Werkbeschrieb Mit seinem dritten und bis heute bekanntesten Oratorium, DIE SCHÖPFUNG (Hob. XXI:2), schuf Joseph Haydn einen eigentlichen Blockbuster der Chorliteratur: Seit der Wiener Uraufführung im Jahr 1798 blickt DIE SCHÖPFUNG u.a. dank der zweisprachigen Konzeption auf eine ununterbrochene Aufführungstradition zurück. Seit diesem Schuljahr leitet Michael Schraner nebst den Aargauer Vokalisten und dem Kammerchor C21 auch den Chor der Alten Kantonsschule Aarau. Diese Konstellation ermöglicht die Zusammenarbeit dreier unterschiedlicher Klangkörper, die Haydns Meisterwerk mit einer Chorstärke von rund 160 Sängerinnen und Sängern einüben und am 1. und 2. April 2016 in der Stadtkirche Aarau zusammen mit dem auf historisch informierte Aufführungspraxis spezialisierten und im Kanton Aargau beheimateten BAROCKORCHESTER CAPRICCIO aufführen werden. Für die Solopartien konnten mit Maria C. Schmid (Sopran), Jakob Pilgram (Tenor) und Matthias Helm (Bariton) bewährte und stimmlich agile Kräfte gewonnen werden. Die Aargauer Vokalisten zusammen mit Michael Schraner werden auch dieses Mal ihren gesetzten Standards in Musikvermittlung gerecht: Den Abendkonzerten gehen kommentierte Konzerteinführungen mit allen Ausführenden voraus. Die Tatsache, dass jeweils gut ein Drittel bis die Hälfte des Konzertpublikums diese Einführungen besucht, spricht für sich. Ausserdem wird bereits zum dritten Mal am späteren Samstagsnachmittag ein Familienkonzert mit Auszügen aus Haydns Oratorium stattfinden, ebenfalls in voller Besetzungsgrösse und moderiert vom Dirigenten. Haydn schrieb DIE SCHÖPFUNG im Auftrag Gottfried van Swietens, der selber auch das Libretto verfasste. Ein wesentlicher Impuls erhielt der Komponist jedoch durch riesig besetzte Aufführung von Oratorien Georg Friedrich Händels in der Westminster Abbey in London im Jahr 1791. Dabei soll Haydn den Wunsch geäussert haben, „ein Werk ähnlicher Art zu komponieren“. Durch seinen Londoner Impressario Salomon erhielt er ein englisches Libretto, das er nach seiner Rückkehr aus England im Sommer 1795 an van Swieten zur weiteren Bearbeitung gab. Die Uraufführung der SCHÖPFUNG fand in der gewohnt grossen Besetzung von rund 150 Musikern unter der Leitung des schon ziemlich betagten Komponisten (mit Jahrgang 1732) am 30. April 1798 im Wiener Palais Schwarzenberg vor den geladenen Gästen der Associierten Cavaliere statt. Die ungeduldig erwartete öffentliche Erstaufführung ging erst rund ein Jahr später im Wiener Hofburgtheater über die Bühne. Das Textbuch zur SCHÖPFUNG gliedert sich in drei Teile. Somit erzählt Haydns musikalische Umsetzung desselben mit viel Tonmalerei – einmal heftig mitreissend, dann wiederum intim berührend – vom Werden aller Dinge von der „Vorstellung des Chaos“ bis hin zum „O glücklich Paar“, den ersten Menschen. Im ganzen Werk übernimmt der Chor die Rolle der staunenden, jubelnden und kommentierenden Engel. Die Solopartien sind in den ersten beiden Teilen den drei Erzengeln Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass) zugeteilt. Raphael und Gabriel ‚mutieren’ im dritten Teil zu Adam und Eva. Haydns aufgeklärter Geist und musikalischer Witz haben auch subtil Eingang in die Partitur dieses Meisterwerks gefunden. Während sich die Arien, geprägt durch liedhafte Melodik, deutlich vom Stile Händels abheben, ist dessen Vorbildfunktion in den klanggewaltigen Chorsätzen nicht zu überhören. Dennoch schafft Haydn auch hier individuelle Ausprägungen, etwa durch den Wechselgesang mit dem Solistenterzett („Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“), durch eine doppelchörige Anlage („Der Herr ist gross“) oder mit den Chorstimmen als Klangteppich für die Solopartien von Adam und Eva („Gesegnet sei des Herren macht“). Bis heute in seiner Modernität bemerkenswert ist die instrumentale Einleitung, in der Haydn konsequent die jeweils erwarteten harmonischen Auflösungen vermeidet und so die Idee des Chaos in reine Musik fasst (Haydn-Lexikon). Von unmittelbarer Wirkung sind die orchesterbegleiteten Rezitative, in denen die Naturbeschreibungen derart wirkungsvoll in musikalische Szene gesetzt werden, dass zeitgenössische Kritiker Haydn der zu diesem Zeitpunkt als altmodisch geltenden Tonmalerei bezichtigten. Aber auch hier zeigt sich wiederum Haydns kompositorische Meisterschaft und Raffinesse – hört man doch häufig die Naturbilder zunächst rein musikalisch dargestellt, bevor sie singenderweise benannt werden („Und Gott machte das Firmament“ und „Und Gott sprach, es bringe die Erde hervor lebende Geschöpfe“). Dem Publikum gefiel es schon damals, wie der berühmt gewordene Bericht in den Briefen „eines Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kakran über d’Wienstadt“ aus einer Wiener Wochenzeitschrift illustriert: Da hat bloss d’Musik den Donner und Blitz ausdruckt, und da hat der Herr Vetter den Regenguss und’s Wasser rauschen ghört, und da haben d’Vögel wirklich gsungen, und der Löw hat brüllt, und da hat man so gar hörn können, wie d’Würmer auf der Erde fortkriechen. Die Aargauer Vokalisten freuen sich bereits jetzt auf die Auseinandersetzung mit diesem Werk und insb. der anspruchsvollen Chorpartie. Vorwiegend verwendete Quelle: Haydn Lexikon (Laaber, 2010)
© Copyright 2025 ExpyDoc