OLG München, Beschluss v. 01.03.2016 – 34 Wx 70/16 Titel: Beschwerde gegen Eintragung einer Zwangshypothek am Grundstücksanteil anderen Miteigentümers Normenketten: GBO §§ 53 I, 55 I, II 1, 71 ZPO §§ 81, 88 II, 864 II, 867 I, II § 71 GBO § 76 GBO § 727 ZPO § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO Leitsätze: 1. Teilweise unzulässige, teilweise unbegründete Beschwerde gegen die Eintragung verteilter Zwangshypotheken. (amtlicher Leitsatz) 2. Dem Miteigentümer fehlt die Beschwerdeberechtigung gegen die Eintragung einer Zwangshypothek am Grundstücksanteil des anderen Miteigentümers. (amtlicher Leitsatz) Schlagworte: Zwangshypothek, Beschwerdeberechtigung, Miteigentümer, Grundstück, Amtswiderspruch Gründe Oberlandesgericht München 34 Wx 70/16 Beschluss vom 1.3.2016 AG München - Grundbuchamt 34. Zivilsenat Leitsatz: In der Grundbuchsache Beteiligte: 1) Dr. B. - Antragsgegner und Beschwerdeführer 2) B. - Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin wegen Eintragung von Zwangshypotheken erlässt das Oberlandesgericht München - 34. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwegler und den Richter am Oberlandesgericht Kramer am 01. März 2016 folgenden Beschluss Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Eintragung verteilter Zwangshypotheken auf dessen Hälfteanteilen in den Grundbüchern des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - von ... Bl. 9467 (Abt. III/9) und Bl. 8806 (Abt. III/5) je zugunsten der Landeshauptstadt München wird zurückgewiesen, die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird verworfen. Gründe: 1 I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind im Grundbuch als Miteigentümer zu 1/2 von Grundbesitz (Bl. 9467: Wohnhaus, Hofraum und Garten; Bl. 8806: Garage) eingetragen. Jeweils am Anteil des Beteiligten zu 1 sind seit 24.11.2005 eingetragen: a) Bl. 9467: Zwangssicherungshypothek zu 18.003,64 € für Landeshauptstadt M. zuzüglich Zinsen gemäß Versäumnisund Endurteil des Arbeitsgerichts M. vom 2.5.2002 Az. ... b) Bl. 8806: Zwangssicherungshypothek zu 1.500 € für Landeshauptstadt M. zuzüglich Zinsen gemäß Versäumnis- und Endurteil des Arbeitsgerichts M. vom 2.5.2002 Az. ... 2 In beiden Grundbüchern befinden sich am 7.1.2013 eingetragene Zwangsversteigerungsvermerke. 3 Mit Schreiben vom 19.1.2016 - per Telefax erstmals eingegangen am 26.1.2016 - erhoben beide Beteiligte Beschwerde „gem. § 71 GBO wegen Eintragung“ der bezeichneten Zwangshypotheken. Die Eintragungen seien von der Rechtsnachfolgerin (STKM GmbH) der Titelgläubigerin (Landeshauptstadt M.) ohne Umschreibung des Titels beantragt worden, nicht von der Titelgläubigerin selbst oder in deren Vollmacht. Dies sei erst jetzt bekannt geworden; die beantragende Stelle habe ihnen derartige Vollstreckungsabsichten nicht mitgeteilt. Ebenso wenig sei dem Beteiligten zu 1 die vorgenommene Eintragung vom Grundbuchamt mitgeteilt worden. Es werde Löschung gemäß § 53 GBO, hilfsweise die Eintragung eines Widerspruchs und vorab der Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 76 GBO) beantragt. 4 Mit Beschluss vom 18.2.2016 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Eintragung seinerzeit geprüft worden seien und vorgelegen hätten. Namentlich sei eine Klausel nach § 727 ZPO nicht erforderlich gewesen. Von einer etwaigen Ausgliederung unter Gründung einer GmbH sei dem Grundbuchamt nichts bekannt gewesen. Die Hypotheken seien auch nicht im Namen der GmbH zugunsten der Landeshauptstadt beantragt worden. Aktuell liege ebenfalls kein Nachweis des Übergangs der hypothekarisch gesicherten Forderung vor, was ohnehin keine Unwirksamkeit der Eintragung zur Folge hätte. Eine Schuldneranhörung sehe das Gesetz nicht vor. Die Zustellung des Titels sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Eintragungsbekanntmachung des Grundbuchamts sei als unzustellbar zurückgekommen. 5 II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 6 1. Unzulässig ist das Rechtsmittel, soweit es von der Miteigentümerin, der Beteiligten zu 2, eingelegt ist. Dieser fehlt es nämlich an der Beschwerdeberechtigung. Beschwerdeberechtigt ist nur, wessen Rechtsstellung durch die Entscheidung oder Eintragungstätigkeit des Grundbuchamts unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt wäre, falls diese in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn unrichtig wäre (Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rn. 58). Genügen würde auch ein rechtlich geschütztes Interesse (BayObLG Rpfleger 1979, 210). Rein wirtschaftliche Interessen genügen hingegen nicht. 7 Miteigentumsanteile an Grundstücken sind als Belastungsgegenstand rechtlich selbstständig (§ 1008 BGB, § 864 Abs. 2 ZPO). Die ausgewiesenen Hypotheken an den dem Beteiligten zu 1 gehörenden Anteilen berühren rechtlich nicht die Anteile der Beteiligten zu 2. Denn jeder Anteil ist grundsätzlich selbstständig; jeder Teilhaber ist allein verfügungsberechtigt (vgl. § 747 Satz 1 BGB). Demnach kann sich die Beteiligte zu 2 nicht aus ihrer eigenen Mitberechtigung am Grundstück gegen die Belastung des Bruchteils des anderen Miteigentümers wenden (KG HRR 1932 Nr. 1469; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 74), mag diese auch auf einer Maßnahme der Zwangsvollstreckung beruhen. 8 2. Hingegen kann der Beteiligte zu 1 als Betroffener gegen die Eintragung im Grundbuch nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO unbefristete Beschwerde mit dem Ziel einlegen, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit herbeizuführen. Darüber hinaus ist die Eintragung einer inhaltlich zulässigen Zwangshypothek ausnahmsweise mit dem Ziel der Löschung nach § 22 GBO angreifbar, wenn nach dem konkreten Inhalt des Grundbuchs die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft rechtlich ausgeschlossen ist (Demharter § 71 Rz. 45; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2199; Bittmann in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 57) oder wenn die Eintragung nichtig ist (BayObLGZ 1992, 13/14; Bittmann in Wieczorek/Schütze § 867 Rn. 42; MüKo/Eickmann ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 51). 9 Die Beschwerde nach § 71 GBO - und nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO oder die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO - ist daher auch dann der zutreffende Rechtsbehelf gegen eine Zwangshypothek, wenn der Eigentümer - wie hier - das Fehlen von Vollstreckungsvoraussetzungen beanstandet (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 71; Demharter § 71 Rn. 55; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 36. Aufl. § 765 Rn. 8b; Schöner/Stöber Rn. 2199). 10 a) Mit dem Ziel der Löschung kann die Beschwerde nicht durchdringen. 11 Unzulässig im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO sind nur Eintragungen, die nach ihrem Inhalt einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbaren, den es aus Rechtsgründen nicht geben kann (BGH NJW-RR 2005, 10/11; BayObLGZ 2001, 301/305; OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer § 53 Rn. 56). Dabei muss sich die Unzulässigkeit der Eintragung aus dem Eintragungsvermerk selbst oder den zulässig in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergeben (BayObLGZ 1975, 398/403). 12 Die mit der Beschwerde angegriffenen Eintragungen sind nicht in diesem Sinne unzulässig. Das Gesetz sieht die Eintragung von Zwangshypotheken an Bruchteilen mit dem in den Eintragungenverlautbarten Inhalt auf der Grundlage eines vollstreckbaren Titels vor, § 864 Abs. 2, §§ 866, 867 Abs. 1 und 2 ZPO. 13 b) Mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs hat die Beschwerde keinen Erfolg. 14 Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (Hügel/Holzer § 53 Rn. 24). Dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein (Demharter § 53 Rn. 28). 15 aa) Bei der Eintragung hat das Grundbuchamt nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Deshalb spielt es bereits keine Rolle, ob das Grundbuch unrichtig ist. 16 (1) Der notwendige Eintragungsantrag (§ 867 Abs. 1 ZPO) lag vor. Er wurde namens der im Titel ausgewiesenen Gläubigerin gestellt, und zwar von den ebenfalls im Titel ausgewiesenen Rechtsanwälten als deren auch für die Zwangsvollstreckung ermächtigten Verfahrensbevollmächtigten. Bei anwaltlicher Vertretung wird die Vollmacht nicht von Amts wegen geprüft, sondern nur auf Rüge (vgl. § 88 Abs. 2 ZPO). Die Bestimmung gilt auch in der Zwangsvollstreckung, weil sich die im Erkenntnisverfahren erteilte Vollmacht auch auf das Vollstreckungsverfahren erstreckt (§ 81 ZPO; Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 867 Rn. 2; Hügel/Wilsch ZwSi Rn. 6). Eine weiter gehende Prüfung, ob die im Vollstreckungsverfahren auftretenden Rechtsanwälte auch tatsächlich von der ausgewiesenen Titelgläubigerin - oder aber einer ausgegliederten und nicht ausgewiesenen (vgl. § 727 ZPO) Rechtsnachfolgerin - beauftragt waren, hatte das Grundbuchamt damit nicht anzustellen. 17 (2) Auch die weiteren vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangshypotheken (Schöner/Stöber Rn. 2169 - 2179) zugunsten der Landeshauptstadt M. waren gegeben. 18 Dem Grundbuchamt lag ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vor (§ 704 ZPO; § 62 ArbGG). Die Titelzustellung - am 21.5.2002 - als eine Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist in der vorgelegten vollstreckbaren Ausfertigung (§§ 724, 725 ZPO) festgehalten und nachgewiesen. Eingetragen wurde antragsgemäß die im Titel bezeichnete Klagepartei als Gläubigerin (Landeshauptstadt M.). Ob dieser - oder stattdessen einer ausgegliederten Gesellschaft - die ausgewiesene Forderung tatsächlich zusteht, berührt die Wirksamkeit der Grundbucheintragungen als solche nicht. 19 Die in der von der Gläubigerin zuletzt beantragten Form vorgenommene Eintragung der Zinsen als Nebenleistung mit Angabe eines Höchstzinssatzes (entsprechend der damals weit verbreiteten Meinung; vgl. BGH NJW 2006, 1341/1342) ist nicht zu beanstanden. 20 Das Verfahren auf Eintragung von Zwangshypotheken erfordert nicht die vorherige Schuldneranhörung (vgl. Zöller/Stöber Vor § 704 Rn. 28). Regelmäßig genügt hier die nachträgliche Anhörung mit der dann noch eröffneten Möglichkeit, gegen die Eintragung Rechtsbehelf zu ergreifen. Das gilt auch hier, selbst wenn die Eintragungsmitteilung nach § 55 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GBO dem Beteiligten zu 1 als eingetragenem (Mit)Eigentümer nicht zuging. Fehlten - wie hier nicht einfach aus den Grundakten oder dem postalischen Rückleitungsvermerk zu entnehmende - Anhaltspunkte für die aktuelle Zustellanschrift des betroffenen Eigentümers, so bedarf es keiner weiter gehenden Ermittlungen des Grundbuchamts (vgl. Schöner/Stöber Rn. 303; Hügel/Wilsch § 55 Rn. 33). Im Übrigen hätte eine Verletzung der durch § 55 GBO begründeten Pflicht keine Auswirkungen auf die vorgenommenen Eintragungen (Demharter § 55 Rn. 29; Hügel/Wilsch § 55 Rn. 32). 21 (3) Ebenso waren die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangshypotheken (Schöner/Stöber Rn. 2180 - 2183) gegeben. Namentlich bestand kein Anlass zur Prüfung, ob die vollstreckende und im Titel ausgewiesene Gläubigerin (Landeshauptstadt M.) zum damaligen Zeitpunkt noch Inhaberin der Forderung war. Denn eine materielle Prüfung des Titels und seines Bestands nimmt das Grundbuchamt im Rahmen des Eintragungsverfahrens nicht vor. 22 bb) Gemäß § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Zwangshypotheken daher mit Eintragung im Grundbuch zugunsten der Titelgläubigerin entstanden. Ob die titulierte Forderung im Zusammenhang mit der angeführten Ausgliederung auf eine selbstständige GmbH auf diese übergegangen ist und die akzessorischen Buchhypotheken deshalb materiell-rechtlich nicht mehr der im Titel verlautbarten Gläubigerin zustehen, kann an dieser Stelle auf sich beruhen. Denn mangels Verletzung gesetzlicher Vorschriften bei der Eintragung selbst könnte eine etwaige Grundbuchunrichtigkeit die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht rechtfertigen. Abgesehen davon wäre eine Unrichtigkeit des Grundbuchs auch nicht nachgewiesen. 23 3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, denn die Pflicht der Beteiligten zur Tragung der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt schon aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG. 24 Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht den addierten Hauptsachebeträgen der beanstandeten Hypothekeneintragungen (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 53 Abs. 1 GNotKG). 25 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor. 26 III. Mit dem erlassenen Beschluss entfällt eine Entscheidung über die begehrte einstweilige Anordnung nach § 76 GBO. 27 Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 01.03.2016.
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