer sein und viele Gebrauchsgegenstände länger benutzen. Die Wegwerfmentalität muss gestoppt werden. An ihrem Ende steht nämlich der Mensch. Papst Franziskus schreibt in seiner Umweltenzyklika „Laudato si“: Leben darf nicht weggeworfen werden. Vor allem kein menschliches Leben – es hat von seiner Zeugung angefangen bis zu seinem natürlichen Ende Würde und ist es wert, geliebt zu werden. Besinnen – Beten – Handeln Im Christentum haben wir viele schöne Texte, die uns anregen und verpflichten, das Geschenk der Schöpfung zu preisen und zu bewahren. Die heutige erste Lesung lädt uns zum Lob Gottes, des Schöpfers, und zum Dank für die Früchte der 8 Erde ein (vgl. Dtn 26,10). Die ganze Bibel enthält wunderschöne Lobpreisungen auf die Schöpfung, vor allem in den Psalmen. Diese vermitteln Freude an den Werken Gottes und rufen dazu auf, sie zu bewahren. Ebenso ist der Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi ein geeigneter Text zur Besinnung über die Güte des Schöpfers und den Wert der Geschöpfe. Auch das schon erwähnte Schreiben von Papst Franziskus „Laudato si“ ist eine anregende Lektüre, um sich mit der Bewahrung der Schöpfung geistig und geistlich zu befassen. Danken Sie während der Fastenzeit bewusst in jedem Gottesdienst für die Schöpfung und bitten Sie in Ihren täglichen Gebeten um ihren Erhalt. Dazu ist auch ein Gebet vor und nach jeder Mahlzeit sehr geeignet. Ich bitte Sie, die gute Tradition der Tischgebete wieder mehr zu pflegen. 9 Die Bibel beginnt mit zwei Schöpfungstexten, die keine historischen Berichte sind. Sie preisen vielmehr die Schöpfung und fordern, dass wir gut mit ihr umgehen. Bevor Gott den Menschen seine Werke übergibt, segnet er sie, damit sie die gute Schöpfung zum Segen für alle Geschlechter machen (vgl. Gen 1,28-29). Ein neuer Lebensstil Liebe Schwestern und Brüder! Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Fastenzeit zum Entschleunigen und Nachdenken, für Gespräche und zur Besinnung, die Ihr Leben erneuern. Papst Franziskus fordert uns zu einem anderen Lebensstil auf. Er sagt uns, dass wir Menschen Teil der Schöpfung sind und Verantwortung für das Ganze haben. Alle Lebensbereiche, vor allem die Familien, Schulen und Ausbildungsstätten, sollen Lernorte für die 10 Bewahrung der Schöpfung werden. Ziel ist die Umkehr – weg vom konsumorientierten hin zum nachhaltigen Leben und Handeln. Dafür bedarf es auch einer spirituellen Neuausrichtung: die Dankbarkeit für das Geschenk der Schöpfung und die Besinnung auf Gott, den Schöpfer. Wichtig ist die wertschätzende Achtsamkeit der Menschen füreinander und für die Mitgeschöpfe, die Pflanzen, Tiere und ihre Lebensräume. Es bedarf der Bekehrung zu einem demütigen und einfachen Lebensstil, der von Freude und Frieden geprägt ist. Papst Franziskus schreibt in „Laudato si“: „Die Gewissheit, dass Christus diese materielle Welt in sich aufgenommen hat und jetzt als Auferstandener im Innersten eines jeden Wesens wohnt, es mit seiner Liebe umhüllt und mit seinem Licht durchdringt“ (LS 221), erfüllt uns mit der Hoffnung, dass die Welt noch zu retten ist. Denn er, der Gekreuzigte, ist 11 auferstanden, um alles zu erneuern, auch die Schöpfung – so hat es die zweite Lesung heute verkündet. Daher bitte ich Sie, Ihren Beitrag für unsere Umwelt zu leisten und dem Gebet entsprechend zu leben: „Wir beten für das Geschenk der Schöpfung – um sie für die nächsten Generationen zu bewahren.“ Eine gesegnete Fastenzeit! Dazu segne Sie der gute Gott, der + Vater und der + Sohn und der + Heilige Geist. Ihr Erzbischof Dr. Ludwig Schick Dieses Wort ist am Sonntag, 14. Februar 2016, in allen Gottesdiensten, auch in den Vorabendmessen und WortGottes-Feiern, zu verlesen. 12
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