Kardinal Woelki zum nachsynodalen Schreiben des Papstes Kirche

Kardinal Woelki zum nachsynodalen
Schreiben des Papstes
Kirche muss Menschen nahe sein – Differenzierte
Wahrnehmung
Köln. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat in einer ersten Stellungnahme das
nachsynodale Schreiben „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus gewürdigt:
„Schon eine erste oberflächliche Befassung zeigt für mich das Kennzeichnende
dieses Textes: Der Papst stellt zum einen die großen biblischen, theologischen und
kirchlichen Zusammenhänge her und wendet sich andererseits geradezu akribisch
dem einzelnen Menschen und seiner Lebenssituation zu. Daraus wird eine
großartige katechetische Bewegung, die die liebende Zuwendung Gottes zu jedem
Menschen aufscheinen lässt: In der gelebten Liebe kann sich trotz ihrer
Gefährdungen und Schattenseiten 'ein Traum Gottes mit uns Menschen'
verwirklichen.
Für Papst Franziskus ist überaus wichtig, dass die Kirche den Menschen nahe ist,
dass sie durch ihre Art zu sprechen und zu handeln jeden Anschein einer
idealistischen Überhöhung, undifferenzierten Beurteilung, lieblosen Verurteilung oder
gar Ausgrenzung vermeidet. Diese Haltung der Nähe, eines „demütigen Realismus“
und der Barmherzigkeit bleibt in einer Spannung dazu, dass die Kirche immer „Mater
et Magistra“ ist, Mutter und Lehrerin, die den Menschen nichts von dem vorenthalten
darf, was der Schöpfer mit der Schöpfung gewollt und durch Christus gelehrt hat.
Weder Dogmatismus noch Beliebigkeit führen zum Ziel, sondern nur die beharrliche
Zuwendung im Geist Christi, jene Barmherzigkeit, die keine billige Gnade ist, sondern
der Vernunft das Herz zur Seite stellt. Kennzeichnend dafür ist allein schon die
Kapitelüberschrift „Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden und eingliedern“.
Das ist anstrengend, das ist aufwändig, das führt im Zweifel zu vielen Fragen,
erfordert Respekt und Klugheit, aber dieser Ansatz des Papstes fördert nicht zuletzt
die Gewissensbildung und damit im besten Sinne die Verantwortung jedes einzelnen
- als Ehefrau oder -mann, als Alleinlebende, als Bischof oder Priester.
Der Text muss nun in seiner ganzen Tiefe intensiv studiert werden; ihm sind viele
aufmerksame Leserinnen und Leser zu wünschen, die dieses sehr differenzierte
Dokument aufmerksam lesen und die darin enthaltenen Spannungen und offenen
Fragen auszuhalten versuchen, statt sie durch die gängigen Klassifizierungen in je
ihrem Sinn zu erledigen.“ (pek 160408)